Am Anfang des konstitutionellen Experiments, auf das sich der russische Zar und die verkrustete autokratische Bürokratie als Folge der revolutionären Unruhen der Jahre 1904 bis 1905 einlassen
mussten, stand unweigerlich die Billigung von bürgerlichen Freiheiten und Rechten. Mit der Unterschrift unter das Manifest des 17. Oktober wurde das Ende der zarischen Autokratie eingeleitet. Doch nur unter dem Eindruck der sich immer mehr verschärfenden Krise und aus Angst um den Fortbestand der zarischen Herrschaft, konnte sich Kaiser Nikolaj II. zu diesem ihm zuwiderlaufenden Vorgehen entschließen. Doch am Anfang dieser Entwicklung steht ein anderer Mann, Sergej Juljewitsch Graf Witte, der nach glänzender Karriere 1903 in Ungnade gefallen war und nun auf eine sich ihm darbietende neue Chance wartete. Mit seinem Ruf als Repräsentant eines modernen und liberalen Russlands erschien er vielen als der Retter in der Not: Bald nach seiner Rückkehr aus Portsmouth kam der ehemalige Finanzminister mit den Überlegungen zur Bulygin-Duma in Kontakt. Dieser war nun zu der Überzeugung gelangt, dass die Konzession des Kaiserlichen Manifests vom 6. August 1905 mit der Schaffung einer beratenden Versammlung nicht mehr ausreiche, um die Oberhand über die Krise zu gewinnen. Bei seiner Audienz beim Zaren am 9. Oktober machte dies Witte in aller Offenheit deutlich: Russland stünde nun vor der Wahl, mit Hilfe einer Militärdiktatur die Oberhand zu gewinnen oder durch Liberalisierung das Russische Reich zu erneuern. Mit der Unterschrift des Zaren unter das Oktobermanifest wurde ein Rahmen gegeben, innerhalb dessen die unversöhnlichen Spannungen zwischen dem russischen Staat – Zar und Hofaristokratie, Regierung und Bürokratie – und der russischen Gesellschaft, hätten abgebaut werden können. Doch angesichts des fortwährenden Misstrauens der Bevölkerung gegenüber dem kaiserlichen Versprechen, bürgerliche Freiheiten und
konstitutionelle Reformen einzuleiten, das durchaus nicht unbegründet schien4, und dem sich schließlich abzeichneten Ergebnis, konnte dieses Ziel nicht erreicht werden. Denn beide Seiten – Regierung und Opposition – mussten sich an die Spielregeln der neuen Ordnung halten, doch in Russland waren weder der Monarch noch die Intelligentsia dazu bereit. Mit der Folge, dass das konstitutionelle Zwischenspiel, das in seiner Anfangsphase durchaus die Möglichkeit hatte, in einer konstitutionellen Monarchie zu münden, wirkungslos blieb. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Das Oktobermanifest und der Weg zu den Staatsgrundgesetzen
- Das Manifest vom 17. Oktober 1905 – Einleitung des Endes der zarischen Herrschaft
- Die Regierung Witte und der Weg zu einer politischen Öffentlichkeit
- Die erste russische Staatsduma
- Die Erwartungen und Hoffnungen zu Beginn der ersten Duma
- Die Eröffnung der Staatsduma
- Das Verschärfung der Lage
- Die beiden Seiten beziehen ihre Position
- Die Vorschläge zur Lösung der Agrarfrage
- Die Auflösung der Ersten Duma und das Vyborger Manifest
- Der Beginn eines parlamentarischen Zwischenspiels
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Zeit der Ersten Duma im Russischen Reich und deren Auflösung. Ziel ist es, die Ereignisse im Kontext des Oktobermanifests und der sich daraus ergebenden politischen Entwicklungen zu analysieren. Besonderes Augenmerk liegt auf den Erwartungen und Hoffnungen, den Spannungen zwischen Regierung und Opposition sowie den letztendlich gescheiterten Versuchen, eine konstitutionelle Monarchie zu etablieren.
- Das Oktobermanifest und seine Folgen
- Die Rolle Sergej Witte's bei der Einführung konstitutioneller Reformen
- Die Erwartungen und Enttäuschungen der verschiedenen politischen Gruppen (Liberale, Opposition, Hof)
- Die Agrarfrage als zentraler Konfliktpunkt
- Die Auflösung der Duma und der Beginn eines neuen Konfliktes
Zusammenfassung der Kapitel
Das Oktobermanifest und der Weg zu den Staatsgrundgesetzen: Dieses Kapitel analysiert das Oktobermanifest von 1905 als Wendepunkt im russischen Zarenreich. Es beleuchtet die Rolle Sergej Wittes, der den Zaren zum Erlass des Manifests drängte, als Reaktion auf die revolutionären Unruhen. Das Kapitel untersucht die Zusicherung bürgerlicher Freiheiten und die Einsetzung einer Duma, jedoch auch die anhaltende Skepsis und das Misstrauen zwischen dem Zaren, der Regierung und der Bevölkerung. Die unterschiedlichen Interpretationen des Manifests – von Seiten der Liberalen als erster Schritt zur Konstitutionalisierung, von Seiten des Hofes als taktisches Manöver – werden detailliert dargestellt. Der Konflikt zwischen der Hoffnung auf Reform und dem anhaltenden Misstrauen bildet den zentralen Aspekt dieses Kapitels, welches die Weichen für die Ereignisse der Ersten Duma stellt.
Die erste russische Staatsduma: Dieses Kapitel beschreibt ausführlich die erste russische Staatsduma, von den anfänglichen Erwartungen und Hoffnungen bis hin zu ihrer Auflösung. Es analysiert die unterschiedlichen Positionen der politischen Akteure, insbesondere die Konflikte bezüglich der Agrarfrage, die als zentraler Streitpunkt identifiziert wird. Die zunehmende Polarisierung zwischen Regierung und Opposition, gepaart mit der Unfähigkeit zu Kompromissen, wird als Hauptursache für das Scheitern der Duma herausgestellt. Die Kapitel beleuchtet sowohl die Debatten im Parlament als auch die Aktionen der verschiedenen politischen Fraktionen, wie z.B. die Oktobristen und die Kadetten. Die detaillierte Beschreibung der politischen Strategien und des sich stetig verschärfenden Konfliktes bildet den Schwerpunkt des Kapitels.
Schlüsselwörter
Oktobermanifest, Erste Duma, Sergej Witte, Zar Nikolaus II., konstitutionelle Monarchie, Agrarfrage, Revolution 1905, liberale Bewegung, Opposition, Oktobristen, Kadetten, Autokratie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Thema "Die Erste Russische Staatsduma"
Was ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit?
Die Arbeit analysiert die Zeit der Ersten Duma im Russischen Reich und deren Auflösung. Sie untersucht die Ereignisse im Kontext des Oktobermanifests und der sich daraus ergebenden politischen Entwicklungen, mit besonderem Augenmerk auf Erwartungen, Hoffnungen, Spannungen zwischen Regierung und Opposition sowie den gescheiterten Versuchen, eine konstitutionelle Monarchie zu etablieren.
Welche Themen werden im Einzelnen behandelt?
Die Arbeit behandelt das Oktobermanifest und seine Folgen, die Rolle Sergej Wittes, die Erwartungen und Enttäuschungen verschiedener politischer Gruppen (Liberale, Opposition, Hof), die Agrarfrage als zentralen Konfliktpunkt und die Auflösung der Duma mit dem Beginn eines neuen Konflikts. Die Kapitel befassen sich detailliert mit dem Oktobermanifest, der Ersten Duma, den politischen Strategien der verschiedenen Fraktionen (Oktobristen, Kadetten etc.) und der zunehmenden Polarisierung zwischen Regierung und Opposition.
Was ist der Inhalt des Kapitels "Das Oktobermanifest und der Weg zu den Staatsgrundgesetzen"?
Dieses Kapitel analysiert das Oktobermanifest 1905 als Wendepunkt im Zarenreich. Es beleuchtet Wittes Rolle, die Reaktionen auf die revolutionären Unruhen, die Zusicherung bürgerlicher Freiheiten und die Einsetzung der Duma. Es untersucht die unterschiedlichen Interpretationen des Manifests (von den Liberalen als Schritt zur Konstitutionalisierung, vom Hof als taktisches Manöver) und den Konflikt zwischen Hoffnung auf Reform und anhaltendem Misstrauen.
Was wird im Kapitel "Die erste russische Staatsduma" behandelt?
Dieses Kapitel beschreibt die Erste Duma von den anfänglichen Erwartungen bis zur Auflösung. Es analysiert die Positionen der politischen Akteure, insbesondere die Konflikte um die Agrarfrage, die zunehmende Polarisierung und die Unfähigkeit zu Kompromissen als Hauptursache für das Scheitern der Duma. Es beleuchtet Debatten im Parlament und die Aktionen verschiedener politischer Fraktionen.
Welche Schlüsselbegriffe sind für das Verständnis der Arbeit relevant?
Wichtige Schlüsselwörter sind: Oktobermanifest, Erste Duma, Sergej Witte, Zar Nikolaus II., konstitutionelle Monarchie, Agrarfrage, Revolution 1905, liberale Bewegung, Opposition, Oktobristen, Kadetten, Autokratie.
Welche Struktur hat die Arbeit?
Die Arbeit beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, eine Darstellung der Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Zusammenfassungen der Kapitel und eine Liste der Schlüsselwörter.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Die Arbeit ist für akademische Zwecke gedacht und dient der Analyse der Themen in strukturierter und professioneller Weise.
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Andreas Reimann (Autor:in), 2005, Die Zeit der Ersten Duma und ihre Auflösung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125971