In dieser Publikation geht es um die Beobachtung von zwei mexikanischen Jungen, von denen der eine in Mexiko-Stadt und der andere in Puerto Escondido (Bundesstaat Oaxaca) lebt, und um das sich mit ihnen im Rahmen des vorliegenden therapeutischen Experiments aus dieser Beobachtung ergeben hat. Der Schwerpunkt liegt auf dem ersten Jungen.
Der erste heißt offiziell José Guillermo A.G., aber ich habe ihm den Namen Joselito gegeben. Warum ist das so gewesen?
In Erinnerung an einen spanischen Jungen mit goldener Stimme aus den 1950er und 1960er Jahren. José-Guillermo: Joselito. Denn während Joselito, das singende Kind, Gold in der Stimme hatte, hatte Joselito, das autistische mexikanische Kind, meiner Meinung nach Gold in der Seele. Aus demselben Grund habe ich mich auf ihn konzentriert, weil ich selbst so viel von ihm gelernt habe.
Der zweite Junge heißt Iván, ich habe ihm seinen Vornamen gelassen.
Die beiden Jungen weisen eine unterschiedliche Art von Autismus auf, der bei dem ersten als "tief" (dazu später mehr) und bei dem zweiten als Asperger diagnostiziert.
INHALTSVERZEICHNIS
I. EINFÜHRUNGSTEXTE
Hinweis
Einleitung
Prolog ("Alle auf die Tanzfläche")
Vorwort (Vorstellung des Buches)
Aufbau des Buches (Inhaltsverzeichnis)
II. INFLEXIONEN - Teile I und II
Vorüberlegungen zum Experiment und ihr Weg durch die Raum-Zeit des Projekts
Teil I - Theoretik
Kapitel 1: Vorgehensweise
1. Ein narroanalytischer Ansatz
2. Anwendungsbereiche
3. Narroanalytischer Ansatz und "ästhetisch-sensorische" Therapie
Kapitel 2: Worte von A.
1. Der Ausgangspunkt
2. Der Zielpunkt
3. Die doppelte Kette (oder Helix) von Zwischenpunkten
4. Die ersten Schritte
5. Die ersten Videos
6. Anhang
Kapitel 3: Episteme
1. Philosophie des Wissens, ἐπιστήμη (Erkenntnis) und Episteme
2. Erstes Epistem: Die Art des Definierens
2.1. Geistige Behinderung und Autismus
2.2. Das Repetitive und das Zwanghafte
2.3. Das Normale und das Pathologische
2.4. Qualitativ und quantitativ
3. Zweites Epistem: Die Art des Klassifizierens
3.1 Neuklassifizierung (Versuch)
3.1.1. Autismus in drei Kategorien S.
3.1.2. Die Frage des sogenannten syndromalen Autismus
3.1.3. Kanner-Autismus und Asperger-Autismus
4. Drittes Epistem: Die Art des Modularisierens
4.1. Das Konzept des "Spektrums der marginalen Entwicklung"
5. Viertes Epistem: Die Art des Benennens
5.1. Ein "pathologisierendes" Vokabular
5.2. Wörter und -ismen S.
5.3. Die Sprache in ihren verschiedenen Formen
5.3.1.: Verbale Sprache
5.3.2.: nonverbale Sprache
5.3.3.: elliptische Sprache
Kapitel 4: Kausalitäten
1. Angeboren und erworben; genetisch oder umweltbedingt?
2. Männlich/weiblich
2.1. Unsere Ausgangsposition
2.2. Autismus in der weiblichen Form
Teil 1I - Pragmatik
Kapitel 1: Vorgehensweise
Kapitel 2: (Sich selbst) gut kennen (Indikatoren und Bilder)
A. Ein neuer Besuch bei bereits überarbeiteten Indikatoren
1. Autismus und physiologische Ebene
Genetik, Schwangerschaft/Geburt, Schlafstörungen,
körperliche Ungeschicklichkeit, Epilepsie, sensomotorische
Besonderheiten, Atypien der organischen Funktion
2. Autismus und psychologische Ebene
2.1. psychosomatische Atypizität
2.1.1. stereotype und repetitive Verhaltensweisen, eingeschränkte Interessen
2.1.2. Verhaltensweisen in Verbindung mit sensorischer Parästhesie
2.2. Geistige Behinderung oder geistige Hochbegabung
2.3. Ängste und Depressionen
2.4. Psychofunktionale Alteritäten
2.4.1. Aufmerksamkeitsbezogene Alterität
2.4.2. Sprachliche Alterität
2.4.3. Nonverbale Alterität
2.4.4. sozioemotionale Alterität
Autistisches Subjekt (psychologisches Profil, gefühlte Erfahrungen),
soziokulturelle Codes, Interpretation des Verhaltens
2.4.5. Andere geistige Alteritäten
Emotionalität, außergewöhnliches Gedächtnis, Unschuld,
Logozentrismus (Modularität, Literalität, Egozentrik), das
Gefühl, "in der Falle zu sitzen"
B. Schockbilder
B1. Ich habe zwei Bilder im Kopf
B.1.1. Die lebendige Festung
B.1.2. Der Körperriemen
B.2. Ich habe zwei Schocks erlebt
B.2.1. Das Kind-Ich S.
B.2.2. Seelensohn und magisches Kind
C. Klassifizierende Areale
1. Ausdruck (verbal, nonverbal, elliptisch)
2. Soziation S.
3. Motrition S.
D. Ortung und Erfassung
Kapitel 3: Sich gut Er-/kennen (empathische Verbundenheit)
1. 'Eigenmenschen' und 'Andermenschen'
2. Therapeutische/'begleiterische' Vorschläge
2.1. Gemeinsame Grundlagen einer Hilfsbegleitung (HB)
2.1.1. Die synodephtische Triade ('Therapie' Haupt -pragmatisch, Hilfstherapie - ästhetisch-sensorische, Co-Therapie)
2.1.2 Reaktive Begleitung S.
2.2. Die anhomilische Form der Hilfsbegleitung (aHoB)
2.2.1. Die vier Phasen einer HB-Sitzung
2.2.2 Illustration einer HB-Sitzung: Aktion
2.2.3. Voraussetzungen und Reaktionen
2.2.4. Eine Reise ins Herz einer Sitzung
2.2.5: Eine Reise durch die Zeiten
2.2.6. Hinzufügen von "realen" Reisen zu "virtuellen" Reisen
2.2.7. Und was nun mit Co-Therapie?
2.2.8. Rezeption der Erfahrung
2.2.9. Präsentation einer HB-Sitzung
2.3. Variante für homilische Autisten - Iván (homilische Begleitung - HoB)
2.3.1. Ähnlichkeiten mit dem anhomilischen Modell
2.3.2. Unterschiede zum anhomilischen Modell
2.3.2.1. Regeln der HoB
2.3.2.2. Struktur der HoB
2.3.3. Über "Mantras" im Rahmen der HoB
2.4. Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit des Modells
2.5. Letzte Empfehlungen
ANHANG ZU TEIL II
*Das Konzept der Seele im Rahmen des vorliegenden Modells der anhomilischen Begleitung
*Schrittweiser Übergang von audiovisuellen Medien zu einem Primat des Auditiven S.
*Abfolge von Musik zur inneren Entspannung und Anspannung
*Doppeltes Hören von Musik in Phase 3
III. DEFLEXIONEN - Teile III und IV
Neuorientierungen in der Begleitungspraxis in Bezug auf Autismus aus den vorangegangenen Entwicklungen
Teil III - Versuche
Einführung - eine 'Schachmattpartie'
Kapitel 1: Der erste 'Pas de Deux'
Vorspiel
1 . Auf der Suche nach einem Seelensohn
1.1. Der erste Schritt: Daniel
1.2. Der zweite Schritt: Dan
2. Im dritten Takt des Walzers
Kapitel 2: "Ich suche Stützung ♫"
1. Bekannt machen
1.1. An die Öffentlichkeit gehen
1.2. vernetzen (networking)
2. Crowdfunding (solidarische Finanzierung)
2.1. ausser Atem
2.2. Der Appell
2.3. Rückerinnerung
Teil IV - Die vier Jahreszeiten / Saisons
Abschnitt 1: Erste Saison (2015-2016)
1. "Aufwärmen"
1.1. Anamnese
1.2. Tests
2. Der erste Takt des Walzers (Dezember 2015-Januar 2016)
2.1. Einzelheiten zu den Sitzungen in der ersten Saison Bericht über die fünf stattgefundenen Sitzungen S.
Fotografische Darstellung (Saison 1) S.
Abschnitt II: Zweite Saison (2016-2017) S.
I. Der zweite Takt des Walzers (Oktober 2016-Januar 2017) S.
Programm und Bewertung der sieben Sitzungen der zweiten Saison
II. Fotografische Illustrationen der Sitzungen der zweiten Saison S.
III. Anwendung der Asperger-Variante des Modells S.
1. die beiden Sitzungen S.
2. Illustration der Sitzungen S.
IV. Die "reale" therapeutische Reise nach Puerto Escondido (12.-16.01.2017) Darlegung und Illustrationen
Abschnitt III: Dritte Saison (2017-2018)
Der dritte Takt des Walzers (Oktober 2017 bis März 2018) S.
1.1. Auftakt S.
1.2. Sitzungen, Workshops und Aktualisierungen S.
Bericht über die 13 Sitzungen die stattfanden und die Workshops, die einige von diesen Sitzungen begleiteten
2. Neuigkeiten S.
2.1. Die Exkursionssitzungen S.
2.2. Die zweite "reale" therapeutische Reise (11.-19.01.2018) S.
2.3. Die Asperger-Therapie (26.01.-08.02.2018) S.
2.4. Ein "anamnäeutischer" Ansatz S.
3. Abschluss der dritten Staffel/Saison (13.03.2018) S.
4. Fotografische Illustrationen der dritten Staffel S.
Abschnitt IV: Vierte Saison (2018-2019) S.
1. Der vierte Takt des Walzer s S.
1.1 Neustart des Modells (letzte Saison) S.
1.2. Die Begleitung von Joselito in der vierten Saison S.
Bericht über die acht Sitzungen die stattfanden und die Workshops, die sie manchmal begleiteten, sowie über die drei therapeutischen
Reisen, die durchgeführt wurden
1.3. Die Begleitung von Iván in der Saison 4 S. (22.01.-05.02.2019)
1.3.1. Erinnerung S.
1.3.2. Asperger'-Sitzung 1 (22.01.2019) S.
1.3.3. 'Asperger'-Sitzung 2 (29.01.2019) S.
1.3.4. Gruppentherapie (01.02.2019) S.
1.3.5. 'Asperger'-Sitzung 3 (05.02.2019) S.
2. Fotografische Illustrationen der Staffel 4 S.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
- Schlussfolgerung 1
die informelle Nachbereitung (November 2020-März 2021) S.
1. Abschließende Aufgabe S.
2. Überblick über den Ablauf der informellen Nachbereitung 2020-2021 S.
2.1. Joselito S.
2.2. Iván S.
2.3 Rückkehr nach Mexiko-Stadt und zu Joselito S.
3. Übergangsprogramm vom Anxiolytikum zu Baldrian, Akupunktur
3.1. Der erste Übergangsplan S.
3.2. Der zweite Übergangsplan S.
4. Eine Zukunft des Projekts S.
- Schlussfolgerung 2
Fortschritte S.
- Schlussfolgerung 3
Das Wort eines Schlusses S.
- Schlussfolgerung 4
Auf der Suche nach Zeit eines Lebens S.
Dokumentationen S.
Teile I bis III (1., 2.) S.
Teil IV S.
Schlussfolgerungen; vom selben Autor S.
Hinweis
Geachtete Leserinnen und Leser
Zunächst vielen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit nehmen, das vorliegende Werk zu lesen.
Die hiesige deutsche Fassung wurde aus dem französischen Originalmanuskript desselben Werks mithilfe eines professionellen Übersetzungsprogramms (DeepL/Pro) getätigt.
Dennoch, in Zweifelsfällen und überhaupt wird es deshalb ausdrücklich empfohlen, sich an die französische Originalfassung des Werks zu wenden.
Die französische Originalfassung ist ebenfalls bei GRIN Verlag zu finden.
Der Titel der Originalfassung lautet: UNE VALSE EN QUAT' TEMPS - L'histoire d'un petit tour au tempo de l'autisme".
Der Text der deutschen Fassung ist jedoch dem Originaltext nicht völlig identisch. Er wurde für eine deutschsprachige Leserschaft überarbeitet und ergänzt.
Angenehme Lektüre.
Der Autor
Einleitung
Im Folgenden geht es um die Beobachtung von zwei mexikanischen Jungen, von denen der eine in Mexiko-Stadt und der andere in Puerto Escondido (Bundesstaat Oaxaca) lebt, und um das sich mit ihnen im Rahmen des vorliegenden therapeutischen Experiments aus dieser Beobachtung ergeben hat. Der Schwerpunkt liegt auf dem ersten Jungen.
Der erste heißt offiziell José Guillermo A.G., aber ich habe ihm den Namen Joselito gegeben. Warum ist das so gewesen?
In Erinnerung an einen spanischen Jungen mit goldener Stimme aus den 1950er und 1960er Jahren. José-Guillermo: Joselito. Denn während Joselito, das singende Kind, Gold in der Stimme hatte, hatte Joselito, das autistische mexikanische Kind, meiner Meinung nach Gold in der Seele. Aus demselben Grund habe ich mich auf ihn konzentriert, weil ich selbst so viel von ihm gelernt habe.
Der zweite Junge heißt Iván, ich habe ihm seinen Vornamen gelassen.
Die beiden Jungen weisen eine unterschiedliche Art von Autismus auf, der bei dem ersten als "tief" (dazu später mehr) und bei dem zweiten als Asperger diagnostiziert
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
“ Yeux parlent parfois mieux que bouche ne dit”
"Augen sprechen manchmal besser, als Mund spricht"
Prolog
ALLE AUF DIE TANZFLÄCHE!
Alle auf die Tanzfläche für eine kleine Walzerrunde zu den anders klingenden Tönen des Autismus!
Wie ist das zu verstehen?
Es gefiel Joselito, Walzer zu tanzen. Die Idee mit den Drehbewegungen habe ich gehabt und er sah mich immer mit diesem intensiven Blick an, der nur ihm gehörte, während ich ihn in den Strudel eines Walzers1 zog, sei es ein Strauss-Walzer oder ein weniger klassischer, bis hin zum mexikanischen Walzer. Ein Blick, den ich übrigens nicht richtig zu deuten wusste. Ein Treffen zweier Welten aufeinander, seiner inneren Welt mit einem Rhythmus oder einer Strophe aus der ihn umgebenden Außenwelt, durch die sie geweckt wird? Die Begegnung zweier Klänge für ein und denselben Rhythmus; Klänge, die vielleicht von einer Person mit Autismus anders wahrgenommen werden als von einer anderen, die aber eine Verbindung zwischen ihnen herstellen, wenn beide wissen, wie sie gemeinsam zu bewegen? Eine Begegnung also - die Begegnung zweier Rhythmen, die hier mit dem Tempo eines Walzers, der den Wirbel beleben wird, der seinem eigenen Autismus, dem Autismus von Joselito, eigen ist? Jeder Wirbel lädt zu Zwischenzuständen ein, von der Meditation bis hin zur Trance. Könnte es also sein, dass ein Walzer irgendwo tief "in den Strudel des Lebens" zieht, des Lebens von Autisten und anderen? Von anderen "Auten"2, von anderen "sich selbst"?
Joselito liebte es sowieso zu tanzen, sobald er irgendwo saß und einen Rhythmus hörte, begannen seine Schultern zu zucken, Joselito war bereit, die Tanzfläche zu betreten, in den Tanz einzusteigen, und es war nicht ungewöhnlich, dass er mich aufforderte, ihm zu folgen. Ein Geben und Nehmen.
Joselito ist ein mexikanisches Kind mit tiefem Autismus. Warum verwendete ich den Begriff "tief" anstelle der klassischen Begriffe "schwer" oder "ernsthaft"? Weil mir Joselito, als ich ihn kennenlernte, in einer Welt zu leben schien, in der sein Zustand immer weniger ernsthaft oder schwer war, sondern immer tiefer, eine Welt der Tiefe, so tief, dass ich den Grund der Quelle, aus der dieses Wasser kam, nicht sehen konnte, obwohl es glasklar war. Deshalb bin ich geneigt, Joselitos Autismus als "Autismus der Tiefen" oder "Tiefenautismus" zu bezeichnen. So wäre an dieser Stelle das Adverb "tief" zu verstehen.
Ich lernte Joselito zufällig kennen, als ich bei der Familie, die mich in Mexiko-Stadt beherbergte, zu Besuch war. Die beiden Familien waren Nachbarn. Er kam zwar vorbei, ohne mich zu sehen, aber ich sah ihn, beobachtete ihn und erkannte, ohne es wirklich zu wissen, einen Autisten in ihm. Warum? So war es einfach. Joselito war als Autist diagnostiziert worden.
Als mir klar wurde, dass Joselito sich aufgrund seines Autismus so sehr von Rhythmen angezogen fühlte, ließ ich ihn mitmachen, und bald tanzten alle Anwesenden mit ihm. Seine Eltern, die junge Frau, die ihm einen Tanzworkshop anbieten wollte, und alle anderen Leute, die vorbeikamen und für eine Sitzung da waren. Eine Therapiesitzung. Ich war derjenige, der sie gab, und sehr schnell, noch bevor die Therapiesitzungen, die ich initiieren sollte, begannen, entwarf ich einen Plan. Dieser Plan zielte darauf ab, diesen Sitzungen - neben den traditionellen Therapien, die Joselito erhielt - einen Rhythmus, eine Lyrik zu geben. Es ging also darum, ihm eine Therapie anzubieten, die seine Sinne anspricht, da er nicht spricht, und ihn durch eine Ästhetik führt, die ihrerseits mit den Sinnen verbunden ist. Eine Therapie, die im Endeffekt seinen Alltag aus seiner Routine herausholt und ihm Farben in Verbindung mit Rhythmen verleiht. Eine ästhetisch-sensorische Therapie.
Ein Projekt war geboren.
Vorwort
Zur Chronologie des Projekts
Das Projekt fand in seiner offiziellen (d. h. systematisch und sorgfältig dokumentierten) Phase zwischen den Jahren 2015 und 2019 statt. Auf diese offizielle Phase folgte ein Jahr Pause (2019-20), um die Erfahrungen sacken zu lassen, und eine ergänzende Phase der informellen Nachbereitung in den Jahren 2020-21 (ohne direkte systematische Dokumentation [auf der Stelle] wie zuvor). Das Ziel dieser letzten Phase des Projekts, die ursprünglich nicht vorgesehen war, bestand darin, eine Art Brücke zwischen der aktiven Phase des Projekts und seiner vollständigen Einstellung zu bilden, um die Erfahrung für jeden einzelnen Protagonisten sanft zu beenden. Die letzten beiden Phasen des Projekts (Pausenjahr und informelle Nachbereitung) können daher als Plan zur schrittweisen "Entwöhnung" der Hauptakteure des Projekts vom Projekt gelesen werden. Dies wird jedoch nicht verhindern, dass eine freundschaftliche Beziehung auch darüber hinaus fortbesteht.
Über das vorliegende Buch
Das vorliegende Buch stellt einen Abschluss des gesamten Projekts dar, die Veröffentlichung, die das Projekt nach seinem vollständigen Abschluss dokumentiert und zu bewerten versucht (vgl. die Struktur des Textes im nächsten Abschnitt).
Die Schrift vereint Texte, die zum Teil bereits in früheren Veröffentlichungen erschienen sind und hier überarbeitet, aktualisiert und durch neue Texte ergänzt wurden.
Die Schrift berichtet somit von der Forschung, die der eigentlichen therapeutischen Erfahrung vorausging. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der tatsächlichen therapeutischen Erfahrung, die sich in vier Jahreszeiten (Saisons) entwickelt hat:
"Die vier Jahreszeiten des Joselito". Das Experiment wird in mehreren chronologischen Berichten beschrieben, die kurz nach der berichteten Sitzung von demjenigen verfasst wurden, der sie geleitet hatte - ein Bericht pro Sitzung. Den Berichten über jede Saison folgt eine Bewertung der gesamten Erfahrung und ihrer Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit auf andere Menschen, die mit Autismus zu tun haben (sei es, weil sie direkt davon betroffen sind, weil sie daran arbeiten oder weil sie sich einfach nur für das Thema interessieren). Neben dem Bericht über das therapeutische Experiment mit Joselito wird auch über die Variante desselben Experiments berichtet, die einem anderen autistischen Asperger-Kind namens Iván und zwei weiteren Asperger-Kindern angeboten wurde.
Durch Zufall und Zeit, teilweise auch durch die Unwägbarkeiten der elektronischen Datenspeicherung, werden die Jahreszeiten ungleichmäßig dokumentiert, aber auf jeden Fall ausreichend, um eine klare Vorstellung davon zu vermitteln, was jede Jahreszeit war und was sie gebracht hat.
Orte, an denen das Projekt ablief
- für die Konzeptualisierung des Modells und die zugrunde liegenden theoretischen Überlegungen sowie für die Arbeit an der Auswertung einer Saison bei der Rückkehr des Autors nach Hause und für die anschließende Anpassung der vorhergehenden Resultaten: beim Autor zu Hause, entweder in Deutschland oder in den Niederlanden
- für die Erstellung des Sitzungsplans für jede Saison: ebenfalls zu Hause beim Autor, bevor er sich in Mexiko wieder mit Joselito oder Iván und deren Familie trifft.
- für die Vorbereitung, Durchführung und Facebook-Berichterstattung über jede Sitzung einer therapeutischen Saison: in Mexiko.
- für die Suche nach Unterstützung für das Projekt: sowohl von der Heimat des Autors als auch von Mexiko aus.
Ein innovativer Therapieversuch
Der Autor dieses Buches hat eine neue, von ihm genannte "ästhetisch-sensorische" Therapie entwickelt, die sowohl auf seiner eigenen Lektüre und Reflexion als auch auf einer ersten Annäherung an Joselitos Person, der Bewertung seiner Neigungen und Vorlieben und den damit verbundenen Kommunikationsmöglichkeiten beruht.
Die "Inkubationszeit" dieses Modells dauerte etwa ein Jahr, zwischen zwei Besuchen in Mexiko, bei denen ich Joselito und seine Familie kennenlernte und mit ihnen die erste Therapiesaison einleitete, in der ich dieses Modell in die Praxis umsetzte.
Die ästhetisch-sensorische Therapie stützt sich auf das Musikalische (Instrumentalmusik, Rhythmen, Tanz, Ballett, Gesang, Lieder ... aller Art und Herkunft) und in noch stärkerem Maße auf das Lyrische (Gedichte, Märchenlesungen, suggestive Fotografien von Personen, von den Protagonisten des Projekts während der Projektphasen, von Landschaften, Tieren, "Situationen" - z. B. Szenen, ...). All diese Instrumente wurden außerdem durch Tanzworkshops und Workshops zur Einführung in die Musikinstrumente (Tasteninstrumente) unterstützt und gepflegt. Durch sie zog ich Joselito in den Strudel eines Walzers, der ihn - wie die Drehbewegungen, die Autisten so sehr faszinieren - in eine größere Welt entführte, ohne jemals seine eigene wirklich zu verlassen.
Vor allem der Tanz spielte dabei eine wichtige Rolle. Daher der Titel, der auch an den Komponisten, Sänger und Dichter erinnert, der Jacques Brel war und immer noch in unserer Erinnerung bleibt.
Diese Therapie versteht sich als Hilfsmittel zu einer traditionellen Therapie, die in erster Linie autistischen Kindern und Jugendlichen erteilt wird, um ihnen zu helfen, die Hindernisse zu überwinden, die sich ihnen in ihrem praktischen Alltag in den Weg stellen. Diese innovative Therapie ist also kein Ersatz für eine herkömmliche Therapie und entbindet auch nicht davon, diese anzubieten oder zu befolgen bzw. fortzusetzen, sondern versteht sich als Ergänzung zu dieser.
Der Unterschied zwischen der ästhetisch-sensorischen Therapie und der traditionellen Therapie besteht darin, dass sich die traditionelle Therapie nach meiner Lesart auf die (tatsächlichen) Defizite einer Person mit Autismus im Alltag konzentriert, während sich die von mir vorgeschlagene Therapie auf die (tatsächlich vorhandenen) Möglichkeiten von Menschen mit Autismus - ALLEN Menschen mit Autismus, unabhängig vom Grad ihres Autismus - konzentriert, insbesondere auf ihre Sensibilität und Ausdrucksfähigkeit. Das Ziel dieser Therapie ist es, dazu beizutragen, dass diese Menschen "ihre Tür öffnen" - ihre Tür zur Außenwelt, die sie umgibt, ohne sie von ihrer eigenen inneren Welt zu entfremden.
Sicherlich stellt dies eine Herausforderung dar, aber eine, die es wert ist, dass man sich daran versucht.
Wir werden diesen Aspekt später noch weiter ausbauen.
Verwendete Sprachen
für diese Schrift: Französisch in der therapeutischen Praxis vor Ort: Spanisch in der Berichterstattung auf Facebook: Englisch und Spanisch (zeitweise Französisch und Deutsch oder Niederländisch).
Facebook-Seiten, die über die therapeutische Erfahrung berichten
- um das Konzept hinter dem für Joselito gedachten ursprünglichen therapeutischen Modell am
Beispiel der zweiten Staffel/Saison des Projekts (2016-2017) zu erläutern:
"Help Joselito".
Diese Seite ist von oben nach unten zu lesen, vor allem vom Text ausgehend, der am 28. Februar 2017 gepostet wurde und aus den folgenden in vier Sprachen (Englisch, Spanisch, Französisch, Deutsch) verfassten Worten besteht: "Please read the following posts all the way through from the top to the bottom because they are all related to each other to tell the story of the project. They constitute a continuum.
Favor de leer los posts siguientes completamente de arriba abajo porque están todos conectados entre ellos para contar la historia del proyecto. Por lo tanto constituyen un continuo.
Prière de lire les posts suivants complètement de haut en bas parce qu'ils sont tous reliés les uns aux autres pour raconter l'histoire du projet. Ils constituent donc un continuum.
Bitte die folgenden Beiträge von oben bis unten durchlesen, weil sie alle mit einander verbunden sind, um von der Geschichte des Projekts zu erzählen. Sie stellen demnach ein Kontinuum dar."
- um die Aktualisierungen dieses Konzepts und die Geschichte ihrer therapeutischen Praxis in den darauf folgenden Jahren zu lesen:
"Jean Weinfeld".
Diese Seite ist von unten nach oben zu lesen (vom ältesten Bericht [vom 6. Februar 2017] bis zum jüngsten [vom 21. November 2019]).
Zu jeder Therapiesitzung gibt es drei Texte:
* 1->3: Bericht auf Spanisch
* 2->3: Bericht auf Englisch
* 3->3: Illustration der Sitzung mit Fotos und Videos (die Videos wurden zunächst direkt auf Facebook gepostet und dann aufgrund technischer Schwierigkeiten beim Hochladen auf YouTube gespeichert und mit einem Link versehen, den man anklicken muss, um sie anzusehen).
Der Text des Berichts sollte natürlich gelesen werden, bevor man zu den Illustrationen der Sitzung geht. Da der "Post" 3->3 beim Scrollen zuerst erscheint, müssen Sie die Seite weiter nach unten scrollen. Je nachdem, in welcher Sprache Sie die Berichte lesen möchten, müssen Sie weiter scrollen, bis Sie zu "post" 2->3 oder 1->3 gelangen.
Diese Berichte wurden dann zwecks Veröffentlichung ins Französische übersetzt und im vorliegenden Werk weiter ins Deutsche. Autor und Verfasser der englischen und spanischen Berichtstexte sowie ihrer Übersetzungen später ins Französische und ins Deutsche: der Autor dieses Buches, ich selbst.
Zur Verwendung von Audio- (-Visual-) Material von Facebook oder Youtube in 3->3-Posts wurde in jeder Sitzung die folgende Warnung veröffentlicht (auf den Facebook-Seiten auf Spanisch und Englisch verfasst, dann im Originalmanuskript auf Französisch und hier auf Deutsch wiedergegeben):
"Das Material, das möglicherweise in meinem Material verwendet wird, bildet nicht den Hauptgegenstand meines Materials - lesen Sie bitte die entsprechende Nachricht auf der Seite "Help Joselito"", Referenz: "Post" auf der Seite Help Joselito vom 17. September 2017, hier der Wortlaut (ursprünglich auch auf Englisch, Spanisch und Deutsch):
» ÜBER DAS AUDIO- UND AUDIOVISUELLE MATERIAL, DAS IN DER PRÄSENTATION DES PROJEKTS AUF DER SEITE "HELP JOSELITO!" SOWIE IN DEN UPDATES AUF DER SEITE "JEAN WEINFELD. «
Der entsprechende Inhalt der Videos, Fotos und Musik, meist von Youtube, die möglicherweise in meiner eigenen Audio(-Video)-Produktion verwendet und auf Facebook präsentiert werden, ist nicht der Hauptgegenstand meiner Produktion; er wird lediglich als therapeutisches Instrument im Rahmen des Projekts "Help Joselito!" verwendet, um Reaktionen bei Joselito hervorzurufen und zu veranschaulichen (Hauptgegenstand) - dasselbe gilt für die Therapie von Iván im Rahmen desselben Projekts."
Erklärung der Grafik auf Seite 1 des Umschlags
Angesichts der vorangegangenen Erläuterungen zum Projekt und zu diesem Buch, das die Geschichte des Projekts erzählt, können wir uns nun der Erklärung der Grafik auf der ersten Umschlagseite zuwenden.
Diese Grafik illustriert auf ihre Weise den Titel des Buches (Une Valse en Quat' Temps / Ein Walzer im Viervierteltakt).
Deshalb finden wir vier "Figuren", die jeweils die Bewegung des Walzers in vier Takte zerlegen.
Diese Figuren werden schematisch durch einen Kreis dargestellt, der den Kopf symbolisiert, einen vertikalen Strich, der den Rumpf symbolisiert, und zwei schräge Striche, die ihm von unten folgen und die Beine symbolisieren, wobei ein Strich länger als der andere ist, um die Bewegung der Beine beim Walzertanzen wiederzugeben, wobei der "Walzer" hier von links nach rechts getanzt wird.
Diese vier Figuren sind frei von Geschlechtszuweisungen.
Die Arme, die sich um die Oberkörper schlingen, werden (ebenso wie die Gesten der Arme) synthetisch durch eine längliche Ellipse dargestellt, die hinter den Oberkörpern der Figuren verläuft, eben um die Umarmung zu symbolisieren. So werden Arme und Hände von jeweils zwei Figuren in einer einzigen Umarmung dargestellt (eine einzige gestreckte, längliche Ellipse). In einem gemeinsamen Walzer umschließt die Hand des Reiters die Taille der Reiterin und die Hand der Reiterin bedient die Hand ihres Reiters. Um die Dinge zu vereinfachen, vor allem aber um einer geschlechtslosen Symbolisierung der Handhaltung treu zu bleiben, wird diese auf eine einfache Umarmung reduziert... Im Übrigen ist anzumerken, dass es sich tatsächlich nicht um ein Paar handelt, das in diesen vier Takten "tanzt", sondern um eine einzige Figur, die gewissermaßen gleichzeitig mit sich selbst (Autismus), von zwei zu zwei (insgesamt 4 längliche Ellipsen) und mit vier "Alter-Egos" tanzt; Es ist also ein Einzelgängertanz, aber kein einsamer Tanz, weil er sowohl mit sich selbst im Dialog steht (Dimensionen 1 und 2) als auch mit jedem "Alter-Ego", das bereit ist, ihn zu verstehen (Dimension n > 2 – hier 4).
Von den vier Ecken dieser Szene sind vier Notenlinien abgebildet (die ein wenig wie die guā [kuá] angeordnet sind, die den Kreis umschließen, der Yin-Yang symbolisiert). Auf dem obersten ist ein A-Schlüssel abgebildet, der das Wort "Autismus" symbolisiert. In den anderen drei Notensystemen finden Sie links eine gehakte Viertelnote (es ist ein A - wie in der französischen Redewendung donner le la - auf Deutsch "den Ton setzen", die Note la auf Französisch entspricht der Note A auf Deutsch), unten zwei schwarze Sechzehntelnoten und rechts die gleiche Note (gehakte Viertelnote) wie im linken Notensystem, die sozusagen "rückwärts" wiedergegeben wird, um der Walzerbewegung zu folgen: Diese vier Noten symbolisieren die ersten vier gesungenen Noten des berühmten Jacques Brel-Chansons La Valse à Mille Temps (Der Walzer im Tausendviertel-Takt, https://www.youtube.com/watch?v=ovPwUihaVdE), die wie in einem Violinschlüssel wiedergegeben werden. Die Richtung der Achtelnoten ist nicht zufällig, sondern folgt der Tanzbewegung des Walzers von links nach rechts. Diese Achtelnoten werden also genau in der "richtigen Richtung" wiedergegeben, der die Logik der Skizze folgt.
Der Autor (auch Autor der Skizze)
Aufbau des Buches
Ein Projekt in 4 Phasen
Eine Therapie in vier 'Jahreszeiten' (Saisons / Staffeln)
Der Aufbau des vorliegenden Buches trägt den vier Teilen des Projekts selbst Rechnung:
1. theoretische Forschung und epistemologische Reflexion
2. therapeutische Erfahrung
3. Vernetzung und öffentliche Mittelbeschaffung (Crowdfunding).
4. informelle Fortführung des Projekts nach seinem offiziellen Abschluss.
Am Ende des Buches werden, Teil für Teil (für jeden Teil des Projekts), alle relevanten Dokumente aufgeführt (Forschung und Reflexion: ein auf Französisch veröffentlichtes Buch, ein auf Spanisch veröffentlichtes Büchlein) / experimentelle Praxis [therapeutisches Modell]: drei Dokumente in Form von Heften im pdf-Format (ein Essay in vier Sprachen, zwei Essays auf Französisch) und die beiden Facebook-Seiten / Vernetzung: Links zu Personen und Institutionen, die kontaktiert wurden, um das Projekt bekannt zu machen und mit ihnen in einen konstruktiven Dialog über seinen Wert einzutreten, und Fundraising-Kampagnen (Organisationen und Plattformen, die um Unterstützung gebeten wurden); schließlich die informelle Nachbereitung mit zeitweiligen Berichten auf Facebook. ... und diese abschließende Veröffentlichung, die alles zusammenfasst.
In den folgenden Texten werden drei Arten von Anführungszeichen verwendet:
» - « : für ein Zitat
"-": um ein einzelnes Wort oder einen einzelnen Ausdruck hervorzuheben und zu kommentieren.
'-': für die Verwendung eines Wortes oder Ausdrucks mit einer bestimmten Konnotation.
In einigen Fällen kann es jedoch zu Überschneidungen kommen, wenn die Anführungszeichen nicht nur eine, sondern mindestens zwei der drei Funktionen erfüllen.
TEILE I und II INFLEXIONEN
Vorüberlegungen zum Experiment und ihr Weg durch die Raum-Zeit des Projekts
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Je panse, donc je fuis „Ich heile, also eile ich“ [wortwörtlich: ich heile meine Wunden, also eile ich fort]
TEIL I: THEORETIK
Kapitel I Vorgehensweise
Bevor wir mit dem eigentlichen Thema beginnen, halte ich es für notwendig, den Satz, der das Foto auf der vorherigen Seite begleitet, kurz zu erklären.
"Ich heile, also eile ich". Es handelt sich hierbei nicht um ein einfaches Wortspiel. Ich bin nämlich der Meinung, dass Autismus in erster Linie ein Leiden ist, dessen Ursache der Autist nicht kennt. Ist dieses Leiden angeboren, d. h. kommt es direkt aus dem Zustand des Autismus? Oder ist es erworben, unter anderem durch die Verletzungen, die der Autist aufgrund seines Autismus in seiner Kindheit und Jugend durch seine Schulkameraden erfährt (was im Englischen mit dem Wort "bullying" wiedergegeben wird, das in der Erfahrungswelt dieser Menschen, vor allem der Jungen - aber nicht nur!-, sehr häufig vorkommt). Und dann heißt es: heilen im Sinne von „verbinden“! Man verbindet seine Wunden und eilt bzw. flieht in sich selbst, indem man einen Panzer aufbaut und sich zu einem neuen Montségur3 macht. Angeboren oder erworben? Man kann davon ausgehen, dass es eine Mischung aus beidem ist, eine Summierung.
Aber lassen Sie uns nun zum Kern des Themas kommen und die theoretischen Grundlagen des Projekts erläutern, das entstehen sollte.
Auf den folgenden Seiten geht es darum, Überlegungen anzustellen, die darauf abzielen, den Gedankengang und die Behandlung der Forschung zum Thema Autismus zu beeinflussen. Was diese Seiten hier also versuchen, ist, ein paradigmatisches Gleiten in diesem Bereich einzuleiten. Der Begriff "Gleiten" beschreibt meiner Meinung nach einen allmählichen und "sanften" Übergang besser als der Begriff "Wechsel", der in diesem Zusammenhang üblicherweise verwendet wird und der bei dem, was man hier sieht, in meinem Ohr schärfer klingt. Es geht nicht darum, die bisherigen Ansätze abzuschaffen oder zu "überwinden", sondern sie aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und dabei deren für das Thema nützliche Aspekte zu berücksichtigen: mit ihnen kommunizieren, sie weiterhin "in Erwägung ziehen", während ihre "Nützlichkeit" aus dem eigenen Blickwinkel betrachtet wird, der in diesem Buch vorgestellt wird. Die Wahl der Wörter, die verwendet werden, um die Empfindung des Begriffs "Gleiten" zu illustrieren, zeigt bereits, dass der hier gewählte Blickwinkel eher (aber nicht nur) sensorischer, sinnlicher und damit auch ästhetischer Natur ist. Aus diesem Grund ist das vorliegende Buch vor allem ein Versuch, eine Einübung, bei der man mit der Zeit sehen muss, was man daraus ziehen kann, wie es "funktioniert". Es ist wahrscheinlich, dass Änderungen und Ergänzungen wünschenswert sind, solange sie das ursprüngliche Ideal doch nicht verraten.
Was die Überlegungen im Vorfeld der "therapeutischen" Erfahrung mit dem Projekt nährte, war der Bericht über die Begegnung mit einer Person, die sich Anh Onimo nennen lässt, vielleicht ein Doppelgänger von "Ger-onimo" in Weisheit und Kühnheit, aber auf jeden Fall eine Person, die partout "an-onym" bleiben wollte.
Aus dieser Begegnung entstand der Untertitel des Buches, der die theoretischen Grundlagen des Projekts beschreibt: "Anh und der Autismus". Diese zwei A im Untertitel erklären wiederum rückblickend den Titel des Buches selbst, das 2016 erschienen ist: "HISTOIRE S D'A.". (Geschichte n von A - siehe Biografie).
Mit "Geschichten" meine ich nicht nur zwei parallele Lebensgeschichten, chronologische Verfolgungen eines reflektierten Lebenslaufs und die vielgestaltige Entwicklung der Autismusforschung. Mit "Geschichten" meine ich auch die des erzählten Fortschritts von Anhs Abenteuer und der dadurch ausgelösten Überlegungen zum Autismus, ihrer Überschneidungen, ihrer willentlichen Verflechtung. So entstand eine vom Autor gewollte Synapse zwischen einerseits biografischen Fakten und intellektueller Arbeit an diesen Fakten, welche Anh, dem verborgenen Erzähler seiner Geschichte und der Beobachtungen, die sie in ihm hervorgerufen hat, zugeschrieben werden, und andererseits jenen, die dem offensichtlichen Schreiber dieser Erzählung und dieser Bemerkungen, dem Autor des zuvor vorgestellten Buches, zugeschrieben werden.
Denn es ist nicht so, dass der "Schreiber" hier einfach nur Anhs fügsame Schreibstube gewesen wäre. Nein! Zwar loyal in der Erzählung, aber nicht passiv dabei. In dem zuvor zitierten Buch von 2016, aber auch in dem vorliegenden, das darauf aufbaut und es weiterführt, hat der Autor (meine Person) die beiden Erlebnisse und Gedanken zu einem Bild verschmolzen, das gleichzeitig doppelt und einmalig ist. Dies alles um sowohl die gewollte Anonymität von Anh zu wahren als auch die Komplizenschaft zu betonen.
Dass ich zu Beginn dieses Kapitels das Wort Therapie in Anführungszeichen gesetzt habe, wird sich im Laufe der Lektüre erklären, weshalb ich ihm letztlich den Begriff Begleitung vorgezogen habe. Um der lexikalischen Tradition in Bezug auf Autismus nicht völlig untreu zu werden, behalte ich das Wort "therapeutisch" im Wesentlichen bei, ebenso wie das Wort "Autismus", obwohl mich, wie wir später sehen werden, das -ismus in diesem Wort stört!
1. Ein narro-analytischer Ansatz
In den folgenden Ausführungen geht es also darum, Anhaltspunkte zu finden, um Autismus anhand von Anh Onimos introspektivem Weg zu verstehen.
Das Opus, das diese Schrift ausmacht,wird, wie schon 2016, auf zwei 'Tonhöhen' gespielt:
- einer autobiografischen Tonhöhe, das sich auf die persönliche Geschichte von Anh Onimo (im Folgenden A.) und die Umstände konzentriert, die ihn dazu motivierten, sie mir zu erzählen; dieses Material wird mit autobiografischen Fakten des Autors selbst verbunden werden;
- einer theoretisch-analytischen Tonhöhe, das vor allem epistemologischer Natur ist und sich auf die Fragen bezieht, die A. sich über den bis vor kurzem erreichten Stand der Autismusforschung stellt. Auch hier überlagern sich die Fragen mit den eigenen Kommentaren des Autors.
In dieser zweistimmigen Etüde wird jedes der beiden 'Tonhöhen' das andere inspirieren und sich selbst darin wiederfinden. Das Ergebnis ist ein narro-analytischer Ansatz.
Achtung, Wortschöpfung! ... Was verbirgt sich doch dahinter?
Mit "narro-analytischem Ansatz" meine ich einen intellektuellen Prozess, bei dem eine auf den Regeln der Beweisführung basierende Forschung von einer konkreten Erzählung (einem Erzählten, einem Narrativ) von einer oder mehreren Personen ausgeht. Anhand dieses Erzählten werden dann Analysen präsentiert, die zu Perspektiven führen, sowohl auf der Ebene der theoretischen Reflexion in Bezug auf das, was in diesem Bereich existiert, als auch auf der Ebene der praktischen (als innovativ angesehenen) Anwendungen, die die Erzählung inspiriert hat. Die aus diesen Überlegungen und Anwendungen resultierende Synthese soll jedoch nicht den Anspruch erheben, das Thema "abzuschließen" oder die Vielfalt des tatsächlich Erlebten auszulöschen, indem sie es ersetzt. Ihr Ziel ist es lediglich, eine bestimmte theoretische Anordnung und praktische Anwendung vorzuschlagen.
Ich bevorzuge diesen Ansatz, weil er meiner Meinung nach dem tatsächlich Erlebten des Menschen näher kommt als eine pauschalisierende (und damit zwangsläufig ethnozentrische und folglich "epistemozentrische") Spekulation oder eine technische Apparatur aus Grafiken, Tabellen, Diagrammen und dergleichen, die sich die Illusion gibt, den so genannten Geisteswissenschaften die Legitimität der so genannten exakten Wissenschaften zu verleihen... doch werden dabei Ansätze, die diese nutzen, nicht abgelehnt, solange sie deren Anwendung die hiesige Beweisführung nicht überstrapazieren. Ich definiere den Ausdruck "wirklich oder tatsächlich erlebt" als eine Erzählung, die von der Person selbst erzählt wird, die sie erzählt, und die durch das doppelte Sieb ihrer eigenen Kritik und der Gefühle, die die Person, die zuhört, bei dieser Erzählung hat, und der Gedanken, die das Erzählte in ihr hervorruft, überprüft wird. Es handelt sich also um einen im Wesentlichen dialogischen Prozess, der nicht weit von der hermeneutischen Methode entfernt ist.
Bis zu einem gewissen Grad ist es auch nicht weit von einer Methode entfernt, die Elemente enthält, die aus dem "psychoanalytischen" Ansatz abgeleitet sind. Trotz seiner morphologischen Ähnlichkeit ist der narro-analytische Ansatz, wie wir sehen werden, jedoch nicht mit der Psychoanalyse verwandt. Kein "Patient", der auf einer Couch liegt, und kein "Therapeut", der außer Sichtweite sitzt, sondern ein gleichberechtigtes Gegenüber zwischen einer/einem ErzählerIn und einer/einem ZuhörerIn, beide in einer aktiven Rolle. Schließlich ist diese Methode nicht direkt eine "Therapie", sondern in erster Linie eine Methode zur Sammlung und Verarbeitung von Daten, um eine Studie zu einem bestimmten Thema, in diesem Fall Autismus, zu beginnen. Der narro-analytische Ansatz schließt in der Forschung, die er vermittelt, nicht von vornherein alle Hypothesen der Psychoanalyse aus. Mit einem anderen morphologischen Verwandten, der Narkoanalyse, hat sie jedoch auf den ersten Blick nichts zu tun. Die erzählende Person erzählt bei vollem Bewusstsein, ohne Hypnose oder chemisch-pharmazeutische Produkte; der Dialog mit der zuhörenden Person durch Fragen und Bemerkungen, die richtig und rechtzeitig gestellt werden, ermöglicht es der erzählende Person, ihre Erzählung zu vertiefen und darüber nachzudenken.
2. Anwendungsbereiche
Bei welchem Personentyp wäre der narro-analytische Ansatz sinnvoll? In erster Linie bei Personen ohne ausgeprägte Neurose oder Psychose, d. h. bei Personen, deren psychische Verfassung nicht zu stark beeinträchtigt ist (bis zu einem gewissen Grad würde ich Personen mit schwerem Drogenmissbrauch als psychisch beeinträchtigt einstufen - diese sollten sich eher an eine Psychotherapie wenden, die auf Drogenmissbrauch spezialisiert ist). Muss es sich um eine Person handeln, die sich mündlich ausdrücken kann (da zumindest alles mit der Mündlichkeit beginnt)? Nicht unbedingt, denn es geht nicht um Erziehung, sondern um Vertrauensbildung, und die Zuhörerin / der Zuhörer kann der Person immer helfen, sich (klarer) auszudrücken, immer hauptsächlich durch angemessene Fragen. Die /der Erzählende sollte auch keine Rede halten: Vorsicht vor hypochondrischen SchwärmerInnen, die nur versuchen, die zuhörende Person für sich einzunehmen, damit diese nur noch ein Fass ohne Boden für deren Klagen ist!
Der/die Zuhörende sollte, wenn er oder sie mit einem solchen Fall konfrontiert wird, die Arbeit nach einer Ermahnung einstellen.
Was ist mit Autismus? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Methode für Menschen mit Autismus gut geeignet ist, zumindest für verbale Autisten. Die Therapievariante, die ich für den mexikanischen Asperger-Jungen entwickelt habe, könnte dabei helfen, einen narro-analytischen Ansatz anzuwenden, um aus der Begleitung der Person eine monografische oder allgemeinere Studie über das angesprochene Thema zu erstellen. In diesem Fall könnte die narro-analytische Methode als zweiter Schritt einer begonnenen Therapie (oder Begleitung) betrachtet werden. Was ist nun mit nonverbalen Autisten? Hier könnte sich die originelle Therapie (oder Begleitung), die ich im Kontakt mit dem nonverbalen Jungen aus Mexiko-Stadt, den ich Joselito nenne, entwickelt habe, als wirksam erweisen. Wir werden später auf diese Art der Begleitung in ihrer ursprünglichen Version und in ihrer Variante zurückkommen. Wie sollte nun das Profil der zuhörenden Person aussehen? Ich denke, es wäre nicht schlecht, wenn sie eine psychotherapeutische Ausbildung hätte. Außerdem glaube ich, dass sie ein multidisziplinäres theoretisches Wissen haben sollte - damit sie nicht das ist, was man im Deutschen als Fachidiot(in) bezeichnet, d. h. eine Person mit Scheuklappen, ein/e engstirnige/r Psychologe/Psychologin, die/der das, was er/sie auswendig gelernt hat, buchstabengetreu anwendet. Theoretisches Wissen, aber auch praktische Kenntnisse, da er/sie verschiedene Lebenserfahrungen außerhalb seines/ihres Studiums oder Berufs gemacht hat, d. h. er/sie bezieht seine/ihre Ratschläge nicht nur aus dem, was er/sie in Biblio- oder Mediatheken nachgeschlagen hat. Am Ende wird es aber vor allem auf das Einfühlungsvermögen ankommen, das die zuhörende Person unter Beweis stellen kann. Sollte es eine Ausbildung geben? Für diejenigen, die einen Beruf daraus machen wollen, könnte dies durch ein Modul in einem Psychotherapie-Studiengang geschehen - allerdings müsste der Begriff des narro-analytischen Ansatzes noch weiter vertieft und besser eingegrenzt werden (diese lobenswerte Aufgabe überlasse ich aber anderen); aber jeder Mensch mit psychologischem Gespür und Einfühlungsvermögen kann in seinem Umfeld sehr gut geeignet sein. Die Methode besteht also im Wesentlichen darin, die/den Erzählende/n erzählen zu lassen und die/den Zuhörende/n gut zuhören zu lassen und mit wer erzählt in erster Linie durch Befragungen vorzugehen. Diese Befragungen wiederum führen dazu, dass Erzählende/r und Zuhörende/r in einen Dialog eintreten, der die Ideen klärt. Dieser Dialog ermöglicht eine reflexive Rückschau des/der Erzählers/Erzählerin auf ihre/seine eigene Erzählung, aber auch eine reflexive Rückschau des/der Zuhörers/Zuhörerin auf das, was er oder sie für sich selbst lernen kann, indem sie oder er das eigene Blickfeld durch eine neue Reflexion der eigenen früheren und gegenwärtigen Erfahrungen und Beobachtungen im Kontakt mit wer erzählt erweitert. Es ist also für beide notwendig, sich ihrer Pränotionen bewusst zu werden, d. h. aller überkommenen Vorstellungen und Vorurteile, die aus einer unkritischen Erziehung stammen, d. h. an denen nicht gearbeitet wurde, um sie zu reflektieren. Aus diesem Grund würde ich wer zuhört raten, vor allem wenn er/sie es zu seinem/ihrem Beruf machen möchte, sich zunächst selbst "narro-analysieren" zu lassen, also ihr/sein eigenes Narrativ (über sich selbst und über die Anderen) kritisch zu prüfen - eine Idee, die noch weiterentwickelt werden muss...
3. Narroanalytischer Ansatz und "ästhetisch-sensorische" Therapie
Was ist der Unterschied zwischen dem narro-analytischen Ansatz und der Begleitung einer Person durch eine Therapie, die ich als "ästhetisch-sensorische"4 Therapie definiert habe? Im Kapitel "Pragmatik" beschreibe ich, was ich unter "ästhetisch-sensorischer" Begleitung verstehe, und im zweiten Teil des Buches werden wir sie in der Praxis funktionieren sehen. Hier lediglich eine Klarstellung. Narroanalytisches Vorgehen und "ästhetisch-sensorische" Begleitung unterscheiden sich im Ziel: Beide sind zwar eine Methode, aber die erste zielt darauf ab, eine Studie oder eine Forschung zu strukturieren, um einen Artikel oder ein Buch zu schreiben, während die zweite darauf abzielt, eine Hilfsbegleitung für eine Person anzubieten, die darum bittet. Die narro-analytische Methode ist also nicht in erster Linie eine "Therapie", sondern beruht - wie ich bereits erwähnt habe - auf der Erhebung von Daten aus einer autobiografischen Erzählung, die nach einem kritisch-philosophischen Ansatz bearbeitet wird und nicht als Pathologie betrachtet wird, und weil es sich um eine Arbeit der Reflexion handelt. Dass dies so ist, bedeutet, dass der narro-analytische Ansatz zwar einen wissenschaftlichen Ansatz beinhaltet, aber nicht dabei stehen bleibt, da - und hier greife ich noch einmal vor - eine epistemologische und hermeneutische Dimension hinzukommt. Wie jeder Unterschied zwischen zwei benachbarten Bereichen ist auch die Unterscheidung zwischen Narroanalyse und Therapie nicht als Abschottung zu verstehen. Die beiden Bereiche sind nicht voneinander abgegrenzt, sondern ergänzen sich bis zu einem gewissen Grad, bleiben aber dennoch getrennte Bereiche.
TEIL I: THEORETISCH
Kapitel II Worte von A.
Nach diesem langen, aber notwendigen Exkurs ist es nun an der Zeit, A. das Wort zu erteilen, ein Wort, das der Autor dieser Zeilen durch seine Rezeption wiedergeben wird.
Wie im gesamten Buch ist A. doppelt zu verstehen: im Titel des Buches als Anh und Autismus, in diesem Kapitel als Anh und der Autor.
1. Der Ausgangspunkt
Hier lassen wir Anh und der Autor mit einer Stimme sprechen und wie der Autismus zu ihnen kam.
Alles begann mit dem Wunsch, jemandem zu helfen, der eine komplizierte Kindheit hatte, wie ich sie hatte, gestand mit Anh, aber auch mit der Möglichkeit, mir selbst zu helfen, nämlich mir, dem Autor dieser Zeilen. Kurz gesagt, es handelte sich um eine Co-Therapie.
Es ist kein Zufall, dass ich das Wort "kompliziert" verwendet habe, um Anhs Kindheit zu beschreiben. Alles Menschliche ist von Anfang an komplex, da es sich auf ein Wesen bezieht, das ebenfalls von komplexer Natur/Struktur ist, nicht einseitig, nicht monolithisch, nicht eindimensional und nicht unveränderbar. Die Eigenart und die Entwicklung einer Person sowie ihr familiäres, soziales und kulturelles Umfeld können ihr das Leben in vielen Fällen erschweren und damit die ursprüngliche Komplexität erhöhen. Das Ergebnis ist ein Leben, das durch die Erfahrungen der Person (ver) kompliziert ist, und in erster Linie eine komplizierte Kindheit.
Dieses (ver)komplizierte Leben in der Kindheit führte zu einem Ersuchen von Anh an mich (den Autor) und zu einer Untersuchung von Anhs Leben durch seine Erzählung. Eine Erzählung, die bald dazu führte, dass das Wort "Autismus" erwähnt und ausgesprochen wurde. Ersuchen und Untersuchung wurden zu einem Paar, das durch eine Suche verbunden war: eine Suche rund um Autismus. Schon das Wort "rund um" markiert eine Kreisbewegung, eine typische Walzerbewegung, eine methodische Bewegung der Suche und des Nachdenkens, die immer von einem zum anderen führt. Diese methodische Bewegung, übrigens sowohl in der Theorie als auch in der Praxis, wird ihren Sinn in der einzigartigen Erfahrung finden, die ich als Autor durch Anh machen durfte, und zwar hauptsächlich im Kontakt mit Joselito, aber auch - und nicht in geringerem Maße! - mit Iván und ihren Eltern.
Wie wurde das getan?
Durch eine doppelte Begleitung. Auch das (hier als ausgesprochen so wie geschrieben zu verstehende) Wort "Begleitung" wurde nicht zufällig gewählt. Ich verwende diesen Begriff eher als den Begriff "Therapie". "Therapie" klingt in meinen Ohren zu pathologisierend, obwohl Autismus - wie bereits erwähnt - heutzutage nicht mehr als Krankheit angesehen wird. Ich möchte jedoch keine Trennwand zu den bereits zahlreichen Trennwänden eines Wissens hinzufügen, denn Begleitung bedeutet (im übertragenen Sinne, aber warum nicht auch in manchen Fällen im wörtlichen Sinne), dass die Person an die Hand (statt in die Hand) genommen wird. Die Begleitung in diesem Sinne kann zwar bei Bedarf auch einen therapeutischen Aspekt annehmen, fällt aber weder direkt noch ausschließlich in den medizinisch-therapeutischen Bereich.
Wir werden jedoch sehen, wie insbesondere durch das empathische Talent einer Praktikerin/eines Praktikers jede Therapeutin/jeder Therapeut zur Zuhörerin/zum Zuhörer oder auch zur Begleiterin/zum Begleiter werden kann, ebenso wie jede andere Person, die (beruflich oder nicht beruflich) in diesem Bereich bewandert ist. Diese Rollenüberlappung5, die übrigens den Vorgang der Empathie wiedergibt, kann umso besser gelingen, je mehr die psychotherapeutische Person die weiße Schürze und die sterile Atmosphäre einer Arztpraxis ablegen kann.
2. Der Zielpunkt
Das gemeinsame Ziel, wenn auch mit unterschiedlichen Methoden, wird das sein, was ich als "die Tür öffnen" der autistischen Person bezeichne. Die Tür zur Kommunikation zwischen der inneren Welt dieser Person und der äußeren Welt, in der sich die Person mit Autismus notwendigerweise bewegt.
Diese Öffnung wird in zwei parallelen und gemeinsamen Bewegungen über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgen. Ich bin an dieser Stelle dazu geneigt, diese Bewegungen über die Zeit als "Dauergänge" (fr. duritination) zu bezeichnen. Diese beiden Dauergänge entsprechen wiederum zwei Herangehensweisen, die sich in der methodologischen Dimension treffen: Es sind zwei Methoden. In dem Bereich, der uns hier interessiert (Autismus), erfordert jede Methode sowohl Zeit (Dauer) als auch Raum (Begegnung).
Diese beiden Dauergänge oder Herangehensweisen werden die Suche, den Ausgangspunkt, den ich oben erwähnt habe, zusammenhalten. Diese beiden Bewegungen in der Dauer (Zeit), die gleichzeitig zwei Bewegungen der Annäherung (Raum) sind, werden parallel (an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten) stattfinden, sich aber in ihrer Komplementarität überschneiden - wenn beide in diesem Sinne durchgeführt werden, d.h. wenn eine dialogische Kommunikation zwischen diesen beiden Räumen und Zeiten entsteht, und zwar durch diejenigen, die ihnen im Rahmen einer begonnenen Suche Bedeutung verleihen. Diese Suche ist also gleichzeitig:
- einzigartig in Bezug auf das Ziel (das Öffnen der Tür)
- dual, da sie zwei Wege beschreitet: einen mehr theoretischen und einen mehr pragmatischen (wir gehen später wieder darauf ein).
- mehrfach, da sie multidisziplinär gehandhabt wird (sowohl in der erzählten Exposition als auch in der Behandlung).
In dieser zweistimmigen Suche befinden wir uns also nicht mehr in einem euklidischen Raum oder in einer rein aristotelischen Logik (die jede dritte Lösung ausschließen würde).
Die musikalischen, also rhythmischen Metaphern in diesen Zeilen werden wohl niemandem entgangen sein.6
3. Die doppelte Kette (oder Helix) von Zwischenpunkten
Ich werde hier in wenigen Worten versuchen, die Grundzüge dessen zu skizzieren, was diese Suche sowohl in der Beziehung Erzähler[in]/Zuhörer[in] als auch in der Beziehung BegleiterIn/ Begleitete(r). Ich komme auch später auf einen weiteren Unterschied: zwischen Begleiter[in] und Begleitende[r/m] zurück. Hier nur kurz: der/die Begleitende (fr. accompagnant/e) ist z. B. ein Elternteil oder ein/e Erzieher/in, die zur Therapie zusammen mit der/dem Ratsuchenden (Erzählenden) kommen; der/die Begleiter/in (fr. accompagnateur/accompagnatrice) ist die Person die die/den Ratsuchende/n (Erzählende/n) beraten wird. Hier nenne ich die/den Begleitete/n auf aktiverer Art: Ratsuchende/n – hier die erzählende autistische Person, als (aktives) Hauptforschungssubjekt (autistisches Subjekt oder kurz: AS).
Bevor wir jedoch ins Detail gehen, müssen wir beachten, dass die erzählende Person logischerweise diejenige ist, die dominant (= überwiegend) erzählt, aber gleichzeitig rezessiv (= ebenfalls) zuhört, da es sich um einen Dialog handelt; ebenso ist die zuhörende Person hauptsächlich (dominant) die Zuhörerin/der Zuhörer, aber sie erzählt auch akzessorisch (rezessiv) in ihrer Interaktion als Reaktion auf das Erzählte, eine Nebenerzählung, der die erzählende Person zuhört. Die beiden Seiten des Spiegels sind verschieden, aber sie durchdringen sich gegenseitig. In diesem Raum kann man ständig zwischen den beiden Seiten des Spiegels hin und her wechseln, wie in Alices Roman oder Jean Cocteaus Filmen um die Figur des Orpheus ... wobei man es jedoch nicht versäumen soll, für das Dekantieren der Erfahrung einige Zeit in dieser Zwischenwelt zu bleiben, die virtuell zwischen den beiden Seiten des Spiegels wohnt, und auch nicht vergessen soll, nicht dauerhaft dort zu bleiben. Das ist, lyrisch ausgedrückt, Empathie. Wir bleiben also im Bereich der Rhythmen, die die Zeit ebenso skandieren wie sie den Raum prägen7.
Durch diese Rhythmen, die sich schraubenförmig aneinanderreihen (da sie aus einer doppelten Quelle stammen), wird also eine Reihe von Zwischenschritten zwischen dem oben definierten Ausgangs- und Endpunkt entstehen, deren kontinuierliche Verankerung sich in der Methodik verfangen wird. Eine doppelte Methode.
Wir haben gesehen, wie sich in der narro-analytischen Methode dieses Doppelspiel entwickelt.
Lassen Sie uns hier kurz einführen, wie sich dieses Spiel in der Methode zur Begleitung von Autismus, die ich in diesem Buch vorschlage und auf die wir später noch ausführlicher eingehen werden, doppelt artikuliert.
Die von mir vorgeschlagene Methode gliedert sich in zwei "Therapien":
- einerseits eine Therapie, die ich als "Haupttherapie" bezeichne und die ich in meiner Methode als "pragmatische Therapie" bezeichne.
- andererseits eine Therapie, die ich als "Hilfstherapie" bezeichne und der ich den Namen "ästhetisch-sensorische Therapie" gegeben habe. Aufgrund der vorangegangenen Entwicklungen sollte die Bezeichnung dieser Therapie, welche in diesem Buch zentral ist, nicht mehr so sehr verwundern. Auf sie wird sich der Hauptteil der Arbeit konzentrieren.
Im Großen und Ganzen soll die Haupttherapie in erster Linie darauf abzielen, dass sich die Person mit Autismus allmählich und so weit wie möglich in die Gesellschaft, in der sie lebt, integriert. Die Hilfstherapie, die ich mit dieser Person ausprobieren möchte, hätte hingegen - ebenfalls grob gesagt - das vorrangige Ziel, dass ich als ihr gegenüber gewissermaßen als Vertreter dieser gesellschaftlichen Welt versuche, so weit wie möglich die Welt dieser Person (und damit irgendwo auch ein Stück der Welt des Autismus) zu integrieren. Dieser Hilfsbeitrag soll - neben der Arbeit in der Haupttherapie - dazu beitragen, der Person mit Autismus zu helfen, die Tür weiter zu "öffnen" ... aber, wie weiter unten zu lesen ist, würde ich, während ich ihr helfe, ihre Tür zu öffnen, genauso gut üben, "meine Tür zu öffnen". Helfen und durch Helfen sich selbst helfen.
Wie auch immer, so wie bereits auf der Ebene der Psychoanalyse jede Person, die diese Technik ausüben will, sich vorher psychoanalysieren lassen muss, so denke ich, dass jede Person, die beruflich Menschen psychologisch helfen und beraten will, sich selbst einer psychologischen Analyse unterziehen sollte, um die tieferen Gründe zu kennen, die sie dazu veranlasst haben, einen Beruf zu wählen, der darin besteht, sich um andere zu kümmern; Dies führt dazu, dass eine therapeutische Handlung oftmals auch eine selbsttherapeutische Handlung ist und letztlich jede therapeutische Sitzung zumindest teilweise auch eine Co-Therapie darstellt. In einem "amateurhaften" bzw. nicht-professionellen Rahmen (wie dem meinen oder dem von Anh) ist das nicht anders.
4. Die ersten Schritte
Ich wusste nicht viel über Autismus und, ehrlich gesagt, hatte ich mich nie näher damit befasst, weil das, was ich darüber wusste oder zumindest zu wissen glaubte, weit von meinen Anliegen entfernt schien, sagte Anh. Und ich tat das gleiche.
Wie klopfte der Autismus dann an meine Tür, fuhr er fort, aber auch ich mit ihm?
Zwei Begegnungen begleiteten die Zündung und den Start dessen, was in mir eine wahre epistemologische Rakete war (ich war nicht wirklich darauf vorbereitet):
- die Begegnung mit Anh und die Gespräche, die wir führten
- das Treffen mit Joselito und später mit Iván in Mexiko, auf das mich die vorherige Begegnung vorbereitet hatte. Ich hatte mich darauf vorbereitet, indem ich mir die intellektuellen Mittel verschaffte, um ein "therapeutisches" Experiment mit diesen beiden Jungen zu versuchen, zu dem ich auch ihre Eltern hinzuzog. Die Methode, die dieser "Therapie" zugrunde liegt, ist also systemischer Natur. Ich werde diesen Punkt später erläutern.
Ich sah Joselito zum ersten Mal bei der Familie, die mich damals in Mexiko-Stadt beherbergte. Er kam mit seiner Mutter, damit die Mutter meiner Gastgeberfamilie, eine bekennende Ärztin und Zahnärztin, ihm eine Spritze gegen Grippe gibt. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt also nur sehr oberflächliche Kenntnisse über das Thema hatte, erkannte ich bei dem Kind (er war damals elf Jahre alt) sehr schnell ein Verhalten, das ich für autistisch hielt. Wie habe ich das herausgefunden? Keine Ahnung, wirklich nicht. Jedenfalls bestätigte mir die Mutter des Kindes später die Tatsache, als ich die Gelegenheit hatte, sie wiederzusehen. Bei Joselito war offiziell Autismus diagnostiziert worden. Da sich das Kind jedoch von Besuch zu Besuch - in erster Linie mir gegenüber - auf eine Weise verhielt, die ich für einen "erklärten" Autisten als "atypisch" ansah (er wurde mir gegenüber immer liebevoller), geriet mein Wissen über Autismus, das ich vergeblich zu haben glaubte, ins Wanken.
Diese Begegnung, die gegenseitige Empathie, die zwischen Joselito und mir entstand, und damit auch die, sagen wir, theoretische Verwirrung, die die Beobachtung des in meinen Augen (als Neuling) eher "atypischen" Verhaltens von Joselito mir gegenüber in mir auslöste, motivierten mich dazu, mich (endlich!) ernsthaft mit dem Thema Autismus zu beschäftigen. Die spätere Begegnung mit Iván in Puerto Escondido, wo ich Urlaub machte, und das anschließende Zweiertreffen zwischen Joselito und Iván sowie mit ihren jeweiligen Eltern bewirkten, dass ich mich endlich an die Arbeit machte.
Die Recherche, die im Internet begann, war für mich in zweierlei Hinsicht aufschlussreich. Sie zeigte mir, dass Autismus mit seinem breiten Spektrum, den Fragen, die er aufwirft, und den Überlegungen, die er hervorruft, alle orthodoxen Denkweisen erschüttert. Es war auch auf eine Weise aufschlussreich, die Sie in den folgenden Zeilen entdecken werden.
Um das allererste Wissen zu diesem Thema zu sammeln, da es notwendig war und ich französischsprachig bin, nutzte ich zwei Quellen: französischsprachige Artikel vor allem aus Wikipedia und Videos zum Thema Autismus, die ich größtenteils auf YouTube gefunden und recherchiert habe (siehe unten).
Hier wird der Originaltext von 2016 wiedergegeben (in seiner deutschen Übersetzung):
» In dieser Zeit der Einführung in das Thema Autismus trugen meine Referenzartikel die Titel "Autismus" und "Asperger-Syndrom". Ausgehend von dieser ersten Kontaktaufnahme vertiefte ich mein Wissen und suchte nach Quellen in mehreren Sprachen, die direkt oder indirekt mit diesem Thema zu tun hatten, insbesondere über Leo Kanner und Hans Asperger, über die dritte Form von Autismus die im DSM IV noch als "atypisch" bezeichnet wird (mit der häufig genetische Krankheiten wie das X-Syndrom und das Rett-Syndrom gleichgesetzt werden), über die genetischen Aspekte des Autismus und - angeregt durch den Psychologen P - über die benachbarte Obsessionelle Zwangsstörung. Aus diesen Quellen verfasste ich zwischen Ende Januar und Anfang Februar 2015 die Quintessenz des vorliegenden Textes.
Später hatte ich die Gelegenheit, das 2003 erstmals erschienene Buch "The Curious Incident of the Dog in the Night-Time" von Mark Haddon zu erforschen (vgl. den Artikel zu diesem Buch in der englischen Wikipedia, der umfangreicher ist als in mehreren anderen Sprachen). Ich fand das Werk originell (es wurde auch für Film und Theater adaptiert). Der britische Autor, der kein Autist ist, lässt einen Jugendlichen, der in der Nähe von London lebt und offenbar Verhaltensmerkmale aufweist, die denen des Asperger-Syndroms ähneln, aus der Ich-Perspektive erzählen. Dieses Werk ist in meinen Augen (und nicht nur in meinen!) originell, weil es die Perspektiven umkehrt und so zeigt, wie als 'normal' geltende Menschen bis zu einem gewissen Grad seltsam und dumm auf jemanden wirken, den sie selbst normalerweise für eine seltsame, manchmal sogar für eine dumme Person halten. Obwohl mir der hier beschriebene Teenager einerseits etwas zu "ideal-typisch" (um es mit Max Weber zu sagen) Asperger erschien - und der Autor sich dagegen wehrt, dass er beim Schreiben seines Buches über Autismus im Allgemeinen und dieses Syndrom im Besonderen Bescheid wusste -, würde ich andererseits die Lektüre dieses Buches sowohl als literarisches Werk als auch als didaktisches Handbuch empfehlen.
Noch später, Mitte Februar 2015, hatte ich die Gelegenheit, folgende Universitätsarbeit zu lesen: „Zwei Ansätze zur Behandlung von frühkindlichem Autismus: zwischen Verhaltensänderung und 'Bewohnen des Diskurses'“ (meine Übersetzung des spanischen Originaltitels: "Dos abordajes para tratar el autismo infantil : entre modificar la conducta y 'habitar el discurso'" - Diego Cabral López de la Cerda, Universidad Autónoma Metropolitana de Mexico-Xochimilco, sección: Psychología Educativa, 2008) - was mich dazu veranlasste, mich (wenn auch wirklich nur rudimentär und wieder einmal mit Hilfe von Wikipedia! ) in die psychoanalytischen Thesen Lacans einzuführen. Die Lektüre dieser Dissertation war für mich in zweierlei Hinsicht interessant: Erstens bot sie eine Zusammenfassung der Techniken, die bei der Betreuung von Menschen mit Autismus eingesetzt werden, und zweitens konnte sie mir Ideen für die künftige Hilfstherapie liefern, die ich mit K [dem Kind Joselito]. plante.8
Die Ergebnisse dieser zusätzlichen Lektüre ließ ich später in den Text meines Beitrags einfließen.
Auf meinen zahlreichen Reisen hatte ich gegen Ende März 2015 das große Glück, auf dem deutsch-französischen Kanal ARTE drei Fernsehsendungen zu verfolgen, deren rigoroser Ansatz und sozialkritischer Charakter wohlbekannt sind: eine aus der THEMA-Reihe mit dem Titel "Volkskrankheit Depression?" am 24. März 2015, eine Dokumentation mit dem Titel "Das Rätsel des Autismus" aus der Reihe "Umwelt und Wissenschaft" am 27. März 2015 und erneut eine Sendung aus der Reihe THEMA: "Autisten: ein Platz unter den anderen?" am 31. März 2015.
Um meine wichtigsten späteren Quellen abzuschließen: Mitte April 2015 besorgte ich mir, angeregt durch die oben genannten Fernsehsendungen, ein wichtiges Werk zur kritischen Reflexion über Autismus, das Buch "L'autisme : une autre intelligence" (Der Autismus: eine andere Intelligenz) von Prof. Laurent Mottron, das 2004 veröffentlicht wurde (Pierre MARDAGA Herausgeber, Brüssel) und meiner Meinung nach (und angesichts meines derzeitigen Wissensstandes) nichts an Aktualität eingebüßt hat.
Zwischen diesen Büchern und Sendungen lies ich noch eine große Anzahl von Fachartikeln, vor allem im Internet, da ich in meinem jetzigen Leben viel unterwegs bin. Als ich dann Ende 2015 bis Anfang 2016 nach Mexiko zurückkehrte, hatte ich die Gelegenheit, drei Therapiezentren für Autisten (und in erster Linie für autistische Kinder) zu besuchen, was mir die Möglichkeit gab, andere autistische Personen als E (Joselito) zu beobachten und dadurch die 'atypische' Art von K's Verhalten zu relativieren.
Ich studierte also das Thema in einer großen Bandbreite, sowohl theoretisch als auch praktisch, und vor allem den Autismus in seinen beiden "klassischen" Formen (Kanner, Asperger).
Parallel dazu ging ich auf mich selbst zurück und begann mit einem Rückblick auf meine eigene Kindheit.
Ich habe eine sehr klare Erinnerung an die Fakten, die meine Kindheit betreffen, entweder direkt oder durch die Erzählungen meiner Eltern (und vor allem meiner Mutter), die sich auf 8- und Super-8-Filme stützten. Diese Kurzfilme hatten meine Eltern seit meiner frühen Kindheit aufgenommen. Auf denen konnte ich später mein Verhalten beobachten und analysieren (ich habe jetzt dieses digitalisierte Material auf DVD und eine Menge Fotos aus der Zeit, die meine Geschichte und die meiner Familie seit meinem zweiten Lebensjahr belegen).
Ich habe also ein gutes Gedächtnis, aber auch einen kritischen Geist, nicht nur aufgrund meines Charakters (Selbstbeobachtung ohne Nachsicht oder Tabu), sondern auch aufgrund meiner akademischen und beruflichen Ausbildung (ich wurde zum wissenschaftlichen Denken "erzogen", was für mich bedeutet, dass ich die strengen Regeln der logischen Beweisführung befolge, die sich auf eine Beobachtung und Überprüfung des Erlebten stützt). So kenne ich das Phänomen der so genannten "Deckerinnerungen", die man für wahr hält, die aber in Wirklichkeit verzerrt sind. Und ich habe (und tue es bis heute) alles in meiner Macht Stehende getan, um kritisch zwischen meinen Erinnerungen zu unterscheiden. Ohne - natürlich! - sicher zu sein, dass ich damit alle falschen Erinnerungen beseitigt habe, glaube ich aufrichtig, dass ich mich von den meisten verabschiedet habe.
So begann ich, die Symptome des Autismus zu studieren, die in den von mir erwähnten Wikipedia-Artikeln dargestellt werden, und zu sehen, inwieweit ich ein gewisses Echo davon in mir entdecken könnte, wenn ich mich rückblickend auf Verhaltensmerkmale aus meiner eigenen Kindheit konzentrierte.
Parallel dazu schaute ich mir mehrere Videos, vor allem auf YouTube, an, um Verhaltensweisen von autistischen Kindern und Erwachsenen zu beobachten, die mir bestimmte typische Verhaltensweisen dieser Personen offenbaren könnten. «
Ende der Übernahme des Originaltextes aus dem Jahr 2016.
In den vorangegangenen Entwicklungen, die also direkt aus der Ausgabe von 2016 stammen, bezeichnet P den befreundeten Psychologen Diego, der mir zu Beginn des Projekts zur Seite stand, und K ist hier ganz einfach Joselito.
Im Folgenden werde ich kurz die Videos aufzählen, die meine Forschung in der Anfangsphase unterstützt haben. Für weitere Details zu ihnen verweise ich auf die Originalausgabe von 2016.
5. Die ersten Videos
Ich habe 2015-2016 begonnen, diese Videos anzusehen.
Hier sind sie:
1. Jesse - een dag uit het leven van een jongen met autisme (Jesse - ein Tag im Leben eines autistischen Jungen): Ein Kurzfilm über Missverständnisse und Mobbing (en: bullying), denen Kinder und Jugendliche mit Anzeichen von Autismus oft ausgesetzt sind, wenn sie von ihren Klassen-'Kameraden' als dumm und verrückt bezeichnet werden.
2. Autismus & Asperger: Gebrauchsanweisungen: Ein Video, in dem eine junge Asperger-Patientin beschreibt, wie sie ihre Behinderungen in Vorteile für ihr Leben umgewandelt hat (auf Französisch).
3. Autismus: "Ist da letztendlich jemand drin?" (auf Französisch): Ein Autist aus der Sicht seines Bruders: Ein Video, das das Leben zweier Brüder anhand von Super-8-Filmen dokumentiert, die ihre Eltern seit ihrer Kindheit gedreht haben; das Video zeigt, dass da jemand drin ist, der sich isoliert und mit sich selbst gelangweilt fühlt.
4. Das Asperger-Syndrom: die unsichtbare Behinderung - Aufzählung der wichtigsten Symptome bei einem Kind von der Geburt bis zum Alter von 8 Jahren (auf Französisch): Ein Lehrvideo, das die Kriterien für die Erkennung dieses Syndroms auflistet und sich auf ein Asperger-Kind bezieht, das zum Zeitpunkt des Videos 8 Jahre alt war.
5. Was ist Autismus (auf Französisch): Ein Interview mit dem französischen Kinderpsychologen Prof. Pierre Delion aus dem Jahr 2012, in dem er die Symptome von Autismus in den verschiedenen Formen seines Spektrums erläutert und insbesondere darauf hinweist, dass Asperger oft ein außergewöhnliches Gedächtnis und damit die Fähigkeit haben, sich als "autodidaktische Experten" eine beeindruckende Menge an Wissen anzueignen.
6. Autistisches Denken (siehe Link: http://www.dailymotion.com/video/xpytds_interview- laurent-mottron_news): Ein 2010 von Sylvie Lauzon geführtes Interview mit Professor Laurent Mottron über die besondere Denkweise von Autisten und den Begriff der Intelligenz, der auf sie angewandt wird (auf Französisch).
7. Autismus und Asperger-Syndrom: Eine Diagnose, wozu?, Autismus und Asperger-Syndrom: Missverständnisse und Vorurteile, Das Asperger-Syndrom: (Versuch einer) Definition (auf Französisch): Es handelt sich um eine Reihe von drei oder mehr Videos, die von einer jungen Französin unter dem Pseudonym "Super-Pépette" gedreht wurden, deren Asperger-Syndrom erst im Alter von 27 Jahren entdeckt wurde. Diese Reihe von Videos (und insbesondere die oben genannten) soll anderen ("Nicht-Asperger") erklären, was das Asperger-Syndrom wirklich ist. Drei didaktisch und epistemologisch ausgearbeitete Videos, die betonen, dass 1. als Spektrum jede autistische Person eine einzigartige Person ist und dass die Symptome relativiert und an den jeweiligen Fall angepasst werden müssen, 2. Autismus keine Krankheit ist, sondern vielmehr ein integraler Bestandteil der Person (wie die Charakterisierung einer Person als linkshändig, blond oder brünett . ...), und dass man daher, auch wenn es erziehbar ist, als Autist geboren wird und stirbt, 3. dass es wichtig ist, Autismus zu diagnostizieren, vor allem in seiner weniger "sichtbaren" Form des Asperger-Syndroms, damit die betroffene Person pädagogische und therapeutische - kurz, in meiner Sprache: begleitende - Unterstützung finden kann. Im Anhang zu diesem Kapitel findet man den gesamten Text zu diesem Video, da es für den weiteren Verlauf des Buches hilfreich sein wird, die Details zu kennen.
Die Links zu den hier erwähnten Youtube-Videos sind in der Bibliografie am Ende des Buches zu finden. Die Mehrzahl dieser Videos ist auf Französisch aber ähnliche können in Youtube oder anderswo bestimmt auch auf Deutsch gefunden werden.
Da ich ein absoluter Neuling auf diesem Gebiet war, musste ich mir tatsächlich zunächst auf lebendige und aktuelle Weise, d. h. anhand von audiovisuellen Medien, die Grundlagen des Themas aneignen.
Diese Videos, die in ihren behandelten Aspekten vielfältig waren, entsprachen in meiner Vorstellung am ehesten dem, was Menschen, die selbst dem autistischen Spektrum angehören oder in direktem Kontakt mit ihnen stehen (Brüder, Praktiker), "wirklich erleben". Durch die Vielfalt ihrer Themen ermöglichten sie mir auch, einen ersten Überblick über das Thema zu bekommen. Auf dieser Grundlage konnte ich dann beginnen, tiefergehende Quellen zum Thema Autismus zu konsultieren. Anstatt mit dicken und schwierigen Fachschriften (Artikeln, Büchern) zu beginnen, die mich vielleicht davon abgehalten hätten, weiter zu lesen, habe ich mir den Luxus dieser ersten (audio-visuellen) Phase gegönnt, bevor ich mich in einer zweiten Phase mit dieser Lektüre befasste.
In dem oben wiedergegebenen Auszug aus dem ursprünglichen Buch von 2016 (Histoires d'A.) habe ich das Material aufgelistet, die ich in den Jahren 2015-2016 gelesen habe.
Wie die vorangegangenen Zeilen zeigen, verlief die erste und zweite Phase meines Erwerbs von Grundlagen nicht streng chronologisch. Ich begann zwar mit Videos, aber schon bald ging ich zu einigen (anfangs "einfachen") Büchern über, um dann wieder zu Videos zurückzukehren.
Für mich dienten diese Videos als Zeugnisse, aber sie waren auch eine Quelle der Beobachtung der Menschen, die sie bewohnten, ihrer verbalen und körperlichen Sprache, ihrer Haltung gegenüber ihrer Situation oder der Situation, die sie miterlebten oder um die herum sie ihre berufliche Berufung aufgebaut hatten.
ANHANG ZU PUNKT 7: DIE ERSTEN VIDEOS
Der gesamte Text zu den drei zitierten Videos von Super-Pépette aus dem Buch von 2016 (Histoires d'A. oder abgekürzt HdA S. 27-30).
7. Autismus und Asperger-Syndrom: Eine Diagnose, wozu?, Autismus und Asperger-Syndrom: Missverständnisse und Vorurteile, Das Asperger-Syndrom: (Versuch einer) Definition: Es handelt sich um eine Reihe von Videos - zu denen diese drei gehören -, die eine junge französische Frau, deren Asperger-Syndrom erst im Alter von 27 Jahren entdeckt wurde, gedreht hat, um anderen ('Nicht-Asperger') zu erklären, was dieses Syndrom in Wirklichkeit ist. Die drei oben genannten Videos, die ich mir mit größter Aufmerksamkeit ansah, entbehren nicht eines gewissen Humors. Die junge Frau nahm das Pseudonym "Super-Pépette" an, beginnt ihre Videos mit "Hallo zusammen - ich bin Super-Pépette, eine Autistin, die nicht nur sprechen kann, sondern auch etwas zu sagen hat" und endet mit "Ich hoffe, dass dieses Video Ihr Interesse geweckt hat... Autismus ist nicht das, was Sie denken, informieren Sie sich". Wie Video 2 über das Gespräch mit Taylor Morris zeigen diese drei Videos Selbstsicherheit, eine sehr klare und konstruierte Sprache und in diesem Fall auch ein beeindruckendes Gedächtnis, da die junge Frau während dieser Videos, die bis zu über zehn Minuten im Monolog dauern, keinen Text liest oder zögert, wenn sie etwas vorträgt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie ihren Text vorher vorbereitet hat, aber in diesem Fall wird sie ihn vollständig auswendig gelernt haben, bevor sie das Video dreht.9
Diese sehr ausführliche "Insider"-Dokumentation über das Asperger-Syndrom (von einer Person mit diesem Syndrom, das bei ihr allerdings erst relativ spät entdeckt wurde) war für mich wahrscheinlich die bedeutsamste ihrer Art. Schon auf didaktischer Ebene waren die Videos brillant, da sich in jeder Phase der Demonstration ein Fenster öffnete, in dem zusammengefasst stand, was die junge Frau sagte (sie war diejenige, die all diese Videos entworfen hatte). Auf informativer Ebene lernte ich eine Menge Dinge, die mir in anderen YouTube-Videos, die ich mir angesehen hatte, nicht begegnet waren. In der Tat fügten die drei Videos eine Vielzahl von Asperger-Symptomen hinzu, die meiner Meinung nach in den klassischen Videos, die ich mir angesehen hatte, fehlten oder hier in einer anderen, originellen Form dargestellt wurden, die mir in vielerlei Hinsicht sehr interessant erschien, da sie auf unterschiedliche Weise betrachtet wurden. Wie die junge Frau betonte, waren diese Symptome für die Diagnose des Asperger-Syndroms gleichermaßen wichtig. Darüber hinaus nimmt eine epistemologische Reflexion über diese Kriterien und das Syndrom im Allgemeinen einen zentralen Platz in diesen Videos ein - und schon das ist für jeden strengen Geist besonders hervorzuheben und willkommen!
In allen drei Videos betont "Super-Pépette", dass Autismus ein Spektrum ist und dass deshalb die verschiedenen Symptome des Asperger-Syndroms von Person zu Person unterschiedlich stark und spezifisch ausgeprägt sind und dass deshalb jeder Autist, also auch jeder "Asperger", einzigartig ist, weshalb es nicht immer einfach ist, ihn zu diagnostizieren. Die junge Französin räumt auch ein, dass Autismus ihrer Meinung nach größtenteils genetisch bedingt sein kann [Fußnote 3, S. 29]; das heißt, dass man (wie Super-Pépette sagt) als Autist/Asperger geboren wird und stirbt und dass es etwas ist, das eine Person definiert, wie blond, brünett, groß, klein usw., und dass es etwas ist, das eine Person ausmacht. Autismus ist also keine Pathologie. » Wer würde heute zum Beispiel sagen, dass Epilepsie eine Krankheit ist? «, rief die junge Frau aus, oder - fügte ich hinzu - dass Linkshändigkeit eine Krankheit ist? Aus diesem Grund (zurück zum Video) gibt es, wie auch Super-Pépette sagt, eine ganze Reihe von Möglichkeiten, Autist/Asperger zu sein, und nicht nur eine einzige innerhalb des Autismus. Sie ist der Meinung, dass die klassischen Symptome von Autismus/Asperger relativiert werden müssen. Super-Pépette nennt uns ein Beispiel: den Mangel an Empathie (im Gegenteil, sagt sie, sie empfindet Empathie, wenn eine Freundin weint, drückt es aber nicht wie andere aus). Dasselbe gilt für stereotype Bewegungen und Haltungen oder eingeschränkte Interessen (je nach Person, erklärt Super-Pépette, treten diese Dinge mehr oder minder deutlich, offensichtlich auf und jedes Mal nach einer Art und Weise, die jeder Person eigen ist).
Deshalb sei es nicht leicht, Autismus zu erkennen, vor allem nicht in der Asperger-Form, sagt Super-Pépette, und deshalb sei das Syndrom bei ihr so spät entdeckt worden. Viele Menschen, die sie vor der Diagnose kannte, konnten es nicht glauben und sagten ihr sinngemäß: » Du, eine Autistin? Das kann nicht sein ... Du bist nicht so oder so … In diesem Bereich ist es Mode geworden, sich als 'Aspi' auszugeben - die meisten sind tatsächlich nur Fälscher «.
Diese Meinung (die es ihrer Meinung nach offenbar auch unter Medizinern gibt) verletzte die junge Frau, weil das Syndrom bei ihr methodisch und wissenschaftlich in den drei klassischen Bereichen diagnostiziert wurde, in denen sich die Symptome des Autismus verteilen - auch in der Asperger-Form (Störungen der sozialen Interaktion und Kommunikation, mit stereotypen und repetitiven Verhaltensweisen sowie dem Vorhandensein von eingeschränkten Interessen). Daher ist es für "Super-Pépette" von größter Bedeutung, dieses Syndrom bei einer Person so früh wie möglich zu diagnostizieren. Und parallel dazu die Öffentlichkeit zu informieren, um sie für die Tatsachen bezüglich dieses Syndroms zu sensibilisieren, Vorurteile und vorgefasste Meinungen zu bekämpfen. Ihr drittes Video fügt der Charakterisierung des Asperger-Syndroms (und allgemeiner des Autismus) folgende Symptome hinzu: Unschuld (Schwierigkeiten beim Lügen und Leichtgläubigkeit), 'Funktionieren in Extremen' (Emotionen, Empfindungen, Fähigkeiten: oder alles oder nichts, oder Spitzen oder Täler, oder Genie oder Nullität), gewissenhafte Einhaltung von Regeln (auch von Regeln, die sich die Person selbst auferlegt). Ja, sagt sie, Verhaltens-, Beziehungs- und soziale Behinderungen können korrigiert werden, und es ist möglich, die Fähigkeiten einer Person durch Psychotherapie und/oder Selbsterziehung zu verbessern, aber die Symptome werden nie ganz verschwinden (die junge Frau gibt uns ein Beispiel: Sie kann heute zwar an einem gesellschaftlichen Treffen mit mehreren anderen Personen teilnehmen und dort das Wort ergreifen, aber das kostet sie viel Energie, und danach muss sie sich zurückziehen, um sich zu "regenerieren").
TEIL I: THEORETIK
Kapitel III Episteme
Ausgehend von diesen grundlegenden Erkenntnissen, denen noch viele weitere folgen werden, die hier nur am Rande erwähnt werden, wollen wir uns nun mit den Fragen beschäftigen, die uns die Analyse dieser kognitiven Daten gestellt hat.
Ich hatte diese Fragen mit Anh besprochen, und aus den Ergebnissen unserer Diskussionen sind die folgenden Ausführungen entstanden.
Diese Aussagen spiegeln das Raster wider, das wir gewählt haben, um die Daten zu verarbeiten, d. h. um ihnen die Bedeutung und den Wert zu verleihen, die wir ihnen beimessen.
Zu diesem Zweck werden wir Episteme bilden.
1. Philosophie des Wissens, ἐπιστήμη (Erkenntnis) und Episteme
Dieses Kapitel trägt den Titel "Episteme". Was ist das?
Um dieser Frage nachzugehen, werden wir sie in ein größeres Feld einbeziehen, aus dem sich nach und nach die Bedeutung des Wortes ableiten lässt. Ich nenne das die Trichtermethode: vom Breiten (um den Kontext des Wortes und seinen Stammbaum nicht zu vergessen) zum Engeren zu gelangen, in einem Prozess der allmählichen Fokussierung auf das Wort selbst.
Der hier verwendete Begriff Epistem (Mehrzahl: Episteme) leitet sich im didaktischen Bereich vom Begriff der 'Episteme' (Singular, aus dem Altgriechischen ἐπιστήμη)10 ab. Im Rahmen des Buches wird dieser Begriff als räumlich und zeitlich definiertes metakognitives Konstrukt verstanden. Konstruiert, weil es sich um ein lokalisiertes und datiertes Konstrukt handelt. Metakognitiv, weil es auf einer kritischen kognitiven Analyse der Art und Weise beruht, wie empirische Daten kognitiv gesammelt und verarbeitet werden, um Erkenntnis zu schaffen, unabhängig davon, um welchen Bereich es sich handelt (philosophisch, religiös, kosmogonisch, wissenschaftlich, soziologisch usw.). Räumlich-zeitlich definiert, d. h. für einen bestimmten Kulturraum (z. B. Europa im weitesten Sinne des Wortes - einschließlich aller Gebiete, in denen Europa historisch "schwärmte", wie Nordamerika, Australien, Neuseeland usw.), für eine bestimmte Gesellschaft oder soziale Gruppe und für eine bestimmte Epoche spezifisch.
Es handelt sich um ein primär philosophisches Konzept, weil es sich auf eine Reflexion über das Wissen selbst (den Spiegel, schon wieder) bezieht, die kritisch, d. h. sowohl analytisch als auch wertend ist. Der Begriff ist vom griechischen Wort ἐπιστήμη abgeleitet. Ursprünglich bedeutete dieser Begriff einfach Wissenschaft, die sowohl als konstituiertes Wissen als auch als 'Tugend' wahrgenommen wurde, nämlich "im Handeln gelehrt zu sein" - Aristoteles. Der Begriff beinhaltet also neben einer Methode auch eine Ethik. Eine Methode, d. h. Beobachtung, Sammlung von Daten, Verarbeitung dieser Daten und Überprüfung der Richtigkeit dieser Verarbeitung und der daraus abgeleiteten Ergebnisse durch Experimente. Aber auch eine Ethik, d. h. eine kritische Reflexion über die verwendeten methodischen Instrumente: Verfolgung von Vorurteilen und Voreingenommenheit, Berücksichtigung der Ideologie, des Zeitgeistes, der zu seiner Zeit in der Gesellschaft oder dem Zivilisationsbereich, dem man angehört, herrschte, kurz gesagt, die Festlegung der Haltung gegenüber dem Wissen. Diese zweite Bedeutung des Wortes Episteme (seine ethische Dimension) erinnert an Rabelais' Spruch » Wissenschaft ohne Gewissen ist nichts anderes als Ruin der Seele « (meine Übersetzung), und wir betrachten sie daher als ebenso wichtig wie die Methode.
Wie Michel Foucault betonte, bezieht sich der Begriff der Episteme gleichermaßen auf die Philosophie, die Geschichte und die Soziologie. Kurz gesagt bedeutet der Begriff, dass eine Genealogie des Wissens (gewissermaßen ein "Stammbaum") erarbeitet werden muss, um das Wissen zu kontextualisieren, damit es nicht mehr als unveränderlich, unantastbar und zeitlos angesehen wird. Diese Kontextualisierung erfordert wiederum, die Fundamente dessen, was dieses Wissen konstituiert hat, auszugraben, also das zu tun, was Foucault eine Archäologie des Wissens genannt hat.
Der Begriff Episteme ähnelt bei mir den ineinander greifenden Konzepten Ideologie, Axiologie und Axiomatik (wenn wir den Trichter umdrehen und vom Besonderen - von einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit - zum Allgemeinen übergehen, d. h. zur Meta-Ideologie, die die Gesamtheit der in Frage kommenden Ideologien in einem bestimmten Zivilisationsraum verbindet, und dann zu den Axiomen zurückgehen, die der gesamten Konstruktion zugrunde liegen). Die Definition und die Art und Weise, wie diese drei Begriffe ineinandergreifen, finden Sie in dem philosophischen Essay "L' "être" et l'harmonique - Abrégé" (siehe Bibliografie am Ende des Buches). Harmonisch: ein Begriff, der ursprünglich aus dem Bereich der Musik stammt... Die Musen amüsieren sich, definitiv!
Bitte keine Aufregung, wir werden also über Philosophie reden!
Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ausführungen zur Episteme ist ein Epistem ein Raster zum Lesen (Interpretieren) der Datenauswahl und der daraus gewonnenen Erkenntnisse, unabhängig von ihrem Bereich, in einer bestimmten Gesellschaft oder sozialen Gruppe (hier medizinisch-therapeutisch) zu einem bestimmten Zeitpunkt (seit Beginn der Forschung) über ein bestimmtes Thema oder ein Bündel verwandter Themen (hier Autismus, IES...).
Episteme wären für die Epistemologie (oder Erkenntnistheorie) gewissermaßen das, was (lexikalische wie grammatikalische) Morpheme in der Linguistik als "bedeutungsträchtige Minimalform (Einzelwort oder Wortbestandteil)" wären, nämlich epistemologische Module, die jeweils einer bestimmten Frage entsprechen, die sich zu stellen begann.
https://en.wikipedia.org/wiki/Episteme
In dieser Hinsicht ähneln die Episteme im linguistischen Bereich der Semantik als Studium der Bedeutung von Zeichen und im weiteren Sinne von Wörtern.
Verlassen wir jedoch die Ufer der reinen Linguistik und betreten wir die Ufer der Philosophie des Wissens, d. h. der kritischen Untersuchung der Art und Weise, wie die Daten, die das Wissen an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit ausmachen, erworben und verarbeitet werden. Hier das Wissen im Bereich des Autismus.
2. Erstes Epistem: Die Art des Definierens
Meiner Meinung nach (und nicht nur meiner) beginnt jede Forschung mit einer Definition des behandelten Themas, d. h. mit einer Abgrenzung des semantischen Feldes gegenüber anderen Feldern der gleichen Art (wie z. B. IES und andere).
Hier beginnt das Problem mit dem Autismus. Um dieses Problem einzugrenzen, werden wir das Epistem untersuchen, anhand dessen Autismus im Laufe der Zeit von den Anfängen seiner Konzeption bis heute definiert wurde. Die Antwort, die hier vorgeschlagen werden soll, schließt die Debatte bei weitem nicht ab, sondern legt einige Denkanstöße nahe.
Das Problem, das wir sehen, ist die historische Entwicklung der Forschung, die vier Hauptphasen durchläuft: von einer Infusion (das Konzept nimmt ab 1911 allmählich Gestalt an), über eine Verbreitung (die frühe Forschung verbreitet und bereichert sich), zu einer Fülle (von Informationen zum Thema) bis hin zu einer Verwirrung (die Forschung hat zu einer statistisch überfüllten Definition von Autismus geführt, die die Grenzen des Phänomens verwischt). So wurde diese Entwicklung übrigens auch in dem 2016 erschienenen Buch "Histoire d'A." dargestellt.
Dies hat mich dazu veranlasst, IES (invasive Entwicklungsstörung) in SIE (störend invadierende Entwicklung) umzubenennen - "Histoire d'A.", ein Werk, das künftig mit der Kurzform HdA , S. 91, bezeichnet wird.
Kommen wir nun zum Kern des Themas. Dazu werden die 2016 begonnenen Überlegungen wieder aufgenommen, wobei sich die Anordnung in Bezug auf das betreffende Werk ändert.
Beginnen wir damit, die Überschrift dieses und der folgenden Absätze zu erläutern, die alle mit den Worten "Die Art des + Genitiv eines substantivierten Verbs" beginnen werden. Mit "Die Art ..." ist in all diesen Fällen gemeint: wie (man die Frage des - hier des "Definierens" - angeht/behandelt); mit anderen Worten, wie man definiert, wie man die Frage von "definieren" angeht/behandelt, wie man die kognitiven Mechanismen untersucht, die den Vorgang des Definierens begleiten, und unter anderem die Vor verständnisse aufspürt, die historisch gesehen der (methodisch durchgeführten) Konzeption dieser Mechanismen zugrunde liegen. Kurz gesagt: Was ist das Vorverständnis hinter dieser Methode?
Wir werden dieses erste Epistem zunächst allgemein und dann insbesondere unter dem Blickwinkel des Asperger-Syndroms betrachten.
Der Versuch, Autismus von Anfang an zu definieren, ist, wie in den meisten Fällen von Definitionen, eine Geschichte der Grenzen, und das hat schon mit dem Wort "De fin ition" selbst zu tun (lat. con fin io - Grenze).
Die historische Tendenz, die Reichweite des Autismus immer weiter auszudehnen, führt meiner Meinung nach zu dem Problem, dass die "Enden" immer unschärfer und vager werden. Diese Feststellung veranlasst mich, zumindest die folgenden Fragen zu stellen:
2.1. Geistige Behinderung und Autismus
Lassen Sie uns einen ersten Bereich mit "vagen Enden" erkunden. Die Frage, die sich hier stellt, lautet: Wo verläuft die Grenze zwischen Autismus mit mentaler Behinderung und mentaler Behinderung ohne Autismus, wie dünn sie auch sein mag? Es ist nämlich festzustellen, dass sich die Ursachen und Erscheinungsformen in beiden Fällen ähneln (Genetik, Schwierigkeiten während der Schwangerschaft und/oder Geburt, je nach Grad der Behinderung: mehr oder weniger ausgeprägte Ausdrucksarmut und Armut an sozialer Interaktion, eingeschränkte körperliche, geistige und zwischenmenschliche Fähigkeiten, repetitive Verhaltensweisen; Möglichkeit, die Autonomie der Betroffenen durch eine pädagogische Therapie zu erhöhen)? Wird es eines Tages das Ende aller "geistig Behinderten" sein, die euphemistisch in Autisten umbenannt werden ... und im Gegenzug aller Autisten, die insgeheim als eine Art "seltsame Hinterwäldler" (englisch: weirdoes; siehe oben: Video 1) betrachtet werden? Fünfbeinige Schafe, die in beiden Fällen für die "Gesellschaft" unrettbar seien, weil sie sich nicht in die allgemeine Form einfügen können oder wollen, weil sie für Leistung und unsere exhibitionistische Gesellschaft ungeeignet wären?
[...]
1 Strudel oder Wirbel eines Walzers: erinnert an die rotierende Bewegung des Walzers, aber auch an die französische Redewendung: "tourbillon de la vie" (Wirbel des Lebens) nach Worten eines Liedes, die Jeanne Moreau mit Subtilität interpretiert hatte (aus dem Film Jules et Jim, https://www.youtube.com/watch?v=dcVcwwo8QFE) .
2 „Auten“: von ' Aute', einer Wortschöpfung, die das Wort Autist von der fragwürdigen Endung „-ist“ befreien würde – Aut(ist)en ; bezieht sich auch auf ein Wortspiel zwischen "aute" und dem französischen "aut r e" (ander, das Andere) im Kontrast zum "Selbst" ... » Von anderen Autisten,von anderen 'sich selbst'? «.
3 Die Zitadelle der Katharen im östlichen Teil des Pyrenäengebirges unweit von der französischen Stadt Foix. Sie war im 13. Jahrhundert die letzte Widerstandsfestung gegen die Armeen des französischen Königs während des so genannten Albigenserkreuzzuges – sie hatte den Ruf, uneinnehmbar zu sein. Die letzten Katharen suchten dort Zuflucht und diejenigen, die ihren Glauben nicht abschwören wollten, starben auf dem Scheiterhaufen.
4 Ich nenne übrigens diese 'Therapie' auch manchmal "ästhetisch-sinnliche" Therapie
5 Auch hier verwende ich lieber das Wort "Überlappung" als das Wort "Transfer", da letzteres im psychologischen Raum eine zu starke Konnotation hat, die es zu vermeiden gilt ... insbesondere wenn man in den psychologischen (psychotherapeutischen) Prozess die Variable "Empathie" mit einbezieht.
6 Wer Interesse daran hat, diese Begriffe und die von mir als "polar" bezeichnete Logik, die die Verarbeitung der von mir (auch hier) gesammelten und verwendeten Daten leitet, weiter zu vertiefen, sollte die philosophische Systematik dazu in dem 1994 erschienenen Buch "Das 'Sein' und die Harmonik" lesen (siehe Bibliographie). Eine Aktualisierung dieses Buches ist für die Zukunft unter dem neuen (vorläufigen?) Titel "Reflektika" geplant.
7 Diese Vorstellung von der Bewegung der Dinge als raum-zeitliche Rhythmen wurde am besten durch die Figur des "Natarâdja" (oder Tanz des Shiva) in der hinduistischen Mythologie dargestellt.
8 Diego Cabral ist übrigens der Psychologe P., den ich vorhin erwähnte.
9 Es wäre auch möglich, dass die junge Frau einen Prompter verwendet hat.
10 Unter Episteme (ἐπιστήμη) versteht sich generell die Gesamtheit des geregelten Wissens (Weltanschauung, Wissenschaft, Philosophie ...), das für eine soziale Gruppe, eine Epoche typisch ist.
- Arbeit zitieren
- Dr. Jean Weinfeld (Autor:in), 2022, Ein Walzer im Viervierteltakt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1267560
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