Der Augsburger Kalenderstreit

Ausdruck religiöser Zerwürfnisse oder politische Revolte?


Seminararbeit, 2008

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Chronologie des Kalenderstreits

3.Ursachen des Kalenderstreits
3.1.Politische Ursachen
3.2.Wirtschaftliche Ursachen
3.3.Religiöse Ursachen

4.Kalenderstreit in anderen Reichsstädten

5.Schlussbetrachtung

Literatur & Quellen

1.Einleitung

„Mir ist [...] in Augspurg meinem Vaterland, ein sehr grober, unnd in Deudscher Nation bey einer Reichstadt von zimlich vielen Jahren her unerhörter unfug begegnet"1 urteilte Georg Mylius 1586 iiber ein Ereignis, das die Reichsstadt Augsburg wenige Jahre zuvor an den Rand einer Katastrophe gefiihrt hatte. Dieses Ereignis verdeutlichte anschaulich das zunehmende Zerwiirfnis zwischen der protestantischen und der katholischen Bevölkerung in der bikonfes-sionellen Stadt. Die Rede ist vom Augsburger Kalenderstreit 1583/84. Doch handelte es sich bei diesem Streit wirklich um ein rein konfessionelles Problem? Oder ging es nicht vielmehr um die politische Vormachtstellung in der Reichsstadt? Auf diese zentralen Fragen soll im Folgenden versucht werden eine Antwort zu finden.

Im Mittelpunkt werden hierbei der Ablauf des Streites und seine Protagonisten stehen. Im Anschluss daran sollen die möglichen Ursachen betrachtet werden. Der Fokus wird hierbei auf den politischen Ereignissen liegen, die ursächlich fiir das Entstehen der Zwietracht unter den Konfessionen waren, und somit maBgeblichen Einfluss auf den Ausbruch des Kalender-streits hatten. Die Frage nach den sozialen Hintergriinden wird im Verlauf dieser Untersu-chung geklärt. Dariiberhinaus werden die wirtschaftlichen Aspekte als eine weitere mögliche Ursache der Eskalation näher beleuchtet. Das religiöse Moment des Konflikts wird schon bei der Betrachtung der Chronologie der Ereignisse sichtbar. Trotzdem soll darauf abschlieBend noch einmal kurz eingegangen werden.

Der Vergleich des Augsburger Kalenderstreits mit Ereignissen in anderen Reichsstädten zeigt anschlieBend die besondere Bedeutung dieses Konflikts auf.

So sollte sich zum Abschluss die Frage beantworten lassen, ob der Augsburger Kalenderstreit den Charakter einer rein religiösen Auseinandersetzung trägt oder ob er eher darauf abzielte die politischen Verhältnisse in der Stadt zu ändern.

Als sehr hilfreich bei der Bearbeitung des Themas erwies sich das Werk von Paul Warmbrunn iiber das Zusammenleben der Konfessionen in den paritätischen Reichsstädten Augsburg, Biberach, Ravensburg und Dinkelsbiihl aus dem Jahr 1983. Zum Ablauf des Kalenderstreits bot Wolfgang Wallentas „Katholische Konfessionalisierung in Augsburg" von 2003 niitzliche Ergänzungen. Desweiteren lieferten Regina Dauser und Katarina Sieh-Burens mit ihren Bei-trägen iiber das Fuggernetz (2008), beziehungsweise iiber die sozialen Verflechtungen der städtischen Wiirdenträger (1986), hilfreiche Beiträge iiber die wirtschaftlichen und sozialen Hintergriinde des Konflikts. Die „Geschichte Augsburgs" von Bernd Roeck aus dem Jahr 2005 bot zudem einen aufschlussreichen Uberblick iiber die Stadtgeschichte.

2.Chronologie des Kalenderstreits

Der Kalenderstreit forderte das seit der Verfassungsänderung von 15482 angestaute Konflikt-potential zwischen den beiden Konfessionen in Augsburg zutage. Die endgiiltige Niederlas-sung der Jesuiten im Jahre 1580 trug ebenso zur Eskalation des Konfliktes bei, wie die anhal-tende wirtschaftliche Krise und der schwindende Einfluss der Protestanten auf die Stadtpoli-tik.3

Anlass war jedoch die von Papst Gregor XIII. initiierte Reform des julianischen Kalenders, mit der sich eine bereits seit Jahrzehnten tagende Expertenkommission beschäftigte. Auf Be-fehl des Papstes folgte auf Donnerstag, den 4. Oktober, Freitag, der 15. Oktober 1582, um die Ungleichheit zwischen dem astronomischen Kalender und dem julianischen auszugleichen.4 Augsburg wurde vom bayrischen Herzog Wilhelm V. bereits im September 1582 auf die An-nahme des neuen Kalenders gedrängt, was der Rat der Stadt mit Hinweis auf die ungeklärte Lage im Reich zunächst jedoch ablehnte. Am 2. Januar 1583 wiederholte der Herzog seine Aufforderung. Am 5. Januar beschoss der Rat schlieBlich den neuen Kalender anzunehmen, wenn dies der Augsburger Bischof in seinem Territorium ebenfalls täte. Dies geschah am 8. Januar. In der evangelischen Minderheit im Stadtrat regte sich nun Widerstand. Am 14. Ja-nuar wurde von den drei Kirchenpflegern Johann Matthäus Stammler, Johann Baptist Haint-zel und Adam Rehm, sowie dem Ratsherren Ulrich Herwart, eine „Supplicatio"5 ver]fasst, in der die Unzumutbarkeit der Annahme des neuen Kalenders fiir die Protestanten zum Aus-druck gebracht wurde. Begriindet wurde dies mit der „Verriickung der Feiertage"6, die als Bruch des Augsburger Religionsfriedens angesehen wurde. Zudem entstand der Kalender auf GeheiB des Papstes, der den Protestanten gegenüber keine Weisungsbefugnis hatte. Durch öffentliches Vorlesen wurde die Kritik nun auch in der Gemeinde publik gemacht. So erreich-te die Debatte innerhalb kürzester Zeit eine breite Offentlichkeit. Die Rechtfertigung der Stadtadvokaten, dass die Annahme des Kalenders wirtschaftlich begründet wäre und dies kei-neswegs die Bestimmungen des Religionsfriedens verletze, wurde von den evangelischen Kritikern nicht akzeptiert. Sie schalteten nun das Reichskammergericht ein, um die Einfüh-rung des neuen Kalenders wieder rückgängig zu machen.

Die Stadt wandte sich daraufhin an die benachbarten protestantischen Territorien, um ihren Standpunkt deutlich zu machen. Der Rat versicherte Herzog Ludwig von Württemberg und Kurfürst Ludwig von der Pfalz, dass die Entscheidung den Kalender anzunehmen allein auf wirtschaftlichen Uberlegungen beruhte.7 Man hätte auch lieber auf eine Entscheidung auf Reichsebene gewartet. Die protestantischen Landesfürsten bezogen jedoch für die Kalender-gegner Stellung. Auf katholischer Seite unterstützten Herzog Wilhelm von Bayern sowie Kai­ser Rudolf II. den Stadtrat bei seiner Entscheidung. Somit entwickelte sich der Kalenderstreit zu einer Reichsangelegenheit. Auf dem im März 1583 in Heilbronn abgehaltenen Städtetag konnte der Rat mit seiner Argumentation jedoch punkten. Auch die Bedenken, dass es durch doppelte Festtage zu Konflikten kommen könnte8, veranlasste den Städtetag die Entscheidung Augsburgs zu respektieren.

Der Streit wurde jedoch durch das Eintreffen der Entscheidung des Reichskammergerichts am 26. März erneut angeheizt. Das Gericht verlangte vom Rat bei Strafe von zehn Mark Gold seine Entscheidung rückgängig zu machen.9 Der Rat beschloss dennoch am 29. März an der Reform festzuhalten und die Kassation des Mandats zu beantragen. Den Protestanten wurde jedoch zugestanden ihre Feiertage weiter nach dem alten Kalender feiern zu dürfen. Für Markt-, Gerichts- und Ratstage sollte jedoch der neue gelten. Eine Anzahl von protestan-tischen Ratsherren trug diese Entscheidung zunächst mit, sechs von ihnen, darunter Bürger-meister Ulrich Walter10, rückten jedoch schon bald von ihrer Entscheidung ab und wollten das Reichskammergerichtsmandat nun doch anerkennen. Der Rat sollte nun endgültig seine Tei-lung erleben.

[...]


1 Vgl. Mylius, Georg: Augspurgische Handel: so sich daselbsten wegen der Religion und sonderlich jüngst vor zwey Jahren im werenden Calenderstreit mit Georgen Müller, Pfarrerr und Superintendenten daselbst zugetra- gen; sampt nothwendiger rettung der Unschuld und ehren wider allerhand…Bezüchtigung, damit die Papisten eine zeitland ihn D. Müllern fürnemlich beleget haben, Wittenberg 1586, S. 4.

2 Die von Kaiser Karl V. veranlasste neue patrizische Stadtverfassung sah ein paritätisches Regierungs- und Ver- waltungssystem vor, das die Gleichberechtigung und exakte Ämterteilung zwischen Protestanten und Katholi- ken sicherstellte, vgl. Warmbrunn, Paul: Zwei Konfessionen in einer Stadt. Das Zusammenleben von Katholiken und Protestanten in den paritätischen Reichsstädten Augsburg, Biberach, Ravensburg und Dinkelsbühl von 1548 bis 1648, in: Manns, Peter (Hrsg.): Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz Abteilung für abendländische Religionsgeschichte, Band 111, Wiesbaden 1983, S. 98-114, sowie Sieh-Burens, Katarina: Oligarchie, Konfession und Politik im 16. Jahrhundert. Zur sozialen Verflechtung der Augsburger Bür- germeister und Stadtpfleger 1518-1618, in: Becker, Josef u.a. (Hrsg.): Schriften der Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg. Historisch-sozialwissenschaftliche Reihe, Nr. 29, München 1986, S. 169ff.

3 Im Jahr 1582 standen trotz einer protestantischen Bevölkerungsmehrheit nur 20 evangelische Ratsherren 25 katholischen gegenüber, vgl. Tabelle: Das Zahlenverhältnis zwischen Katholiken und Protestanten im Augsbur- ger Rat, in: Warmbrunn, Paul: Zwei Konfessionen, S. 133.

4 Zur Geschichte der Kalenderreform vgl. Bühler, Walther: Das bewegliche Osterfest. Kalenderreform und Os- terdatum als Problem des Rhythmus, Tübingen 1965.

5 Lat. für „öffentliches Betfest“.

6 Wallenta, Wolfgang: Katholische Konfessionalisierung in Augsburg 1548-1648, in: Studien zur Geschichtsfor- schung der Neuzeit, Band 28, Hamburg 2003, S. 104.

7 Die zwei Schreiben vom 3. März und 16. April 1583 betonten nochmals die protestantische Konfession nicht schmälern zu wollen, vgl. ebd. S. 105.

8 Der Bischof hatte den neuen Kalender ja schon eingeführt, allerdings auf Drängen des Rates.

9 Zur Begründung hieß es, „der Kalender sei zwar ein profanes und politisches Ding, er könne jedoch nicht ohne Änderung der Feste reformiert werden“, was jedoch gegen die Bestimmungen des Religionsfrieden sei, vgl. Warmbrunn, Paul: Zwei Konfessionen, S. 362.

10 Seit der Ratsverfassung verfügte Augsburg über sechs, anstatt bisher zwei, Bürgermeister.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der Augsburger Kalenderstreit
Untertitel
Ausdruck religiöser Zerwürfnisse oder politische Revolte?
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Hauptseminar: Zahl und Zeit in der Frühen Neuzeit
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V126533
ISBN (eBook)
9783640324347
ISBN (Buch)
9783640326129
Dateigröße
566 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Augsburger, Kalenderstreit, Ausdruck, Zerwürfnisse, Revolte
Arbeit zitieren
Sebastian Schurak (Autor:in), 2008, Der Augsburger Kalenderstreit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126533

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