Ziel der Untersuchung ist es, aktuelle Inhalte und Maßnahmen des Diversity Managements zu identifizieren und einen Ausblick auf Trends zu geben, die sich in Zukunft für deutsche Unternehmen ergeben. Die Erhebung erfolgte mittels einer Literaturanalyse und Expert:inneninterviews. Diese Vorgehensweise ermöglichte es, Sachverhalte zu bewerten und die zentralen Ergebnisse dieser Arbeit empirisch zu stützen und bestätigte Hypothesen abzuleiten. Die Erkenntnisse dienen denen, die sich für mehr Vielfalt im beruflichen Kontext ein-setzen wollen, indem die Arbeit einen Gestaltungs- und Orientierungsrahmen bietet.
Belegschaften zeichnen sich zunehmend durch eine vielfältige Zusammensetzung aus. Als Steuerungselement kommt dem Diversity Management eine zunehmende Bedeutung zu. Sein Potenzial gilt in Deutschland jedoch als noch unausgeschöpft, was dazu führt, dass die wirtschaftliche Kraft, die hinter einem durchdachten Diversity Management steckt, dabei ebenso ungenutzt bleibt, wie die Tragweite im Hinblick auf Chancengleichheit im Arbeitsleben und die damit verbundenen positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Relevanz
1.2 Forschungsfragen, Ziele und Methodik
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Begriffliche und theoretische Grundlagen des Diversity Managements
2.1 Bedeutung, Einflussfaktoren auf Vielfalt und Entwicklungsstufen
2.2 Ökonomische Ziele: Diversity Management als Erfolgsfaktor
2.3 Gesellschaftliche und soziale Verantwortung von Unternehmen
2.4 Rechtliche Aspekte und politischer Rahmen
3 Gestaltungsmöglichkeiten des Diversity Managements
3.1 Strategische und organisatorische Einbindung des Diversity Managements
3.2 Auseinandersetzung zum Bewusstwerden von Unconscious Bias
3.3 Diversity Recruiting und Strategien
3.3.1 Unconscious Bias im Recruiting
3.3.2 Diversity Recruiting-Strategien
3.4 Klassifikation Diversity Dimensionen und Intersektionalität
3.5 Einzelbetrachtung Dimensionen: Maßnahmen
3.5.1 Geschlecht und geschlechtliche Identität
3.5.2 Ethnische Herkunft und Nationalität
3.5.3 Sexuelle Orientierung und Identität
3.5.4 Alter
3.5.5 Behinderung
3.5.6 Religion und Weltanschauung
4 Interviews mit Expert:innen
4.1 Methode: Leitfadeninterview
4.1.1 Identifikation relevanter Expert:innen
4.1.2 Interviewpartner:innen
4.2 Interviewleitfaden
4.3 Durchführung und Auswertung
5 Ergebnisse
5.1 Persönliche Einordnung & Motivation für Diversity Management
5.2 Verankerung von Diversity Management in den Unternehmen
5.3 Aktivitäten des Diversity Managements aus Literatur und Interviews
5.3.1 Maßnahmen zum Umgang mit Unconscious Bias
5.3.2 Strategien zur Sicherstellung inklusiver Recruiting-Praktiken
5.3.3 Einzelbetrachtung der Diversity Dimensionen
6 Fazit
6.1 Empirisch bestätigte Hypothesen
6.2 Ausblick: Trends und weiterer Forschungsbedarf
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Methodisches Vorgehen
Abbildung 2: Einflussfaktoren auf die gesellschaftliche Vielfalt
Abbildung 3: Entwicklungsstufen des Diversity-Konzepts
Abbildung 4: Balanceakt zwischen den Vor- und Nachteilen von Vielfalt
Abbildung 5: Diversity Management System Components
Abbildung 6: The Hiring Process
Abbildung 7: „4 Layers of Diversity“ nach Gardenswartz und Rowe
Abbildung 8: Religionszugehörigkeit der Bevölkerung in Deutschland
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Leifragen für Interviews mit Expert:innen
Tabelle 2: Ergebnisse aus Interviews zu „persönliche Einordnung und Motivation“
Tabelle 3: Ergebnisse aus Interviews „Strategische und organisatorische Einbindung“
Tabelle 4: Zentrale Ergebnisse zu „Umgang mit Unconscious Bias“
Tabelle 5: Zentrale Ergebnisse zu „Inklusive Recruiting-Praktiken“
Tabelle 6: Zentrale Ergebnisse zu „Geschlecht & geschlechtliche Identität“
Tabelle 7: Zentrale Ergebnisse zu „Ethnische Herkunft und Nationalität“
Tabelle 8: Zentrale Ergebnisse zu „Sexuelle Orientierung und Identität“
Tabelle 9: Zentrale Ergebnisse zu "Alter"
Tabelle 10: Zentrale Ergebnisse zu „Behinderung“
Tabelle 11: Zentrale Ergebnisse zu „Religion und Weltanschauung“
Abstract
Workforces are increasingly characterised by diversity. Diversity management is gaining in importance as a management concept. However, its potential is not fully exploited in Germany yet, which means that the economic power behind an effective diversity management remains untapped, as does the scope of equal opportunities in working life and its associated positive impact on society.
The objective of research is to identify the current content and measures of diversity management and to provide an outlook on the trends that will arise in the future for German companies. The evaluation was carried out through literature analysis and interviews with experts. This approach facilitated the evaluation of facts and empirical support for the central results of this work and the derivation of confirmed hypotheses. The findings serve those who want to promote diversity in the workplace context by providing a framework for design and orientation.
The evaluation reveals that measures such as training formats for the detection of Unconscious Bias, inclusive recruitment practices, targeted team-building of heterogeneous groups, support for Employee Resource Groups, and opportunities for more flexible work arrangements contribute to promoting diversity in the workplace. Thereby, the top-down approach, in which Top Management underpins diversity values, is a cornerstone. Designing an inclusive environment is recognized as a pivotal task for the future. Also, the dimension of "social origin" is being explored as a new field of action and will gain significance in Diversity Management.
Zusammenfassung
Belegschaften zeichnen sich zunehmend durch eine vielfältige Zusammensetzung aus. Als Steuerungselement kommt dem Diversity Management eine zunehmende Bedeutung zu. Sein Potenzial gilt in Deutschland jedoch als noch unausgeschöpft, was dazu führt, dass die wirtschaftliche Kraft, die hinter einem durchdachten Diversity Management steckt, dabei ebenso ungenutzt bleibt, wie die Tragweite im Hinblick auf Chancengleichheit im Arbeitsleben und die damit verbundenen positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Ziel der Untersuchung ist es, aktuelle Inhalte und Maßnahmen des Diversity Managements zu identifizieren und einen Ausblick auf Trends zu geben, die sich in Zukunft für deutsche Unternehmen ergeben. Die Erhebung erfolgte mittels einer Literaturanalyse und Expert:inneninterviews. Diese Vorgehensweise ermöglichte es, Sachverhalte zu bewerten und die zentralen Ergebnisse dieser Arbeit empirisch zu stützen und bestätigte Hypothesen abzuleiten. Die Erkenntnisse dienen denen, die sich für mehr Vielfalt im beruflichen Kontext einsetzen wollen, indem die Arbeit einen Gestaltungs- und Orientierungsrahmen bietet.
Die Auswertung ergibt, dass Maßnahmen wie Trainingsformate zum Aufdecken von Unconscious Bias, inklusive Rekrutierungspraktiken, die gezielte Zusammenführung heterogener Teams, die Unterstützung von Employee Resource Groups und Möglichkeiten der flexiblen Arbeitsgestaltung zur Förderung von Vielfalt in der Arbeitswelt beitragen. Dabei bildet der Top-Down-Ansatz, bei dem das Top-Management die Werte der Vielfalt vorlebt und einfordert, einen zentralen Aspekt. Die Gestaltung eines inklusiven Umfeldes wird als Schlüsselaufgabe der Zukunft erkannt. Ferner wird die Dimension "soziale Herkunft" als neues Handlungsfeld erschlossen und an Bedeutung im Diversity Management gewinnen.
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Relevanz
Die zunehmende Globalisierung, die gestiegene geografische Mobilität, demografische Entwicklungstendenzen und ein Wertewandel der Gesellschaft führen in Zukunft zu immer diversen Belegschaften. Kurzum: „Wir werden weniger, älter und bunter“ (Franken 2019, S. 274). Die gravierenden Verschiebungen in der Altersstruktur führen auf Dauer einen Fachkräftemangel nach sich. Neue technische Vernetzungsmöglichkeiten und die weltweite Individualisierung verändern Menschen, Märkte und Konsumverhalten. Das veranlasst Unternehmen zu neuen Haltungen, Ansätzen und Betrachtungsweisen, um diesen Megatrends zu begegnen (vgl. Jablonski 2016, S. 5–6; zit. nach Krell 2011, S. 166 ff.).
Die Auseinandersetzung mit Vielfalt ist im Alltag allgegenwärtig, nicht nur deshalb ist Diversity Management Forschungsgegenstand zahlreicher Studien sowie wissenschaftlicher Publikationen. Denn so gehört das in den 1950er Jahren entsprungene Konzept aus den USA im anglo-amerikanischen Raum längst zu einer nicht wegzudenkenden Division in den Unternehmen. Seit einiger Zeit findet es auch in Europa immer mehr Verbreitung.
Der deutschlandweit größte Unternehmenszusammenschluss zur Förderung von Vielfalt in der Arbeitswelt ist der Charta der Vielfalt e. V. und verzeichnet mittlerweile 3.800 Unterzeichnende. Damit repräsentiert er ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland (vgl. Charta der Vielfalt 2021c; Voß 2020). Dennoch gilt das Potenzial von Diversity in Deutschland als noch unausgeschöpft. So ermittelt die aktuelle Studie der Charta der Vielfalt (2020) „Diversity Trends“, in der Personalentscheider:innen aus einem Querschnitt deutscher Unternehmen befragt wurden, anhaltende Vorbehalte in Bezug auf die Notwendigkeit, Vielfalt zu managen und zu fördern (vgl. Voß 2020).
Die wirtschaftliche Kraft, die hinter einem durchdachten Diversity Management steckt, bleibt dabei ebenso ungenutzt wie die Tragweite im Hinblick auf Chancengleichheit im Arbeitsleben und die damit verbundenen positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Wie lange können es sich Unternehmen noch leisten, sich dem Faktor Vielfalt gegenüber passiv zu verhalten? Prognosen zur demografischen Entwicklung deuten auf einen drastischen Rückgang des Arbeitskräftepotenzials in Deutschland hin. Unternehmen werden zukünftig auf den Einsatz von multigenerationalen und -kulturellen Teams angewiesen sein (vgl. Troger 2019, S. 78). Es existieren unterschiedliche gesetzliche Regelungen, um Minderheiten vor Diskriminierung zu schützen. Das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet „[…] Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität […]“ (§ 1 AGG). Es konkretisiert damit die Merkmale von Personen, die vor Diskriminierung zu schützen sind.
Der Report der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017a, S. 4–5) zeigt, dass der Einstieg in den Arbeitsmarkt besonders für Menschen mit Behinderung, anderer Ethnien oder höheren Alters erschwert ist. In Deutschland existiert eine ausgeprägte Geschlechterdiskriminierung, besonders in Bezug auf Aufstiegschancen. Systemische Belästigungen am Arbeitsplatz, die u. a. auf anderen Glaubensrichtungen oder der sexuellen Orientierung und Identität beruht, sind gelebte Realität. Die Ursachen sind mitunter in Vorurteilen und unbewussten Denkmustern, die in der Wissenschaft als „Unconscious Bias“ diskutiert werden, zu finden. Die Auseinandersetzung mit ihnen ist wichtig, um sie zu überwinden.
Die aktuellen Erkenntnisse der Studie „Diversity Trends“ der Charta der Vielfalt (2020) untermauern, dass solche verzerrten Denkansätze nach wie vor existieren und sich diskriminierend auf die Identität ganzer Gruppen auswirken können. So halten ganze 60 % der Nicht-Unterzeichnenden der Charta der Vielfalt LGBT-Themen für ein Tabu und geben an, dass der Faktor sexuelle Orientierung und Identität Privatsache sei und am Arbeitsplatz nichts verloren hätte (vgl. zum Folgenden Voß 2020). Deutlich wird zudem, dass die eigene Position mit den verbundenen Vor- und Nachteilen, besonders in Bezug auf eigene Privilegien, nicht ausreichend reflektiert wird. Das steht im Widerspruch zu der Aussage von fast der Hälfte der Befragten Nicht-Unterzeichnenden, dass sie Benachteiligung aufgrund der sozialen Herkunft bereits beobachtet haben, etwa bei der Einstellung, Karriereförderung oder generell im Arbeitsalltag. Und dennoch steht ein Drittel der Befragten Diversity Management eher skeptisch gegenüber. Ferner sehen nur 31 Prozent der Nicht-Unterzeichnenden Vielfalt als Grundlage für anhaltenden Geschäftserfolg, was angesichts der wirtschaftlichen Vorteile, die ihr zugeschrieben werden, überraschend ist.
Es hat sich längst etabliert, dass Unternehmen von Vielfalt profitieren können (vgl. Heufers und Voß 2019, S. 214). Diverse Belegschaften gelten im Vergleich zu homogenen Teams als innovativer. Aufgabe des Diversity Managements ist es, Vielfalt aktiv zu managen und ein wertschätzendes Umfeld zu schaffen, in dem sich jedes Mitglied einbringen kann. Es gilt das kreative Potenzial zu aktivieren, das durch alternative und verschiedene Perspektiven, zu innovativen Lösungen führt und Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschafft.
Gesellschaftliche Entwicklungen verdeutlichen den Handlungsbedarf und die Relevanz, Diversity Management in Unternehmen umzusetzen. „Vielfalt ist längst ein Fakt“ (Voß 2020). Es stelle sich nicht mehr die Frage, ob, sondern nur noch, wie sie gemanagt wird.
Aus den Ergebnissen vorangegangener Forschung und der zuvor dargelegten Relevanz von Diversity Management ergeben sich die Forschungsfragen und die Zielstellungen dieser Arbeit, welche im folgenden Kapitel dargestellt werden.
1.2 Forschungsfragen, Ziele und Methodik
Diese Faktoren erfordern ein Umdenken unternehmerischen Agierens im Hinblick auf Vielfalt. Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist wichtig und zielt darauf ab, Bewusstsein über die Ursachen von Diskriminierung gegenüber Minderheiten zu erlangen. Unternehmen haben die Reichweite und das Potenzial als Vorbilder im Rahmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung voranzuschreiten. Auch wenn das Potenzial von Diversity Management in Deutschland noch unausgeschöpft ist, so haben viele Unternehmen bereits den Mehrwert, der sich aus heterogenen Teamkonstellationen ergeben kann, erkannt. Mit verschiedenen Maßnahmen sensibilisieren sie ihre Belegschaft, unterstützen Minderheiten und demonstrieren soziales Engagement, was sich positiv auf Unternehmensziele sowie die Gesellschaft auswirkt.
Angesichts dieser Aspekte stellen sich folgenden Forschungsfragen (FF) :
FF 1: Welche aktuellen Inhalte und Maßnahmen im Diversity Management gibt es in der aktuellen Literatur und was sagen Expert:innen deutscher Unternehmen dazu?
FF 2: Welche weiterführenden Ansätze und Trends des Diversity Managements ergeben sich in Zukunft?
Die Erkenntnisse sollen als Handlungsempfehlungen für Unternehmen dienen und als Gestaltungsrahmen für die Schaffung eines vielfältigen Umfeldes unterstützen. Sie sind für diejenigen gleichermaßen interessant, die daran arbeiten, die Diversität im Unternehmen zu erhöhen, als auch für die, die ein Verständnis für die Gestaltung von Diversity Management gewinnen wollen.
Folgende Zielstellungen (Z) unterliegen der Vorgehensweise dieser Thesis:
Z 1: Zusammenstellen und Einordnen des aktuellen Standes zur Gestaltung von Diversity Management.
Z 2: Ableiten empirisch bestätigter Hypothesen aus Literaturanalyse und Interviewstudie.
Methodik
Um Gestaltungsmöglichkeiten des Diversity Management in deutschen Unternehmen zu identifizieren und die Forschungsfragen zu beantworten, wurde das Forschungsdesign einer Literaturanalyse und Expert:inneninterviews gewählt. Folgende Abbildung illustriert die Vorgehensweise, um Aufschluss über die Fragestellung und die damit verbundenen Zielsetzungen zu erhalten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Methodisches Vorgehen (eigene Darstellung)
Die Literaturanalyse zielt auf die Themen des Diversity Managements ohne inhaltliche oder kontextuelle Einschränkung und berücksichtigt wissenschaftliche Fachpublikationen in Form von Monographien, Sammelwerken, Studien und Aufsätzen. Auf Onlinemedien wurde in erster Linie in Form von Netzpublikationen und grauer Literatur, wie Reports und Studien zurückgegriffen. Grundsätzlich wurde darauf geachtet, möglichst aktuelle Quellen einzubeziehen. Ein ausgewählter Rückgriff auf nichtwissenschaftliche Quellen, wie z.B. Webseiten,
(Blog-)Artikel oder andere Berichte, erfolgt im Rahmen dieser Arbeit lediglich, um aktuelle und noch nicht wissenschaftlich publizierte Fakten gestützt durch Expert:innenaussagen darzustellen. Sie dienen auch zur Veranschaulichung der gesellschaftlichen Diskussion und unterschiedlicher Ansichten. Die Argumentation und Tatsachenbehauptung dieser Arbeit werden stets durch wissenschaftliche Quellen gestützt, was die Literaturanalyse und die Erkenntnisse aus Interviews mit Expert:innen widerspiegeln.
Die Methode der Expert:inneninterviews zeichnet sich durch ihren explorativen Charakter, durch offene Fragen der leitfadengestützten Interviews und der flexiblen Erweiterung des Dialogs aus (vgl. Lindner 2020, S. 25–26). Die Durchführung der Literaturanalyse und der Interviewstudie ermöglichen es, Sachverhalte zu bewerten und die zentralen Ergebnisse dieser Arbeit empirisch zu stützen und bestätigte Hypothesen abzuleiten.
1.3 Aufbau der Arbeit
Insgesamt besteht die Arbeit aus sechs Kapiteln. Das Forschungsvorgehen umfasst eine Literaturanalyse sowie die Befragung von Expert:innen.
Die Erkenntnisse der Literaturerhebung werden in den Kapiteln 2 und 3 dargestellt. Sie dienten als Grundlage für die Entwicklung der Leitfragen für die Interviews. Obwohl die Erörterung der Methode „Interviews mit Expert:innen“ einschließlich der Datenerhebung und -analyse erst ab Kapitel 4 erfolgt, fließen relevante Erkenntnisse aus den Interviews zur Erhöhung der Lesbarkeit von Anfang an in die Kapitel dieser Arbeit ein.
Die Forschungsarbeit ist wie folgt aufgebaut:
Zu Beginn, im Kapitel 1 , werden die Relevanz des Themas, die Forschungsfragen und damit verbundenen Zielstellungen sowie die Methodik dieser Arbeit dargelegt.
Im Kapitel 2 schließt sich der theoretische Rahmen, der auf dem Forschungsvorhaben basiert, an. In einem Überblick zum Konzept des Diversity Managements werden sowohl Definitionsgrundlagen geklärt als auch die Bedeutung und Entstehung. Zudem werden die wirtschaftlichen Zielstellungen dargestellt. Es folgt die Betrachtung des ethisch-moralischen Begründungszusammenhangs, was eng mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen verknüpft ist. Kapitel 2 endet mit einem Überblick zu den rechtlichen Aspekten zum Umgang mit Vielfalt.
Der Aufbau von Kapitel 3 ist trichterförmig systematisiert. Das heißt, es beginnt mit allgemeinen, grundlegenden Überlegungen und Informationen, beschreibt fortlaufend Maßnahmen zur Integration in das Diversity Management, während es sich zunehmend auf einzelne Bereiche und Diversity Dimensionen spezialisiert.
- Das Kapitel 3 ist der Zielstellung 1 dieser Forschungsarbeit zuzuordnen, indem es den aktuellen Stand zur Gestaltung von Diversity Management ausführlich erörtert.
Zunächst, im Kapitel 3.1, wird die strategische und organisatorische Einbindung von Diversity Management übergreifend in den Unternehmenskontext betrachtet.
Anschließend, im Kapitel 3.2, wird das Phänomen der Unconscious Bias (zu Deutsch: unbewusste Vorurteile), das eng mit Diskriminierung als auch Privilegierung zusammenhängt, erörtert. Es ist wichtig solche kognitiven Wahrnehmungsverzerrungen, wie Stereotype und andere unbewusste Denkmuster, die tief im Menschen verwurzelt sind, zu überwinden.
Mit diesem Verständnis erfolgt in Kapitel 3.3 eine Darstellung von ausgewählten Bias im Recruiting, die zu verzerrten Einstellungsentscheidungen führen können. Implikationen, die einen fairen Einstellungsprozess forcieren, werden beleuchtet. Danach werden die einzelnen Diversity Dimensionen sukzessive in den Fokus genommen.
Zu Beginn, im Kapitel 3.4, werden verschiedene Modelle aufgezeigt, nach denen Diversity Dimensionen klassifizierbar sind. Ferner wird die intersektionale Perspektive von Vielfalt betrachtet.
Mit Kapitel 3.5 schließt sich die Einzelbetrachtung der Diversity Dimensionen an. Pro Dimension werden die gesellschaftlichen als auch wirtschaftlichen Herausforderungen und Chancen analysiert. Zudem werden Aktivitäten zur Umsetzung eines erfolgreichen Diversity Managements aus Literatur- und Interviewstudie zusammengetragen und erörtert.
Das Kapitel 4 beschreibt das methodische Vorgehen bei den Expert:inneninterviews sowie die Herangehensweise zur Identifikation relevanter Interviewpartner:innen. Der Interviewleitfaden, der sich aus Forschungsinteresse und den Erkenntnissen aus Literaturanalyse zusammensetzt, wird dargestellt, ebenso wie Durchführung und Auswertung der Daten.
Die zentralen Ergebnisse zu aktuellen Inhalten und Maßnahmen zur Gestaltung von Diversity Management in deutschen Unternehmen, erhoben aus Literaturanalyse und Interviewstudie, wurden mittels eines Kodierverfahrens ausgewertet und in Kapitel 5 in einer übersichtlichen Darstellung zusammengefasst und beschrieben.
- In Kapitel 5 wird die Forschungsfrage 1 beantwortet.
Kapitel 6 schließt die Arbeit ab und präsentiert aus dem Forschungsvorgehen abgeleitete, empirisch bestätigte Hypothesen, die als praktische Handlungsempfehlungen für Unternehmen und ihr Diversity Management dienen. Ein Ausblick auf zukünftige Trends und weiteren Forschungsbedarf vervollständigt das letzte Kapitel.
- Kapitel 6.1 umfasst die Zielstellung 2 mit der Ableitung empirisch gesicherter Hypothesen in Form von Handlungsempfehlungen.
- In Kapitel 6.2 wird die Forschungsfrage 2 beantwortet.
2 Begriffliche und theoretische Grundlagen des Diversity Managements
Dieses Kapitel dient dazu, einen Überblick über das Konzept des Diversity Managements zu gewinnen. Zunächst wird auf die Bedeutung von „Diversity“ sowie auf die Faktoren, die Vielfalt beeinflussen, eingegangen. Ferner werden die Entwicklungsstufen, nach denen Diversity Management im Unternehmen definiert wird, näher betrachtet. Eine vielfältige Belegschaft kann durch Unternehmen als Wettbewerbsvorteil ausgebaut werden und zugleich bereichernd für die Gesellschaft wirken. Nach der Betrachtung des ökonomischen Potenzials von Vielfalt, geht dieses Kapitel auf die gesellschaftliche und soziale Verantwortung von Unternehmen ein. Ein Ziel von Diversity Management ist es, Strategien der Diskriminierung zu erkennen und damit wichtige Aspekte der gesellschaftlichen Debatte aufzugreifen. Zur Sicherung und Förderung von Chancengleichheit und Diversität existieren Gesetze, von denen ausgewählte in diesem Kapitel betrachtet werden.
2.1 Bedeutung, Einflussfaktoren auf Vielfalt und Entwicklungsstufen
Bedeutung: Der englische Begriff Diversity übersetzt sich ins Deutsche zu Vielfalt, Verschiedenartigkeit oder Diversität. In der wissenschaftlichen Disziplin des Diversity Managements wird er definiert als der bewusste Einsatz und die Steuerung von personeller Vielfalt (vgl. Gütting 2015, S. 3). Die häufigsten Vielfaltsdimensionen lassen sich in acht Schlüsselbegriffe („Big 8“) zusammenfassen (vgl. Rahnfeld 2019, S. 18–19; zit. nach Wulf 2007): Alter, Geschlecht, Ethnie, physische und psychische Behinderung, sexuelle Identität, Nationalität, Religion und Status bzw. Funktion in einer Organisation/ in einem Unternehmen (siehe Klassifikation der Diversity Dimensionen in Kapitel 3.4). Diversity Management strebt die gezielte Integration von Vielfalt in die Arbeitsorganisation verbunden mit ökonomischen Zielsetzungen an und betrachtet Vielfalt von Identitäten als Ressource (vgl. Franken 2019, S. 273–274). Der Diversity-Ansatz analysiert und hinterfragt zudem Macht- und Herrschaftsstrukturen und zielt darauf ab, Mechanismen der Diskriminierung zu erkennen (vgl. Rahnfeld 2019, 18, 23).
Das Diversity Management, das mittlerweile als Instrument des strategischen Personalmanagements anerkannt wird, findet seine Ursprünge in den USA: Die sozialen Bürgerrechtsbewegungen seit den 1950er-Jahren resultierten in verschiedenen Antidiskriminierungsgesetzen (vgl. Merklein 2017, S. 17). Seit geraumer Zeit gewinnt es auch in Europa und in deutschen Unternehmen an Fahrtwind. In Deutschland wurde mit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) die rechtliche Notwendigkeit des Themas präzisiert (siehe Kapitel 2.4). Gesetzkonformes Agieren definiert einen Begründungsansatz von Diversity Management für Unternehmen. Es fügen sich zudem ethisch-moralische und wirtschaftliche Beweggründe an, die Unternehmen veranlassen, Vielfalt bewusst zu managen (vgl. Franken 2015, S. 40). Alle drei Ansätze beeinflussen einander. Ökonomischer Mehrwert entsteht im rechtmäßigen Handeln, da kostenintensive Klageverfahren aus Diskriminierungsvorwürfen vermieden werden können sowie potenzielle Imageschäden. Eine Unternehmenskultur, die Diversität anerkennt und sich durch einen ethisch einwandfreien Umgang gegenüber sämtlichen Anspruchsgruppen auszeichnet, begünstigt das Engagement der Belegschaft, die Bindung der Kundschaft und damit die Erfolgsaussichten.
Einflussfaktoren auf gesellschaftliche Vielfalt: Die übergeordneten Faktoren, die Einfluss auf die gesellschaftliche Vielfalt nehmen, sind in Abbildung 2 (Franken 2019, S. 274) dargestellt. Sie bewirken, dass die Diversität von Identitäten, Lebensstilen und Lebenssituationen zunimmt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Einflussfaktoren auf die gesellschaftliche Vielfalt (Franken 2019, S. 274)
Eine vielfältige Gesellschaft zeigt sich in der Durchmischung ihrer Bevölkerung nach verschiedenen Merkmalen: Unterschiedliche Geschlechter, Altersgruppen, kulturelle Hintergründe, Bildungsgrade, Abschlüsse, beruflicher Status und familiäre Gegebenheiten. An diese Dimensionen reihen sich außerdem Faktoren, wie die zunehmende Internationalisierung und Migrationsbewegungen an. Hinzu kommen demografische Entwicklungstendenzen, einhergehend mit der fortschreitenden Alterung der Bevölkerung, die langfristig einen Fachkräftemangel nach sich ziehen (vgl. Franken 2019, S. 274). Die Globalisierung, neue Möglichkeiten der technologischen Vernetzung und die weltweite Individualisierung verändern Gesellschaften. Dieser Wertewandel verändert Märkte und Verbraucherverhalten. Er bringt Unternehmen dazu, neue Haltungen, Ansätze und Perspektiven einzunehmen, um diesen Trends gerecht zu werden (vgl. Jablonski 2016, S. 5–6; zit. nach Krell 2011, S. 166 ff.).
Diese Rahmenbedingungen begründen die Relevanz des Diversity Managements und erfordern ein Umdenken des unternehmerischen Agierens. So ist laut Rahnfeld (2019, S. 23) eine Unternehmenskultur anzustreben, in der alle Beschäftigten ihre Fähigkeiten bestmöglich zum Einsatz bringen können. Sie fügt hinzu, dass sich nach dem Diversity-Ansatz die globalisierte Welt auch im Unternehmen widerspiegelt.
Entwicklungsstufen des Diversity-Konzeptes: In Abbildung 3 sind die drei Entwicklungsstufen des Diversity-Konzepts, nach denen es im Unternehmen definiert wird, dargestellt (vgl. Franken 2015, S. 41). Die folgenden Erläuterungen zu Stufe 1, 2 und 3 basieren auf den Gedanken von Gütting (2015, S. 5–6; zit. nach Thomas und Ely 1996, S. 79–91) und Franken (2015, S. 41–42).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Entwicklungsstufen des Diversity-Konzepts (Franken 2015, S. 41)
Auf Stufe 1 wird der Gleichheitsgedanke repräsentiert, der sich gegen jegliche Form der Diskriminierung wendet. Der Fairness- und Antidiskriminierungsansatz hängt mit rechtlichen Grundlagen zusammen. Diskriminierung gilt es in allen Phasen, die Mitarbeitende in einem Unternehmen durchlaufen, zu verhindern. Das fängt bereits im Rekrutierungsprozess bei der fairen Auswahl potenzieller Kandidat:innen an und ragt bis in die interne Unternehmenspraxis. Hier lassen sich Aktivitäten wie Beurteilungsgespräche, Förderangebote und Beförderungsentscheidungen nennen. Der Fokus auf Gleichbehandlung und Fairness dient zudem der Abwendung rechtlicher Risiken, wie Gerichts- und Schadenersatzkosten. Nicht zuletzt werden Maßnahmen hinsichtlich Fairness und Antidiskriminierung mittlerweile von Unternehmen bewusst beworben, denn sie verhelfen zu positiven Nebeneffekten, z. B. zu einem Imagegewinn, zur Formung der Arbeitgebermarke oder der Steigerung der Mitarbeitendenzufriedenheit.
In der 2. Stufe ist es umgekehrt - individuelle Unterschiede werden akzeptiert und finden ihre Legitimation. Der Zugangs- und Legitimitätsansatz beschreibt die Nachbildung der heterogenen Kundschaft auf die Belegschaft. Daraus können tiefe Einblicke in die vielfältigen Bedürfnisse der Klientel gewonnen werden, was mit potenziellen Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen einhergeht. Während die Expertise des Unternehmens steigt, diese Bedürfnisse zu erfüllen und Probleme kompetent zu lösen, nähert sich das Unternehmen der Zielstellung, die sich hinter diesem Ansatz verbirgt: Das Erlangen einer günstigeren Position zur Erschließung neuer Märkte.
Mit der 3. Stufe deutet sich ein Paradigmenwechsel an, der die Wertschätzung der Vielfalt („Unterschiede sind gut“) betont und den Weg zum organisationalen Lernen einleitet. Beim sogenannten Effizienz -und Lernfähigkeitsansatz steht der Mensch im Mittelpunkt. Die Idee hinter diesem Ansatz, der die höchste Entwicklungsstufe darstellt, ist, Vielfalt systematisch zu kreieren. Damit verbunden ist, Konformitätsdruck zu erkennen und zu beseitigen. Es geht darum, den Blickwinkel von homogenen zu heterogenen Unternehmens- und Teamstrukturen zu ändern, was Raum für Innovationen öffnet (vgl. Gütting 2015, S. 5–6; zit. nach Thomas und Ely 1996, S. 79–91). Diese Stufe gilt als Idealbild des Diversity-Ansatzes, denn sie umfasst bedeutende Attribute, wie Wertschätzung, die Förderung und Nutzung von Unterschieden, die Unterbindung von Bevorteilung oder Diskriminierung in personalpolitischen Aktivitäten und damit verbunden ein proaktives Diversity Management (vgl. Franken 2015, S. 41–42; zit. nach Cox 1993, S. 229).
2.2 Ökonomische Ziele: Diversity Management als Erfolgsfaktor
Das Managen von Diversity zielt auf die bestmögliche Umsetzung von Unternehmenszielen mit Einsatz der sozialen, kulturellen und ethnischen Vielfalt der Mitarbeitenden ab. Es geht darum, Andersartigkeiten gewinnbringend einzusetzen. Zu den zentralen Argumenten für Diversity Management zählen (vgl. zum Folgenden Rašticová 2018, S. 241; Rahnfeld 2019, S. 20; zit. nach Vedder 2006):
- Vielfalt fördert Kreativität, denn unterschiedliche Standpunkte machen heterogene Teams flexibler, was zu alternativen Sichtweisen führt und durch einen breiten Wissensschatz zu innovativen Problemlösungsansätzen.
- Eine hohe Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden erhöht die Arbeitsmoral und
-atmosphäre, was zu mehr Leistung motiviert. Dies spart Zeit und Geld bei der Rekrutierung und den Fluktuationskosten.
- Unternehmen, die sich für Vielfalt einsetzen, entwickeln den Ruf ein „Employer of choice“ zu sein und schaffen damit einen Anreiz für potenzielle Kandidat:innen aus Minderheitengruppen, sich zu bewerben. Zeitgleich erreichen Unternehmen die besten Talente aus einem schrumpfenden Arbeitskräftepool.
- Ein weiterer Grund für Diversity Management ist die Spiegelung einer vielfältigen Belegschaft, die sich aus der Kundschaft ergibt: Durch spezifische Erfahrungswerte im Umgang mit ihnen, können eine bestmögliche Betreuung gewährleistet und damit Wettbewerbsvorteile erzielt werden.
- Eine heterogene Belegschaft und eine Unternehmenskultur, die Vielfalt wertschätzt, trägt schließlich zur Bereicherung eines Unternehmens als auch der Gesellschaft bei.
Diversity Management gewinnt zudem an Bedeutung aufgrund des ständig steigenden Bedarfs an Fach- und Führungskräften. So sei der effiziente Einsatz von multigenerationalen und -kulturellen Teams in Unternehmen zukünftig „ein zentraler Überlebensfaktor“, so Troger (2019, S. 78). Diverse Studien zeigen eine demografische Tendenz, die einen drastischen Abfall von Arbeitskräftepotenzial in Deutschland prognostiziert: Von heute rund 45 Mio. Personen bis zum Jahr 2050 auf 27 Mio. Personen. Das Durchschnittsalter von Belegschaften wird sich auf jenseits der 50 Jahre erhöhen. Insofern werden Unternehmen zunehmend auf ältere Arbeitnehmende angewiesen sein als auch auf qualifizierte Zuwanderer, um dem Fachkräftemangel zu begegnen (vgl. Troger 2019, S. 78).
Hinzu kommt, dass immer mehr Investmentgesellschaften eine verstärkte Förderung von Diversität einfordern (vgl. Interview Expert:in 1 und Expert:in 2, persönliche Kommunikation, 26.02.2021). Als Bemessungsgrundlage fungiert die sogenannten ESG-Quote. Sie steht für die unterschiedlichen Dimensionen der Nachhaltigkeit: Umwelt (Ecological), Soziales (Social) und die Grundsätze guter Unternehmensführung (Governance). Der amerikanische Investmentriese Blackstone kündigte jüngst an, personelle Diversität stärker zu fördern. Als ein Teil der Voraussetzung für eine zukünftige Akquisition, an den sich der Investor mehrheitlich beteiligt, soll künftig jedes dritte Mitglied des Vorstandes „divers“ sein. Blackstone selbst startet ein Einstellungsprogramm, das Beschäftigungsmöglichkeiten von Menschen aus unterrepräsentierten Hintergründen verbessert und kündigt weitere Initiativen, Vielfalt weiter voranzutreiben, an (vgl. Mannweiler et al. 2020). In den Expert:inneninterviews wurde deutlich, dass Unternehmen einem stetig wachsenden externen Interesse, vor allem von Investorenseite ausgesetzt sind. Da diese Diversity-Quoten in Ratings einfließen, bekommen sämtliche Diversity-Förderinitiativen einen immer höheren Stellenwert.
Dass Belegschaften, die sich durch Vielfalt auszeichnen, positiv zu Unternehmenszielen beitragen und zum Wettbewerbsvorteil ausgebaut werden können, findet breite Anerkennung in der Literatur als auch zunehmende Relevanz in der Wirtschaft. Doch wie können Unternehmen vom Diversity-Ansatz nachhaltig profitieren?
Da divers geprägte Teams auch Reibungsflächen aufzeigen können, ist es wichtig, klare Regeln der Zusammenarbeit, nach einem Kodex, der Orientierung bietet, zu gestalten und in ein durchdachtes Diversity Management zu übertragen. Sofern heterogene Belegschaften richtig gemanagt werden, erreichen sie wesentlich bessere Arbeitsresultate. Heufers und Voß (2019, S. 214) nennen unterschiedliche Sichtweisen, Erfahrungsschätze und Kompetenzen, die zu vielfältigen Lösungen, Kreativitäts-Impulsen und Ideen führen. Im Gegensatz zu homogenen Teams, zeichnen sich heterogene Teams durch ein erhöhtes Innovationspotenzial aus. Stehr und Vodosek (2017, S. 225–226) zeigen diese Vorteile (siehe Abb. 4) im Zusammenspiel mit den nachteiligen Aspekten, die sich durch Konflikte äußern können, auf. Aufgabe des Diversity Managements sei es nun, die Nachteile zu minimieren und die Vorteile zu maximieren, um somit eine positive Wirkung zu erzielen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Balanceakt zwischen den Vor- und Nachteilen von Vielfalt (Stehr und Vodosek 2017, S. 226)
Wie die Abbildung 4 darstellt, kann eine durch Vielfalt geprägte Belegschaft Spannungen erzeugen. Franken (2015, S. 84) führt an, dass Diversität auch in Unstimmigkeiten und Machtumverteilungen münden kann. Damit wirkt sie störend auf gewohnte Prozesse, Strukturen und Routinen. Ergeben sich nun nachteilige Faktoren, wie Konflikte, Kommunikationsprobleme, Unbehagen oder eine geringe soziale Integration einzelner Gruppen, so besteht akuter Handlungsbedarf. Franken (2015, S. 84) als auch Expert:in 2 (persönliche Kommunikation, 26.02.2021) schreiben der Unternehmenskultur eine zentrale Rolle zu: Sie sei eng verknüpft mit der erfolgreichen Implementierung eines Diversity Managements. Langfristiger Erfolg ergibt sich dann, wenn die Kultur eines Unternehmens von Werten geprägt ist, die Vielfalt, ein respektvolles Miteinander und Chancengleichheit in den Fokus stellt sowie die Bedürfnisse diverser Stakeholder, wie der Kundschaft oder Belegschaft achtet. Innerhalb eines Kulturwandels, hin zu diesen Werten, kommt der obersten Führungsebene eine bedeutende Aufgabe zu. Sie müssen als Vorbilder agieren und diese Überzeugungen auf allen Unternehmensebenen einfordern. Im Kapitel 3.1 wird dieser Aspekt im Rahmen der strategischen und organisatorischen Einbindung von Diversity Management ins Unternehmen weiterführend betrachtet.
Zu den beschriebenen ökonomischen Potenzialen des Diversity Managements für Unternehmen lassen sich weitere Anreize, über die unternehmerische Perspektive hinaus, ableiten. Im folgenden Kapitel werden Auswirkungen von Diversity Management auf die Gesellschaft untersucht.
2.3 Gesellschaftliche und soziale Verantwortung von Unternehmen
Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen, was auch unter dem Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) diskutiert wird, kann einen positiven Einfluss auf die Wertschöpfung eines Unternehmens leisten, aber eben auch positiven Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungstendenzen nehmen. Doyé (2016) nennt als typische CSR-Themen des Personalmanagements u. a. das Wohlergehen der Mitarbeitenden und die Rücksichtnahme auf personelle Diversität bei der Stellenbesetzung, was zur Imageverbesserung des Unternehmens führen und die Arbeitgeberattraktivität steigern kann. Entsprechende Aktivitäten des Diversity Managements nutzen jedoch nicht nur Unternehmen, sondern haben durchaus auch positive gesellschaftliche Auswirkungen (vgl. Jablonski 2016, S. 10–11). Darunter zählen Initiativen, die wichtige Aspekte der gesellschaftlichen Diskussion widerspiegeln, besonders die Förderung der Gleichstellung und Chancengleichheit verschiedener Gruppen, wie Frauen in Führungspositionen, die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung oder mit Migrationshintergrund.
Innerhalb des ethisch-moralischen Begründungszusammenhangs zielt das Diversity Management darauf ab, soziale Gerechtigkeit zu fördern (vgl. Merklein 2017, S. 18) und diskriminierende Verhältnisse in der Arbeitswelt zu bekämpfen (vgl. Rahnfeld 2019, S. 22). Einem Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017a, S. 4–5) zufolge, ist insbesondere der Einstieg in den Arbeitsmarkt für bestimmte Gruppen mit hohen Diskriminierungsrisiken verbunden. So klagen beispielsweise Menschen mit Behinderung, Menschen mit ausländisch klingenden Namen oder ältere Menschen, ungeachtet ihrer Qualifikation, über Schwierigkeiten, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Neben der Nichteinstellung existiert im Arbeitsleben zudem eine ausgeprägte Geschlechterdiskriminierung, die sich häufig in der Verweigerung beruflicher Aufstiegsmöglichkeiten äußert. Menschen finden sich aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Glaubensrichtung, ihrer sexuellen Orientierung und Identität mitunter systematischen Belästigungen im Arbeitskontext ausgesetzt (vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2017a, S. 4–5). Solche diskriminierenden Verhaltensweisen können mitunter durch Vorurteile (siehe Kapitel 3.2) entstehen, die zu Fehlentscheidungen in Personalangelegenheiten, zu Mobbing, zu sinkender Arbeitszufriedenheit, Leistungsabfall und Krankheiten führen können (vgl. Domsch et al. 2019b). Auf eine solche Weise verursacht ein Unternehmen gesellschaftliche Schäden, denn wer von der Arbeit krank wird, dessen Ressourcen fehlen auch im privaten und zivilen Leben. Negative externe Effekte, wie die Heilungs- und Versorgungskosten übernehmen die Gemeinschaft der Versicherten oder die Steuerzahlenden, nicht die Unternehmen (vgl. Olbert-Bock und Winistörfer 2017, S. 39–40).
Gesellschaftliche Verantwortung ist eng mit der sozialen Verantwortung, die Unternehmen für ihre Beschäftigten haben, verbunden: Rahnfeld (2019, S. 20–22) bezeichnet Diversity Management zu Recht als einen wesentlichen Baustein zur Umsetzung sozialer Verantwortung in Unternehmen. Sie argumentiert, dass die Grundwerte in einer sozialen Demokratie einen klaren Kompass für den Umgang mit sozialer und kultureller Vielfalt ergeben. Die Werte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität seien eine Selbstverständlichkeit, die zu Anerkennung und Teilhabe für alle führen. Rahnfeld erläutert weiter, dass das Erreichen von Anerkennung und Teilhabe im besonderen Maße von der Erwerbstätigkeit einer Person bestimmt wird. Der Wert von Arbeit bemisst sich am Zugehörigkeitsgefühl und Sinnerleben und bildet so eine wichtige Identitätsgrundlage in modernen Gesellschaften. Arbeitslosigkeit hingegen bürge drastische psycho-soziale Auswirkungen (vgl. Rahnfeld 2019, S. 20–22).
Und genau dieser gesellschaftliche und soziale Beitrag, den Unternehmen mit Diversity Management erzielen können, sei der wertvollste, argumentiert Rahnfeld (2019, S. 1). Sie führt an, dass Unternehmen die Gestalter in global bestimmten Verhältnissen seien, Förderer von sozialen Ungleichheiten, aber gleichzeitig auch als Machtinhaber, die bei der Bekämpfung dieser Ungleichheiten gleichermaßen mitwirken können.
Insgesamt bietet Diversity Management nicht nur wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Chancen, sondern auch Perspektiven für Individuen (vgl. zum Folgenden Jablonski 2016, S. 11). Da die Bedürfnisse der Mitarbeitenden immer wichtiger werden, führt dies zu einer höheren Wertschätzung einzelner Personen und ihren Lebensweisen. Diversity Management wird heute als Erfolgsfaktor erkannt, den es voll auszuschöpfen gilt. Um das Potenzial der personellen Vielfalt zu erschließen und zu nutzen, ist es unerlässlich, Überzeugungen und Einstellungen zu hinterfragen, Widerstände zu überwinden und über alte Denkmuster hinauszugehen. Der Anstoß dazu sollte von der Geschäftsführung und den Führungskräften ausgehen (vgl. Jablonski 2016, S. 11).
Zur Förderung von Vielfalt existieren zudem Gesetze, die Diskriminierung verbieten. Das folgende Kapitel widmet sich dem legislativen Begründungsansatz von Diversity Management.
2.4 Rechtliche Aspekte und politischer Rahmen
Dieses Kapitel dient dem Überblick ausgewählter rechtlicher Aspekte, die darauf abzielen, Chancengleichheit und Diversität zu fördern. Im Verlauf dieses Abschnittes wird sowohl ersichtlich, wie unterschiedlich die deutsche Rechtslage hinsichtlich Diversity Management ist, als auch mit welchen Herausforderungen und Pflichten sich Unternehmen konfrontiert sehen.
Im Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes (GG) ist der Grundsatz der Gleichbehandlung für das Handeln des Staates festgelegt. Merklein (2017, S. 22) argumentiert, dass, obwohl dieser Artikel nur auf die Beziehung Staat und Bürger anwendbar ist, er dennoch als Grundlage für Vielfalt in der deutschen Gesellschaft fungiert, aus der weitere gesetzliche und unternehmerische Maßnahmen für Diversität abgeleitet werden können.
So lautet der Artikel 3 des Deutschen Grundgesetzes:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Jüngst ereignen sich Debatten um den Begriff „Rasse“ des Art. 3 des GG. Eine Umbenennung dieser Bezeichnung in „Diskriminierung aus rassistischen Gründen“ wird diskutiert, folgt man der aktuellen Berichterstattung zu einer möglichen Reform des Grundgesetzes (vgl. RP Online 2021). Das Diskriminierungsverbot entstand vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus. Kritisiert wird, dass der Begriff „Rasse“, obgleich vom Grundgesetz abgelehnt, Nazi-Rasseideologien assoziiert und er die Vorstellung fördern könnte, es gäbe klar voneinander zu trennende Bevölkerungsgruppen. „Es ist […] inzwischen wissenschaftlicher Konsens, dass es keine menschlichen Rassen gibt“ (DER SPIEGEL 2020). Zudem werden Stimmen laut, die eine Ergänzung der Dimension „sexuelle Identität“ in den Artikel 3 des GG fordern.
Jeder Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat die Pflicht, jeder Form von Diskriminierung entgegenzuwirken – Nichtdiskriminierung ist ein Menschenrecht nach Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (vgl. Domsch et al. 2019a, S. 16).
Spezifische Gesetze konkretisieren und begründen ein unternehmerisches Diversity Management. Sie tragen zu den Rahmenbedingungen bei und beeinflussen die Entwicklungen und den Umgang mit Vielfalt. Erhöhte Relevanz für Unternehmen bekam das Managen von Diversität insbesondere dann, als erste gesetzliche Regelungen in Kraft traten, die den Umgang von Menschen mit schützenswerten Merkmalen regeln (vgl. zum Folgenden Merklein 2017, S. 17). Da Mitarbeitende, die Diskriminierung im Berufsleben erfahren, klagen können, liegt ein Begründungsansatz des Diversity Managements im legislativen Aspekt, um etwa Schadenersatzzahlungen zu vermeiden. Im Jahr 2000 hat die Europäische Union Richtlinien zum Schutz von Minderheiten verabschiedet, die zum einen die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Rahmenrichtlinie Beschäftigung: RL 2000/78/EG) regelt und zum anderen Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft verbietet (Antirassismusrichtlinie: RL 2000/43/EG).
Die Gleichbehandlungsrichtlinien der EU sind in den Folgejahren in den europäischen Ländern in die nationale Gesetzgebung aufgenommen worden, so auch ins deutsche Recht mit dem AGG – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz . Aus dem in den 1990er Jahren vereinzeltem Umgang mit Vielfalt, der zumeist auf moralisch-ethischen Motiven der Unternehmen basierte, ergab sich mit Inkrafttreten des AGGs im Jahr 2006 auch ein rechtlicher Aspekt, den es fortan zu berücksichtige gilt (vgl. Merklein 2017, S. 2). Dieses Gesetz, was umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt wird, ist im Kern aus Artikel 3 des GG abgeleitet (vgl. Rahnfeld 2019, S. 26–27). Es gilt gleichermaßen sowohl für Arbeitnehmende und Auszubildende als auch für Bewerber:innen auf offene Stellen. Das Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist lt. § 1 AGG,
„[…] Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“
Es existieren weitere Rechtsgrundlagen, darunter auch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung.
Nach der UN-Behindertenrechtskonvention (Artikel 3c) wird Inklusion am Arbeitsmarkt zum Menschenrecht mit dem Grundgedanken „full and effective participation and inclusion in society“.
Folgt man der Argumentation von Zimmermann und Falkner (2018, S. 139–140), so beschreibt dieses Leitmotiv den Umstand, dass die Arbeitsstelle als ein Ort der Selbstverwirklichung und sozialer Beziehungen gilt. Das trifft für alle Menschen zu, unabhängig davon, ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Insofern sichert Arbeit gesellschaftliche Teilhabe, Anerkennung, Wertschätzung, Sinnstiftung und persönliche Identität, als auch das Einkommen und damit den Erhalt des Lebens (vgl. Zimmermann und Falkner 2018, S. 139–140; zit. nach Bauer 2015). Diese Forderung wird in Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention deutlich, wonach er das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit beschreibt und die Möglichkeit einschließt, Lebensunterhalt mit dieser Arbeit zu erwerben. Zudem umfasst Artikel 27 das Diskriminierungsverbot aufgrund von Behinderung einschließlich der Auswahl-, Einstellungs- und Beschäftigungsbedingungen, der Weiterbeschäftigung oder des beruflichen Aufstiegs (UN-Behindertenrechtskonvention 2006: Artikel 27). Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wurde durch das Bundesteilhabegesetz präzisiert und als verbindlich erklärt (vgl. Rahnfeld 2019, S. 27).
Im Sozialgesetzbuch Neun ist geregelt, dass für die Eingliederung der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten im Betrieb und für die Vertretung ihrer Interessen die Schwerbehindertenvertretung zuständig ist. Sie wird auch als Vertrauensperson bezeichnet und ist damit betraut, eine helfende und beratende Position hinsichtlich der Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben einzunehmen (vgl. zum Folgenden Dimartino 2019, S. 43–44). Die Vertreter können nur von Personen mit Schwerbehinderung/Gleichstellung (§ 177 Abs. 2 SGB IX) gewählt werden, müssen selbst aber nicht behindert sein. Sind wenigstens fünf schwerbehinderte bzw. gleichgestellte Menschen fest im Unternehmen beschäftigt, so ist neben der Schwerbehindertenvertretung wenigstens ein stellvertretendes Mitglied zu wählen. In § 2 SGB IX ist festgelegt, wer als schwerbehindert bzw. gleichgestellt gilt. Eine Schwerbehinderung bemisst sich ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50. Beschäftigte mit einem GdB unter 50 können unter bestimmten Umständen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden. Der Arbeitgeber ist stets zur Prüfung verpflichtet, freie Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Die Schwerbehindertenvertretung ist jederzeit, wenn sich eine Person mit Schwerbehinderung bewirbt, zu unterrichten. Die Vertretung verfügt zudem in allen Angelegenheiten, die schwerbehinderte Menschen betreffen, über verschiedene Initiativ-, Anhörungs-, Beteiligungs- und Kontrollrechte (vgl. Dimartino 2019, S. 43–44). Nach § 71 I SGB IX besteht außerdem die gesetzliche Quotenregelung zur Beschäftigung Schwerbehinderter . Diese Pflichtquote regelt, dass ab einer Unternehmensgröße von 20 Arbeitsplätzen mindestens 5 Prozent der Stellen durch Schwerbehinderte besetzt sein müssen. Andernfalls sind Unternehmen zur Zahlung von Ausgleichsabgaben verpflichtet (vgl. Rahnfeld 2019, S. 29).
Eine weitere gesetzliche Quotenregelung, die in diesem Rahmen aufgeführt werden soll, ist das Übereinkommen auf eine verbindliche Frauenquote in Deutschland . Die Große Koalition hat sich darauf geeinigt, dass in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen bei mehr als drei Mitgliedern in Zukunft ein Mitglied eine Frau sein muss (vgl. Plaß 2020). Um diesen Kompromiss wurde seit langem in der deutschen Politik gerungen: So gilt die Quote für Aufsichtsräte seit 2016 für große börsennotierte und mitbestimmungspflichtige Unternehmen. Nach langen Debatten hat sich die Koalition im November 2020 auf einen Kompromiss für eine verbindliche Regelung für Vorstände geeinigt. Schließlich wurde am 6. Januar 2021 ein entsprechender Gesetzentwurf vom Bundeskabinett gebilligt (vgl. Tagesschau.de 2021).
Unternehmen agieren hinsichtlich des Diversity Managements zum einen innerhalb gesetzlicher Vorgaben. Zum anderen existieren verschiedene Selbstverpflichtungsmaßnahmen, um sich für Diversität in der Arbeitswelt einzusetzen: Die bekannteste und am weitesten verbreitete Unternehmensinitiative im deutschen Raum ist die Charta der Vielfalt. Die Initiative wurde im Jahr 2006 von BP, Daimler, der Deutschen Bank und der Deutschen Telekom ins Leben gerufen (vgl. Merklein 2017, S. 26). Die unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin stehende Initiative verzeichnet mittlerweile über 3.800 Unternehmen und Institutionen mit insgesamt 14 Millionen Beschäftigten, die die Charta der Vielfalt unterzeichnet haben (vgl. Charta der Vielfalt 2021c). Mit dem Ziel der Schaffung eines inklusiven und vorurteilsfreien Arbeitsumfeldes treibt die Initiative mittels unterschiedlicher Projekte die Diskussion zu Diversity Management in Deutschland an.
Das nächste Kapitel widmet sich Maßnahmen zur erfolgreichen Gestaltung von Diversity Management in Unternehmen.
3 Gestaltungsmöglichkeiten des Diversity Managements
Das Kapitel 3 stellt den aktuellen Stand zur Gestaltung von Diversity Management zusammen. Es ist der Zielstellung 1 dieser Forschungsarbeit zuzuordnen. Es werden Erkenntnisse zu Maßnahmen aus der Literaturanalyse und der Interviewstudie vorgestellt.
Nach grundlegenden Betrachtungen, die zur Implementierung eines effektiven Diversity Managements notwendig sind, fokussiert es sich zunehmend auf einzelne Bereiche und Dimensionen. Dabei werden in allen Unterkapiteln des Kapitel 3 Gestaltungsimplikationen kursiv dargestellt (z. B. anonymisierte Bewerbungsverfahren). Diese Maßnahmen dienen als Anregungen für Unternehmen, zur Umsetzung in ihr Diversity Management.
3.1 Strategische und organisatorische Einbindung
des Diversity Managements
Die strategische und organisatorische Einbindung des Diversity Managements in Unternehmen lässt sich nach Kulik (2014, S. 131) in fünf Komponenten („Diversity system components“) unterteilen: Paradigmen (diversity paradigms), Richtlinien (policies), Programme (programmes), Ausübungen (practices) und Klima (climate). Diese Komponenten sind in Abbildung 5 dargestellt erläutert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Diversity Management System Components (Kulik 2014, S. 131)
Diversity paradigms (Diversity-Leitbilder) sind im Leitbild des Unternehmens verankerte normative Erwartungen und umfassen Werte, Überzeugungen und Normen in Bezug auf Diversity Management (vgl. Kulik 2014, S. 131). Diese Zielsetzungen können mittels öffentlich propagierten Werten bekräftigt werden. Wichtig dabei ist, dass sowohl die Belegschaft hinter diesen Werten steht als auch das Top-Management, wonach sie ferner eine Vorbildfunktion einnehmen. Der Top-Down-Ansatz ist einer der wichtigsten Aspekte für die erfolgreiche Implementierung von Diversity Management im Unternehmen (vgl. Interview Expert:in 2, persönliche Kommunikation, 26.02.2021). Durch das Bewerben dieser Werte werden sie zum einen zu Normen innerhalb des Unternehmens und zum anderen können sie potenzielle Bewerber:innen, die dieses Werteverständnis teilen, begeistern und sie darin bestärken, ebenfalls Teil des Unternehmens werden zu wollen (vgl. Ettl 2018, S. 48–49).
Zudem können sich Unternehmen öffentlich zu Diversity bekennen, indem sie die Charta der Vielfalt unterzeichnen und sich damit zur Förderung sozio-kultureller Vielfalt verpflichten. Die Charta für Vielfalt repräsentiert eine Unternehmensinitiative zur Förderung von Diversity im beruflichen Kontext (vgl. Kinne 2016, S. 9).
Die nächste Ebene stellen die Diversity policies (Diversity-Richtlinien) dar, die dazu dienen, Diversität im Unternehmensalltag sicherzustellen. Kulik (2014, S. 131) schreibt dieser Komponente organisatorische Zielsetzungen und Vorgaben für das Human Resources Management zu. Diversity-Richtlinien können dabei in verschiedenen Unternehmensprozessen implementiert werden, so auch in denen des Personalmanagements hinsichtlich des Einsatzes, der Beförderung und der Führung von Mitarbeitenden. Im Rekrutierungsprozess verfolgen Richtlinien das Ziel, Diversität zu berücksichtigen, um inklusive und faire Einstellungsentscheidungen abzusichern (vgl. Franken 2015, S. 62; siehe Kapitel 3.3). Unternehmensinterne Richtlinien folgen eng verknüpft externen gesetzlichen Regelungen (siehe Kapitel 2.4), z. B. zum Umgang mit Personen, die laut Gesetz schützenswerte Merkmale, wie z. B. das Geschlecht oder die sexuelle Identität haben, um so Klagen von Mitarbeitenden aufgrund von Diskriminierungserfahrungen abzuwenden (vgl. Merklein 2017, S. 2).
Diversity programmes (Diversity-Programme) beziehen sich auf die Gesamtheit der formalen Diversity-Aktivitäten des Unternehmens (vgl. Kulik 2014, S. 132). Dabei kann es sich um Schulungsmaßnahmen handeln, die strategische Diversity-Zielsetzungen unterstützen und auf der organisatorischen Ebene durch eine/n Diversity Manager:in oder einer Abteilung für Diversity Management gesteuert werden (vgl. Merklein 2017, S. 38).
Viele Unternehmen tendieren mittlerweile dazu, Diversity Management um den Begriff
Inclusion (D&I Management) zu ergänzen, da „Inclusion“ die kulturelle Perspektive umfasst, die für ein erfolgreiches Diversity Management maßgeblich ist (vgl. Moghimi 2021a).
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- Quote paper
- Franziska Lucie Thiele (Author), 2021, Diversity Management in deutschen Unternehmen. Inhalte, Maßnahmen und Trends, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1263159
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