Diese Arbeit untersucht die Frage, inwiefern das Verhältnis zwischen Holmes und Watson mit dem Verhältnis zwischen Data und La Forge vergleichbar ist respektive welche gemeinsamen Strukturelemente vorzufinden sind. Dazu wird im theoretischen Teil zunächst der Terminus Intermedialität definiert, wobei auch die Termini Medium und Text notwendigerweise erläutert werden, da sie in direktem Zusammenhang mit der Intermedialität stehen.
Daraufhin werden die Strukturelemente des Detektivromans dargestellt, was zu einer anschließenden Untersuchung der Merkmale und Funktionen von Detektiv- und Watson-Figur führt. Dabei steht insbesondere deren Verhältnis zueinander im Fokus. Analog dazu werden die Strukturelemente einer Science-Fiction-Serie dargestellt und dabei die Begriffe Science-Fiction sowie Serie terminologisch eingeordnet und definiert, worauf eine kurze Skizzierung des Phänomens Star Trek als Abschluss des theoretischen Teils folgt.
In der anschließenden exemplarischen Untersuchung steht der Vergleich zwischen Sherlock Holmes und Star Trek im Fokus respektive die jeweiligen Strukturelemente. Zu diesem Zweck dient das Werk Der Hund der Baskervilles von A. C. Doyle als Literaturvorlage, anhand derer die Charaktereigenschaften der Figuren Sherlock Holmes und Dr. Watson sowie deren Verhältnis zueinander analysiert und aufgezeigt werden. Mittels ausgewählter Episoden der Science-Fiction-Serie "Star Trek - The Next Generation" und damit verbundener szenischer Analyse werden die Charaktereigenschaften der Figuren Data und Geordi La Forge sowie deren Verhältnis zueinander aufgezeigt.
Mithilfe der Proxemik, die sich mit der Wirkungsweise von Positionen und Abständen von Personen in einem Raum beschäftigt, werden die unterschiedlichen Darstellungen der Figuren und die daraus resultierenden Wirkungsweisen in den relevanten Szenen kurz erörtert. Abschließend werden die erhobenen Daten miteinander verglichen und ein Fazit gezogen sowie die Frage, welche gemeinsamen Strukturelemente vorzufinden sind, beantwortet.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Teil
2.1.1 Intermedialität - Definition
2.1.2 Intermedialität - Funktionen
2.2.1 Strukturelemente eines Detektivromans
2.2.2 Detektiv und Watson-Figur
2.3.1 Strukturelemente einer Science-Fiction-Serie
2.3.2 Das Phänomen Star Trek
3 Exemplarische Untersuchung
3.1.1 Arthur Conan Doyle Der Hund der Baskervilles
3.1.2 Charakterisierung von Sherlock Holmes
3.1.3 Charakterisierung von Dr. Watson
3.1.4 Das Verhältnis zwischen Sherlock Holmes und Dr. Watson
3.2.1 Star Trek - The Next Generation
3.2.2 Charakterisierung von Data
3.2.3 Charakterisierung von Geordi La Forge
3.2.4 Das Verhältnis zwischen Data und Geordi La Forge
3.3.1 Vergleich der Figuren
3.3.2 Vergleich der Figurenverhältnisse
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
6 Anhang
1 Einleitung
Der britische Arzt und Schriftsteller Arthur Conan Doyle (1859-1930) erschuf mit Sherlock Holmes seinerzeit eine neue Art Detektivfigur in einer „bis dahin noch nicht dagewesenen Ausprägung“1 eines „exzentrischen Amateurdetektivs, der die Detektion als exakte Wissenschaft betreibt.“2 Die enorme Erfolgsgeschichte des „einzigen consulting detective der Weltgeschichte“3 kann im Rahmen dieser Arbeit nicht einmal ansatzweise erörtert werden.
Der Hund der Baskervilles war Doyles dritter Roman, erschienen unter dem Originaltitel The hound of the Baskervilles zwischen August 1901 und April 1902 im Strand Magazin, und erzählt „die berühmteste und gruseligste aller Sherlock-Holmes-Geschichten.“4 Auch in diesem Roman zeigt sich Holmes als Exzentriker, Außenseiter und Meister der Detektion, die er wie eine Wissenschaft betreibt und in deren Kontext er nicht zuletzt durch „Deduzieren von Sachverhalten aus scheinbar nebensächlichen Daten verblüfft.“5 Ihm gegenüber steht sein ständiger Begleiter Dr. Watson, der nach literarischen Gesichtspunkten einige wichtige Funktionen, dazu gehören erzähltechnische, handlungstechnische und rezeptionslenkende, erfüllt. Das Verhältnis der beiden Figuren zueinander kann wie folgt skizziert werden:
- Beide Figuren bilden einen Gegensatz.6
- Holmes gilt als exzentrischer Charakter mit zahlreichen Marotten,7 der bei seinen Äußerungen keine Rücksicht auf sein Gegenüber nimmt.8
- Watson übernimmt als Gegenpart eine soziale und selbstlose Rolle.9
- Watson ist Holmes´ einziger Freund und derjenige, der die sozialen Beziehungen zu allen anderen Figuren aufbaut.10
- In kriminalistischen Angelegenheiten dient Watson nur als Gehilfe für Holmes; für Holmes´ Denkprozesse dient Watson jedoch als Muse.11
- Die Freundschaft zwischen Holmes und Watson vermittelt dem Leser ein Gefühl von Sicherheit.12
Der US-amerikanische Drehbuchautor Eugene Wesley Roddenberry (1921-1991), bekannt unter dem Namen Gene Roddenberry, erschuf in den 1960er Jahren mit Star Trek „die inzwischen populärste Science-Fiction-Serie aller Zeiten.“13 In Star Trek - The Next Generation gibt es intermediale Bezüge zu Doyle und den o.g. Hauptfiguren: Der Androide Data verkörpert teilweise Eigenschaften, die mit jenen von Holmes vergleichbar sind, während Datas Freund Geordi La Forge ähnliche Eigenschaften wie Dr. Watson verkörpert. Die folgenden Äußerungen aus Der Hund der Baskervilles sowie aus Star Trek - The Next Generation verdeutlichen diese Vergleichbarkeit. Die Figuren bleiben zu diesem Zweck anonym:
- Äußerung von Figur A: „Mag sein, dass Sie selber keine Leuchte sind, aber Sie wirken erleuchtend.“
- Äußerung von Figur B: „Der Botschafter ist unhöflich, launenhaft und herausfordernd.“ Antwort von Figur C: „Sie besitzen reichlich von diesen Eigenschaften. Sie sollten unbedingt diese Gemeinsamkeiten herausarbeiten.“
Der intermediale Bezug wird einerseits explizit dadurch hergestellt, dass Data von den Kriminalgeschichten um Sherlock Holmes fasziniert ist, alle Romane liest und dessen Kriminalfälle auf dem Holodeck, einer computergesteuerten Simulation einer dreidimensionalen Umwelt, in der die Akteure mittels zuvor festgelegter Programme interagieren können,14 zu lösen versucht. Zu diesem Zweck taucht Data auf dem Holodeck in die Rolle des Sherlock Holmes ein und sein Freund Geordi La Forge spielt Dr. Watson. Andererseits werden intermediale Bezüge zu Holmes und Watson auch außerhalb des Holodecks – in impliziter Form – durch die vergleichbare Figurenkonstellation zwischen Data und Geordi La Forge hergestellt.
Folglich lautet die These: Strukturelemente der Sherlock-Holmes-Figur sind in der Science-Fiction-Serie Star Trek - The Next Generation wiederzufinden. Diese Arbeit untersucht die Frage, inwiefern das Verhältnis zwischen Holmes und Watson mit dem Verhältnis zwischen Data und La Forge vergleichbar ist respektive welche gemeinsamen Strukturelemente vorzufinden sind.
Um diese Frage zu beantworten, wird im theoretischen Teil zunächst der Terminus Intermedialität definiert, wobei auch die Termini Medium und Text notwendigerweise erläutert werden, da sie in direktem Zusammenhang mit der Intermedialität stehen. Daraufhin werden die Strukturelemente des Detektivromans dargestellt, was zu einer anschließenden Untersuchung der Merkmale und Funktionen von Detektiv- und Watson-Figur führt. Dabei steht insbesondere deren Verhältnis zueinander im Fokus. Analog dazu werden die Strukturelemente einer Science-Fiction-Serie dargestellt und dabei die Begriffe Science-Fiction sowie Serie terminologisch eingeordnet und definiert, worauf eine kurze Skizzierung des Phänomens Star Trek als Abschluss des theoretischen Teils folgt.
In der anschließenden exemplarischen Untersuchung steht der Vergleich zwischen Sherlock Holmes und Star Trek im Fokus respektive die jeweiligen Strukturelemente. Zu diesem Zweck dient das Werk Der Hund der Baskervilles von A. C. Doyle als Literaturvorlage, anhand derer die Charaktereigenschaften der Figuren Sherlock Holmes und Dr. Watson sowie deren Verhältnis zueinander analysiert und aufgezeigt werden. Mittels ausgewählter Episoden der Science-Fiction-Serie Star Trek - The Next Generation und damit verbundener szenischer Analyse werden die Charaktereigenschaften der Figuren Data und Geordi La Forge sowie deren Verhältnis zueinander aufgezeigt. Mit Hilfe der Proxemik, die sich mit der Wirkungsweise von Positionen und Abständen von Personen in einem Raum beschäftigt,15 werden die unterschiedlichen Darstellungen der Figuren und die daraus resultierenden Wirkungsweisen in den relevanten Szenen kurz erörtert.
Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, beschränkt sie sich auf 27 bedeutsame der insgesamt 178 produzierten Episoden aus Star Trek - The Next Generation. Dabei handelt es sich nicht um die Episoden, die auf dem Holodeck spielen und explizite Bezüge zu Sherlock Holmes herstellen, sondern um jene außerhalb des Holodecks, da nur diese die authentischen Charakterzüge der Figuren Data und Geordi La Forge sichtbar werden lassen.
Abschließend werden die erhobenen Daten miteinander verglichen und ein Fazit gezogen sowie die Frage, inwiefern das Verhältnis zwischen Holmes und Watson mit dem Verhältnis zwischen Data und La Forge vergleichbar ist respektive welche gemeinsamen Strukturelemente vorzufinden sind, beantwortet.
2 Theoretischer Teil
2.1.1 Intermedialität - Definition
Die Intermedialitätsforschung ist ein weites Feld und so ist es weder Sinn noch Zweck dieser Arbeit, einen vollständigen Überblick über dieses Forschungsfeld zu geben. Vielmehr geht es darum, mittels nachfolgender Definition eine für diese Arbeit relevante Grundlage zu schaffen.
Der terminologische Ausgangspunkt des Begriffs Intermedialität ist auf das Jahr 1812 zurückzuführen. Samuel Taylor Coleridge verwendete erstmals den Begriff Intermedium, jedoch nicht nach heutigem Verständnis als Fusion verschiedener Medien, sondern um das narratologische Phänomen der Allegorie als literarisches Zwischenspiel zwischen Allgemeinem und Besonderem zu bezeichnen.16 Um dem heutigen Verständnis des Begriffs Intermedialität gerecht zu werden, muss zunächst die theoretische Auffassung des Begriffs Medium geklärt werden:
Je nach Forschungsfeld wird der Begriff Medium unterschiedlich definiert. Allgemein formuliert bezeichnet ein Medium „die Gesamtheit der Kommunikationsmittel.“17 Da es einer kontextgebundenen Konkretisierung des Begriffs bedarf, sei auf Rajewsky verwiesen, die das Medium im Sinne eines „konventionell als distinkt angesehenen Kommunikationsdispositivs“18 auffasst. Im Gegensatz zu einer „technisch-materiell“19 fokussierten Auffassung ermöglicht es die Definition Rajewskys, „sowohl z.B. die Literatur, die nur ein semiotisches System verwendet, als auch den Film, der mehrere semiotische Systeme verwendet, die ihrerseits wiederum anderen Medien zuzuordnen sind, jeweils als (Einzel-)Medien zu definieren.“20
Somit beschreibt Intermedialität „Mediengrenzen überschreitende Phänomene, die mindestens zwei konventionell als distinkt wahrgenommene Medien involvieren.“21 Die Intermedialität teilt sich wiederum in drei Gegenstandsbereiche auf, die sowohl getrennt als auch in Kombination auftreten können:
1. Medienkombination, also eine physische Kopräsenz von mindestens zwei unterschiedlichen Medien, die im Zielmedium materiell präsent sind, beispielsweise Film oder Oper.
2. Medienwechsel, bei dem eine Übertragung vom Ausgangsmedium in ein Zielmedium erfolgt und anschließend nur das Zielmedium präsent ist, beispielsweise die Literaturverfilmung.
3. Intermediale Bezüge, bei denen ein bezugnehmendes Medium auf ein anderes Medium, auch Bezugsmedium genannt, verweist. Das Bezugsmedium bzw. dessen Zeichensystem ist dabei i.d.R. nicht präsent. Dazu gehören beispielsweise Bezüge eines Films auf die Literatur wie im Falle dieser Arbeit.22
Innerhalb der intermedialen Bezüge gibt es weitere Formen mit unterschiedlichen Funktionen, welche im nächsten Kapitel erläutert werden.
Historisch betrachtet ging dem Begriff Intermedialität der Begriff Intertextualität voraus respektive Intermedialität hat sich aus dem Phänomen der Intertextualität heraus entwickelt.
Die „Hegemonie zwischen Intertextualität und Intermedialität“23 bzw. „die Vorherrschaft oder Dominanz über die jeweils andere Theorie“24 führt im wissenschaftlichen Diskurs dazu, dass beide Begriffe wiederkehrend synonym verwendet werden.25 Um auch hier eine klare Basis für diese Arbeit zu schaffen und etwaige Widersprüche zu vermeiden, müssen folgend die Termini Text und Intertextualität beleuchtet werden:
Voraussetzung für eine klare Abgrenzung der Intermedialität von der Intertextualität wäre eine enggefasste respektive eine zweifach eingeschränkte Auffassung des Terminus Text:
1. Eingeschränkt gegenüber einem Textbegriff „in einem metaphorisch entgrenzten Sinne“26 Kristevas, der „jedes kulturelle System und jede kulturelle Struktur“27 beinhaltet. Nach Kristevas Textbegriff bestünden – resultierend aus der „dialogischen Relation aller Text untereinander“28 – zwischen sämtlichen Texten intertextuelle Bezüge. Darüber hinaus umfasse die Intertextualität nach dieser Definition des Terminus Text auch das Phänomen der Intermedialität.29
2. Eingeschränkt gegenüber einem weitgefassten Textbegriff in einem semiotischen Sinne, der sämtliche Medienprodukte beinhaltet.30
Folglich wäre der Terminus Text notwendigerweise ausschließlich für „verbalsprachlich fixierte Texte“31 definiert und es wäre folgende Unterscheidung möglich:
Während Intertextualität „die Theorie der Relationen zwischen Texten“32 bezeichnet, bezieht sich Intermedialität auf die „Theorie der Beziehungen zwischen Medien bzw. Produkten verschiedener Medien.“33 Die zugrundeliegende, sehr eng gefasste Definition des Terminus Text ist jedoch nicht unproblematisch, da „selbst beim Bezug zwischen verschiedenen sprachlichen Textformen (schriftlichen und mündlichen) bereits mehrere Medien involviert sind.“34 Insofern scheint es praktikabel und logisch, auch den Begriff Text nach Rajewsky als Medium im Sinne eines „konventionell als distinkt angesehenen Kommunikationsdispositivs“35 aufzufassen. Infolgedessen wird die Intertextualität zur Intramedialität und beschreibt „Phänomene, die nur ein Medium involvieren.“36
Als Grundlage für diese Arbeit lässt sich zusammenfassend sagen:
1. Der Terminus Medium wird „konventionell als distinkt angesehenes Kommunikationsdispositiv“37 begriffen und als Einzelmedium definiert, unabhängig davon, ob nur ein semiotisches System oder mehrere semiotische Systeme verwendet werden. Folglich werden Literatur wie auch Film respektive Serie als Einzelmedien definiert.
2. Intermedialität bedeutet „Mediengrenzen überschreitende Phänomene, die mindestens zwei konventionell als distinkt wahrgenommene Medien involvieren.“38
3. Der intermediale Bezug bezeichnet ein Verfahren, bei dem ein bezugnehmendes Medium auf ein anderes Medium verweist. Das Bezugsmedium bzw. dessen Zeichensystem, auf das verwiesen wird, ist dabei i.d.R. nicht präsent. Die beiden anderen Gegenstandsbereiche der Intermedialität sind für diese Arbeit nicht relevant.
4. Der Vollständigkeit wegen sei darauf hingewiesen, dass „Phänomene, die nur ein Medium involvieren“39, mit Intramedialität bezeichnet werden und der Begriff Intertextualität damit hinfällig ist. Da diese Arbeit auf inhaltliche Bezüge zwischen Film respektive Serie und Literatur – also auf Bezüge zwischen zwei Medien – fokussiert, spielt die Intramedialität nachfolgend keine Rolle.
Für andere konventionell als distinkt wahrgenommene Erzeugnisse medialer Kommunikation wird der Terminus Medienprodukt als Hyperonym für Filme, Serien etc. verwendet.
2.1.2 Intermedialität - Funktionen
Die verschiedenen Formen intermedialer Verhältnisse wurden bereits im Zuge der Definition erläutert. Da der intermediale Bezug für die vorliegende Untersuchung von besonderer Relevanz ist, soll diese Form und die damit verbundenen Funktionen nun näher betrachtet werden. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass es sich bei intermedialen Bezügen um Phänomene handelt, „die zunehmend Bedeutung für eine literaturwissenschaftlich ausgerichtete Forschung gewinnen; sie sind aber keineswegs auf diesen Forschungszweig beschränkt.“40 Schließlich lassen sich intermediale Bezüge ebenso in anderen Medien als kontaktnehmende Systeme nachweisen, beispielsweise in Film und Fernsehen. In Bezug auf Formen und Funktionen solcher intermedialer Bezüge erläutert Rajewsky:
„Jedes Medium kann auf andere Medien Bezug nehmen. Entscheidend ist dabei stets – sieht man einmal von der Kategorie ab, die hier als ‚explizite Systemerwähnung‘ bezeichnet wurde –, daß mit den Mitteln des eigenen Mediums eine Illusion, ein ‚Als ob‘ des Fremdmedialen hergestellt wird, die den Zuschauer, den Betrachter, den Hörer dazu veranlaßt, im eigentlich Filmischen, Theatralen, Malerischen, Musikalischen usf. ein anderes Medium wahrzunehmen. Eine solche Illusion des Fremdmedialen kann punktuell, also im Sinne einer Systemerwähnung, oder aber durchgehend, d.h. mittels einer Kontamination des kontaktnehmenden Systems hergestellt werden kann. Vorauszusetzen ist hier eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen den Elementen und/oder Strukturen des kontaktnehmenden und solchen des kontaktgebenden Systems; vorauszusetzen ist des weiteren eine Markierung und damit zugleich eine Rezeptionslenkung, die den intermedialen Bezug als solchen und als auf ein ganz bestimmtes Medium bezogen erkenn- und rezipierbar werden lassen.“ 41
Es ist jedoch nicht nur die Kategorie der expliziten Systemerwähnung, die auf „nicht-literarische kontaktnehmende Systeme übertragbar ist“42, sondern auch jene der „impliziten Markierung intermedialer Bezugnahmen – eine Form der Markierung, die durchaus auch im literarischen Medium denkbar und möglich ist, die jedoch in besonderem Maße relevant wird, setzt man andere Medien als kontaktnehmende Systeme an.“43 Rajewsky führt dazu weiter aus:
„Intermediale Rekurse können […] tatsächlich ebenso implizit markiert, d.h. so gestaltet sein, daß sie als an ein bestimmtes fremdmediales System gebundene erkennbar und rezipierbar werden, ohne daß es zu einer zusätzlichen oder dem Verfahren inhärenten expliziten Thematisierung des Bezugssystems oder bestimmter Komponenten desselben bedürfte. Dies setzt voraus, daß das Verfahren selbst bzw. genauer die Ähnlichkeitsbeziehung zwischen kontaktnehmendem und kontaktgebendem System auf eine ‚signalhafte‘, ‚offenkundige‘ Weise gestaltet ist – denn: Je deutlicher die Ähnlichkeitsbeziehung herausgearbeitet wird und je eindeutiger sie auf ein ganz bestimmtes Bezugssystem abhebt, desto stärker ist ihre rezeptionslenkende Kraft. Letztere wiederum ist notwendig sowohl für das Zustandekommen einer fremdmedial bezogenen Illusionsbildung als auch für die Erkenn-, Rezipier- und Nachweisbarkeit der Bezugnahme selbst.“ 44
Da der intermediale Bezug bei der hier vorliegenden Untersuchung – wie einleitend erwähnt – nicht nur implizit, sondern auch explizit vorliegt, bedarf es nicht zwingend „einer deutlich bzw. ‚signalhaft‘ herausgearbeiteten Ähnlichkeitsbeziehung.“45
Wie Rajewsky verweist auch Lexe schließlich auf die Rezeptionsleistung der Rezipienten, die darüber entscheidet, ob und inwiefern eine intermediale Bezugnahme gelingt und somit entsprechende Assoziationen hervorgerufen werden.46
Um die intermedialen Bezüge analysieren zu können, müssen zunächst die Strukturelemente des kontaktnehmenden sowie des kontaktgebenden Systems betrachtet werden.
2.2.1 Strukturelemente eines Detektivromans
Zunächst soll der Detektivroman als kontaktgebendes System terminologisch eingeordnet werden. Der Detektivroman gehört innerhalb der Epik zur übergeordneten Kategorie der Kriminalliteratur, die wiederum von der Verbrechensliteratur abzugrenzen ist. Während die Verbrechensliteratur auf das Verbrechen selbst und die darauffolgende Strafe fokussiert, beschäftigt sich die Kriminalliteratur in besonderem Maße mit den „Anstrengungen, die zur Aufdeckung des Verbrechens und zur Überführung und Bestrafung des Täters notwendig sind.“47 Das Verbrechen und die Strafe spielen im Vergleich zur Verbrechensliteratur eine untergeordnete Rolle.48
Innerhalb der Kriminalliteratur wird zwischen dem Detektivroman auf der einen und dem Thriller auf der anderen Seite unterschieden. Dem Detektivroman kann zunächst eine gewisse Formelhaftigkeit zugeschrieben werden, die auf Edgar Allan Poe zurückzuführen ist, der insbesondere in The Murders in the Rue Morgue Elemente verwendete, die als strukturweisend für nachfolgende Detektivgeschichten gelten.49 Charakteristisch für den Detektivroman ist seine Doppelstruktur zweier Geschichten, die zeitlich gegenläufig sind. So verläuft die Geschichte der Ermittlung und Aufklärung des Verbrechens in Richtung Zukunft, während die Geschichte des Verbrechens selbst in die Vergangenheit blickt. Dabei wird der Detektivroman analytisch und in einer bestimmten Reihenfolge – Verbrechen, Detektion und Lösung – erzählt, wobei das Verbrechen bereits zu Beginn des Romans geschah und ein Rätsel darstellt, welches vorrangig durch intellektuelle Bemühungen und spezifische Methoden des Detektivs gelöst werden soll.50 Nusser erläutert diesbezüglich:
„Der Mord wirkt im Detektivroman als Rätsel. Er ist zentrales Ereignis und hat doch nur auslösende Funktion. Nicht als Verbrechen ist er von Bedeutung, sondern als Anlaß für die Tätigkeit der Detektion.“ 51
Näther verweist dabei ausdrücklich auf die Bedeutung der wissenschaftlichen Methoden des Detektivs, die bei Doyles Sherlock Holmes seiner Zeit voraus waren.52 Die Aufklärung des Rätsels mit Hilfe dieser Methoden kann mit dem Schließen einer Lücke zwischen der Entdeckung des Verbrechens und den darauffolgenden Ereignissen gleichgesetzt werden, sodass der Detektiv als Lückenschließer im Text fungiert.53
Folglich rückt die Detektivfigur in den Mittelpunkt des Detektivromans, die sich entweder selbst an der Informationsbeschaffung aktiv beteiligt oder sich die nötigen Informationen zukommen lässt. Häufig verkörpert die Gestalt des Detektivs typische Merkmale wie Isolation und Einsamkeit, Exzentrik sowie diverse Gewohnheiten, mit denen sie aus der Norm fällt. Diese werden wiederum mit einer typischen Arbeitsweise – methodisches und analytisches Vorgehen, Deduktion, Kombination, genaue Beobachtungen noch so kleiner Details, Zeugenaussagen – kombiniert.54
Der Detektiv arbeitet jedoch nicht allein, sondern hat einen Mitarbeiter, der oftmals auch sein enger Vertrauter ist. Dieser wird in der Sekundärliteratur als Watson-Figur bezeichnet und erfüllt mehrere Funktionen, die im nächsten Kapitel näher erläutert werden.55
Charakteristisch für den Detektivroman sind überdies eine auf einen abgeschlossenen Raum begrenzte Handlung sowie eine beschränkte Zahl an Verdächtigen, wobei der gesuchte Täter zu diesen Verdächtigen gehört. Der Täter versucht, die Ermittlung des Detektivs mittels falscher Fährten in eine falsche Richtung zu lenken.56 Diese sogenannten red herrings beschreiben das Phänomen des Witterungsverlustes bei Spürhunden durch Heringsgeruch. Sie können in Form von rätselhaften Äußerungen und Beschreibungen, Homonymen, Blutspuren, Initialen o.ä. auftreten und bilden zusammen mit den clues – auch diese sollen beispielsweise in Form von Kleidungsstücken und Accessoires, körperlichen Besonderheiten, Fußspuren, akustischen Hinweisen o.ä. dem Detektiv wie auch dem Rezipienten eine Lösung des Falls suggerieren – eine unverzichtbare Ingredienz bei der Rätselkonstruktion.57
So lässt sich festhalten, dass der Detektivroman bestimmte Merkmale erfüllt, die ihn von anderer Kriminalliteratur unterscheidet. Detektiv und Watson-Figur stehen im Mittelpunkt dieser Romanform. Auf die Funktionen sowie auf das besondere Verhältnis zwischen beiden Figuren wird im Folgenden näher eingegangen.
2.2.2 Detektiv und Watson-Figur
Zentrale Figur eines jeden Detektivromans ist der Detektiv, der den Leser zum einen durch seine Gestalt, zum anderen durch seine Arbeitsweise faszinieren soll.
In Bezug auf seine Gestalt hat er als Identifikationsfigur die Funktion eines positiven Helden, über den sich der Leser in die Welt des Detektivs hineinversetzen kann. Darüber hinaus fungiert er als Träger der Ermittlung, die er auf unterschiedliche Weise durchführen kann.58 Zwischen Leser und Detektiv besteht eine gewisse Übereinstimmung bezüglich Moral und Gesellschaftsordnung, sodass der Detektiv im Roman gewisse Ansprüche vertritt, die der Leser akzeptiert.59 Um den rätselhaften Mord zu lösen, muss der Detektiv verschiedene Aufgaben erfüllen, zu denen vor allem eine besondere Wahrnehmung und gedankliche Kombination gehören. Kniesche bezeichnet den Detektiv folglich als „Denkmaschine“60 sowie als „Instrument der Informationsverarbeitung und der logischen Schlüsse.“61 Aufgrund der Ähnlichkeit der Aufgabenstellung – die Lösung des Rätsels respektive des Mordfalls – und der dazu erforderlichen Leistungen verweist Nusser folgerichtig auf die Problematik, die daraus für die Autoren der Detektivromane resultiert: Inwiefern lässt sich der Detektiv individuell gestalten?
Infolgedessen verkörpert der Detektiv neben seinen außerordentlichen Fähigkeiten auch gewisse Merkmale, die im vorigen Kapitel bereits skizziert wurden. Dazu gehören v.a. menschliche Schwächen oder extreme Angewohnheiten in unterschiedlichen Akzentuierungen, „die der Leser wiedererkennend belächeln kann.“62
In Bezug auf die Arbeitsweise ist festzustellen, dass diese deduktiv oder induktiv verlaufen kann. Unabhängig von dieser Unterscheidung ist die Vorgehensweise immer methodisch, analytisch, auf Exaktheit basierend und stützt sich dabei auf Naturwissenschaften und Fakten, wobei auch die Beobachtung von Nebensächlichkeiten und kleinster Indizien von Bedeutung sein können.63
Die sogenannte Watson-Figur ist ein enger Vertrauter des Detektivs und erfüllt mehrere Funktionen. Kniesche unterteilt sie in erzähltechnische, handlungstechnische und rezeptionsästhetische Funktionen,64 während Nusser lediglich zwischen erzähltechnischen und rezeptionsästhetischen Funktionen unterscheidet. Erzähltechnisch dient die Watson-Figur als Erzähler und zugleich als Gesprächspartner des Detektivs. Über deren Dialoge kann sich der Detektiv mitteilen und seine Denkvorgänge äußern. Bezüglich der rezeptionsästhetischen Funktion ist festzustellen, dass:
a) die Kommunikation zwischen beiden asymmetrisch verläuft, d.h. dass sich die Watson-Figur als dem Detektiv untergeordnet versteht. Dieser Umstand zeigt sich in deren Dialogen, wodurch die Genialität des Detektivs verdeutlicht und der Leser zu dessen Bewunderung animiert werden soll.
b) die Watson-Figur auch als Gehilfe für den Detektiv tätig ist und diesen somit in seinen vielen Aufgaben entlastet, wodurch der Detektiv erst Muße für die notwendige Denkarbeit finden und seine Genialität erneut unter Beweis stellen kann.
c) die Watson-Figur bedingt durch ihre untergeordnete Rolle in Relation zu dem Detektiv eine Doppelfunktion in Bezug auf den Leser übernimmt, indem sie einerseits durch ihr „inferiores Verhalten“65 das Selbstbewusstsein des Lesers und dessen Bindung an den Detektiv fördert und andererseits die Distanz zwischen Leser und der Figur des Detektivs durch falsche Schlussfolgerungen vergrößert.66
So übernimmt beispielsweise Doyles Dr. Watson als Ko-Protagonist von Holmes die Funktion des erzählenden Ichs in Form eines extradiegetisch-homodiegetischen Erzählers, mit dessen Hilfe Doyle das Verständnis des Rezipienten steuern und irreführen kann.67 Der Rezipient ist also abhängig von der internen Fokalisierung Watsons, in Folge derer Holmes mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten seinem Gehilfen Watson und somit auch dem Rezipienten gegenüber überlegen ist.68
Insgesamt geht daraus hervor, dass sowohl Detektiv als auch Watson-Figur spezifische Merkmale aufweisen und entscheidende Funktionen erfüllen, die eine zielgerichtete Wirkung auf den Rezipienten haben sollen und gleichzeitig das Verhältnis zwischen beiden Figuren prägen.
Die Art und Weise, wie die Figuren selbst, aber auch das Verhältnis der beiden vom Rezipienten wahrgenommen werden, hängt davon ab, in welcher Ausprägung diese Merkmale konkret gestaltet sind. Dies wird bei der exemplarischen Untersuchung eine entscheidende Rolle spielen. Zunächst aber sollen die Strukturelemente einer Science-Fiction-Serie als kontaktnehmendes System dargestellt werden.
2.3.1 Strukturelemente einer Science-Fiction-Serie
Wie beim Detektivroman lassen sich auch bei der Science-Fiction-Serie Strukturelemente nachweisen. Dafür müssen zunächst die Begriffe Science-Fiction und Serie terminologisch eingeordnet und definiert werden. Auf dieser Basis lassen sich dann die Strukturelemente abbilden.
Im Gegensatz zum Detektivroman gilt die Science-Fiction als „notorisch schwierig zu definieren“69 und lässt sich weniger eindeutig einem Genre und einer Gattung zuordnen, was auf die „Vielfalt der Genrekonzepte“70, die „unterschiedlichen gattungstheoretischen Prämissen“71 sowie auf divergierende Zielsetzungen von Genredefinitionen zurückzuführen ist.72 In Bezug auf die strukturellen Merkmale der Science-Fiction, die eine Einordnung in Gattung und Genre ermöglichen, stellt Spiegel zunächst fest:
„SF zeichnet sich weder durch ein festes Set an Motiven, Figuren und Schauplätzen noch durch ein klar begrenztes Arsenal an Plotstrukturen aus. Die Gemeinsamkeit liegt vielmehr in der Beschaffenheit der fiktionalen Welten, ihrer Ontologie und Konkretisierung.“ 73
Um diese Gemeinsamkeiten genauer bestimmen zu können, bezieht sich Spiegel auf Suvin:
„In SF-Filmen geschehen Dinge, die in unserer gewohnten Welt nicht möglich, nicht-realitätskompatibel und deshalb wunderbar sind, die jedoch – im Gegensatz zur Phantastik – keinen Bruch in der Ordnung der fiktionalen Welt darstellen. Suvin bezeichnet das die SF definierende wunderbare Element als Novum […]. Die SF definiert sich durch die erzählerische Vorherrschaft oder Hegemonie eines erdichteten Novums.“ 74
Dabei zeichnet sich die Science-Fiction durch Wissenschaftlichkeit aus, mit deren Hilfe ein solches Novum legitimiert wird.75 So kann nach Spiegel weiter differenziert werden:
„Im Gegensatz zum Märchen und der Fantasy, die beide in eigenen, von der unsrigen radikal verschiedenen Welten spielen, behauptet die SF, dass es zwischen ihrer fiktionalen Welt und der empirischen eine Kontinuität gebe […]. Das Novum – so die implizite Behauptung der SF – ist kein Phantasiegebilde aus einer Märchenwelt, sondern geht mit den Naturgesetzen unserer empirischen Welt konform, ist scheinbar realitätskompatibel.“ 76
Diese Realitätskompatibilität wird sowohl in der Science-Fiction-Literatur als auch im Science-Fiction-Film unter Verwendung eines naturwissenschaftlichen oder zumindest eines pseudo-naturwissenschaftlichen Vokabulars hergestellt,77 was als eines der wesentlichen Merkmale der Science-Fiction gilt. Der Vorteil des Films gegenüber der Literatur besteht darin, dass der Film als audio-visuelles Medium die Nova der Science-Fiction konkret sichtbar darstellen kann. Durch diese „Evidenz des photographischen Filmbildes“78 bleiben die Nova nicht vage Vorstellungen, sondern wirken auch unabhängig von der wissenschaftlichen Plausibilität überzeugend.79 Spiegel bezeichnet den Vorgang, „das Novum als Teil respektive Erweiterung der realen Welt kenntlich zu machen“80, als „Naturalisierung“81 und gleichzeitig als zentrales Element der Science-Fiction. Auf Basis dieser Merkmale kommt Spiegel zu folgender Definition von Science-Fiction:
„Science Fiction ist folglich jener Teil des Wunderbaren, der sich in seiner Bild- und Wortsprache an aktuellen Vorstellungen von Wissenschaft und Technik orientiert, um die bestehenden technologischen Verhältnisse in einen weiter fortgeschrittenen Zustand zu projizieren. Das technizistisch Wunderbare der Science Fiction hat eine dem Realitätseffekt analoge Wirkung zum Ziel, nämlich eine Aura der Wissenschaftlichkeit und technischen Plausibilität zu erzeugen.“ 82
Da sich Science-Fiction nicht über syntaktische und semantische Merkmale definiert, sondern über „naturalisiertes Wunderbares“83, kann sie Spiegel zufolge nicht als Genre im traditionellen Sinne gefasst werden. Der Autor plädiert stattdessen mit folgenden Argumenten dafür, die Science-Fiction als Modus aufzufassen:
„Die Unterscheidung zwischen Modus und Genre erlaubt es nicht nur, Filme […] zu erfassen, die außerhalb von etablierten Genrekonventionen stehen, aber dennoch eindeutig zur SF gehören. Sie löst auch das Problem, dass SF – primär als literarisches Phänomen – deutlich älter ist als die Bezeichnung ‚Science-Fiction‘. Bereits im 19. Jahrhundert wurde Literatur veröffentlicht, die retrospektiv als SF angesehen werden kann, aber in ganz anderen Genrekontexten geschrieben wurde.“ 84
Als weitere Strukturmerkmale seien „der technische Fortschritt, die Erweiterung der Welt, die Erweiterung des Menschen und die Begegnung mit dem Anderen“85 genannt.
Allen voran spielt der technologische Fortschritt sowie dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft, auch als Faktor für soziale Umbrüche, eine bedeutende Rolle. Dieser technologische Fortschritt ermöglicht die Erweiterung der Welt und dient nicht mehr nur einer komfortableren Fortbewegung auf der Erde, sondern ermöglicht es den Menschen, ihre „natürliche Umgebung, die Erde, in der Raumfahrt vollständig zu verlassen.“86 Als Voraussetzung dafür dient „die angewendete Technik nun nicht mehr nur der Fortbewegung, sondern gleichzeitig auch der Lebenserhaltung.“87 In der Science-Fiction wird der Raumfahrt eine „metaphorische Umsetzung des frontier myth “88 zugeschrieben und reicht dabei von Erforschung bis Eroberung. So stellt die Erweiterung der Welt einen deutlichen Kontrast zu den Voraussetzungen und Möglichkeiten früherer Gesellschaften der Menschheitsgeschichte dar, die in ihrem Aktionsradius auf die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel beschränkt waren.89
Die Erweiterung des Menschen zeigt sich in der Erschaffung künstlicher Intelligenzen sowie in der technologischen Verbesserung des Menschen und kann als trans- oder posthuman bezeichnet werden. Die Begegnung mit dem Anderen wird im Motiv des Außerirdischen am deutlichsten und trägt narratologisch dazu bei, das eigene Selbstverständnis der Menschheit in Frage zu stellen.90 Recht fasst diese Merkmale wie folgt zusammen:
„Science Fiction beschreibt die Gegenwart als Vergangenheit vom Standpunkt einer möglichen Zukunft aus! Hierbei wird über mögliche Entwürfe spekuliert und von Tendenzen ausgegangen, die sich in der Gegenwart abzeichnen. Dabei werden insbesondere Errungenschaften der Technowissenschaften und deren futuristische Auswirkungen imaginiert und in ökonomische, soziale und kulturelle Zusammenhänge integriert.“ 91
In Bezug auf die Rezeption heben Herrmann und Horstkotte hervor:
„Weil sie eine radikal veränderte Welt imaginieren, verursachen Science-Fiction-Erzählungen kognitive Verfremdungen, die ihre Leser dazu anregt, die eigene Realität unter neuen Bedingungen zu reflektieren […].“ 92
Die hier genannte kognitive Verfremdung wird im weiteren Verlauf noch eine wichtige Rolle spielen. Als Zwischenfazit lässt sich die besondere Bedeutung der Wissenschaft als Gemeinsamkeit innerhalb der Strukturelemente zwischen Detektivroman und Science-Fiction-Serie festhalten. Die Erweiterung der Welt bis hin zur Raumfahrt ist jedoch als deutlicher Kontrast zu den Voraussetzungen und Möglichkeiten der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts hervorzuheben.
Serialität respektive serielles Erzählen erfreut sich größter Beliebtheit. Die Erweiterung des linearen Fernsehens durch diverse Streaming-Anbieter schafft „neue Rezeptionsmodalitäten“93 und verstärkt die Popularität zahlreicher Serien. Staiger verweist auf die Feuilletons, welche die Serie als „neue epische Großform“94 bezeichnen. Wesentliches Strukturmerkmal einer Serie ist eine „auf Fortsetzung, Wiederkehr und Ähnlichkeit von Formen und Inhalten beruhende Struktur.“95 Weber und Junklewitz benennen vier Charakteristika einer Serie: 1. die Mehrteiligkeit, 2. die regelmäßige Ausstrahlung im Fernsehprogramm, 3. die besondere Art der Verknüpfung der einzelnen Segmente – hierzu gehören beispielsweise feste Figuren-Konstellationen mit den zugehörigen sozialen Verflechtungen sowie die Kontinuität der Handlung und Schauplätze – und 4. die auf Fortsetzung hin konzipierte Produktion.96 Die Autoren verweisen auf den Einfluss neuer Distributionswege, die dazu führen, dass diese Merkmale „eine Berechtigung haben, jedoch nicht universal einsetzbar sind“97 und gelangen zu folgender „Minimaldefinition“98 der Serie:
„Eine Serie besteht aus zwei oder mehr Teilen, die durch eine gemeinsame Idee, ein Thema oder ein Konzept zusammengehalten werden und in allen Medien vorkommen können.“ 99
Dabei kann strukturell zwischen Serien mit abgeschlossener Episodenhandlung (Episodenserie) und Serien mit episodenübergreifenden Handlungssträngen (Fortsetzungsserie) differenziert werden. Staiger bezeichnet die abgeschlossene Episodenhandlung als vertikales Erzählen und episodenübergreifende Handlungsstränge als horizontales Erzählen. Darüber hinaus sieht der Autor insbesondere in neueren Serien „ein großes Experimentierfeld für neue Erzählformen“100, die weit über das Prinzip der Wiederholung hinaus gehen und somit eine eindeutige Klassifizierung einer Serie in Bezug auf ihre narrative Struktur nur schwer möglich ist. Unabhängig von der Erzählstruktur können Serien als Parallelwelten mit Nähe zur Lebenswirklichkeit der Rezipienten bezeichnet werden, auch in Bezug auf Science-Fiction-Serien, „deren Figuren oft mit ähnlichen Konflikten und Problemen zu kämpfen haben wie ihre Zuschauer.“101
Unter dem Namen Star Trek werden seit Produktionsbeginn in den 1960er Jahren kontinuierlich Science-Fiction-Serien produziert, „deren erfolgreiche Vermarktung in der Fernsehbranche einzigartig ist“102, sodass dieses „multimediale Phänomen“103 im Fokus des folgenden Kapitels steht.
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1 Kniesche (2015), S. 55.
2 Ebd.
3 Ebd.
4 Jacke (2017), S. 74.
5 Kniesche (2015), S. 56.
6 Vgl. Jacke (2017), S. 152.
7 Vgl. ebd., S. 85.
8 Vgl. ebd., S. 153.
9 Vgl. ebd.
10 Vgl. ebd.
11 Vgl. ebd.
12 Vgl. Jacke (2017), S. 154.
13 Gerber; Raska (1998), S. 4.
14 Vgl. Stoppe (2008), S. 98.
15 Vgl. Raschke (2018), S. 70.
16 Vgl. Müller (2009), S. 31.
17 Schanze (2002), S. 200.
18 Rajewsky (2002), S. 7.
19 Ebd.
20 Ebd.
21 Ebd., S. 19.
22 Vgl. ebd.
23 Kopajtic (2014), S. 139.
24 Ebd.
25 Vgl. ebd., S. 139.
26 Rajewsky (2002), S. 206.
27 Ebd.
28 Ebd., S. 47.
29 Vgl. Völkel (2010), S. 2.
30 Vgl. Rajewsky (2002), S. 206.
31 Ebd., S. 60.
32 Ebd., S. 44.
33 Ebd.
34 Völkel (2010), S. 3.
35 Rajewsky (2002), S. 7.
36 Ebd., S. 19.
37 Ebd., S. 7.
38 Ebd., S. 19.
39 Ebd.
40 Ebd., S. 162.
41 Ebd.
42 Ebd., S. 172.
43 Ebd.
44 Ebd., S. 172f.
45 Ebd., S. 173.
46 Vgl. Lexe (2012), S. 68.
47 Nusser (1992), S. 1.
48 Vgl. ebd.
49 Vgl. Gremler (2010), S. 10.
50 Vgl. Kniesche (2015), S. 14.
51 Nusser (1992), S. 26.
52 Vgl. Näther (2020), S.2.
53 Vgl. Gehrke (2003), S. 25.
54 Vgl. Nusser (1992), S. 44ff.
55 Vgl. ebd., S. 46f.
56 Vgl. Kniesche (2015), S. 15.
57 Vgl. Gehrke (2003), S. 180ff.
58 Vgl. Kniesche (2015), S. 14.
59 Vgl. Nusser (1992), S. 44.
60 Kniesche (2015), S. 14.
61 Ebd.
62 Nusser (1992), S. 44.
63 Vgl. ebd., S. 46.
64 Vgl. Kniesche (2015), S. 56f.
65 Nusser (1992), S. 47.
66 Vgl. ebd., S. 47f.
67 Vgl. Gremler (2010), S. 70f.
68 Vgl. ebd., S. 77.
69 Herrmann; Horstkotte (2016), S. 152.
70 Spiegel (2007), S. 19.
71 Ebd.
72 Vgl. ebd., S. 24.
73 Ebd., S. 29.
74 Ebd., S. 42.
75 Vgl. ebd., S. 42f.
76 Ebd., S. 46f.
77 Vgl. ebd., S.47.
78 Ebd., S. 48.
79 Vgl. ebd.
80 Schmeink; Spiegel (2018), S. 2.
81 Ebd.
82 Spiegel (2007), S. 51.
83 Schmeink; Spiegel (2018), S. 3.
84 Ebd., S. 3f.
85 Ebd., S. 4.
86 Stoppe (2008), S. 96.
87 Ebd.
88 Schmeink; Spiegel (2018), S.5.
89 Vgl. Stoppe (2008), S. 96.
90 Vgl. Schmeink; Spiegel (2018), S. 5f.
91 Recht (2002), S. 3.
92 Herrmann; Horstkotte (2016), S. 152.
93 Staiger (2019), S. 175.
94 Ebd.
95 Ulrich; Knape (2015), S. 76.
96 Vgl. Weber; Junklewitz (2008), S. 15ff.
97 Weber; Junklewitz (2008), S. 18.
98 Ebd.
99 Ebd.
100 Staiger (2019), S. 173.
101 Ebd., S. 174.
102 Gerber; Raska (1998), S. 4.
103 Ebd.
- Quote paper
- Marcel Gustke (Author), 2021, Strukturelemente der Sherlock-Holmes-Figur in der Science-Fiction-Serie "Star Trek - The Next Generation", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1268924
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