Der Essay befasst sich mit zwei unterschiedlichen Ethnographien und dem Versuch beide dennoch miteinander zu vergleichen. Dabei geht es weniger um den Inhalt, sondern viel mehr um das wissenschaftliche Arbeiten in der Ethnologie.
Ethnographien als Endergebnis einer ethnologischen Forschung können ganz verschieden ausfallen, je nach den theoretischen und methodischen Ansätzen des Ethnologen und natürlich hängt es auch vom Schreibstil ab, ob und wie weit man das eine oder andere Buch interessant findet. Im Folgenden versuche ich zwei Ethnographien zu vergleichen, die sich auf ganz unterschiedliche Ethnien beziehen. Als erstes werde ich mich mit der Ethnographie "Traurige Tropen" (1955) von Claude Levi-Strauss beschäftigen und dann mit Judith Okelys "The Traveller-Gypsies" von 1983.
Claude Levi-Strauss wurde 1908 in Brüssel geboren und zählt zu den Begründern und führenden Vertreter des französischen Strukturalismus. Sein Buch "Traurige Tropen" ist mehr ein Reisebericht mit ethnographischen Zügen, als eine wissenschaftliche Feldforschung. Der Titel "Traurige Tropen" „meint das Aussterben der "primitiven" Kulturen in ihrer Konfrontation mit dem zivilisatorischen so genannten "Fortschritt", mit seiner imperialistischen Zerstörungswut und seinen Krankheiten, in diesem Fall das Aussterben der Indianervölker im Mato Grosso (Brasilien), zu denen Levi-Strauss mehrere ausgedehnte, ebenso abenteuerliche wie gefährliche Expeditionen unternahm." (Moldenhauer 1978:2) Levi-Strauss war anfangs nicht begeistert von der Idee solch ein Buch zu schreiben, weil er sich nie sicher war, ob es diese vielen belanglosen Einzelheiten es wert waren erzählt zu werden. "Ich verabscheue Reisende und Forschungsreisende. Trotzdem stehe ich im Bergriff, über meine Expetitionen zu berichten. Doch wie lange hat es gedauert bis ich mich dazu entschloss! Fünfzehn Jahre sind vergangen, seit ich zum letzten Mal in Brasilien verließ, und in all diesen Jahren habe ich oft den Plan gefasst, dieses Buch zu schreiben; aber jedes Mal hat mich ein Gefühl der Scham oder des Überdrusses davon abgehalten. Soll man des Langen und Breiten die vielen kleinen Belanglosigkeiten und unbedeutenden Ereignisse erzählen?" (Levi-Strauss 1955:9) Da das Buch mehr einem Reisebericht gleicht, lesen sich die Gliederungspunkte, wie "Sonnenuntergang", "Der fliegende Teppich" und "Die verlorene Welt", im Inhaltsverzeichnis wie einzelne Kapitel eines Reiseromans. Zu Beginn des Buches bestätigt sich auch der ersten Eindruck, da es mit einer ausführlichen Beschreibung der Reisen nach Brasilien anfängt: "Punkt zwei Uhr nachmittags glich Fort-de-France einer toten Stadt; unbewohnt schienen die Bretterbuden am Rand eines lang gestreckten, mit Palmen bestandenen und mit Unkraut überwucherten Platzes zu sein, der einem unbebauten Gelände glich, von dem man lediglich die mit Grünspan überzogenen Statuen von Josephine Tascher de la Pagerie und Beauharnais wegzuschaffen vergessen hat" (Levi-Strauss 1955:22). Ebenso zeichnet sich sein Werk durch viele Rückblicke aus, sowohl in seiner eigene Lebensgeschichte "Noch im Jünglingsalter waren meine Interessen so wenig ausgeprägt, daß der erste, der eine Diagnose zu stellen versuchte, nämlich mein Philosophielehrer in der Prima, Andre Cresson, mir das Studium der Jurisprudenz empfahl, da es meinem Temperament am besten entspräche; ( ... )" (Levi-Strauss 1955:46), als auch in der Geschichte der Entdeckung und Eroberung der Neuen Welt "Karatschi, ursprünglich in kleines Fischerdorf, später durch die englische Kolonisierung zu einem kleinen Hafen und einer Handelsstadt geworden, hat im Jahre1947 den Titel einer Hauptstadt errungen." (Levi-Strauss 1955:117) Claude Levi-Strauss bezieht in seinem Buch auch seinen vorangegangenen Reisen mit ein, wie den Indien-Reisen "Jeder Europäer, der Indien bereist, sieht sich -ob er will oder nicht- von einer beachtlichen Anzahl Dienstboten umringt, die man hier bearers nennt." (Levi-Strauss 1955:129) Dennoch fehlen nicht die Auseinandersetzungen mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten der dort lebenden Ethnien, auch wenn diese nicht den Hauptteil des Buches einnehmen. Seine ethnologischen Ausführungen zeigen sich u. a. in den gesammelten Zeichnungen der Caduveo auf den Seiten171 und 172. Weiterhin geht er auf die soziale Struktur der Ethnien ein "Die Mbaya waren in Kasten organisiert" (Levi-Strauss 1955:169) und beschreibt ihre Kultur näher, zum Beispiel die Arbeitsteilung bei den Caduveo "In unserem Stamm sind die Männer Bildhauer und die Frauen Malerinnen (Levi-Strauss I955:175). Durch das Aufarbeiten der Strukturen und die Analyse der Kultur wird der Reisebericht wissenschaftlich unterlegt und somit zu einer Ethnographie.
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- Arbeit zitieren
- Kristin Müller-Wenzel (Autor:in), 2002, Vergleich zweier Ethnographien: "Traurige Tropen" von Claude Levi-Strauss (1955) und "The Traveller-Gypsies" von Judith Okelys (1983), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125956
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