Diese Arbeit beschäftigt sich mit sprachsensiblen Mathematikunterricht.
Das Unterrichtsfach Mathematik wurde lange als Fach gesehen, welches unabhängig von sprachlichen und kulturellen Einflüssen ist und galt somit als „spracharmes“ Unterrichtsfach. Jedoch muss sich diese veraltete Sichtweise genauso verändern, wie sich auch der Mathematikunterricht im Laufe der Zeit verändert hat. Dieser ist keineswegs mehr sprachfrei, sondern mit hohen sprachlichen Anforderungen an die Schüler und Schüle-rinnen verbunden.
Dies lässt sich bereits aus den im Bildungsplan verankerten prozessbezogenen Kompetenzen ableiten. Die SuS müssen demnach aktiv zum Argumentieren, Vermuten, Darstellen, Diskutieren und Problemlösen an-geregt werden, um die Bedeutung mathematischer Inhalte zu verstehen und ihre Fachsprache weiter ausdifferenzieren zu können. Durch den sprachlichen Austausch über die mathematischen Inhalte mit anderen SuS kann im Unterricht ein Verständnis für dessen Inhalte entwickelt werden. Die Sprache ist somit ein entscheidender Faktor, um mathematisches Wissen aufzubauen. Defizite im sprachlichen Bereich können einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der mathematischen Kompetenzen haben.
Die Heterogenität der SuS nimmt immer weiter zu und ist auch auf der sprachlichen Ebene gegeben. Die SuS haben aufgrund verschiedener Faktoren, wie beispielsweise einem späten Zweitsprachbeginn, dem Aufwachsen in Familien mit mehreren Sprachen oder in einem spracharmen Umfeld, unterschiedliche sprachliche Voraussetzungen. Diese müssen in den Schulen berücksichtigt werden.
Die Arbeit soll nun verdeutlichen, dass die sprachlichen Fähigkeiten der SuS die Entwicklung mathematischer Fähigkeiten mitbestimmen können und damit ein Zusammenhang zwischen der Mathematik und Sprache besteht. Infolgedessen wird hervorgehoben, dass eine sprachsensible Gestaltung des Mathematikunterrichts für die Verständnissicherung mathematischer Inhalte zwingend notwendig ist. Es werden mögliche Ansätze und Methode zur Gestaltung eines sprachsensiblen Mathematikunterrichts herausgearbeitet und diese in der Planung und Durchführung einer Unterrichtseinheit zum Thema Geld in einer ersten Klasse an einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum angewandt.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Sprache im Kontext des Mathematikunterrichts
2.1 Sprachebenen des Mathematikunterrichts
2.1.1 Alltagssprache
2.1.2 Bildungssprache
2.1.3 Fachsprache
2.2 Einsatz der Sprache im Mathematikunterricht
3 Sprachliche Herausforderungen im Mathematikunterricht
3.1 Schwierigkeiten auf der Wortebene
3.2 Schwierigkeiten auf der Satzebene
3.3 Schwierigkeiten auf der Textebene
3.4 Sprachfaktoren, welche das mathematische Lernen erschweren
4 Sprachsensibler Unterricht
4.1 Definition sprachsensibler Unterricht
4.2 Unterstützende Ansätze für einen sprachsensiblen Mathematikunterricht
4.2.1 Scaffolding
4.2.2 Die Lehrersprache
4.2.3 Alltags- und Weltwissensbezug
4.2.4 Einsatz von Sprachhilfen
4.2.5 Sprachanlässe schaffen
4.2.6 Unterrichtsplanung
5 Sprachsensibler Mathematikunterricht am Beispiel einer Unterrichtseinheit zum Thema Geld (Klasse 1) am SBBZ Sprache
5.1 Didaktische Analyse
5.2 Situation der Klasse
5.3 Lernziele
5.3.1 Inhaltliche Lernziele
5.3.2 Prozessbezogene Lernziele
5.3.3 Sprachlich-kommunikative Lernziele
5.4 Durchführung
5.5 Reflexion
6 Zusammenfassung und Ausblick
7 Literaturverzeichnis
8 Anhang
9 Materialien
Tabellenverzeichnis
Tabelle 5.1: Sprachliche Störungsbilder der einzelnen SuS
Tabelle 5.2: Prozessbezogene Lernziele
Tabelle 5.3: Überblick über die Unterrichtsstunden der Unterrichtseinheit zum Thema Geld
1 Einleitung
Das Unterrichtsfach Mathematik wurde lange als Fach gesehen, welches unabhängig von sprachlichen und kulturellen Einflüssen ist und galt somit als „spracharmes“ Unterrichtsfach (vgl. Schütte 2009, S.46). Jedoch muss sich diese veraltete Sichtweise genauso verändern, wie sich auch der Mathematikunterricht im Laufe der Zeit verändert hat. Dieser ist keineswegs mehr sprachfrei, sondern mit hohen sprachlichen Anforderungen an die Schüler und Schülerinnen (zukünftige Abkürzung: SuS oder Schüler) verbunden. Dies lässt sich bereits aus den im Bildungsplan verankerten prozessbezogenen Kompetenzen ableiten. Die SuS müssen demnach aktiv zum Argumentieren, Vermuten, Darstellen, Diskutieren und Problemlösen angeregt werden, um die Bedeutung mathematischer Inhalte zu verstehen und ihre Fachsprache weiter ausdifferenzieren zu können. Durch den sprachlichen Austausch über die mathematischen Inhalte mit anderen SuS kann im Unterricht ein Verständnis für dessen Inhalte entwickelt werden. Die Sprache ist somit ein entscheidender Faktor, um mathematisches Wissen aufzubauen. Defizite im sprachlichen Bereich können einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der mathematischen Kompetenzen haben (vgl. Götze 2015, S. 5).
Die Heterogenität der SuS nimmt immer weiter zu und ist auch auf der sprachlichen Ebene gegeben. Die SuS haben aufgrund verschiedener Faktoren, wie beispielsweise einem späten Zweitsprachbeginn, dem Aufwachsen in Familien mit mehreren Sprachen oder in einem spracharmen Umfeld, unterschiedliche sprachliche Voraussetzungen. Diese müssen in den Schulen zu berücksichtigt werden (vgl. Werner und Berg 2016, S. 1051).
Aufgrund der hohen Bedeutsamkeit der Sprache für das Mathematiklernen und der steigenden Heterogenität der SuS im sprachlichen Bereich widmen sich immer mehr Didaktiker der Frage, wie der Mathematikunterricht sprachsensibel gestaltet werden kann. Durch die sprachsensible Gestaltung des Unterrichtes können alle SuS gleichermaßen von diesem profitieren.
Die vorliegende Arbeit soll nun verdeutlichen, dass die sprachlichen Fähigkeiten der SuS die Entwicklung mathematischer Fähigkeiten mitbestimmen können und damit ein Zusammenhang zwischen der Mathematik und Sprache besteht. Infolge dessen wird hervorgehoben, dass eine sprachsensible Gestaltung des Mathematikunterrichts für die Verständnissicherung mathematischer Inhalte zwingend notwendig ist. Es werden mögliche Ansätze und Methode zur Gestaltung eines sprachsensiblen Mathematikunterrichts herausgearbeitet und diese in der Planung und Durchführung einer Unterrichtseinheit zum Thema Geld in einer ersten Klasse an einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (zukünftige Abkürzung: SBBZ) angewandt.
Zunächst wird der Zusammenhang zwischen der Mathematik und Sprache sowie mögliche unterstützende Ansätze für einen sprachsensiblen Unterricht theoretisch dargestellt. Diese theoretische Darlegung der Thematik bildet die Grundlage für den anschließenden Praxisteil. Bei der Gestaltung der Unterrichtseinheiten werden die zuvor theoretisch herausgearbeiteten Aspekte miteinbezogen und zur Begründung der Methodik und Didaktik der durchgeführten Unterrichtseinheit eingesetzt.
Nach der Einleitung im ersten Kapitel wird im zweiten Kapitel die Sprache im Kontext des Mathematikunterrichts vorgestellt. Hierbei werden die drei Sprachebenen, Alltags-, Bildungs- und Fachsprache, definiert und die Einsatzbereiche der Sprache im Mathematikunterricht beschrieben. Dabei wird deutlich, dass bereits bei den im Bildungsplan aufgeführten prozessbezogenen und inhaltbezogenen Kompetenzen von den SuS wesentliche sprachlich-kommunikative Fähigkeiten abverlangt werden.
Um die sprachlichen Herausforderungen in der Unterrichtsplanung beachten und abbauen zu können, müssen diese zunächst herausgearbeitet werden. Im dritten Kapitel werden diese sprachlichen Schwierigkeiten im Mathematikunterricht aufgeführt und kurz erläutert. Dabei wird zwischen Schwierigkeiten auf der Wort-, Satz- und Textebene unterschieden.
Daran anknüpfend werden im vierten Kapitel unterstützende Ansätze für einen sprachsensiblen Mathematikunterricht aufgelistet. Hierbei wird das Scaffolding als übergeordnetes didaktisches Modell zur Gestaltung von sprachlichen Hilfen beschrieben. Aber auch die Lehrersprache, der Alltags- und Weltwissensbezug, Sprachhilfen und Sprachanlässe wirken fördernd für den Auf- und Ausbau sprachlicher Kompetenzen. Abschließend wird in diesem Kapitel auf die Bedeutung der Beachtung sprachlicher Aspekte in der Unterrichtplanung eingegangen.
Die durchgeführte Unterrichtseinheit zum Thema Geld wird im fünften Kapitel beschrieben. Zunächst wird der Größenbereich Geld in einer didaktischen Analyse vorgestellt, bevor daraus die für die Unterrichtseinheit bedeutenden prozessbezogenen, inhaltlichen und sprachlich-kommunikativen Lernziele herausgearbeitet werden. Die Klasse wird unter Einbezug der einzelnen sprachlichen Störungsbilder kurz vorgestellt. Daran anschließend wird die Durchführung der fünf Sequenzen beschrieben und zum Abschluss im Hinblick auf die eingesetzten Maßnahmen für einen sprachsensiblen Unterricht sowie den erreichten Lernzielen reflektiert.
Im sechsten und letzten Kapitel wird die gesamte Arbeit im Hinblick auf den Zusammenhang der Mathematik und Sprache sowie den unterstützenden Ansätzen zur Gestaltung eines sprachsensiblen Unterrichts zusammengefasst und diskutiert. Weiter folgt ein kleiner Ausblick, inwieweit sich die Thematik weiter ausdifferenzieren kann.
2 Sprache im Kontext des Mathematikunterrichts
Die Sprache ist unumstritten die Grundlage jedes Lernens wodurch sie auch im Mathematikunterricht keine untergeordnete Rolle spielen sollte. Der Sprache wird im Unterricht eine Doppelfunktion zugesprochen. Zum einen ist sie Lerngegenstand zum anderen aber auch Unterrichtsmedium (vgl. Berg u.a. 2016, S. 256). Die Sprache als Lerngegenstand beinhaltet das Verstehen der Worte und die Bedeutung dieser sowie das Verständnis für die Nutzung der Sprache. Da der Informationsaustausch nur über die Sprache gelingen kann ist die Sprache auch Unterrichtsmedium. Im Mathematikunterricht begegnen die SuS verschiedenen Sprachebenen. Dazu zählen die Alltagssprache, Bildungssprache und Fachsprache. Diese Sprachebenen haben unterschiedlich anspruchsvolle Strukturen, welche im Folgenden näher erläutert werden (vgl. Nolte 2016, S. 39f.). Außerdem wird aufgezeigt, in welchen Bereichen die Sprache im Mathematikunterricht zum Einsatz kommt, wobei die allgemeinen mathematischen Kompetenzen der Bildungsstandards herangezogen werden.
2.1 Sprachebenen des Mathematikunterrichts
2.1.1 Alltagssprache
Unser tägliches Instrument für den sozialen Umgang miteinander ist die Alltagssprache. So wird sie auch von Kindern in alltäglichen Aktivitäten, wie dem Spielen, genutzt (vgl. Bruder und Roth 2018, S. 4). Es handelt sich um spontane Kommunikationen, welche nicht vorabgeplant wurden, sondern sich aus der Situation heraus und im Austausch mit dem Kommunikationspartner ergeben. Die Alltagssprache tritt jedoch nicht nur in mündlicher, sondern auch in schriftlicher Form auf. Sie besteht häufig aus kurzen und unvollständigen Sätzen, welche nah an einen Kontext gebunden sind und ohne diesen nicht oder nur bedingt gedeutet werden können. Trotz geringem Wortschatz, ungenauer Bedeutungen und fehlerhaften grammatikalischen Strukturen, können die Gesprächspartner einander inhaltlich folgen. Bei Missverstehen von mathematischen Inhalten ermöglicht es die Alltagssprache, Dinge durch Umschreibungen den SuS verständlich zu machen (vgl. Meyer und Tiedemann 2017, S. 12). Im Unterricht zeigt sich die Alltagssprache in Phasen, in welchen die Kinder neue Inhalte kennenlernen und erste Beobachtungen und Vermutungen zu diesen versprachlichen (vgl. Weis 2013a, S. 9.) Jedoch bereitet schon die einfache Alltagssprache einigen SuS große Probleme, weshalb nicht immer von deren Beherrschung bei jedem Schüler ausgegangen werden kann (vgl. Klose 2016, S. 287).
2.1.2 Bildungssprache
Die Bildungssprache ist die Sprache der institutionellen Bildung. Sie ist eng mit der Fachsprache verbunden und ist in Schulbüchern sowie der Sprache der Lehrperson zu finden (vgl. Schuler und Glotz 2017, S.42). Die Komplexität ist deutlich höher als die der Alltagssprache. Es werden ein umfangreicher Wortschatz sowie komplexere Haupt- und Nebensatzkonstruktionen verwendet. Dadurch orientiert sich die Bildungssprache stark am konzeptionell Schriftlichen. Außerdem ist sie durch ihre komplexen und vollständigen Sätze unabhängig vom Kontext (vgl. Abshagen 2015, S. 11). Trotz der hohen Komplexität stellt die Bildungssprache eine wichtige Grundlage dar, um mathematische Inhalte eindeutig beschreiben und diese ohne Missverständnisse verstehen zu können. Da der Bildungssprache im Alltag der Kinder wenig Bedeutung zukommt und sie somit nicht automatisch im Alltag gelernt wird, muss sie im Mathematikunterricht in Verbindung mit dessen Kontext erlernt werden. Aufgabe des Mathematikunterrichts soll es jedoch nicht nur sein die Bildungssprache, sondern alle Sprachebenen zu fördern und diese Aufgabe nicht den anderen Unterrichtsfächern zu übertragen (vgl. ebd., S. 9f.).
2.1.3 Fachsprache
Die Fachsprache ist die anspruchsvollste Sprachebene, welcher die SuS im Unterricht begegnen. Sie wird maßgeblich durch zwei Merkmale bestimmt. Zum einen weist sie eine komplexe grammatische Struktur auf und zum anderen bedient sich die Fachsprache an einem fachgebundenen Wortschatz (vgl. Berg u.a. 2016, S. 257). Bei der Beschreibung mathematischer Inhalte trägt sie dazu bei, die Inhalte präzise und eindeutig definieren zu können, sodass keine Missverständnisse oder falsche Interpretationen abgeleitet werden. Sie schließt an die Bildungssprache an und ergänzt diese durch Fachbegriffe sowie fachsprachliche Redewendungen. Hierdurch wird die Komplexität der Bildungssprache gesteigert (vgl. Abshagen 2015, S. 10f.). Haben die SuS zu einem Fachbegriff noch keine mathematische Vorstellung entwickelt, ist es für diese unmöglich dem Unterrichtsgeschehen folgen zu können. Erst wenn zu einem mathematischen Fachbegriff das Verständnis für dessen Bedeutung aufgebaut wurde, kann dieser in den aktiven Wortschatz übernommen werden. Neben den Fachbegriffen müssen die SuS „[…] über fach- und aufgabenspezifische sprachliche Mittel verfügen […]“ (Götze 2015, S. 12), um im Unterricht an Gesprächen über mathematische Inhalte teilzunehmen und Entdeckungen in mathematischen Inhalten zu beschreiben. Der Aufbau einer einheitlichen Sprache im Unterricht ermöglicht es den SuS sich untereinander besser und leichter verständigen zu können (vgl. ebd., S. 12f.).
2.2 Einsatz der Sprache im Mathematikunterricht
Durch die in den Bildungsstandards enthaltenen allgemeinen mathematischen Kompetenzen Problemlösen, Argumentieren, Darstellen, Kommunizieren und Modellieren, kommt der Sprache im Mathematikunterricht eine hohe Bedeutung zu. Die SuS sollen sich aktiv mit den mathematischen Inhalten auseinandersetzen und dadurch ein Verständnis für die inhaltsbezogenen mathematischen Kompetenzen aufbauen. Sie tauschen sich über die Problemstellungen aus, vergleichen ihre Ergebnisse und erlangen auf diesem Wege weiteres Wissen. Der Sprache wird so eine kommunikative und kognitive Funktion zugeschrieben. Zum einen dient sie zum Verständigen und Austauschen über mathematische Inhalte und zum anderen zur Verständnissicherung und zum Lernen (vgl. Götze 2015, S. 7f.). Aufgrund der engen Verbindung zwischen Mathematik und Sprache, bauen sich die sprachlichen Kompetenzen durch die Auseinandersetzung mit der Mathematik weiter aus und mathematisches Lernen wird somit auch zum sprachlichen Lernen (vgl. Schröder und Ritterfeld 2014, S. 51).
Nach Bruner (1974, S. 49) lässt sich Wissen auf drei verschiedenen Ebenen darstellen. Er unterscheidet zwischen der enaktiven Darstellung, der ikonischen Darstellung und der symbolischen Darstellung. Auf der enaktiven Ebene werden Handlungen an echtem oder didaktischem Material durchgeführt. Die ikonische Darstellung meint die bildliche Darstellung von lebensweltlichen Situationen oder von didaktischen Materialien. Für die symbolischen Darstellung werden die mathematischen Inhalte im Zeichensystem dargestellt. Durch das Verknüpfen der Darstellungsebenen und das wechselseitige Übersetzen zwischen diesen kann ein Verständnis für die mathematischen Inhalte entwickelt und dieses nachhaltig gespeichert werden. Die Sprache dient hierbei als leitende Funktion, um die Übersetzungsprozesse leisten zu können (vgl. ebd.). Daraus lässt sich ebenfalls ableiten, dass die Sprache maßgeblich am Verständnis mathematischer Inhalte beteiligt ist.
Ein weiteres Kennzeichen der mathematischen Sprache ist die dichte Ausdrucksweise. Texte über mathematische Inhalte sind kurz und sprachlich knapp. Sie haben eine hohe Dichte an Fachbegriffen, beinhalten symbolisch formalsprachliche Elemente und für das Verständnis des Textes, muss jedem Wort eine Bedeutung zugetragen werden können (vgl. Leisen 2017, S. 34). Aufgrund dessen kommt es häufig zu Missverständnissen von mathematischen Aussagen, wenn bereits nur wenige Worte nicht richtig gedeutet werden. Dies zeigt, dass die sprachlichen Kompetenzen der SuS den Lernerfolg im Mathematikunterricht maßgeblich mitbestimmen und somit ein entscheidender Vorhersagefaktor der späteren schulischen Leistungen im Fach Mathematik sind (vgl. Werner und Berg 2016, S. 1051). Die Grundschule legt die Basis für das Lernen in den höheren Klassen, weshalb bereits ab der ersten Klasse sprachliches Lernen in allen Unterrichtsfächern stattfinden muss. Nur durch die Berücksichtigung der Sprache im Mathematikunterricht kann das mathematische Lernen gelingen (vgl. Schuler und Glotz 2017, S. 44). Es ist somit Aufgabe der Lehrpersonen im Mathematikunterricht die sprachlichen Schwierigkeiten zu beachten, an den sprachlichen Voraussetzungen der SuS anzusetzen und allmählich durch ein vielfältiges Sprachangebot einen Übergang von alltagssprachlichen Äußerungen hin zur Bildungs- und Fachsprache anzubahnen (vgl. Götze 2015, S. 20.).
Durch die hohe Komplexität der Sprache auf den verschiedenen Sprachebenen entstehen, wie in diesem Kapitel bereits angedeutet, für die SuS beim mathematischen Arbeiten sprachlichen Herausforderungen, auf welche im folgenden Kapitel näher eingegangen wird.
3 Sprachliche Herausforderungen im Mathematikunterricht
Um mathematische Aufgaben- und Problemstellungen sowie mathematische Inhalte verstehen zu können, benötigt es ein Wortverständnis, das Verständnis für die Grammatik und das notwendige Kontextwissen. Es gibt in der deutschen Sprache jedoch viele Stolpersteine, welche den SuS Probleme bereiten und sich damit auch auf das fachliche Lernen auswirken (vgl. Abshagen 2015, S. 13). Im Folgenden sollen diese Herausforderungen der Sprache, durch die Gliederung in Schwierigkeiten auf der Wort-, Satz- und Textebene, dargestellt werden. Anschließend werden Sprachfaktoren vorgestellt, welche ebenfalls das mathematische Lernen erschweren oder gar behindern können.
3.1 Schwierigkeiten auf der Wortebene
Polysemien
Viele Begriffe der Mathematik kennen die SuS bereits aus ihrer Alltagssprache, jedoch unterscheidet sich die Bedeutung des Wortes zu der Bedeutung im fachlichen Kontext. Diese beschränken sich nicht nur auf die Nomina. Hier nur ein paar wenige Beispiele: Seite, Ecke, zerlegen, Bruch, gerade oder Produkt. Damit die SuS ein Verständnis für diese Begriffe aufbauen können, müssen diese im Unterricht geklärt werden, da die SuS und Lehrpersonen mathematischen Begriffe häufig unterschiedliche Deutungen zutragen. Dabei kann sich die direkte Gegenüberstellung der alltagssprachlichen und der fachsprachlichen Bedeutung zu Nutze gemacht werden (vgl. Weis 2013a, S. 14).
Vor- und Nachsilben
Häufig werden auch Verben mit besonderen Vor- und Nachsilben verwendet, welche die Bedeutung des Stammwortes entscheidend verändern. So lässt sich das Verb rechnen wie folgt verändern: sich verrechnen, berechnen, ausrechnen, zusammenrechnen, vorrechnen oder weiterrechnen. Diese verschiedenen Bedeutungen müssen mit den SuS besprochen werden, da diese in Aufgabenstellungen häufig vorkommen und somit zu einem Missverständnis dieser führe können, wenn das Verb falsch interpretiert wird (vgl. Weis 2013a, S.11).
Trennbare Verben
Eine weitere Schwierigkeit der Verben zeigt sich bei den sogenannten trennbaren Verben. Vor allem für mehrsprachige Kinder sind die Verbklammern, welche die beiden Teile des getrennten Verbes bilden, eine besondere Herausforderung. Ein Beispiel soll mit dem Verb ausrechnen gezeigt werden: Ich rechne die Aufgabe aus. Die Schwierigkeit liegt darin, dass der hintere Teil oft vergessen wird, da diese Form in vielen Ländern nicht verbreitet ist oder einigen trennbaren Verben zwei Bedeutungen zugetragen werden können. Beispielsweise dem Wort ausfahren: Ich fahre mein Auto aus. Die Leiter muss ausgefahren werden. Hier erhält das Verb ausfahren je nach Kontext zwei völlig verschiedene Bedeutungen (vgl. Weis 2013a, S. 11).
Komposita
In der Mathematik stellen viele Fachwörter Komposita aus mehreren Nomina dar. Zum Beispiel die Begriffe: Würfelgebäude, Augensumme, Tauschaufgaben oder Umkehraufgaben. Die Bedeutung der Wörter lässt sich häufig nicht durch das Zerlegen in die einzelnen Wortstämme herleiten. Denn durch das Zusammenspiel einzelner Wortstämme können Begriffe entstehen, welche nicht der eigentlichen Bedeutung entsprechen (vgl. Schuler und Glotz 2017, S. 45).
Nominalisierung
Bei Nominalisierungen entsteht ein Nomen aus einem Begriff einer anderen Wortart. Dies passiert entweder ohne die Veränderung des Ursprungswortes (multiplizieren – das Multiplizieren) oder aber durch das Anhängen einer Nachsilbe (zerlegen – die Zerlegung) (vgl. Abshagen 2015, S. 14). Diese wirken abstrakter, da sie unpersönlich und allgemeingültig sind (vgl. Weis 2013b, S.4). Außerdem sollen damit Wiederholungen vermieden werden, die den SuS mit sprachlichem Förderbedarf jedoch Unterstützung beim Textverständnis geben (vgl. Abshagen 2015, S. 15).
Präpositionen
Diese Wortart wird auch als Funktionswort bezeichnet. Die Präpositionen ermöglichen es, Bezüge zwischen den verschiedenen Satzteilen herzustellen wodurch sich deren Bedeutungen nur im Kontext erschließen lassen. Die Präposition über kann völlig unterschiedliche Bedeutungen haben: Ich habe über 30 Punkte. – Ich habe mehr als 30 Punkte. Ich verfüge über 10€. – Ich habe 10€ (vgl. Weis 2013b, S. 5). Das Verständnis von Präpositionen „[…] in der Vorschulzeit [ist ein] wichtiger Prädikator für schulische Leistungen in der zweiten Klasse […]“ (Nolte 2016, S. 42). Ein gutes Sprachvorbild und ein großer sprachlicher Input müssen deshalb wesentliche Gründe eines sprachsensiblen Unterrichts sein, damit das Verständnis für die Präpositionen entwickelt werden kann (vgl. Weis 2013a, S. 13).
Konjunktionen
Auch Konjunktionen stellen, wie die Präpositionen, Bezüge zwischen einzelnen Satzteilen her. Beispiele sind Konjunktionen wie: und, wenn, obwohl, oder und weil. Werden diese nicht verstanden können die Satzteile nicht verbunden und die Bedeutung nicht erfasst werden (vgl. Abshagen 2015, S. 15). Ohne das Verständnis von Konjunktion und Präpositionen kann im Mathematikunterricht keine gelingende Kommunikation stattfinden (vgl. Werner und Berg 2016, S. 1051).
Fachbegriffe
Wie schon in Kapitel 2.1.3 dargestellt, bedient sich die Mathematik verstärkt an Fachbegriffen. Während der Grundschulzeit müssen die SuS bis zu 500 neue Fachbegriffe lernen, welche sie aus ihrer Alltagssprache nur kaum kennen. Vom Verständnis für einen mathematischen Begriff kann dann ausgegangen werden, wenn der mathematische Sachverhalt zu diesem bekannt ist und umgekehrt zu einem mathematischen Sachverhalt die mathematische Bezeichnung genannt werden kann. Zu den mathematischen Fachbegriffen zählen auch fachliche Redewendungen, wie Die Zwei ist eine gerade Zahl obwohl die Zahl zwei rein optisch nicht gerade ist (vgl. Weis 2013a, S. 10). Diese Art von Redewendungen sollten im Unterricht mit den SuS thematisiert werden. Abshagen (2015, S. 14) nennt als eine weitere Schwierigkeit, dass die Fachbegriffe aufeinander aufbauen. Das bedeutet, dass ein Fachbegriff unter Verwendung anderen erklärt wird. Haben die SuS den ersten Fachbegriff nicht richtig oder nicht vollständig abgespeichert, haben sie Schwierigkeiten den Begriff, der mit Hilfe des Ersten definiert wird, zu verstehen (vgl. ebd.).
Deklination
Eine weitere Schwierigkeit der deutschen Sprache, vor allem für mehrsprachige SuS, stellt die Deklination dar. Es lässt sich keine Regel für die Bildung des richtigen Artikels finden. Ganz im Gegenteil können Artikel auch mehrfache Anwendungsbereiche haben. So kann der Artikel „der“ „[…] Maskulinum Singular, Femininum Genetiv und Dativ und den Genitiv Plural […]“ (Weis 2013a, S. 10) bezeichnen. Außerdem muss nicht zwingend ein Artikel vor einem Nomen stehen. Aufgrund dessen muss die Deklination immer in Verbindung mit dem Kontext gelernt werden (vgl. ebd.).
Zahlen lesen und schreiben
Die Zahlwörter sind die Voraussetzung für ein erfolgreiches Rechnen, jedoch bietet die Zahlwortreihe im Deutschen aufgrund ihrer Unterschiede zwischen der Schreib- und Sprechweise eine große Herausforderung für die SuS. Es wird zuerst der Einer und dann der Zehner gesprochen, was nicht unserer eigentlichen Leserichtung entspricht. Weiter kommt hinzu, dass Laute oder Silben wegfallen (sechzig – sechszig) oder zwei Zahlwörter sich phonetisch ähneln (sechzehn – sechzig). Durch das Falschverstehen von Zahlwörtern kann es zu Rechenfehlern kommen, obwohl die notwendigen mathematischen Kompetenzen vorhanden sind. Außerdem erschweren die Unregelmäßigkeiten den Aufbau des Stellenwertverständnisses (vgl. Weis 2013b, S. 5f.).
3.2 Schwierigkeiten auf der Satzebene
Unpersönliche Formulierungen
Die Mathematik bedient sich bei Merksätzen, Beweisen oder Regeln an unpersönlichen Formulierungen, um eine Allgemeingültigkeit bzw. Objektivität zu erlangen. Dies hat jedoch zur Folge, dass die Aussage einen höheren Abstraktionsgrad erhält. Die SuS müssen an diese Art von Formulierungen im Unterricht herangeführt werden, da sie in ihrem Alltag nur kaum vertreten sind. Dazu müssen sie mehrfach mit diesen konfrontiert werden und nicht durch deren Vermeidung verschont bleiben. Die Auslassung unpersönlicher Formulierungen kann dazu führen, dass die SuS keine Kompetenzen zum Verständnis dieser erlangen (vgl. Schuler und Glotz 2017, S. 46).
Nebensatzgefüge
Nebensätze sind ein wesentlicher Bestandteil der mathematischen Sprache. Sie ermöglichen es Abhängigkeiten sowie Wahrheiten auszudrücken oder aber auch Konditionalsätze, Kausalsätze und Finalsätze zu bilden (vgl. Weis 2013b, S.6). Gleichzeitig wird durch die verschachtelten Sätze das sinnentnehmende Lesen deutlich erschwert, da die am Satzanfang stehenden Informationen solang behalten werden müssen, bis der Satz zu Ende gelesen wurde. Dadurch kann es zu Verständnisproblemen kommen. Mehrsprachigen SuS bereiten Nebensätze besondere Schwierigkeiten, weil diese in vielen Ländern nicht üblich sind (vgl. Abshagen 2015, S. 15).
Passivkonstruktionen
Die Passivkonstruktionen (z.B. Zuerst werden die Zehner addiert.) bereiten nicht nur mehrsprachigen SuS Schwierigkeiten, denn das Verständnis für diese grammatische Struktur entwickeln die SuS erst sehr spät (vgl. Weis 2013a, S. 12). Es handelt sich dabei um sprachliche Strukturen, welche in der Schriftsprache als gängig gelten. Diese werden in das Mündliche überführt. Da sie dort jedoch selten Verwendung finden, stellen sei eine Herausforderung für die SuS dar (vgl. Schuler und Glotz 2017, S. 46).
Imperativformen
Vor allem bei Arbeitsanweisungen wird häufig die Imperativform verwendet, um diese möglichst knapp zu halten. Die Anforderung dabei ist, dass das Verb in der Imperativform häufig sehr verändert wird und die Grundform nicht mehr erkennbar ist (z.B. messen – miss!). Die SuS haben häufig Schwierigkeiten die richtige Rechenoperation der Aufgabe zu ermitteln, weshalb es zu einem Unverständnis der Arbeitsanweisung kommen kann (vgl. Weis 2013a, S. 13).
Nutzung des Genitivs
Auch durch die Nutzung des Genetivs wird ein Satz verkürzt, indem durch diesen ein Relativsatz ausbleibt (z.B. die Ecke des Quadrats). Da diese Form ebenfalls in der Alltagssprache kaum Verwendung findet, sollte die Lehrperson im Unterricht weitestgehend auf Genitivattribute verzichten, um den SuS das Verständnis für den Unterrichtsinhalt zu erleichtern (vgl. Abshagen 2015, S. 15).
3.3 Schwierigkeiten auf der Textebene
Textverkettungsmittel
In einem Text werden einzelne Sätze durch Verkettungsmittel (Pronomen, Konjunktionen und Adverbien) sinnvoll miteinander verbunden. Folglich dessen kann kein Verständnis für den Text entwickelt werden, wenn die Verkettungsmittel nicht verstanden werden. Die Pronomen sind besonders für mehrsprachige SuS mit Herausforderungen verbunden, da diese in ihrer Muttersprache so nicht vorkommen (vgl. Weis 2013a, S. 12). Hinzu kommt, dass das Geschlecht des Nomens Voraussetzung für die richtige Zuordnung des Pronomens ist (vgl. Weis 2013b, S. 7).
Symbole und Formeln
Vor allem die mathematische Sprache ist durch Symbole und Formeln gekennzeichnet, welche somit auch in mathematische Texte miteinfließen. Diese können jedoch zu einem Abbruch der Leseflüssigkeit führen, da die Symbole in die Sprache übersetzt und anschließend gedeutet werden müssen (vgl. Abshagen 2015, S. 17).
Schwierigkeiten durch den Kontext
Ist den SuS der Kontext eines Textes bereits bekannt kann dieser leichter gelesen und verstanden werden, da nicht jedes einzelne Wort korrekt verstanden werden muss. Enthält ein Text jedoch viele neue Informationen und einen unbekannten Kontext, muss die Bedeutung eines jeden Wortes verstanden werden, um den Text sinnentnehmend lesen zu können (vgl. Abshagen 2015, S. 17).
Form und Aufbau
Neben den sprachlichen Aspekten kann auch der Aufbau des Textes Herausforderungen mit sich bringen. So können die Schriftgröße, die Schriftart, der Zeilenabsatz, eine sinngemäße Gliederung, ein Flattersatz oder die Verwendung kurzer Hauptsätze unterstützend zum flüssigen und sinnentnehmenden Lesen beitragen (vgl. Conrady 2010, S. 5).
3.4 Sprachfaktoren, welche das mathematische Lernen erschweren
Neben den Schwierigkeiten auf der Satz-, Wort-, und Textebene bringen die SuS auch unterschiedliche sprachliche Störungsbilder mit in den Unterricht. Bei der Gestaltung eines sprachsensiblen Unterrichts müssen diese deshalb mit bedacht werden, da sie ebenfalls das Lernen mathematischer Inhalte erschweren können.
Auditive Figur-Grund-Diskrimination
Die betroffenen SuS haben Schwierigkeiten dem Unterrichtsinhalt zu folgen und lassen sich hingegen durch das lauteste akustische Signal ablenken. Dies kann beispielsweise der Sitznachbar oder ein vorbeifahrender Bus sein. Herrscht in einer Klasse ein hoher Lärmpegel ist es für diese SuS nahezu unmöglich die Aufmerksamkeit auf den Unterrichtsinhalt zu lenken. Sie sind stark damit beschäftigt, die Worte der Lehrperson akustisch zu verstehen, wodurch der Bedeutungserfassung nur noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt werden kann (vgl. Lorenz 2010, S. 53).
Auditive Differenzierung
Hierbei ist es den SuS nur schwer möglich, phonetisch ähnliche Worte zu unterscheiden. Ein häufiger Fehler ist hierbei die Verwechslungen der Endsilben -zi g und -zeh n bei den Zahlwörtern. Dadurch ist für die SuS das Bilden von Analogien nicht und die Entwicklung des Stellenwertverständnisses nur bedingt möglich (vgl. Lorenz 2010, S. 53).
Auditive Speicherung
Mit der Hilfe der auditiven Speicherung werden sprachliche Information aufgenommen, gespeichert und weiterverarbeitet. Diese SuS haben Schwierigkeiten, sich Kettenaufgaben und große Zahlen zu merken. Außerdem bereiten mündlich dargebotene Textaufgaben Probleme, denn bevor die Rechenoperation gefunden werden kann, muss der semantische Inhalt sowie die Zahlen abgespeichert werden (vgl. Lorenz 2010, S. 53f.).
Serialität
In vielen Situationen ist die Reihenfolge der Sprache entscheidend, so auch beispielsweise bei den Zahlwörtern und bei Textaufgaben. Um Äußerungen richtig deuten zu können, muss die sprachliche Reihenfolge erkannt und richtig interpretiert werden. So haben die Ausdrücke Mara hat Jonas gesucht und Jonas hat Mara gesucht zwei verschiedene Bedeutungen. Ist die auditive Serialität gestört, kann es zu fehlerhaften Lösungen von Textaufgaben oder Aufgaben auf der symbolischen Ebene kommen, obwohl das nötige arithmetische Verständnis bei den SuS vorhanden wäre (vgl. Lorenz 2010, S. 55).
Wissen über Wortbedeutungen
Für die Kommunikation im Unterricht ist es grundlegend, dass die SuS sowie die Lehrperson einem Begriff die gleiche Bedeutung zutragen. In der Mathematik werden Begriffe verwendet, die klar definiert sind, aber von den SuS nicht zwingend gleich verstanden werden. Durch unterschiedliche Interpretationen von Begriffen kann es zu Missverständnissen zwischen den Kommunikationspartnern im Unterricht kommen (vgl. Lorenz 2010, S. 55f.).
Phonologische Schleife
In der phonologischen Schleife werden kurzzeitig sprachliche Informationen aufrechterhalten, bevor sie weiterverarbeitet werden. Sie hat einen Einfluss auf die frühe Zahlwortentwicklung. Dadurch, dass die phonologische Schleife die sprachlichen Leistungen beeinflusst, wirkt sie sich indirekt auch auf die mathematischen Leistungen aus (vgl. Schröder und Ritterfeld 2014, S. 56). Die Speicherkapazität ist nur sehr begrenzt. Aufgrund dessen können komplexe Informationen das Arbeitsgedächtnis überfüllen und dadurch zu einer Überlastung der phonologischen Schleife führen. Somit ist es für SuS schwierig, längere Arbeitsanweisungen im Gedächtnis zu behalten (Trolldenier u. a. 2010, S. 159).
Sprachverständnis
Die Sprachverständnisstörung ist gekennzeichnet durch maßgebliche Rückstände in der Sprachentwicklung, bei gleichzeitig normaler Intelligenz (vgl. Berg und Janke 2016, S. 137). SuS mit Sprachverständnisstörungen haben schlechtere Leistungen im Zählen, automatisierten Abruf, mathematischen Faktenwissen und schriftlichen Rechnen und halten länger am zählenden Rechnen fest (vgl. Schröder und Ritterfeld 2014, S. 53). Außerdem ist das Arbeitsgedächtnis, also die Speicherung und Verarbeitung von Informationen, eingeschränkt. Diese Fähigkeiten sind jedoch ein guter Prädikator für die mathematischen Leistungen und somit eine wichtige Voraussetzung für das erfolgreiche Ausbilden mathematischen Wissens (vgl. Berg und Janke 2016, S. 137).
Bevor nun aufgrund der verschiedenen sprachlichen Herausforderungen auf unterstützende Ansätze für einen sprachsensiblen Unterricht eingegangen wird, soll zunächst der sprachsensible Unterricht allgemein kurz definiert werden.
4 Sprachsensibler Unterricht
4.1 Definition sprachsensibler Unterricht
Der sprachsensible Unterricht zielt darauf ab, die im Kapitel drei beschriebenen sprachlichen Schwierigkeiten zu erkennen, damit den SuS im Unterricht über diese hinweggeholfen werden kann (vgl. Abshagen 2015, S. 18). Durch den Abbau der sprachlichen Barrieren, kann die Teilhabe der SuS am Unterrichtsgeschehen gesichert werden. Um einen schrittweisen Übergang von der Alltagssprache hin zur Fach- und Bildungssprache zu ermöglichen, berücksichtigt der sprachsensible Unterricht die drei verschiedenen Sprachebenen und stellt eine Verbindung zwischen diesen her (vgl. Berg u.a. 2016, S. 255). Durch die Berücksichtigung ihrer sprachlichen Kompetenzen und die Anpassung der Unterrichtsinhalte an diese, wird den SuS ermöglicht, sich sprachlich weiterzuentwickeln. Hiervon profitiert letztlich auch das fachliche Lernen, sodass mathematischen Aufgabenstellungen mit einem höheren Erfolg ausgeführt werden können. Weiter betont Abshagen (2016, S. 135), dass nicht nur die sprachschwachen, sondern auch die sprachlich kompetenten SuS von einem sprachsensiblen Unterricht profitieren, denn auch diese müssen die Bildungs- und Fachsprache erlernen (vgl. ebd.).
Leisen (2015, S.135) beschreibt drei Prinzipien für einen sprachsensiblen Fachunterricht: (ebd.)
„1. Die Lerner werden in fachlich authentische, aber bewältigbare Sprachsituationen […] gebracht.
2. Die Sprachanforderungen liegen knapp über dem individuellen Sprachvermögen […].
3. Die Lerner erhalten so viele Sprachhilfen, wie sie zum erfolgreichen Bewältigen der Sprachsituationen benötigen […].“
4.2 Unterstützende Ansätze für einen sprachsensiblen Mathematikunterricht
Damit eine Lehrperson ihren Unterricht sprachsensibel gestalten kann, wurden bereits einige Ansätze und Maßnahmen entwickelt, die nachfolgend vorgestellt werden. Dabei wird vor allem auch betont, dass eine gute Vorbereitung des Unterrichts im Hinblick auf die sprachlichen Mittel, welche für das Erreichen des mathematischen Lernziels entscheidend sind, ausschlaggebend ist, um sprachliche Hindernisse zu mindern. Schuler und Klotz (2017, S. 51) betonen ebenfalls, dass die Kompetenz der Lehrperson für die Gestaltung eines sprachsensiblen Unterrichts entscheidend ist. Nur wer sich über die sprachlichen Hindernisse bewusst ist, kann diese im Unterricht förderlich abbauen oder die SuS bei der Bewältigung dieser unterstützen (vgl. ebd.).
4.2.1 Scaffolding
Das Scaffolding bietet den Lehrkräften einen didaktischen Ansatz zur Planung und Durchführung eines sprachsensiblen Unterrichts, wobei sowohl die fachlichen wie auch die jeweils zugehörigen sprachlichen Kompetenzen berücksichtigt werden (vgl. Bruder und Roth 2018, S. 5). Das Scaffolding lässt sich mit dem Wort Baugerüst übersetzen, da für die Lernenden Gerüste aufgebaut werden. Den SuS wird eine temporäre sprachliche Hilfestellung gegeben, mit welcher sie schrittweise hin zu einem kompetenten Sprecher heranwachsen können. Sobald die Kompetenzen erlangt sind, kann das Sprachgerüst nach und nach wieder abgebaut werden und zum Aufbau neuer Kompetenzen genutzt werden. Weiter wird zwischen Makro- und Mikroscaffolding unterschieden. Das Makroscaffolding beinhaltet die folgenden drei wesentlichen Bestandteile der Unterrichtsvorbereitung: die Bedarfsanalyse, Lernstandsanalyse und Unterrichtsplanung. Das Mikroscaffolding beinhaltet schließlich die sprachlichen Hilfestellungen, welchen den SuS im Unterricht situationsbezogen zur Verfügung gestellt werden (vgl. Meyer und Tiedemann 2017, S. 83f.).
Das Scaffolding ist somit Grundlage aller weiteren Ansätze in diesem Kapitel. Sie bieten alle auf verschiedene Weisen sprachliche Hilfestellungen, um den Auf- und Ausbau der sprachlichen Kompetenzen zu unterstützen.
4.2.2 Die Lehrersprache
Die Lehrperson ist vor allem für SuS des SBBZ Sprache häufig die einzige Person, welche die korrekten Sprachmuster vorlebt, da deren Muttersprache häufig eine andere ist. Somit ist es umso entscheidender, dass die Lehrperson als ein gutes Sprachvorbild fungiert. Die Lehrersprache sollte durch folgende Merkmale gekennzeichnet sein (vgl. Werner und Berg 2016, S. 1053f.):
- Reduktion der Lehrersprache auf syntaktischer Ebene, durch die Verwendung einfacher Hauptsätze und die Reduktion der Satzlängen
- neue Begriffe mehrfach und betont anbieten
- das Sprechtempo reduzieren
- längere Pausen und deutliche Betonung, um eine bessere Sprachverarbeitung zu ermöglichen
- untergliedern der Äußerungen in Sinneinheiten
Durch das Anwenden dieser Merkmale kann das Arbeitsgedächtnis der SuS entlastet werden und damit auch zu verbesserten mathematischen Leistungen führen (vgl. Berg und Janke 2016, S. 139). Auch durch den Einsatz von Körpersprache, Mimik und Gestik kann die Kommunikation und das Verständnis erleichtert werden. Die Lehrperson unterstützt die SuS dabei, sprachliche Hürden selbst zu überwinden, indem sie die SuS zum Sprechen anregt, an ihr Vorwissen anknüpft, Ja-Nein-Fragen sowie stumme Impulse vermeidet und möglichst die eigenen Handlungen sprachlich begleitet (vgl. Weis 2013a, S. 15). Außerdem soll die Lehrperson die Arbeitsanweisungen kurz, aber klar formulieren und Umformulierungen während des Sprechens vermeiden (vgl. Werner und Berg 2016, S. 1054).
Weiter kann die Lehrperson die Entwicklung der sprachlichen Kompetenzen durch Modellierungstechniken unterstützen, wobei sie auch als Sprachmodell agiert. Die Lehrperson korrigiert die SuS indirekt durch das Anbieten korrekter Satzmuster oder eine inhaltliche Erweiterung, wodurch sie ihre sprachlichen Fähigkeiten nach und nach erweitern können. Es werden vier den kindlichen Äußerungen folgenden Modellierungstechniken unterscheidet (vgl. Motsch 2006, S. 75):
- Die verbale Reflexion ist die Wiederholung der fehlerhaften Äußerungen in der korrekten Zielstruktur.
- Die Extension ist die Erweiterung auf der semantischen Ebene.
- Die Expansion ist die Erweiterung auf syntaktischer Ebene.
- Die Umformung ist eine grammatische Veränderung der kindlichen Äußerung.
Zusätzlich beschreibt Dannenbauer (vgl. 1999, S. 153) drei den kindlichen Äußerungen vorausgehende Modellierungstechniken (vgl. ebd.):
- Bei der Präsentation wird die Zielstruktur durch die Lehrperson gehäufte dargeboten.
- Beim Parallelsprechen wird die Intentionen der SuS versprachlicht.
- Bei den Alternativfragen werden den SuS Zielstrukturen angeboten, aus denen sie bei ihrer Antwort eine auswählen können.
4.2.3 Alltags- und Weltwissensbezug
Die SuS mit Deutsch als Zweitsprache sind häufig mit den für uns alltäglichen Gegenständen, wie Pflanzen, Tieren oder Alltagsgegenständen nicht vertraut. Dadurch wissen diese SuS oft nicht, worum es in den Aufgaben geht und werden beim Lösen dieser aufgrund der unbekannten Begriffe gehindert. Aufgrund dessen müssen auch die für uns alltäglichen Begrifflichkeiten definiert werden, um ein ungestörtes Lösen der Aufgaben zu ermöglichen (vgl. Österreichisches Sprachen-Kompetenz-Zentrum 2014, S. 11). Vor allem bei der Erarbeitung neuer Begriffe sollte ein Alltags- und Weltwissensbezug hergestellt werden, um eine gute Vernetzung der Wörter im Gedächtnis zu ermöglichen (vgl. Werner und Berg 2016, S. 1053). Diese Verknüpfungsmöglichkeiten entstehen auch durch das Lernen mit allen Sinnen, das als multisensorische Lernen bezeichnet und im Abschnitt 4.2.4 beschrieben wird. Durch Zuordnungs- oder Vergleichsaufgaben zu zwei Begriffen, entsteht eine Vernetzung zwischen den beiden Begrifflichkeiten. Ebenfalls trägt die Aktivierung des Vorwissens zu einer besseren Vernetzung der neuen Begriffe und Inhalte bei. Durch die Aktivierung des Vorwissens können die SuS die bislang gespeicherten Informationen zum aktuellen Themenbereich aus ihrem Langzeitgedächtnis abrufen und so das Neue schneller einordnen. Dieser Prozess läuft wie folgt ab: Das Vorwissen wird aktiviert, die neuen Inhalte mit den bereits Vorhandenen verglichen, bewertet und in das Bestehende eingeordnet. Damit der Prozess gelingt ist es entscheidend, die Eigenaktivität, also die eigene Auseinandersetzung mit den neuen Inhalten und Begriffen, herauszufordern (vgl. Glück und Berg 2010, S. 101 – 104). Die SuS stehen in ihrem Prozess des Mathematiklernens als aktiver Lerner im Zentrum. In der eigenständigen Erarbeitung können mathematische Strukturen erkannt und in einem anschließenden Austausch mit der Lehrperson oder den anderen SuS verstanden werden. Die Aktivierung und Weiterentwicklung des Vorwissens soll nicht nur auf der fachlichen, sondern auch auf der sprachlichen Ebene stattfinden (vgl. Schröder und Rittfelder 2014, S. 57).
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- Arbeit zitieren
- Pauline Heeß (Autor:in), 2019, Sprachsensibler Mathematikunterricht. Eine Unterrichtseinheit zum Thema Geld, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1266274
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