Ausgehend von Krafft-Ebings Psychopathia Sexualis, finden sich bis heute einige dutzend wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Nekrophilie. Meist liegen diese in Form kurzer Aufsätze oder Artikel vor. Eine einzige knappe quantitative Studie zur
Nekrophilie liefern Jonathan Rosman und Peter Resnick (1989). Das vorhandene Material lässt sich grob in drei Typen gliedern: psychoanalytische Fallanalysen, Verhaltensanalysen
und medizinische Einordnungsversuche. Eine einheitliche Definition
des Phänomens fällt anhand der wenigen und diesbezüglich uneinheitlichen Texte schwer. Ich möchte daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine primäre Unterscheidung von latenter und manifester Nekrophilie einführen. Als latent nekrophil sollen
erotische Phantasien in Verbindung mit dem Tod oder Leichen, aber auch sexuelle Handlungen, die symbolisch auf den Tod verweisen, bezeichnet werden. Hierzu gehört beispielsweise das lustvolle Totstellen beim Koitus, die Bevorzugung schlafender
Sexpartner (sleepy sex), die Erotisierung von Särgen, bleichem Make-up und dergleichen mehr. Tatsächliche sexuelle Handlungen mit und in Gegenwart von Leichen, sei dies in Form von Onanie, Streicheln, Küssen, Koitus, Nekrophagie oder Verstümmelungen sollen jedoch als manifest nekrophil gekennzeichnet werden. Das
Gros der verfügbaren Literatur beschäftigt sich fast ausschließlich mit manifest nekrophilen Phänomenen. Dagegen scheinen Beispiele latenter Nekrophilie von höherer
soziologischer Relevanz zu sein, da hier soziales Handeln in stärkerem Maße interpretierbar wird. Ziel dieser Arbeit ist die Interpretation nekrophiler Handlungen als soziale Handlungen, wobei eine möglichst hohe Bandbreite an Dimensionen der
Nekrophilie, wie sie in der Fachliteratur präsentiert werden, angerissen werden soll.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Definition von Nekrophilie: Latent und Manifest
- Nekrophilie und das deutsche Rechtssystem (§168 StGB)
- Institutionelle Verankerung von Moralvorstellungen: Medizin und Recht
- Magnus Hirschfelds Ansatz: Echte und Nekrophilie der günstigen Gelegenheit
- Abergläubische Nekrophilie: Kulturgeschichtliche Beispiele
- Hirschfelds Definition und deren Schwierigkeiten
- Stammesgeschichtliche Erklärung Hirschfelds
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit interpretiert nekrophile Handlungen als soziale Handlungen und beleuchtet dabei eine breite Palette an Dimensionen der Nekrophilie, wie sie in der Fachliteratur präsentiert werden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Unterscheidung zwischen latenter und manifester Nekrophilie sowie deren soziologischer Relevanz.
- Definition und Abgrenzung latenter und manifester Nekrophilie
- Rechtliche Relevanz und moralische Tabuisierung von Nekrophilie
- Institutionelle Verankerung von Moralvorstellungen in Medizin und Recht
- Analyse des Ansatzes von Magnus Hirschfeld zur Erklärung von Nekrophilie
- Kulturgeschichtliche Beispiele abergläubischer Nekrophilie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und beschreibt den Forschungsstand. Der folgende Abschnitt definiert Nekrophilie, indem er zwischen latenter und manifester Nekrophilie unterscheidet. Es folgt eine Analyse der rechtlichen Situation in Deutschland und der moralischen Tabuisierung. Die Rolle der Medizin und des Rechts bei der institutionellen Verankerung von Moralvorstellungen wird beleuchtet. Der Ansatz von Magnus Hirschfeld wird vorgestellt, inklusive der Unterscheidung zwischen „echter Nekrophilie“ und „Nekrophilie der günstigen Gelegenheit“. Diverse kulturgeschichtliche Beispiele abergläubischer Nekrophilie werden angeführt. Schließlich werden die Stärken und Schwächen von Hirschfelds Definition diskutiert.
Schlüsselwörter
Nekrophilie, latente Nekrophilie, manifeste Nekrophilie, §168 StGB, Magnus Hirschfeld, Moralvorstellungen, soziale Handlung, Kulturgeschichte, Recht, Medizin, Abergläube.
- Quote paper
- Sebastian Theodor Schmitz (Author), 2009, Abriss einer Soziologie der Nekrophilie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125626