Welche Strategien sind es, so wird in dieser Arbeit gefragt, die dazu dienen, sprachliche Legitimation hervorzubringen, wo diese aussersprachlich fehlt?
Um diese Frage zu ergründen wird die Theorie der Kritischen Diskursanalyse der vorliegenden Arbeit als theoretische Basis dienen. Die Wahl der Theorie wird durch den untersuchten Gegenstand begründet. Nicht die Wirkung der legitimierend
wirkenden sprachlichen Äußerung per se soll betrachtet werden, sondern die sprachliche Legitimation eines spezifischen problematischen sozialen Phänomens.
Die Entscheidung, das Häftlingslager auf Guantánamo als nicht legitim und somit als ausserhalb des Raumes dessen, was politische Sprache verteidigen sollte,
zu bewerten, ist keine rein subjektive Einschätzung, sondern lässt sich argumentativ belegen. Dieser Beleg wird im Zuge dieser Arbeit erbracht, indem das zweite Kapitel den gesellschaftspolitischen und rechtlichen Kontext des Lagers kritisch erläutert.
Daran schließt die Beschreibung der untersuchten Texte an. Für die Analyse wurde ein Korpus mit sechzehn Texten erstellt. Diese decken einen Zeitraum von über vier Jahren ab und enthalten Äußerungen von Präsident George W. Bush, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Innenminister Dick Cheney sowie des
ehemaligen Außenministers der USA, Colin Powell. Die Verortung der untersuchten Texte in ihrem kommunikativen Kontext wird in
Kapitel vier vorgenommen. Hierin werden die Charakteristika des politischen Diskurses erläutert. Darüber hinaus wird die Legitimation als sozialwissenschaftliches Phänomen und als strategische Funktion im Diskurs dargestellt. Dieses Kapitel weist auf die nachfolgende Analyse voraus, indem hierin die
eingenommene Sichtweise auf den politischen Diskurs und die in ihm realisierten legitimierend wirkenden Strategien erläutert werden.
Kapitel fünf und sechs enthalten die Analyse der Legitimationsstrategien in den untersuchten Texten. Diese Untersuchung ist weder als vollständig zu betrachten, noch als endgültig. Sie orientiert sich vorwiegend an dem von Theo van Leeuwen (2007) erstellten theoretischen Rahmenwerk für die Analyse von diskursiv hergestellter Legitimation. [...]
Zu den hierin untersuchten Strategien zählen Autorisierung, Normalisierung, Rationalisierung sowie die negative Fremdpräsentation und die positive Selbstpräsentation.
Inhalt
EINLEITUNG
1 ENTWICKLUNG, FORSCHUNG UND THESEN DER CDA
1.1 THEORETISCHE EINFLÜSSE UND HISTORISCHE ENTWICKLUNG
1.2 H AUPTVERTRETER UND F ORSCHUNGSPERSPEKTIVEN DER CDA
1.2.1 TEUN VAN DIJK: SOZIOKOGNITIVE CDA
1.2.2 NORMAN FAIRCLOUGH: DISKURS UND GESELLSCHAFTLICHER WANDEL
1.2.3 RUTH WODAK: DIE DISKURS-HISTORISCHE METHODE
1.2.4 THEO VAN LEEUWEN: SOCIAL SEMIOTICS
1.3 BEGRIFFE UND THESEN DER KRITISCHEN DISKURSANALYSE
2. GUANTÁNAMO BAY: POLITISCHER UND RECHTLICHER KONTEXT
2.1 DER11. SEPTEMBER - EINE KRIEGSERKLÄRUNG
2.2 ANTI -I SLAMISMUS IM ‚KRIEGGEGEN DENTERROR’
2.3 DIE INTERNIERUNG T ERRORVERDÄCHTIGER
2.4 GUANTÁNAMO - EINRECHTSSYSTEM AUßERHALB DESRECHTS
2.5 FOLTERVORWÜRFE UND M ENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN
3. ZUM KORPUS
3.1 BESCHREIBUNG DES KORPUS
3.2 TABELLARISCHE ÜBERSICHT
4. POLITISCHER DISKURS UND LEGITIMATION
4.1 DERPOLITISCHE DISKURS : B EGRIFFSBESTIMMUNG UND EINGRENZUNG
4.2 GENRESPEZIFIKA DES POLITISCHEN DISKURSES
4.3 DAS K ONZEPT DER LEGITIMATION NACH BERGER UND LUCKMANN
4.4 LEGITIMATIONSSTRATEGIEN IM POLITISCHEN D ISKURS
5. AUTORISIERUNG
5.1 PERSONAL UND IMPERSONAL AUTHORITY
5.2 DIE DISKURSIVE REPRÄSENTATION DER AUTORITÄT
5.3 DIE MILITÄRTRIBUNALE : PRÄSIDIALE AUTORITÄT UND JUDIKATIVE
5.4 LEGITIMATION DURCH NORM UND TRADITION
6. RATIONALISIERUNG UND REPRÄSENTATION IN DER LEGITIMATION
6.1 RATIONALISIERUNG
6.1.1 ZIELORIENTIERUNG ALS FORM DER RATIONALISIERUNG
6.2 POSITIVE SELBSTPRÄSENTATION UND NEGATIVE FREMDPRÄSENTATION
6.2.1 NEGATIVE FREMDPRÄSENTATION: “THESE ARE KILLERS”
6.2.2 POSITIVE SELBSTPRÄSENTATION: “WE ARE A NATION OF LAWS”
6.3 DIE KRITIKER : REPRÄSENTATION VON UNGLAUBWÜRDIGKEIT
ZUSAMMENFASSUNG
BIBLIOGRAPHIE
ANHANG
Einleitung
“In our time, political speech and writing are largely the defence of the indefensible.”
George Orwell (1946)
Das Zitat Orwells markiert eine Grenze des funktionalen politischen Sprachgebrauchs. Sobald politische Sprache dafür eingesetzt wird, etwas zu rechtfertigen, was aus sich heraus nicht zu verteidigen ist, wird sie zweifelhaft. Begriffe wie ‚Propaganda’, ‚Populismus’ und ‚Ideologie’ bezeichnen diese Problematik des politischen Sprachgebrauchs. Die Beurteilung, ab wann sich die politische Sprache ausserhalb des Rechtfertigungswürdigen befindet, muss notwendigerweise subjektiv getroffen werden, da sie von der ideologischen Prägung des jeweiligen Rezipienten abhängig ist. Das Bestreben von Politikern, glaubwürdig und vertrauensvoll auf ihre potentiellen Wähler zu wirken, führt folglich dazu, den Eindruck der Fragwürdigkeit ihrer Äußerungen möglichst zu vermeiden.
Die Administration unter Präsident George Bush hat dieses Ziel in weiten Teilen verfehlt. Neben der desaströsen Irak-Politik, sind es auch sprachliche Ausrutscher, die vor allem dem Präsidenten wenig schmeicheln und zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit führen. Die so genannten ‚Bushisms’ sind weithin bekannt und zeugen von einem Sprachgebrauch, der oftmals lächerlich und unbeholfen wirkt.
Während die komische Auseinandersetzung mit den sprachlichen Äußerungen der US-Regierung kathartische Zwecke erfüllt, soll die Sprache der machtvollen US-Politiker in dieser Arbeit durchaus ernst genommen werden. Denn neben einer als lächerlich empfundenen Rhetorik dienen die Äußerungen dieser machtvollen Politiker unter anderem der Etablierung eines veränderten Normempfindes. Dieses beinhaltet auch die Aussetzung der Menschenrechte für ‚Terroristen’, die sich im Häftlingslager Guantánamo Bay auf Kuba exemplarisch und plakativ vollzieht.
Welche Strategien sind es, so wird in dieser Arbeit gefragt, die dazu dienen, sprachliche Legitimation hervorzubringen, wo diese aussersprachlich fehlt? Um diese Frage zu ergründen wird die Theorie der Kritischen Diskursanalyse der vorliegenden Arbeit als theoretische Basis dienen. Die Wahl der Theorie wird durch den untersuchten Gegenstand begründet. Nicht die Wirkung der legitimierend wirkenden sprachlichen Äußerung per se soll betrachtet werden, sondern die sprachliche Legitimation eines spezifischen problematischen sozialen Phänomens.
Die Entscheidung, das Häftlingslager auf Guantánamo als nicht legitim und somit als ausserhalb des Raumes dessen, was politische Sprache verteidigen sollte, zu bewerten, ist keine rein subjektive Einschätzung, sondern lässt sich argumentativ belegen. Dieser Beleg wird im Zuge dieser Arbeit erbracht, indem das zweite Kapitel den gesellschaftspolitischen und rechtlichen Kontext des Lagers kritisch erläutert.
Daran schließt die Beschreibung der untersuchten Texte an. Für die Analyse wurde ein Korpus mit sechzehn Texten erstellt. Diese decken einen Zeitraum von über vier Jahren ab und enthalten Äußerungen von Präsident George W. Bush, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Innenminister Dick Cheney sowie des ehemaligen Außenministers der USA, Colin Powell.
Die Verortung der untersuchten Texte in ihrem kommunikativen Kontext wird in Kapitel vier vorgenommen. Hierin werden die Charakteristika des politischen Diskurses erläutert. Darüber hinaus wird die Legitimation als sozial-wissenschaftliches Phänomen und als strategische Funktion im Diskurs dargestellt. Dieses Kapitel weist auf die nachfolgende Analyse voraus, indem hierin die eingenommene Sichtweise auf den politischen Diskurs und die in ihm realisierten legitimierend wirkenden Strategien erläutert werden.
Kapitel fünf und sechs enthalten die Analyse der Legitimationsstrategien in den untersuchten Texten. Diese Untersuchung ist weder als vollständig zu betrachten, noch als endgültig. Sie orientiert sich vorwiegend an dem von Theo van Leeuwen (2007) erstellten theoretischen Rahmenwerk für die Analyse von diskursiv hergestellter Legitimation. In der Fülle diskursanalytischer Arbeiten stellt van Leeuwens Rahmenwerk die einzige umfassende und systematische Darstellung legitimierend wirkender Strategien dar. Die Legitimation und ihre diskursive Realisierung wurden in der Kritischen Diskursanalyse vielfach beachtet, allerdings oftmals als ein Phänomen unter anderen. Van Leeuwens Arbeit war folglich ein notwendiges und hilfreiches Instrument für die hier durchgeführte Analyse. Zu den hierin untersuchten Strategien zählen Autorisierung, Normalisierung, Rationalisierung sowie die negative Fremdpräsentation und die positive Selbstpräsentation.
1 Entwicklung, Forschung und Thesen der CDA
Die theoretischen Einflüsse der Kritischen Diskursanalyse (ab hier CDA) sind so divers wie die theoretischen und methodischen Ansätze, die unter dem Terminus CDA subsumiert sind (Wodak & Meyer 2001; Fairclough & Wodak 1997). Sie ist folglich keine einheitliche Methode oder Theorie, sondern kennzeichnet ein gemeinsames Forschungsinteresse sowie eine gemeinsame Perspektive auf den Forschungsgegenstand. Mit Teun van Dijks Worten ausgedrückt ist die CDA “a shared perspective on doing linguistic, semiotic or discourse analysis” (Van Dijk 1993: 131).
Der Mangel einer einheitlichen Methodologie kann als eklektisch und un-systematisch kritisiert werden (Wodak/Weiss 2003: 6); positiv betrachtet offenbart sich hier jedoch ein Methodenpluralismus, der durch die Nicht-Reduktion der methodischen Möglichkeiten innovativ und produktiv wirkt:
We see CDA as bringing a variety of theories into dialogue, especially social theories on the one hand and linguistic theories on the other, so that its theory is a shifting synthesis of other theories, though what it itself theorises in particular is the mediation between the social and the linguistic – the ‘order of discourse’, the social structuring of semiotic hybridity (interdiscursivity). The theoretical constructions of discourse which CDA tries to operationalise can come from various disciplines, and the concept of ‘operationalisation’ entails working in a transdisciplinary way where the logic of one discipline (for example, sociology) can be ‘put to work’ in the development of another (for example, linguistics). (Chouliarki/Fairclough 1999: 16f.)
Die Interdisziplinarität reflektiert zudem das Streben der CDA nach einer emanzipierten und basisdemokratischen Gesellschaftsordnung auf der Ebene des wissenschaftlichen Diskurses. Indem die Bindung an eine bestimmte Theorie oder Methode zurückgewiesen wird, werden zwei Ziele verfolgt: Erstens wird die Schaffung von Übervätern der Methode verhindert (Cf. Van Dijk 2001a: 95), zweitens wird die Möglichkeit der eigenständigen kritischen Analyse nicht durch ein Grundsatzmodell, das unabhängig von Forschungsinteresse und Untersuchungs-gegenstand anzuwenden ist, behindert.
Allerdings sieht sich die CDA der Kritik der Nicht-Wissenschaftlichkeit ausgesetzt. Die Absenz eines festen methodologischen und theoretischen Rahmens, die gesellschaftliche und somit politische Positionierung der Anwender, das Bekenntnis, dass weniger objektive Erkenntnisse als vielmehr Kritik das Ziel der Forschung ist, führen dazu, dass die CDA als nicht-wissenschaftlich und politisch beurteilt wird. Diesem Vorwurf wird in Anlehnung an Max Horkheimer (Cf. Wodak 2001: 10) mit dem Verweis auf die ideologische Prägung jeglicher Wissenschaft, und somit der Unmöglichkeit der Objektivität, begegnet. Eine nur als Scheinobjektivität erkannte Objektivität wird von den Anwendern der CDA nicht beansprucht, sondern von vorneherein zurückgewiesen. Dies bedeutet unter anderem eine explizite Positionierung und die Verdeutlichung des eigenen politischen und ideologischen Standpunkts.
Das primäre Interesse der CDA besteht darin, verdeckte und offensichtliche Strukturen von Machtungleichheit und Dominanz sichtbar zu machen. Ihr Interesse gilt der sprachlichen und semiotischen Dimension bei der Produktion und Reproduktion von Dominanzverhältnissen. Das Ziel der Forschung ist “emancipation and enlightenment” (Wodak 2001: 10). Dieses Forschungsziel wird durch die Analyse und der in ihr formulierten Kritik verfolgt:
[...] CDA is a – critical – perspective on doing scholarship: it is, so to speak, discourse analysis ‘with an attitude’. It focuses on social problems, and especially on the role of discourse in the production and reproduction of power abuse or domination. Wherever possible, it does so from a perspective that is consistent with the best interests of dominated groups. It takes the experiences and opinions of members of such groups seriously, and supports their struggle against inequality. That is, CDA research combines what perhaps somewhat pompously used to be called ‘solidarity with the oppressed’ with an attitude of opposistion and dissent against those who abuse text and talk in order to establish, confirm or legitimate their abuse of power. Unlike much other scholarship, CDA does not deny but explicitly defines and defends its own sociopolitical position. That is, CDA is biased – and proud of it. (Van Dijk 2001a: 96)
Die CDA steht somit in der Tradition der kritischen Wissenschaft, deren Ziel, neben der gesellschaftskritischen Forschung, das Wirken über den eigenen Gegenstand hinaus ist. Die Verwendung der wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnisse für die konkrete gesellschaftliche Intervention ist folglich ein zentrales Anliegen der CDA (Cf. Wodak 2001; Wodak 1996; Fairclough 1992).
1.1 Theoretische Einflüsse und Historische Entwicklung
Sozialphilosophisch ist die CDA beeinflusst von den Theorien des westlichen Marxismus. Dieser wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem von den Vertretern der Frankfurter Schule entwickelt. Diese gesellschafts- und ideologiekritischen ‘grand theories’ bilden den gedanklichen Hintergrund und den theoretischen Überbau der CDA (Cf. Wodak 2001).
Sprachwissenschaftlich steht die CDA in der Tradition der Critical Linguistics, die in den 1970er Jahren hauptsächlich unter Leitung von Gunther Kress, Roger Fowler und Robert Hodge (Fowler/Kress 1979) an der University of East Anglia entstanden ist. Die Critical Linguistics ist ihrerseits beeinflusst von den Arbeiten Michael Hallidays.
Halliday entwarf Ende der 1970ger Jahre eine Grammatik, die Functional Grammar, und eine Theorie der Zeichenlehre, die Social Semiotics. Halliday stellt darin die folgende Hypothese auf: “Language is as it is because of the functions it has evolved to serve in people’s lives” (Halliday 1978: 4). Halliday nimmt eine sozialwissenschaftlich beeinflusste Perspektive auf das sprachliche System ein. Um dieses erklären zu können, nähert er sich der Sprache von außen an. Das bedeutet, dass der gesellschaftliche (Makro)Kontext und der unmittelbare kommunikative und situative Kontext für die Erklärung der Funktion von sprachlichen Äußerungen in die Analyse integriert werden. Hallidays Ansatz ist somit an natürlichen sprachlichen Äußerungen interessiert. Es geht ihm nicht um eine rein deskriptive Annäherung an das sprachliche System, sondern um die Erklärung und Interpretation von Sprache als ein von sozialen Faktoren konstituiertes und dadurch funktionales System.
Es sind drei Metafunktionen, die laut Halliday (1985) jeder sprachlichen Äußerung unterliegen und in ihr simultan realisiert werden. Sie lassen sich zusammenfassen als
(1) the ideational function through which language lends structure to experience. The ideational structure has a dialectical relationship with social structure, both reflecting and influencing it. (2) the interpersonal function which accounts for relationships between the participants, and (3) the textual function which accounts for coherence and cohesion in texts. (Wodak 1995: 207; Cf. Halliday 1985: 53)
Die Grammatik einer Sprache ist für Halliday kein Regelsystem für die Formulierung korrekter Sätze. Vielmehr verweist er auf das sprachliche System als Quelle der Bedeutungsgenerierung:
In investigating language and the social system, it is important to transcend this limitation and to interpret language not as a set of rules but as a resource. I have used the term ‘meaning potential’ to characterize language in this way. (Halliday 1978: 192)
Es gibt somit eine Fülle an Möglichkeiten, denselben Sachverhalt sprachlich auszudrücken. Der Sprecher trifft bei jedem Sprachgebrauch eine Wahl für eine Form und generiert dadurch die distinkte Bedeutung einer Äußerung gegenüber einer möglichen alternativen Bedeutung. Sprachgebrauch ist demnach gekennzeichnet
durch die Wahl einer bestimmten lexikogrammatikalischen Form gegenüber einer alternativen Form. Die Wahl einer bestimmten Form ist laut Halliday auf gram-matikalischer (i.e. syntaktischer und semantischer) und lexikalischer Ebene als systematisch anzusehen, da sie von unmittelbaren und übergreifenden sozialen Faktoren abhängig ist. Der Begriff ‚Lexikogrammatik’ verweist darauf, dass Halliday keine Unterscheidung zwischen den Ebenen der Grammatik und des Lexikons trifft (Cf. Halliday 1985, XIV).
Die Critical Linguistics übernimmt in weiten Teilen die theoretischen Annahmen Hallidays und erweitert diese. Ihr Forschungsinteresse gilt vornehmlich der Untersuchung von Zusammenhängen zwischen Ideologie und Sprache (Cf. Fowler/ Kress 1979). Sie ist beeinflusst von Orwells Konzept des newspeak und doublethink (Hodge/Fowler 1979) sowie von den systemkritischen Theorien, die im Zuge der Frankfurter Schule entstanden.
Den Critical Linguistics liegt die Annahme der dialektischen Beziehung zwischen Sprache und Ideologie zugrunde. Sprache wird daher als elementares Mittel zur Hervorbringung von jeweils gesellschaftlich funktionierenden Individuen und dem Erhalt des gesellschaftlichen Status quo angesehen. Diese wechselseitige Beziehung zwischen Sprache und Ideologie wird nicht bewusst etabliert, sondern ist in die grammatikalische und lexikalische Struktur des jeweiligen sprachlichen Systems eingeschrieben:
Our studies demonstrate that social groupings and relationships influence the linguistic behaviour of speakers and writers, and moreover, that these socially determined patterns of language influence non-linguistic behaviour including, crucially, cognitive activity. Syntax can encode a world-view without any conscious choice on the part of the writer or speaker. We argue that the world-view comes to language-users from their relation to the institutions and the socio-economic structure of their society. It is facilitated and confirmed for them by a language use which has society’s ideological impress. Similarly, ideology is linguistically mediated and habitual for an acquiescent, uncritical reader who has already been socialized into sensitivity to the significance of patterns of language. (Hodge/ Kress 1979: 185)
Neben ihrer Kritik an der traditionellen Soziolinguistik und den Grundsätzen der etablierten Linguistik, ist es vor allem ihre Zurückweisung der Trennung von Form und Bedeutung, die ihre Sicht auf das sprachliche System verdeutlicht: “the relation between form is not arbitrary or conventional, but form signifies content.” (Ibid. 188) Hodge und Kress benennen in ihrem 1979 erschienen Aufsatz Critical Linguistics zusammenfassend die Thesen, die ihrem Ansatz zugrunde liegen. Die zwei letzten Thesen sind mit dem Vermerk, sie seien unter Umständen doch sehr provokant, von den anderen Thesen im Text visuell abgesetzt. Sie lauten:
6. Prominent among the social structures which influence linguistic structures is inequality of power.
7. Language not only encodes power differences but is also instrumental in enforcing them. (Ibid. 195)
Es sind unter anderem diese Annahmen, die 1991 von Teun van Dijk, Gunther Kress, Theo van Leeuwen und Ruth Wodak auf einem Symposium in Amsterdam aufgegriffen wurden und zu den Thesen der daraus hervorgegangenen CDA zählen (Cf. Wodak 2001: 4).
1.2 Hauptvertreter und Forschungsperspektiven der CDA
Die CDA analysiert die diskursiven Aspekte gesellschaftlicher Probleme und die Interdependenzen zwischen Diskurs und gesellschaftlicher Realität. Der Diskursbegriff wird von der CDA nicht abstrakt, sondern konkret, als sprachliche Handlung verstanden. Eine theoretische Beschreibung des Diskurs-Begriffs findet sich bei van Dijk (1997: 1f.). Demnach geht der Diskurs über die rein sprachliche Äußerung hinaus. Er ist konstituiert durch die an einer Sprachhandlung Teilnehmenden, die Art und Weise des Sprachgebrauchs, die Funktion und Absicht der sprachlichen Äußerung sowie dem Zeitpunkt und dem Ort der sprachlichen Äußerung.
Die CDA untersucht Diskurse auf der Ebene von Texten1 und bezieht alle Aspekte, die bei der Produktion und Rezeption von Texten eine Rolle spielen mit in die Analyse ein. Die von der CDA analysierten Texte repräsentieren eine Fülle an kommunikativen Genres und sozialen Praktiken. Dazu zählen unter anderem Arzt-Patienten Gespräche, Zeitungsartikel, Pressekonferenzen, Interviews, Gruppen-diskussionen, etc. Der Fokus liegt somit auf der Analyse institutionalisierter und alltagssprachlicher Kommunikationsformen. Die Breite der analysierten Kommunikationsformen und Genres erklärt sich durch das problemorientierte Forschungsinteresse der CDA:
CL and CDA investigate language behaviour in everyday situations of immediate and actual social relevance: institutional discourse, media discourse, school textbooks, minority problems, all sorts of discrimination, etc. CL [Critical Linguistics, A.S.] and CDA are thus problem-oriented, which means they aim less to contribute to a specific discipline, paradigm, school or discourse theory, than to address what they believe to be pressing social issues which they hope to understand better, and possibly change, through their analysis. (Wodak 1995: 205f.)
Die verschiedenen Ansätze der CDA unterscheiden sich vor allem in ihrer Perspektive auf die Art der Vermittlung zwischen Diskurs und Gesellschaft. Demgemäß wird die Beziehung zwischen Diskurs und Gesellschaft nicht als einfach deterministisch, sondern als vermittelt gesehen (Cf. Meyer 2001: 15). Im folgenden Abschnitt werden die wichtigsten theoretischen Strömungen der CDA und ihre jeweilige Perspektive auf die Beziehung zwischen Diskurs und Gesellschaft kurz erläutert.
1.2.1 Teun van Dijk: Soziokognitive CDA
Van Dijk ist der Hauptvertreter der CDA. Er beschäftigt sich vorrangig mit Unterschieden zwischen sozialen und ethnischen Gruppen und der Hervorbringung von gesellschaftlich etablierten stereotypen Vorstellungen über Minderheiten. Seine Arbeiten enthalten eine profunde Rassismuskritik und er betont darin das enge Verhältnis zwischen sozialer Realität und Kognition. Diese sozialen und kognitiven Prozesse führen laut van Dijk unter anderem zur Generierung von Formen der sozialen Exklusion und Rassismen. Aufgrund van Dijks Interesse an gesellschaftlichen und kognitiven Strukturen, wird sein Ansatz als sociocognitive CDA bezeichnet (cf. Van Dijk 2001a: 97). Die vermittelnde Ebene zwischen Diskurs und Gesellschaft bilden nach van Dijk individuelle und überindividuelle kognitive Prozesse. Van Dijk verwendet demnach Erkenntnisse aus der Kognitions-wissenschaft und setzt diese in Beziehung zu den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen, um die Verbindungen zwischen diesen Prozessen erklären zu können2.
Seit den 1980er Jahren erforscht van Dijk die diskursive, kognitive und soziale Produktion und Reproduktion von Rassismus und sozialer Exklusion. Neben Analysen im Bereich der massenmedialen Kommunikation, untersuchte er beispielsweise die Vorurteile von Niederländern gegenüber ethnischen Minderheiten (Van Dijk 1984). Van Dijk analysierte hierfür über 100 Interviews und zeigte auf, welche kognitiven und sozialen Faktoren dazu beitragen, dass bestimmte stereotype und beharrlich reproduzierte Vorstellungen über Minoritäten entstehen und wie diese Form des Rassismus in Interviews diskursiv realisiert wird. Als Makrostruktur der diskursiven Realisierung des Sprechens über die ‚Anderen’ stellt van Dijk die negative Repräsentation der ‚Anderen’ und die positive Repräsentation der ‚eigenen’ Gruppe heraus. Die Realisierung dieser ideologischen Strukturen erfolgt diskursiv mittels expliziter und impliziter moralischer Bewertungen, beispielsweise durch negative oder positive Lexikalisierungen und die Zuschreibung bestimmter thematischer Rollen (Cf. Van Dijk, 1995), konversationeller Implikaturen, Topikalisierungen etc. (Cf. Ibid. 2001; 2001a).
Van Dijk sieht besonders diejenigen Gruppen, die machtvoll auf den Diskurs einwirken, als maßgeblich daran beteiligt, dass rassistische Vorstellungen und ideologisch geprägte Repräsentationen über soziale und ethnische Minderheiten so beständig und gesellschaftlich weit verbreitet sind (Cf. Van Dijk 2001a, 357f.). Vor allem die Leugnung der Existenz rassistischer Vorstellungen in der eigenen sozialen bzw. ethnischen Gruppe wird von van Dijk hierbei als problematisch angesehen (Cf. Van Dijk 1992). Eine übergeordnete Rolle spielen dabei disclaimers, worin einer positiven Aussage über ‚uns’ eine negative Aussage über die ‚Anderen’ folgt. Dies wird unterschiedlich realisiert, eine häufige Form sind mittels konzessiver oder adversativer Konjunktion verbundene, hypotaktische Satzkonstruktionen (bei-spielsweise: “I have nothing against Blacks, but/even though“).
Teun van Dijk ist Herausgeber der Zeitschrift Discourse & Society und der zweibändigen Reihe Discourse Studies: A multidisciplinary introduction (1996).
1.2.2 Norman Fairclough: Diskurs und gesellschaftlicher Wandel
Norman Faircloughs Ansatz ist eine sozialwissenschaftlich orientierte Form der CDA, die theoretisch von Foucaults Diskurstheorie inspiriert ist und sich an Hallidays functional grammar orientiert (Cf. Fairclough 2001; 1992). Für die Ver-mittlung zwischen Diskurs und Gesellschaft sieht Fairclough diskursive Praxen der Textproduktion und Textrezeption als entscheidend an.
Faircloughs momentanes Forschungsinteresse gilt vornehmlich der Analyse der Zusammenhänge zwischen dem Globalisierungsdiskurs und der Veränderung sozialer Systeme. Der Begriff ‘ New Capitalism’ wird von Fairclough verwendet, um diejenigen Entwicklungen, die üblicherweise unter dem Begriff ‚Globalisierung’ zusammengefasst werden, zu benennen. ‘New Capitalism’ ist nicht nur ein Synonym für den Begriff ‚Globalisierung’, sondern expliziert Faircloughs Einschätzung der Globalisierung als euphemistischen Terminus. Die Globalisierung wird von Fairclough als Folge, und gegenwärtige Form des Kapitalismus bewertet. Dementsprechend ist die Globalisierung an sich kein neues Phänomen, sondern wird nur diskursiv als ‚neu’ dargestellt (Cf. Fairclough 2007).
Die Transformation, Neu-Verortung und Anpassung eines Diskurses in einem anderen diskursiven Feld wird von Fairclough als Recontextualization bezeichnet: “Recontextualization is a relationship between different (networks of) social practices- a matter of how elements of one social practice are appropriated by, relocated in the context of another.” (Fairclough 2003: 222) Die Recontextualization des ‘ New Capitalism’ -Diskurses in den Bereichen des Sozialen und Politischen führt laut Fairclough seit den 1980ger Jahren zu veränderten Strukturen und Wahrnehmungen innerhalb der gesellschaftlichen Systeme. Diese Entwicklung bezeichnet er als marketisation.
Fairclough analysiert unter anderem diskursive Darstellungen von Handlungen, Handlungsträgern und Relationen zwischen Ursache und Wirkung (Fairclough 2003). Diese Repräsentationen sind oftmals verhüllend, euphemistisch und opak. Handlungen werden als Zustände repräsentiert (sog. „Nominalisierungen“), Ursache und Wirkung werden als unverbunden dargestellt, soziale Handlungsträger tauchen sprachlich nicht auf. Die Verwendung von diesen, als verzerrend begriffenen, diskursiven Repräsentationen werden von Fairclough als maßgeblich für die Schaffung einer Perspektive auf gesellschaftliche Entwicklungen und Verhältnisse betrachtet, die diese als gegeben und somit als ‚natürlich’ und unveränderlich begreift.
Fairclough strebt die diskursanalytische Enthüllung dieser verzerrten diskursiven Repräsentationen an, um die komplexen Interaktionen zwischen diskursiver Praxis und sozialer Realität sichtbar zu machen: “[I]n human matters, interconnections and chains of cause-and-effect may be distorted out of vision. Hence ‘critique’ is essentially making visible the interconnectedness of things.” (Fairclough 1985: 747)
1.2.3 Ruth Wodak: Die diskurs-historische Methode
Der Discourse- Historical Approach entstand in den 1990er Jahren an der Universität Wien unter der Leitung Ruth Wodaks (Cf. Wodak et. al. 1998; Wodak 2001;
Wodak/Van Leeuwen 1999). Wodaks Theorie ist von den Arbeiten Basil Bernsteins und Jürgen Habermas’ beeinflusst. Der Discourse-Historical Approach zeichnet sich durch die Integration von verschiedenen theoretischen und methodologischen Dimensionen und Perspektiven („Triangulation“) aus. Die Darstellung des historischen Kontexts ist Teil jeder diskurs-historischen Analyse, da er für die Einbettung der diskursiven Ereignisse in ihren gesellschaftlich-kulturellen Makrokontext unabdingbar ist. Die Untersuchung der Meta-Ebene des Diskurses ist text-extern und besteht aus allen Informationen, die zu einem Thema gesammelt werden können. Diese Informationen sind Teil der Analyse und werden in die Analyse des Diskurses einbezogen. Sie sind bedeutsam, da sie fruchtbar gemacht werden können für die Erklärung von Phänomenen, die diskursanalytisch nur beobachtet und beschrieben, jedoch nicht erklärt werden können.
Im Zuge der Analyse der „Bescheide zur Ablehnung von Familien-zusammenführung“ (Wodak/Van Leeuwen 1999) der Einwanderungsbehörden in Österreich, konnte mittels der diskurs-historischen Methode erklärt werden, welche Bedeutung gesellschaftlich etablierten Normen bei der Legitimation der Ablehnung von Familienzusammenführungen zukommt. Die in den Bescheiden genannten, gesellschaftsspezifischen Normen gründeten auf moralischen Werten, deren gesellschaftliche Relevanz nur durch die Analyse des historischen Kontexts erklärt werden kann. Wodak sieht die historische Dimension von Diskursen als vermittelndes Element an, da sich hierin die Ursprünge der als etabliert empfundenen gegenwärtigen Normen finden. Die Erklärung der kulturhistorischen Ursprünge führt dazu, dass normierend wirkende Wertvorstellungen als tatsächlich arbiträr aufgezeigt werden können.
Neben Wodaks diskurs-historischer Methode beeinflusst vor allem ihre Studie Disorders of Discourse (1996) die CDA. Darin untersucht Wodak die Missverständnisse und Misskommunikationen innerhalb institutionalisierten Kommunikationssituationen, die aufgrund der sozialen Ungleichheit zwischen den Gesprächsteilnehmern entstehen. Die Sprache der sozial Höherstehenden blieb in Wodaks Untersuchungen fast immer unverständlich für die sozial niedriger Stehenden. Die Formen der Misskommunikation wurden auf der Ebene von Arzt-Patienten- Gesprächen, gruppentherapeutischen Gesprächen, Diskussionen innerhalb eines Schulkomitees sowie durch die Analyse der Verständlichkeit von Medienbeiträgen untersucht. Wodak kommt zu dem Ergebnis, dass die “disorders of discourse” aufgrund der spezifischen institutionellen Ordnung entstehen, die das kommunikative Verhalten der Mitglieder der Institution sowie derjenigen, die mit ihnen interagieren, determiniert. Institutionelle Diskurse sind deshalb besonders anfällig für eine durch ein hohes Maß an Unverständnis gekennzeichnete, und dadurch gestörte Kommunikation. Wodaks Konklusion ist dennoch optimistisch: Grundsätzlich könne die Verständlichkeit der Kommunikation durch die Sensibilisierung der Gesprächspartner positiv beeinflusst werden.
Die am wenigsten verzerrte Kommunikation findet laut Wodak im Rahmen von Therapiegesprächen statt, weil diese Gespräche weder durch soziale Normen und Konventionen, noch durch die Interessen und das Machtungleichgewicht zwischen den Gesprächspartnern beeinträchtigt werden (Cf. Wodak 1996: 30).
Ruth Wodak ist gemeinsam mit Paul Chilton Herausgeberin der inzwischen 25 Bände umfassenden Reihe Discourse Approaches to Politics, Society and Culture.
1.2.4 Theo van Leeuwen: Social Semiotics
Theo van Leeuwen ist theoretisch von Hallidays Social Semiotics beeinflusst. Sein Ansatz ist multimodal, da er sich nicht auf die Analyse von gesprochener und geschriebener Sprache beschränkt, sondern alle Formen der kulturellen Bedeutungsgenerierung mit einbezieht. Dazu gehören neben Film und Musik auch die Analyse des semiotischen Aspekts von Alltagsgegenständen und alltäglichen Handlungen (Van Leeuwen 2005).
Van Leeuwen zeigt beispielsweise auf, dass Legitimation, wie jede Form der gesellschaftlichen Sinnstiftung, nicht auf die Möglichkeiten der gesprochenen und geschriebenen Sprache reduziert ist, sondern ebenso multimedial realisiert werden kann. Van Leeuwen (2007: 130) illustriert dies anhand der Anfangsszenen des Films Black Hawk Down. Hierin wird den Bildern durch die Verbindung mit Musik und Texteinblendungen eine moralische Qualität zugeschrieben, die das militärische Eingreifen der Amerikaner in Mogadischu heroisch konnotiert und dadurch moralisch und politisch legitimiert.
Für die theoretische Beschreibung diskursiver Praxen die der Legitimations-stiftung dienen, untersuchte van Leeuwen Texte, die sich auf unterschiedliche Weise mit der gesetzlich verordneten Schulpflicht auseinandersetzen. Die untersuchten Genres (Berichte, Erzählungen, Werbetexte, Ratgeber etc.) sind dabei ebenso divers wie ihre Adressaten (Lehrer, Eltern, Kinder, Leser etc.). Den Texten gemeinsam ist, dass sie alle den ersten Schultag thematisieren und dieses Ereignis nicht nur beschreiben, sondern auf verschiedene Weise legitimieren. Die Texte dienen folglich der Regulierung und Legitimation einer ganz bestimmten Institution. Die von van Leeuwen erstellten Legitimationskategorien sind dabei nicht auf den Kontext der Institution Schule beschränkt, sondern bieten ein Rahmenwerk für jegliche Analyse von diskursiven Legitimationsstrategien.
1.3 Begriffe und Thesen der Kritischen Diskursanalyse
Aufgrund der methodologischen und theoretischen Vielfalt der CDA stützt sich die folgende Beschreibung der CDA auf die von Fairclough und Wodak (1997; Wodak 1996) erarbeiteten Grundsätze der CDA. Diese Grundsätze werden einerseits als fundamental für die CDA erachtet, gleichzeitig erheben sie nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Dies verdeutlichet die Schwierigkeit der CDA: Eine umfassende kritische Diskursanalyse ist, zumindest im Rahmen dieser Arbeit, nicht zu leisten. Werden die Grundsätze dennoch in ihrer Breite vorgestellt, so dient dies zu allererst der Klärung einiger wichtiger Begriffe der CDA, die einer willkürlichen und vagen Begrifflichkeit vorbeugt und, wo möglich, auf die in dieser Arbeit durchgeführte Analyse voraus weist.
Die CDA beschränkt sich nicht auf die linguistische Analyse von Diskursen, sondern untersucht die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Problemen und Sprache. Die linguistische Analyse von diskursiven Ereignissen dient in der CDA daher nicht der Untersuchung von Sprache als solcher: “The focus is not upon language or the use of language in and for themselves, but on the partially linguistic character of social and cultural processes and structures.” (Fairclough/ Wodak 1997: 271)
Die Untersuchung sprachlicher Phänomene strebt die Offenlegung problematischer gesellschaftlicher Prozesse und Strukturen und ihrer diskursiven Realisierung an. Die Oberflächenstruktur des diskursiven Ereignisses wird mit dem Ziel untersucht, die dem sprachlichen Ereignis unterliegenden Konventionen, Normen und Gesetzmäßigkeiten zu untersuchen. Sprache wird dabei immer als sozial konstitutive und sozial konstituierte Handlung gesehen. Eine Trennung zwischen sozialer Handlung und sprachlicher Äußerung wird abgelehnt. Die Integration von Erkenntnissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen ist aus diesem Grund fundamental für die Erklärung problematischer gesellschaftlicher Phänomene.
Auf die gegenwärtige Betrachtung angewendet bedeutet dies die Untersuchung der Verbindung zwischen einem Sicherheitsdiskurs, der zu Ungunsten eines Menschenrechtsdiskurses ausgeweitet wird. Menschenrechte und Sicherheit werden so diskursiv miteinander verbunden. Das eine wird im politischen Diskurs der Bush-Administration als dem anderen hinderlich dargestellt. Dies führt zu Veränderungen, die nicht allein sprachlich sind, sondern Wahrnehmungen und politische Handlungsräume betreffen. Die politische Propaganda einer Regierung bildet so einen Teil einer veränderten, und vielfach als problematisch empfundenen, sozialen Realität auf der Diskurs-Ebene.
Die Analyse von Machtverhältnissen ist eines der Hauptziele der CDA. Das Konzept der Macht ist jedoch komplex und ohne einheitliche Definition. Macht soll daher im Sinne van Dijks (2001) verstanden werden:
[...] groups have (more or less) power if they are able to (more or less) control the acts and minds of (members of) other groups. This ability presupposes a power base of (privileged access to) scarce social resources, such as force, money, status, fame, knowledge, information, ‘culture’ or indeed various forms of public discourse and communication. (Ibid. 355)
Macht wird also vorrangig nicht als individuell gesehen, sondern als das Verhältnis zwischen sozialen Gruppen und ihrem Zugang zu Ressourcen, die Macht verleihen.
Diskursiv realisierte Machtstrukturen werden unterschieden in die Macht im Diskurs und die Macht über den Diskurs. Ersteres bezieht sich auf die zugrunde liegende hierarchische Organisation gesellschaftlicher Strukturen, wie etwa die Machtbeziehungen zwischen Politikern und Medien(vertreten). In einem Interview kann der Interviewer als machtvoll beschrieben werden, da er die Macht hat, das Gespräch zu lenken. Gleichzeitig ist im politischen Interview der Politiker den Fragen des Journalisten nicht hilflos ausgeliefert, sondern verfügt über eine Reihe rhetorischer Mittel, um selbst die Kommunikation zu lenken, Fragen auszuweichen oder zurückzuweisen.
Macht über den Diskurs zu haben, bedeutet im selben Kontext, dass in der Hierarchie hoch stehende Politiker Zugang zu allen Medien haben und durch die Auswahl des Mediums in einer privilegierten und dadurch dominanten Position sind. Die Macht über den Diskurs beschreibt darüber hinaus den Zugang zu Informationen. Auch hier sind hochrangige Politiker privilegiert, da sie über einen breiten Zugang zu Informationen verfügen und so Entscheidungen treffen können über die Preisgabe, Verschleierung und Beurteilung von Informationen. Für beide Formen der diskursiven Macht gilt, dass sie stetigen Verhandlungen zwischen den Interaktanten unterliegen, also nicht absolut sind: “both, the exercise of power in the ‘here and now’ of specific discursive practices and orders of discourse, are generally negotiated and contested processes.” (Fairclough/ Wodak 1997: 273)
In der vorliegenden Arbeit wird das Ringen um die Macht im Diskurs und die Macht über den Diskurs vor allem in den Pressekonferenzen sichtbar. Die Macht im Diskurs zeigt sich auf der Ebene der Pressekonferenzen darin, dass in allen hier ausgewählten Texten die Versuche der Regierungsmitglieder, unangenehmen Fragen auszuweichen, durch das Stellen mindestens einer weiteren Frage3 (‘follow-up-questions’) begegnet wurde.
Die Darstellung des Kontexts von Guantánamo zeigt zudem die Möglichkeit von Medienvertretern und Menschenrechtsgruppen, Macht über den Diskurs zu erlangen und dadurch die restriktive Informationsvergabe der Regierung teilweise zu beeinflussen. So wurde wiederholt die Herausgabe ursprünglich geheimer Regierungsdokumente erreicht, die eine alternative Sichtweise auf den Guantánamo-Diskurs ermöglichen und den Gegendiskurs stärkt.
Die Beziehung zwischen Diskurs und Gesellschaft wird von der CDA als dialektal angesehen:
[D]iscourse is socially constitutive as well as socially shaped: it constitutes situations, objects of knowledge, and the social identities of and relationships between people and groups of people. It is constitutive both in the sense that it helps to sustain and reproduce the social status quo, and in the sense that it contributes to transforming it. (Wodak/ Faiclough 1997: 258)
Diskurse konstituieren Realität und werden durch sie konstituiert. Dies bezieht sich auf jegliche Form von diskursiver Praxis, das bedeutet, der semiotische Aspekt aller gesellschaftlichen Handlungen, ob sprachlich oder nicht-sprachlich, ist relevant für die Erhaltung und Bewahrung, Veränderung und Zerstörung oder Schaffung von Realität. Dies gilt auch umgekehrt: Eine veränderte soziale Realität bringt eine Veränderung des Diskurses mit sich. Dabei werden vor allem drei Bereiche gesellschaftlichen Lebens als von Diskursen konstituiert angesehen: Repräsentationen der Welt, soziale Beziehungen zwischen Personen in der Welt und die soziale und private Identität dieser Personen. Für die Analyse des Guantánamo-Diskurses wird sowohl die Repräsentation der Welt sowie der in ihr handelnden Personen eine zentrale Rolle einnehmen, da die Strategien der Legitimationsstiftung zum Großteil auf der Darstellung sozialer Identität und sozialer Handlungen und den dadurch geschaffenen Bewertungen und Bedeutungen beruht.
Ideologien sind in der CDA nicht a priori negativ besetzt. Ideologie benennt nicht nur die Formen offensichtlicher Ideologien, wie beispielsweise die politische Ideologie einer bestimmten Partei oder die Ideologie von Umweltaktivisten. Vielmehr sind Ideologien tief in jegliche semiotische Handlung oder Äußerung eingeschrieben4. Sie konstituieren damit zu einem Großteil das, was wahrgenommen, gesagt und gedacht werden kann:
[...] Language, typically, is immersed in the ongoing life of society, as the practical consciousness of that society. This consciousness is inevitably a partial and false consciousness. We can call it ideology, defining ‘ideology’ as a systematic body of ideas, organised from a particular point of view. Ideology is thus a subsuming category which includes sciences and metaphysic, as well as political ideologies of various kinds, without implying anything about their status and reliability as guides to reality. (Hodge/ Kress 1993: 6)
Das Interesse der CDA gilt der Analyse von Machtstrukturen, die mittels ideologischer Grundannahmen bewusst gestützt werden, und unbewusst, etwa im alltäglichen, oftmals automatisierten, Sprachgebrauch, reproduziert werden. Ideologien werden als solche oftmals nicht erkannt und können erst durch eine kritische, und ebenso ideologisch geprägte Analyse, aufgedeckt werden. Ideologien werden immer dann als problematisch bewertet, wenn sie aktiv an der Produktion und Reproduktion von Machtungleichheit zwischen verschiedenen Gruppen beteiligt sind:
Ideologies are particular ways of representing and constructing society which reproduce unequal relations of power, relations of domination and exploitation. [...] Ideologies are often (though not necessarily) false or ungrounded constructions of society. (Fairclough/ Wodak 1997: 275) Ideologien sind darüber hinaus konstitutiv für jegliche Form der Identität: “Ideology, through its expression in various forms of discourse, constitutes who people are as thinking, experiencing social actors.” (Mumby 1997: 183f.)
In der politischen Sprache dienen Ideologien unter anderem dazu, auf einer breiten gesellschaftlichen Ebene Akzeptanz für bestimmte politische Programme zu stiften. Um die Wirkmacht von Ideologien zu untersuchen, ist die Einbeziehung der gesellschaftlichen Auswirkungen funktionaler ideologischer Diskurse unerlässlich: Eine Untersuchung des medialen Echos und der gesellschaftlich verbreiteten Meinungen über das ideologisch geprägte Thema sind Voraussetzung für die Analyse ideologischer Wirkmacht. Dies kann die gegenwärtige Analyse nicht leisten. Der Fokus der Untersuchung liegt daher auf der Erhellung zugrunde liegender Ideologien innerhalb der Produktion des Guantánamo-Diskurses sowie ihrer Funktion, nicht aber auf deren gesellschaftlichen Auswirkungen.5
Diskurse sind kontextuell eingebettet. Das bedeutet einerseits, dass das konkrete diskursive Ereignis nur unter Berücksichtigung des spezifischen gesellschaftlichen Kontexts verstanden werden kann: Ort und Zeitpunkt sowie Sprecher, Hörer und Adressaten einer sprachlichen Handlung bilden alle den unmittelbaren Kontext des diskursiven Ereignisses. Auf der Meta-Ebene meint Kontext darüber hinaus die historischen und kulturellen Faktoren, die für die Produktion und Rezeption von diskursiven Ereignissen konstitutiv sind:
Utterances are only meaningful if we consider their use in a specific situation, if we understand the underlying conventions and rules, if we recognize the embedding in a certain culture and ideology, and most importantly, if we know what the discourse relates to in the past. Discourses are always connected to other discourses which were produced earlier, as well as those which are produced synchronically and subsequently. In this respect, we include intertextuality as well as sociocultural knowledge within our concept of context. (Fairclough/Wodak 1997: 276)
Die Betonung der Relevanz der Historizität für das Verständnis des Diskurses führte zu Wodaks Entwicklung einer historisch-kritischen Methode der CDA (siehe Abschnitt 1.2.3). Generell ist die Einbettung diskursiver Handlungen in ihrem soziokulturellen und historischen Kontext von Bedeutung, da nur so die Erklärung bestimmter problematischer Phänomene erreicht werden kann. Für die vorliegende Untersuchung würde eine konsequente Aufarbeitung der historischen Variabeln mindestens eine Analyse des Gefängnis-, Terror- und Rechtsdiskurses der USA voraussetzen. Dies kann jedoch nicht geleistet werden. Stattdessen wird Guantánamo als Phänomen im Krieg gegen den Terror in seinen kulturellen und unmittelbaren historischen Kontext verortet.
Die Verbindung zwischen Diskurs und Gesellschaft bzw. Text und Kontext wird in der CDA nicht deterministisch betrachtet. Vielmehr wird eine Ebene der Vermittlung zwischen Text und Kontext benötigt, um eine wechselseitige Verbindung zwischen Diskurs und Gesellschaft zu etablieren. Diese Vermittlung kann auf verschiedene Arten erreicht bzw. erklärt werden. Einerseits meint Vermittlung die Verbreitung von Texten, zum Beispiel über die Medien, für die Faktoren wie Reichweite und Adressatenorientierung wichtig sind. Andererseits meint Vermittlung die im Forschungsüberblick beschriebenen Wirkungsweisen des Diskurses aufgrund von sozialen, historischen und kognitiven Faktoren.
Ein gegebener Text offeriert verschiedene mögliche Interpretationen, und wird von unterschiedlichen Rezipienten unterschiedlich interpretiert. Um über die individuelle Textinterpretation hinaus zu einem kritischen Textverständnis zu gelangen, sind Informationen über den Kontext des Texts wichtig, da so die Heterogenität des Textverständnisses eingegrenzt werden kann. Der Text soll jedoch nicht nur interpretiert, sondern auch erklärt werden. Dies bezieht sich auf eine systematische Analyse des Texts. Die Interpretation und Erklärung eines Textes ist jedoch weder als einzig mögliche noch als abgeschlossen zu verstehen: “The interpretations and explanations are never finished and authoritative; they are dynamic and open, open to new contexts and new information.” (Fairclough! Wodak 1997: 279)
Der letzte von Fairclough und Wodak erarbeitete Grundsatz korrespondiert mit der zuvor angesprochenen Zielsetzung der Anwender der CDA: An die Stelle wissenschaftlicher Neutralität tritt eine aktive Positionierung zu einem gesellschaftlichen Problem mit der Absicht, auf Diskurse und den gesellschaftlichen Kontext einzuwirken. Dass dies kein reines Lippenbekenntnis der Kritischen Diskursanalytiker ist, verdeutlichen Wodak und Fairclough, indem sie aufzeigen, wie die Diskursanalyse zu gesellschaftlichen Veränderungen beigetragen hat (Cf. Fairclough! Wodak 1997: 280).
2. Guantánamo Bay: Politischer und Rechtlicher Kontext
Die vorliegenden Untersuchung des Guantánamo-Diskurses schließt die Beschreibung des historischen Hintergrunds mit Beginn des 11. Septembers 2001 ein und zeigt, inwieweit die diskursive Bedeutungsgenerierung dieses Ereignisses dazu dienen sollte, die nachfolgenden Handlungen der Bush-Administration zu legitimieren.
2.1 Der 11. September - eine Kriegserklärung
Die USA befinden sich seit den Anschlägen auf New York und Washington am 11. September 2001 im ‚Krieg gegen den Terror’. Am 24. September verhängte Präsident George Bush jun. den bis heute andauernden Ausnahmezustand über die Nation.6 Die Terrorabwehr ist seitdem eines der erklärten Hauptziele der Politik der Bush-Administration. Im Folgenden wird aufgezeigt, dass den Begriffen ‚Krieg’ und ‚Terror‘ in diesem Zusammenhang keine klare Definition zugrunde liegt, was dazu führt, dass sie in irrationaler und „aufrührerischer“ Weise gebraucht werden (Cf. Nathanson 2004: 3).
Obwohl die Anschläge des 11. Septembers terroristisch motivierte Angriffe auf die USA darstellen, wurden sie von Präsident Bush als “acts of war” bezeichnet. Dies ist irreführend, da Terrorismus und Krieg zumindest im rechtlichen Sinn distinkte Kategorien sind.7 Als verbindendes Merkmal lässt sich die Ausübung physischer und psychischer Gewalt feststellen. Das bedeutet, dass Krieg und Terrorismus sich nicht notwendig in ihren Folgen, nämlich Zerstörung, Angsterzeugung, Traumatisierung, Verletzung und Tötung von Menschen etc., unterscheiden, sondern in ihrer Intention. Während Terrorismus gezielt Zivilisten angreift, müssen Zivilisten nach internationalem Recht in einem Krieg möglichst geschützt werden. Kriegshandlungen sollen ausschließlich zwischen Kombattanten stattfinden, damit Zivilisten keine unmittelbare Bedrohung für die Kombattanten darstellen und deshalb auch nicht von ihnen angegriffen werden (Cf. Gill/van Sliedregt 2005: 31). Werden dennoch Zivilisten getötet, gelten sie als Kollateralschaden. Der Begriff ‚Kollateralschaden’ ist ein militärischer Terminus der verhüllend wirkt und daher als euphemistisch zu bewerten ist. Der Terminus weist auch darauf hin, dass die Tötung
von Zivilisten in kriegerischen Auseinandersetzungen nicht als Mord begriffen wird, da sie als unerwünschte Begleiterscheinung der eigentlichen Kampfhandlungen gilt. Dies führt zu der unterschiedlichen moralischen und rechtlichen Bewertung der Tötung von Menschen während Kriegshandlungen. Offensichtlich können Terrorismusopfer nicht als Kollateralschaden gelten, da terroristische Gewalt sich gegen Zivilisten richtet und im Unterschied zur Gewalt legitimer Kriegshandlungen als ‚blind’ angesehen wird. Auf die Unterscheidung zwischen legalen Kombattanten, also Angehörige des Militärs, und illegalen Kombattanten, zu denen Mitglieder Al-Kaida und Taliban-Kämpfer gezählt werden, wird im zweiten Abschnitt noch einzugehen sein, da sie für den rechtlichen Status von Gefangenen im ‚Krieg gegen den Terror’ bedeutsam ist.
Die Motivation von Terroranschlägen ist in der Regel politisch. Der kommunikative Aspekt eines Anschlags überwiegt daher gegenüber dem Ausmaß seiner Zerstörung (Cf. Nathanson 2004: 10). Terrorismus wird üblicherweise nicht von (demokratischen) Regierungen ausgeübt. Somit verfügen Terroristen nicht über dieselben Kampfmittel wie Staaten. Terrorismus wirkt eher durch punktuelle Angriffe wie etwa Autobomben, Entführungen etc. Diese Art der Gewalt kann deshalb nicht mit den umfassenden, eventuell auf lange Zeit hin ausgerichteten und von Regierungen gesteuerten, militärischen Kriegshandlungen verglichen werden. Terrorismus versucht vorrangig, durch die Tötung oder Verletzung einiger Menschen, Macht über eine größere Gruppe von Menschen auszuüben, indem er ihr Verhalten, vor allem durch die Erzeugung von Angst, zu verändern trachtet (Cf. Nathanson 2004: 7). Der Vergleich mit einem Kriegsangriff resultiert also nicht aus den Zielen der Anschläge des 11. Septembers, sondern aus den Kampfmitteln, die für die Anschläge gewählt wurden sowie dem Ausmaß der Zerstörung:
The 9/11 attackers certainly upped the ante in death and destruction by using larger passenger airplanes as explosive missiles and hitting targets that were themselves large and heavily populated. As terrorists acquire more powerful weapons, their attacks will look more like traditional acts of war. (Nathanson 2004: 12)
Folglich wirkten die Anschläge des 11. Septembers, sowohl auf die Menschen am so genannten ‚Ground Zero’, als auch auf die Fernsehzuschauer, denen durch eine Live-Schaltung die Anschläge unmittelbar medial vermittelt wurden, wie ein Kriegsangriff.
Dennoch ist die Anwendung des Begriffs ‚Krieg‘ aufgrund der oben genannten Gründe für die Beschreibung der Anschläge nicht zutreffend, da sie den
Kriegsbegriff auf den Terrorismus ausweitet. Die Unterscheidung zwischen Terrorismus und Krieg ist jedoch gerade für demokratische Staaten bedeutsam, da sie reglementierte, internationalen Abkommen folgende und somit ‚legitimierte’ Kriegshandlungen und den als illegitim geltenden Terrorismus voneinander abgrenzt. Diese Grenze kann nur im Sinne von demokratischen Nationen sein, da sie sich sonst selbst des Terrorismus und der Illegitimität schuldig machen könnten.8
Die theoretische und rechtliche Unterscheidung von Terrorismus und Krieg bleibt also im Sinne eines internationalen Staatenbündnisses, das Kriegshandlungen zu Gunsten von diplomatischen Verhandlungen prinzipiell zu vermeiden versucht und im Falle eines Krieges die Auswirkungen der Gewalt auf ein Minimalmaß zu begrenzen versucht.9
2.2 Anti-Islamismus im ‚Krieg gegen den Terror’
Obwohl die “acts of war” nicht als Kriegshandlungen im traditionellen Sinne verstanden werden können, führten sie dazu, dass in der Reaktion auf sie dem Terrorismus der Krieg erklärt wurde. Auch wurde dadurch festgelegt, dass nicht das Strafrecht sondern das Kriegsrecht auf den Konflikt mit den Terroristen angewendet werden würde.
Der ‚Krieg gegen den Terror’ vertauscht in gewisser Weise die Rollen von Tätern und Opfern. Waren die USA für kurze Zeit Opfer von kriegerischen Handlungen geworden, wurden sie nun selbst zu Angreifern. Hierbei kann der Begriff ‚Krieg’ zumindest teilweise akzeptiert werden, da im Zuge des ‚Kriegs gegen den Terror’ Afghanistan und Irak Ziele von tatsächlich militärisch geführten Kriegshandlungen wurden. Die Verwendung des Begriffs ‚Terrorismus’ ist allerdings im Zusammenhang mit dem ‚Krieg gegen den Terror’ problematisch.10 Es handelt sich in diesem konkreten Fall um eine internationale Form des Terrorismus, der weder geographische noch zeitliche Grenzen hat, da der islamistische Terrorismus nicht nur von einer einzelnen Volksgruppe ausgeht, noch nur ein Ziel beinhaltet.
Die vermuteten Urheber der Anschläge des 11. Septembers, die Al Kaida11 und ihr Anführer, der Saudi Usama Bin Laden, gelten als Kern der Terrorbewegung und werden als zentraler Gegner im ‚Krieg gegen den Terror’ propagiert. Die Al Kaida ist eine seit langem bekannte terroristische Organisation; ihr Anführer Bin Laden verbreitet wiederholt anti-amerikanische Botschaften und ruft zur Tötung von US-Amerikanern auf. Über die genaue Organisation sowie die Struktur der Al Kaida herrscht jedoch Unklarheit. Dennoch wurde die Al Kaida nach dem 11. September zum Synonym für die Gesamtheit des islamistischen Terrorismus. Dabei wird nicht anerkannt, dass der Islam und mit ihm auch islamistische Terroristen keine homogene Gruppe bilden. Heine sieht im undifferenzierten Umgang mit dem Islam den Ausdruck eines „Generalverdacht[s] gegen Muslime“ (Heine 2001: 7) sowie die „generelle Verteufelung des Islam“ (Ibid. 8). Auch von anderer Seite wird den USA Antiislamismus vorgeworfen:
Der antiislamische Charakter des „Kampfes gegen den Terrorismus“ hat verschiedene Erscheinungsformen. Eine ist die direkte oder indirekte Gleichsetzung des Terrorismus mit muslimischen Gruppen und dem Islam. Hier bedeutet der „Kampf gegen den Terrorismus“ Kampf gegen muslimische terroristische Organisationen. Solche Organisationen bilden die Mehrheit in der vom US-Außenministerium veröffentlichten Liste internationaler Terrororganisationen. [...] Kontrollen an den Grenzübergängen und in den Konsulaten werden am strengsten gegen Muslime durchgeführt. Einreisevisa für die USA sind für Männer aus einer großen Zahl von arabischen und muslimischen Ländern schwer zu bekommen. Die Sicherheitsbehörden in den USA überprüfen die Araber und Muslime am schärfsten. (Bakr et al. 2003: 12f.)
Die Verwendung der Begriffe ‚Terrorismus’ und ‚Terrorist’, vor allem in ihrem gegenwärtigen, ausschließlich den islamistisch motivierten Terrorismus benennenden, Gebrauch, ist folglich diffus. Selbst der islamistische Terrorismus kann, ob seiner heterogenen Struktur, nicht als eindeutiges Ziel bestimmt werden. Dasselbe gilt für die Gefahr, die von ihm ausgeht. Die daraus resultierende Unsichtbarkeit der Gefahr verstärkt einerseits die Angst vor ihrer Wirkung, zeigt aber auch, dass der ‚Krieg gegen den Terror’ kein klares Ziel beinhaltet. Dies führt zur eigentlichen Problematik dieses nominalen ‚Krieges’: Er kann nur universal geführt werden und ist dadurch weder geographisch noch zeitlich begrenzt. Die juristischen und politischen Veränderungen, die dieser Krieg mit sich führt, sind auf innen- wie außenpolitischer Ebene so umfassend und weitreichend, dass sie hier weder im Detail besprochen, noch in ihrer Gesamtheit skizziert werden könnten.12
Obwohl die komplexe Problematik eines international operierenden islamistischen Terrorismus erkannt wird und eine aggressive Reaktion auf den verschiedensten Ebenen auf die von ihm ausgehende Bedrohung erfolgt, wird der ‚Terrorismus’ von der Bush-Administration als eine kohärente Kategorie propagiert. Diese widersprüchliche Vorgehensweise ist als zweckdienlich zu betrachten, da sie die Möglichkeit schafft, eine Vielzahl unterschiedlicher Gegenmaßnahmen aufgrund von sicherheitspolitischen Bedenken zu rechtfertigen und gleichzeitig die Problematik zu simplifizieren. Indem der Terrorismus als Entität dargestellt wird, die gezielt bekämpft werden kann, wird Terrorismus als etwas Konkretes, Greifbares stilisiert, das er aufgrund seiner oben aufgeführten Komplexität und somit Nichtgreifbarkeit nicht sein kann. Die Verwendung des Begriffs ‚Terrorismus’ kann in diesem Zusammenhang nur als populistisch verstanden werden:
A lack of clarity about the nature of terrorism permits the word terrorism to be used in an inflammatory way, one that is an obstacle to both intellectual understanding and intelligent action. Likewise, a lack of clarity about the basis of moral criticisms of terrorism results in moral judgements that are widely seen as hypocritical and self-serving. (Nathanson 2004: 3)
Das Fehlen einer präzisen Definition von Terrorismus führt folglich zu einem undifferenzierten Umgang mit dem Begriff ‚Terrorismus’, der wiederum den Mangel an Klarheit über das zugrunde liegende komplexe strukturelle Problem verdeckt. Statt einer klaren Definition findet eine umfassende Verurteilung des Terrorismus statt, die eine Trennung zwischen ‚Terroristen’ und ‚normalen’ Menschen vornimmt. Terroristen werden als grausamer als andere Menschen beschrieben und müssen deshalb auch anders bzw. härter bestraft werden als andere Straftäter. Die Betonung der besonderen moralischen Verwerflichkeit terroristischer Gewalt und ihres als ‚teuflisch’ beschriebenen Charakters führt im gegenwärtigen Konflikt letztlich dazu, dass Terroristen, und vermeintlichen Terroristen, fundamentale Menschenrechte verweigert werden Die juristischen Voraussetzungen für die Schaffung von Gefängnissen außerhalb der USA, insbesondere des Gefangenenlagers Guantánamo Bay sowie die daraus resultierenden Probleme sind Gegenstand des folgenden Abschnitts.
2.3 Die Internierung Terrorverdächtiger
Die Internierung terrorverdächtiger Personen auf dem US-Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba ist moralisch, rechtlich und politisch umstritten. Die Schließung des Gefängnisses wurde unter anderem von Amnesty International (Mai 2005), den Vereinten Nationen (Februar 2006) sowie der Europäischen Union (Mai 2006) gefordert. Seit Januar 2002 sind dort zwischen 500 bis über 600 Menschen aus ungefähr 35 verschiedenen Staaten interniert.13 Dass sich die Beschränkung der Freiheitsrechte Terrorverdächtiger in der Folge des 11. Septembers auch auf US-Bürger auswirkte, zeigte sich an der „Inhaftierungswelle, die es in einem solchen Ausmaß seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr gegeben hatte“ (Schild 2003: 323). Ungefähr 1200 US-Bürger ausländischer Herkunft wurden festgenommen. Die Inhaftierten waren „zumeist männliche Moslems arabischer oder südasiatischer Herkunft“ (Amnesty International 2003: 618). Die Häftlinge wurden bis September 2002 größtenteils wieder freigelassen bzw. ausgewiesen, ihre Namen blieben jedoch geheim (Cf. Koydl 2002). Da diesen Häftlingen „keine konkreten Tatvorwürfe im Zusammenhang mit den Ereignissen des 11. September 2001 gemacht wurden“ (Schild 2003: 333), wird diese Form der „Präventivhaft“ (Chang 2004: 80) als rassistisch motiviert kritisiert.14
Im Zuge des Afghanistan-Krieges wurden die ersten Häftlinge nach Guantánamo Bay überführt. Sie waren während Auseinandersetzungen zwischen US-Truppen und den Taliban festgenommen worden oder gegen ein Kopfgeld an die amerikanischen Truppen ausgeliefert wurden. Die Internierung Gefangener auf dem Marinestützpunkt Guantánamo wurde von Anfang an kritisiert. Die Bilder aus dem so genannten Camp X-Ray zeigten orange gekleidete Männer, die in 1,80 Meter mal 2,40 Meter (Steyn 2003: 7) großen Drahtkäfigen saßen oder in Fesseln über das Gelände geführt wurden. Zudem trugen sie Taucherbrillen, Mützen, Handschuhe und Ohrenschützer (Pastouna 2005: 84). Inzwischen wurde Guantánamo ausgebaut und erweitert. Das so genannte Camp Delta besteht seit dem 28. April 2002. Seit Dezember 2006 wird ein neuer Hochsicherheitstrakt für 178 Gefangene genutzt (Cf. N.N. Verschärfte Haft). Guantánamo wurde somit von einem provisorischen Gefangenenlager zu einem fest installierten Hochsicherheitsgefängnis weiter entwickelt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes ist die einzige Organisation, die dazu berechtigt ist, die Häftlinge auf Guantánamo zu besuchen und mit ihnen zu sprechen. Es verpflichtet sich im Gegenzug dazu, die Situation der Häftlinge streng vertraulich zu behandeln. Ein inoffizielles Dokument des IKRK gelang im November 2004 dennoch an die Öffentlichkeit. Darin heißt es, die Behandlung der Internierten sei mit Folter gleichzusetzen.15
Die Military Tribunals, die Präsident Bush für Guantánamo-Häftlinge autorisierte, stellen ein eigenes Gerichtssystem auf Guantánamo dar, das sich dem Zugriff jeglicher anderer Rechtsnorm entzieht. Im Folgenden werden die rechtlichen Veränderungen dargestellt, die die Internierung Gefangener außerhalb der Jurisdiktion der USA und des Schutzes der Genfer Konventionen ermöglichten.
Für terrorverdächtige Nicht-US-Bürger legte die Militärorder vom 13. November 2001 fest, dass sie an einem vom Verteidigungsministerium gewählten Ort fest - gehalten werden könnten, unter Haftbedingungen, die das Verteidigungsministerium bestimmt. Anklagen sowie Verfahren gegen die Häftlinge sollen allein den eigens für Guantánamo eingesetzten Militärtribunalen obliegen. Den Häftlingen ist es außerdem untersagt, Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen bzw. gerichtlich gegen ihre Inhaftierung vorzugehen (Cf. Danner 2004: 78ff.). Der Oberste Gerichtshof der USA entschied im Juni 2004, also über zwei Jahre nach den ersten Inhaftierungen in Guantánamo, dass die Gefangenen gegen diese Form der präventiven Haft klagen können (Cf. Center for Constitutional Rights 2006: 1f.).16
Erst dem Urteil des Obersten Gerichtshofs wurden folglich die so genannte Combatant Status Review Tribunals eingesetzt. Sie untersuchen, ob ein Terror-verdächtiger als unlawful combatant eingestuft werden kann, jedoch nicht ob er ein Kriegsgefangener im Sinne der Genfer Konventionen ist. Die Frage, ob die Tribunale trotzdem den Genfer Konventionen entsprechen, bleibt juristisch umstritten (Cf. Blocher 2006: 670; Aldrich 2002: 205). Bis zu diesem Urteil hatte es überhaupt keine offiziellen Tribunale zur Überprüfung des Status der Gefangenen gegeben, sondern eine kollektive Vor-Verurteilung. Präsident Bush stellte in einem Memorandum vom 7. Februar fest, dass weder Mitglieder der Al Kaida noch die Taliban Kriegsgefangenen-Status erhalten, sondern als unlawful combatants behandelt werden. Dieser Entscheidung waren Überlegungen vorausgegangen, ob terrorverdächtige Gefangene als Kriegsgefangene im Sinne der Genfer Konventionen gelten könnten. Der Zurückweisung der Genfer Konventionen und ihrer Anwendung im ‚Krieg gegen den Terror’ stand allein Colin Powell, damals Außenminister der USA, entgegen (Memorandum Powell, Cf. Danner 2004: 88f.). Präsident Bush entschied sich trotz Powells Bedenken gegen die Anwendung der Genfer Konventionen im ‚Krieg gegen den Terror’.17
Die Genfer Konventionen von 1949 lassen eine Differenzierung zwischen Zivilisten, Kombattanten und illegalen Kombattanten zu.18 Der Terminus unlawful
combatant ist in ihnen allerdings nicht enthalten. Sie enthalten lediglich die Möglichkeit, dass ein Häftling kein Prisoner of War (POW) ist. Die überarbeiteten Formen der Genfer Konventionen sehen diese Möglichkeit nicht mehr vor. Die USA weigerten sich allerdings bisher, die Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen zu ratifizieren. Das Argument, die Genfer Konventionen könnten auf den gegenwärtigen Konflikt nicht angewendet werden, weil sie aus einer Zeit stammen, die sich mit der heutigen Situation nicht vergleichen lässt, ist demnach unglaubwürdig und fadenscheinig, da die Genfer Konventionen kein in Stein gemeißeltes Dokument darstellen.
2.4 Guantánamo - Ein Rechtssystem außerhalb des Rechts
Die Urteilssprechung auf Guantánamo obliegt so genannten Military Tribunals. Sie sind keine gewöhnlichen Militärgerichte, sondern Gerichtsinstanzen, die eigens für die Verfahren auf Guantánamo und in anderen Geheimgefängnissen19 geschaffen wurden. Ihre Verfahrensweise unterscheidet sich grundlegend von etablierten Rechtsnormen, da sie unter anderem Hörensagen als Beweismittel ohne weitere Überprüfung anerkennen (Cf. Butler 2005: 88f.) und das Recht auf Rechtsbeistand sowie ein ordentliches Gerichtsverfahren missachten. Diese Form des Gerichtswesens ist kafkaesk20 und entzieht sich gänzlich den Normen des etablierten Rechtswesens:
Wir sehen tatsächlich einen Versuch, ein sekundäres Justizsystem zu schaffen, sowie einen Bereich außergesetzlicher Haft einzurichten, der praktisch das Gefängnis selbst als eine außergesetzliche Sphäre erzeugt, welche von der außergerichtlichen Gewalt des Staates aufrechterhalten wird. (Butler 2005: 111f.)
[...]
1 Die Definition von „Text“ ist in der CDA sehr breit: “We might say that any actual instance of language in use is a ‘text’- though even that is too limited, because texts such as television programmes involve not only language but also visual images and sound effects.” (Fairclough 2003, 3)
2 Für eine kritische Perspektive auf das Verhältnis zwischen kognitiven Prozessen und der Etablierung von Rassismus unabhängig von sozialen Faktoren siehe Chilton (2005).
3 Zur Bedeutung des Nachhakens während Pressekonferenzen siehe Clayman (1993, 161).
4 Siehe hierzu beispielsweise Van Leeuwens Überlegungen zu Alltagsbewegungen wie “to walk” und deren mögliche semiotische Bedeutungen (2005, 4).
5 Hier kann lediglich darauf verwiesen werden, dass Statistiken erhoben wurden, die einen starken Anstieg rassistischer Gewalttaten nach dem 11. September gegen „muslimisch“ aussehende Menschen verzeichnen (Cf. Richardson 2004, 31).
6 Erklärung des Präsidenten vom 24.09.2001: “President Declares National Emergency“.
7 Für eine Gegendarstellung siehe Taft, William (2006).
8 Ein Vorwurf, der von Noam Chomsky gegen die USA und andere westliche Staaten wiederholt hervorgebracht wurde (Cf. Chomsky 2004, 2006).
9 Für eine philosophiegeschichtliche Diskussion der Kriterien für einen „gerechten Krieg“ siehe Orend (2005).
10 Heine (2001, 118f.) unterscheidet zwischen „alten“ und „neuen Terroristen“: Die neuartige Form des Terrorismus ist gekennzeichnet durch weltweites Agieren (im Gegensatz zu regional begrenzten Operationen), gezielt hohe Opferzahlen, die großzügige Ausstattung mit finanziellen Mitteln durch legale und illegale Geschäftsbeziehungen, sowie die Verbindungen der Terroristen zu legalen Organisationen. Grundsätzlich „geht man in Bezug auf die „neuen Terroristen“ von einem wachsenden Bedrohungspotential aus“ (Ebd.).
11 In wie weit Al- Kaida tatsächlich ein kohärentes, weltweit agierendes Terrornetzwerk ist, bleibt umstritten. Während Al Kaida in den Medien und der politischen Sprache zum Synonym für den organisierten islamistischen Terrorismus geworden ist, zeichnet beispielsweise Jason Burke in Al Qaeda. The True Story of Radical Islam ein weitaus differenzierteres und komplizierteres Bild des islamistischen Terrorismus, in dem Al Kaida einen Teil des islamischen Fundamentalismus bildet, jedoch keineswegs als allumfassende Organisation gelten kann.
12 Unter anderem führte der ‚Krieg gegen den Terror’ zur Schaffung eines eigenen Ministeriums für Heimatschutz sowie zur die Inkraftsetzung eines 400 Seiten umfassenden, komplexen Gesetzestext, den so genannten USA PATRIOT Act, (ein Akronym für „Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required To Intercept and Obstruct Terrorism Act”) der am 21.10.2001 vom Kongress verabschiedet wurde. Außenpolitisch richtet sich die Terrorismusbekämpfung vor allem gegen Länder, die entweder Terroristen Zuflucht gewähren (Afghanistan) oder, wie im Falle des Irak, im Verdacht stehen, mit ihnen zu kollaborieren. Diese Form des auf Verdacht geführten Krieges („preemptive war“) ist umstritten, da sie den oben genannten Kriterien legitimer Kriegsführung widerspricht, Konfliktlösungen vorrangig auf diplomatischer Ebene anzustreben und als Bruch des Völkerrechts bewertet wird (Bakr et al. 2003, 9;14). Stattdessen folgt die Bush-Administration „einer neuen Verteidigungskonzeption, nach der Bedrohungen der Vereinigten Staaten bereits im Ansatz militärisch bekämpft werden.“ (Schild 2003, 330)
13 Über 600 Menschen waren laut dem Amnesty International Jahresbericht 2003 auf Guantánamo interniert. Der Jahresbericht von 2006 nennt noch ungefähr 500 Gefangene. Die Berichte beziehen sich jeweils auf das vorangegangene Jahr. Die US-Regierung verweigert die Herausgabe offizieller Daten zu den Inhaftierten (Cf. Wieser 2006, 11).
14 Die Präventivhaft wurde in den USA das letzte Mal während des Zweiten Weltkriegs angewandt, als 120.000 Personen japanischer Herkunft zwangsweise in Lagern festgehalten und dannach aus den USA ausgewiesen wurden. Die Lagerhaltung auf Verdacht und die nachfolgende Ausweisung mehrerer Zehntausend Menschen stellt einen rassistisch motivierten Menschenrechtsverstoß dar (Cf. Schild 2003, 335, 343).
15“The International Committee of the Red Cross has charged in confidential reports to the United States government that the American military has intentionally used psychological and sometimes physical coercion "tantamount to torture" on prisoners at Guantánamo Bay, Cuba.” (Lewis, Neill: The New York Times, 29.11.2004)
16 Siehe dazu aus dem Urteil des Obersten Gerichtshofs im Fall Hamdi vs. Rumsfeld: “United States courts have jurisdiction to consider challenges to the legality of the detention of foreign nationals captured abroad in connection with hostilities and incarcerated at Guantanamo Bay.” (Hamdi vs. Rumsfeld). Im Fall Rasul vs. Bush entschied das Gericht ebenfalls, dass gegen die Haft gerichtlich vorgegangen werden könne: “Although Congress authorized the detention of combatants in the narrow circumstances alleged here, due process demands that a citizen held in the United States as an enemy combatant be given a meaningful opportunity to contest the factual basis for that detention before a neutral decision maker.” (Rasul vs. Bush).
17 Memorandum des Präsidenten vom 07.02.2002: „a. I accept the legal conclusion of the Department of Justice and determine that none of the provisions of Geneva apply to our conflict with al Qaeda in Afghanistan or elsewhere throughout the world because, among other reasons, al Qaeda is not a High Contracting Party to Geneva.
b. I accept the legal conclusion of the Attorney General and the Department of Justice that I have the authority under the Constitution to suspend Geneva as between the United States and Afghanistan, but I decline to exercise that authority at this time. Accordingly, I determine that the provisions of Geneva will apply to our present conflict with the Taliban. I reserve the right to exercise this authority in this or future conflicts.
c. I also accept the legal conclusion of the Department of Justice and determine that common Article 3 of Geneva does not apply to either al Qaeda or Taliban detainess, because, among other reasons, the relevant conflicts are international in scope and common Article 3 applies only to “armed conflict not of an international character.”
d. Based on the facts supplied by the Department of Defense and the recommendation of the Department of Justice, I determine that the Taliban detainees are unlawful combatants and, therefore, do not qualify as prisoners of war under Article 4 of Geneva. I note that, because Geneva does not apply to our conflict with al Qaeda, al Qaeda detainees also do not qualify as prisoners of war.” (Zitiert nach Danner 2004, 105f.)
18 Artikel 4 der Genfer Konventionen von 1949, der von der Bush-Administration wiederholt für die Rechtfertigung ihrer fragwürdigen Entscheidung zitiert wurde, legt für den Status Kriegsgefangener unter anderem fest: “Prisoners of war, in the sense of the present Convention, are persons belonging to one of the following categories, who have fallen into the power of the enemy: (2) Members of other militias and members of other volunteer corps, including those of organized resistance movements, belonging to a Party to the conflict and operating in or outside their own territory, even if this territory is occupied, provided that such militias or volunteer corps, including such organized resistance movements, fulfil the following conditions:[ (a) that of being commanded by a person responsible for his subordinates; (b) that of having a fixed distinctive sign recognizable at a distance; (c) that of carrying arms openly; (d) that of conducting their operations in accordance with the laws and customs of war.” (Genfer Konventionen von 1949)
19 Am 6. September 2006 gab Präsident Bush zum ersten Mal offiziell die Existenz weiterer Geheimgefängnisse” zu: “In some cases, we determine that individuals we have captured pose a significant threat, or may have intelligence that we and our allies need to have to prevent new attacks. Many are al Qaeda operatives or Taliban fighters trying to conceal their identities, and they withhold information that could save American lives. In these cases, it has been necessary to move these individuals to an environment where they can be held secretly [sic], questioned by experts, and -when appropriate -- prosecuted for terrorist acts.” („President Discusses Creation of Military Commissions to Try Suspected Terrorists”)
20 David Pannick, Anwalt eines Terrorverdächtigen, vergleicht die Situation seines Mandaten mit der Joseph Ks in „Der Prozeß“: “David Pannick QC, for Kadi, said his client was in a Kafkaesque situation where he faced serious accusations without any explanation. "One is close to the position in Kafkas novel The Trial, where Josef K is penalised for reasons that are never explained to him. Mr Kadi is accused of the gravest of offences in relation to international terrorism but those making the allegations are simply not prepared to tell him anything about the nature of the case against him." (The Telegraph, 12.11.2001)
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