„In meinen Augen hat sich die alte Zweiteilung oder gar Opposition zwischen Geistes- und Sozialwissenschaften überlebt und muss den Wissenschaften vom Menschen und der Gesellschaft Platz machen. “ So wird der französische Anthropologe Maurice Godelier in einem Interview mit der Europäischen Komission Forschung zitiert. Die Wurzeln dieser Vorstellung einer umfassenden, allgemeinen Humanwissenschaft lassen sich auf Godeliers in den 70er Jahren anvisierten universalen Theorie der Produktionsverhältnisse zurückführen, einer Theorie, in der der direkte Schüler von Claude Leví- Strauss und indirekte Schüler von Karl Marx eine Synthese von Strukturalismus und Marxismus anstrebte. Dieser universaltheoretische Syntheseversuch wurde auch von Pierre Bourdieu in seinem 1972 veröffentlichten Buch Theorie der Praxis unternommen, in dem er eine „allgemeine Wissenschaft der Ökonomie der praktischen Handlungen“ anstrebte. Karl Polanyi verweist in seinem 1944 veröffentlichten Werk Great Transformation darauf, dass das was allgemeingültig für das Zeitalter der Industrialisierung von 1750 - 1850 als ökonomisches Handeln gilt, in soziokulturelle Kontexte eingebettet war. Von Bourdieu grenzt sich Godeliers Werk dadurch ab, dass er seine ökonomische Anthropologie im Rahmen des klassischen marxschen Basis-Überbau- Modells entwickelt, dieses allerdings grundlegend verändert. Von Polanyi, dessen Theorien eher „recht unsystematische Generalisierungen aus empirischen Befunden“ darstellen, unterscheidet ihn die strenge theoretische Vorgehensweise.
In seinem Werk Ökonomische Anthropologie. Untersuchung zum Begriff der sozialen Struktur primitiver Gesellschaften nennt Godelier zwei für die Erforschung verschiedener Produktionsweisen und des Güterverkehrs unterschiedlicher Wirtschaftsformen grundlegende Prinzipien:
1. Jenseits der äußerlich sichtbaren Logik muss eine unsichtbare zugrunde liegende Logik gesucht und entdeckt werden.
2. Die strukturellen und historischen Bedingungen ihres Auftretens, ihrer Reproduktion und ihres Verschwindens in der Geschichte müssen gesucht und entdeckt werden
In der folgenden Arbeit soll nach ein paar biographischen Angaben zur Person Maurice Godeliers versucht werden, seinen theoretischen Entwurf kurz darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. 1) Maurice Godelier: Zur Person
- II. 2) Der Begriff einer ökonomischen Anthropologie bei Maurice Godelier
- II. 3) Von der Anthropologie zur Universalwissenschaft
- II. 4) Kritik an formalistischen ökonomischen Theorien
- II. 5) Der Einfluss Karl Polanyis auf Godeliers Theorie
- II. 6) Kritik am Funktionalismus
- III. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Werk des französischen Anthropologen Maurice Godelier und seinem Versuch, eine universelle Theorie der Wirtschaftsformen zu entwickeln. Der Text analysiert Godeliers theoretischen Entwurf im Kontext der ökonomischen Anthropologie und beleuchtet seine kritischen Auseinandersetzungen mit etablierten Ansätzen in der Wirtschaftswissenschaft.
- Das Verhältnis von Ökonomie, Gesellschaft und Geschichte
- Die Synthese von Strukturalismus und Marxismus in Godeliers Theorie
- Kritik an formalistischen ökonomischen Theorien und dem Funktionalismus
- Der Einfluss Karl Polanyis und Claude Lévi-Strauss auf Godeliers Werk
- Die Bedeutung von Produktionsverhältnissen und Produktionsweisen in nichtkapitalistischen Ökonomien
Zusammenfassung der Kapitel
- I. Einleitung: Die Einleitung stellt Maurice Godelier vor und skizziert seine Vorstellung von einer umfassenden Humanwissenschaft, die sich auf die Analyse der Produktionsverhältnisse konzentriert. Sie verweist auf Godeliers Syntheseversuch von Strukturalismus und Marxismus und stellt ihn in Bezug zu den Theorien von Pierre Bourdieu und Karl Polanyi.
- II. 1) Maurice Godelier: Zur Person: Dieser Abschnitt bietet eine kurze Biografie von Maurice Godelier und beleuchtet seine Forschungsinteressen und Karriereschritte. Er beschreibt Godeliers akademischen Werdegang und seine Feldforschung bei den Baruya im Hochland Neuguineas.
- II. 2) Der Begriff einer ökonomischen Anthropologie bei Maurice Godelier: Dieser Abschnitt erläutert Godeliers Definition der ökonomischen Anthropologie als Disziplin, die sich mit dem Verhältnis von Ökonomie, Gesellschaft und Geschichte auseinandersetzt. Er stellt Godeliers Ansatz im Kontext klassischer marxistischer Unterscheidung zwischen Basis und Überbau dar und untersucht die Bedeutung von Produktionsverhältnissen in verschiedenen Gesellschaften.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Begriffen der ökonomischen Anthropologie, wie Produktionsverhältnisse, Produktionsweisen, Strukturalismus, Marxismus, Funktionalismus, und dem Verhältnis von Ökonomie, Gesellschaft und Geschichte. Der Text beleuchtet die theoretischen Ansätze von Maurice Godelier und setzt diese in Bezug zu anderen wichtigen Denkern der ökonomischen Anthropologie, wie Pierre Bourdieu, Karl Polanyi, und Claude Lévi-Strauss.
- Quote paper
- Ulrich Ackermann (Author), 2005, Maurice Godeliers Versuch einer universalen Theorie der Wirtschaftsformen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125980