"Wenn Ende der 60-er Jahre Unterhaltungssendungen wie 'Mit dem Herzen dabei' oder 'Spiel mit' Hunderttausende zum Mitmachen bewegen konnten, war das nicht per Parteibefehl zu schaffen.“
Was sich auf der Website des Mitteldeutschen Rundfunks liest wie eine Mischung aus Selbstbeweihräucherung und Nostalgie, ist nichtsdestotrotz eine Tatsache, die sich ebenso wenig von der Hand weisen wie in wenigen Worten erklären lässt. Unterhaltung nahm im Fernsehen der DDR einen ganz besonderen Stellenwert ein, der ihr per Parteiauftrag zugewiesen und damit zugleich ermöglicht wurde. Immer wieder zeigen Studien, und dies auch nach der Jahrtausendwende, dass Ostdeutsche anders und stärker unterhaltungsorientiert fernsehen als frühere Bundesbürger, und noch heute eine besondere Beziehung zu Stars und Formaten des damaligen Unterhaltungsfernsehens haben. Gleichzeitig wissen wir heute aber auch, dass sämtliche Bereiche des alltäglichen Lebens, besonders aber die Medien, von der SED als machthabender Partei organisiert, gesteuert und kontrolliert wurden. Vor diesem Hintergrund ist der Zwiespalt zu sehen, in dem sich das Fernsehen befand. Es musste den von der Staatsführung vorgegebenen Forderungen nachkommen, dabei jedoch gleichzeitig die Bedürfnisse der Zuschauer erfüllen. Schließlich sollte unter allen Umständen vermieden werden, die Zuschauer mangels eines attraktiven eigenen Programms an das „Westfernsehen“ zu verlieren – dies hätte jegliche Bemühungen um eine propagandistische Wirksamkeit des Fernsehens zunichte gemacht.
Die Medien in der DDR unterlagen in ihrer Gesamtheit einem System staatlicher Lenkung und Einflussnahme. Die vorliegende Arbeit geht folgenden Fragen nach: Hatte das Unterhaltungsfernsehen in der DDR eine Schlüsselfunktion als Instrument der ideologischen Propaganda – und wenn ja, warum? Auf welche Art und Weise wurde es in dieser Funktion genutzt? Wie wirkte sich der Spagat zwischen Parteiauftrag und Publikumsbedürfnissen auf die Programmgestaltung aus?
Eine Nachbemerkung bzw. Vorwarnung in eigener Sache: Eine Textpassage bezieht sich auf einen Original-Filmausschnitt des DDR-Fernsehens. Der Quellennachweis ermöglicht es aber bei Interesse, das diesbezügliche Fachbuch mit DVD käuflich zu erwerben bzw. auszuleihen.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- 1. BEGRIFFLICHKEITEN: DEFINITIONEN UND GEGENSTAND DER UNTERSUCHUNG
- 1.1 "Fernsehen der DDR"
- 1.2 Propaganda
- 1.3 Instrumentalisierung
- 1.4 Forschungsstand
- 1.5 Untersuchungsgegenstand
- 2. GRENZEN DER PROPAGANDA: DAS PUBLIKUM UND SEINE WÜNSCHE
- 2.1 Die DDR-Bürger und das Fernsehen
- 2.2 Der Einfluss des Zuschauerverhaltens auf die Programmpolitik
- 3. UNTERHALTUNG IN DER DDR – 40 JAHRE INSTRUMENTALISIERTEN FERNSEHENS
- 3.1 Die Grundlagen der Fernsehpropaganda in der DDR
- 3.2 Fernsehunterhaltung und Propaganda im Wandel
- 3.2.1 Labor-, Experiment-, Frühphase (1952-1955)
- 3.2.2 Etablierung, Konsolidierung und Formierung (1956-1960)
- 3.2.3 Phase der Differenzierung und Diversifikation (1961-69)
- 3.2.4 Assimilierung und Internationalisierung (1970-71)
- 3.2.5 Stagnation, Phase der Widersprüche und Ambivalenzen (1980-89)
- 3.3 Struktureller Aufbau der Einflussnahme
- 3.4 Die Umsetzung – Konzeption und Dramaturgie der Unterhaltungspropaganda
- 3.4.1 Instrumentalisierte Unterhaltung empirisch betrachtet
- 3.4.2 Ergebnisse - Unterhaltung als System
- 3.4.3 Auswertung
- 3.4.4 Politische Symbolik im Spielfilm
- 3.4.5 Ostdeutsche Fernsehunterhaltung am Beispiel der ,,Hochhausgeschichten"
- ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT
- QUELLEN
- ANHANG
- Anhang 1: Programmrelevante Einflüsse auf das DDR-Fernsehen der 80er Jahre
- Anhang 2: Richtung der politischen Aussagen nach Sendungstyp
- Anhang 3: Richtung der politischen Aussagen und thematische Orientierung in Unterhaltungssendungen ohne dramatische Handlung (DDR-Produktionen)
- Anhang 3-9: Zeittafeln zur Entwicklung des DDR-Fernsehens von 1952 bis 1991
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht das Unterhaltungsfernsehen der DDR als Instrument der ideologischen Propaganda. Sie analysiert, wie das Fernsehen in dieser Funktion genutzt wurde und wie sich der Spagat zwischen Parteiauftrag und Publikumsbedürfnissen auf die Programmgestaltung auswirkte. Die Arbeit beleuchtet die Methoden und Konzepte, die zum Einsatz kamen, um das Fernsehen propagandistisch wirksam werden zu lassen und gleichzeitig die Wünsche des Publikums zu erfüllen.
- Die Rolle des Unterhaltungsfernsehens als Instrument der Propaganda
- Die Instrumentalisierung des Fernsehens durch die SED
- Der Einfluss des Publikums auf die Programmgestaltung
- Die Konzeption und Dramaturgie der Unterhaltungspropaganda
- Die Wirksamkeit des instrumentalisierten Fernsehens
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den Forschungsstand dar. Sie beleuchtet die besondere Rolle des Unterhaltungsfernsehens in der DDR und den Zwiespalt zwischen Parteiauftrag und Publikumsbedürfnissen. Kapitel 1 definiert die Begriffe „Propaganda“ und „Instrumentalisierung“ und erläutert den historischen Kontext des DDR-Fernsehens. Kapitel 2 untersucht die Grenzen der Propaganda und den Einfluss des Publikums auf die Programmpolitik. Kapitel 3 analysiert die Entwicklung des Unterhaltungsfernsehens in der DDR und die Methoden der propagandistischen Einflussnahme. Es beleuchtet die Konzeption und Dramaturgie der Unterhaltungspropaganda und untersucht die Wirksamkeit des instrumentalisierten Fernsehens.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das Unterhaltungsfernsehen der DDR, Propaganda, Instrumentalisierung, Publikumsbedürfnisse, Programmgestaltung, Konzeption, Dramaturgie, Wirksamkeit, SED, Medienpolitik, Ostdeutschland.
- Quote paper
- Doreen Herok (Author), 2008, Zwischen Partei und Publikum - Das Unterhaltungsfernsehen der DDR als Propagandainstrument, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126932