Carl Sternheim schuf seinen Komödienzyklus „Aus dem bürgerlichen Heldenleben“ zwischen 1908 und 1923. Vier der insgesamt sieben Komödien dieses Zyklus’, in welchem die bürgerliche Wirklichkeit thematisiert wird, haben Mitglieder der Familie Maske zu Protagonisten, nämlich „Die Hose“ (1911), „Der Snob“ (1914), „1913“ (1915) und „Das Fossil“ (1923).
Ich werde mich im Folgenden mit den ersten beiden Komödien dieser Maske-Tetralogie beschäftigen, die vor dem 1. Weltkrieg entstanden, da sich hier die beiden Hauptcharaktere Theobald und Christian Maske als Vater und Sohn zum Vergleich eignen. Es soll geklärt werden, inwieweit Carl Sternheim vermittels der von ihm geschaffenen Figuren den Bürger gleichzeitig kritisiert und bestätigt. Haben wir es hier überhaupt mit echten Komödien bzw. Lustspielen zu tun und was hat es mit dem Begriff des „bürgerlichen Helden“ auf sich? In der Sekundärliteratur wird darauf hingewiesen, dass Sternheim die Bezeichnung „bürgerlicher Held“ nicht ironisch meinte, sondern durchaus ernsthaft im Sinne eines positiven Helden, der sich seiner Identität und Individualität bewusst ist. „Held war für ihn derjenige, der alle Zwänge abschüttelt und sich selbst, seine ‚eigene Nuance’ verwirklicht, wie immer auch das Ergebnis aussehen und die Umwelt darauf reagieren mochte.“ (Haida 1981, S.6).
Allerdings muss man feststellen, dass keine Identifizierung des Zuschauers mit dem Sternheimschen Heldentypus erfolgt, da dessen negative Eigenschaften unverhüllt und unsympathisch hervortreten. Man kann beim Zuschauer sogar von einem regelrechten Schock des Wiedererkennens sprechen. Stellt sich also für uns die Frage, wie diese Komödien wirken oder vielmehr was sie bewirken sollen. Von der Bewertung des Helden hängt nämlich letztlich ab, was mit der Gattung 'Komödie’ geschieht, wenn der positive Schluss als grundsätzliches Formelement durch das glückliche Ende für die „Helden“ zwar formal bewahrt, aber inhaltlich unterlaufen bzw. ironisiert wird, was zu Irritationen beim Zuschauer führen kann, denn „Die Komödien Sternheims haben einen doppelten Boden.“ (Haida 1981, S.39).
Inhalt
Einleitung
Die Hose
Theobald Maske
Der Snob
Christian Maske
Sternheims Intention
Schlussbetrachtung.
Literaturverzeichnis
Einleitung
Carl Sternheim schuf seinen Komödienzyklus „Aus dem bürgerlichen Heldenleben“ zwischen 1908 und 1923. Vier der insgesamt sieben Komödien dieses Zyklus’, in welchem die bürgerliche Wirklichkeit thematisiert wird, haben Mitglieder der Familie Maske zu Protagonisten, nämlich „Die Hose“ (1911), „Der Snob“ (1914), „1913“ (1915) und „Das Fossil“ (1923).
Ich werde mich im Folgenden mit den ersten beiden Komödien dieser Maske-Tetralogie beschäftigen, die vor dem 1. Weltkrieg entstanden, da sich hier die beiden Hauptcharaktere Theobald und Christian Maske als Vater und Sohn zum Vergleich eignen. Es soll geklärt werden, inwieweit Carl Sternheim vermittels der von ihm geschaffenen Figuren den Bürger gleichzeitig kritisiert und bestätigt. Haben wir es hier überhaupt mit echten Komödien bzw. Lustspielen zu tun und was hat es mit dem Begriff des „bürgerlichen Helden“ auf sich? In der Sekundärliteratur wird darauf hingewiesen, dass Sternheim die Bezeichnung „bürgerlicher Held“ nicht ironisch meinte, sondern durchaus ernsthaft im Sinne eines positiven Helden, der sich seiner Identität und Individualität bewusst ist. „Held war für ihn derjenige, der alle Zwänge abschüttelt und sich selbst, seine ‚eigene Nuance’[1] verwirklicht, wie immer auch das Ergebnis aussehen und die Umwelt darauf reagieren mochte.“ (Haida 1981, S.6).
Allerdings muss man feststellen, dass keine Identifizierung des Zuschauers mit dem Sternheimschen Heldentypus erfolgt, da dessen negative Eigenschaften unverhüllt und unsympathisch hervortreten. Man kann beim Zuschauer sogar von einem regelrechten Schock des Wiedererkennens sprechen. Stellt sich also für uns die Frage, wie diese Komödien wirken oder vielmehr was sie bewirken sollen. Von der Bewertung des Helden hängt nämlich letztlich ab, was mit der Gattung 'Komödie’ geschieht, wenn der positive Schluss als grundsätzliches Formelement durch das glückliche Ende für die „Helden“ zwar formal bewahrt, aber inhaltlich unterlaufen bzw. ironisiert wird, was zu Irritationen beim Zuschauer führen kann, denn „Die Komödien Sternheims haben einen doppelten Boden.“ (Haida 1981, S.39).
Die Hose
„Die Hose“ spielt zur Zeit Wilhelms II. Innerhalb der Gesellschaft bahnt sich ein Wandlungsprozess an, bedingt durch Bevölkerungsexplosion, Industrialisierung und Verstädterung. Zwischen Arbeiter- und Adelsschicht bildet sich die Bürgerschicht - im wahrsten Sinne des Wortes also der Mittelstand. Bürgerlich zu sein bedeutet, mehr Prestige zu besitzen als die einfache Arbeiterklasse, jedoch weniger privilegiert zu sein als der Adel, der durch Geburtsrecht in seinen Stand versetzt ist. Das Bewusstsein über Standesgrenzen ist in hohem Maße vorhanden und eine Überschreitung derselben nicht unbedingt angestrebt. Das heißt, zunächst einmal nicht, denn man wird in „Der Snob“ sehen, dass das individuelle Leistungsbewusstsein, die Ansprüche auf ökonomische Belohnung von Leistungen, auf soziales Ansehen und schlussendlich auf politische Macht steigen. Die bürgerlichen Tugenden wie Unternehmungsgeist und Erfolgsstreben, die Überzeugung von der Lenkbarkeit des eigenen Schicksals und die Hochachtung vor Arbeit und Fleiß gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Das Streben orientiert sich Richtung Adelskreise, sodass Bürgertum und Adel sich vermischen und die Arbeiterklasse als Gegenpol zurückbleibt. Dies ist nicht weiter verwunderlich, gilt doch der Lebensstil des Adels als Maßstab für den gesellschaftlichen Aufstieg. Wir dürfen an dieser Stelle nicht außer Acht lassen, dass wir es bei den Maskes mit Vertretern des Kleinbürgertums zu tun haben, die sich gegenüber den anderen Gesellschaftsvertretern durch einige Merkmale abgrenzen.
„Inmitten einer feudal bestimmten Gesellschaftshierarchie, weitgehend unbeschwert von großbürgerlichen Bildungsinhalten und doch nicht ganz besitzlos wie der ausgebeutete Industriearbeiter, findet gerade im kleinbürgerlichen Bewusstsein die berechnend-pragmatische Einstellung der Zeit einen fruchtbaren Boden.“ (Freund 1976, S.32).
Man wird sehen, wie „das kleinbürgerliche Milieu mit seiner Ungeistigkeit, seiner verflachten materiellen Lebenshaltung und seinem Machthunger“ (Freund 1976, S.33) in Sternheims Komödien zur Schau gestellt wird, besonders in „Der Snob“.
Worum genau geht es nun in „Die Hose“? Carl Sternheim selbst beschreibt die Handlung seiner ersten Komödie im Vorwort dazu mit folgenden Worten: „In meinem Stück verlor ein Bürgerweib die Hose, und von nichts als der banalen Sache sprach in kahlem Deutsch man auf der Szene.“ Damit grenzte er sich laut zeitgenössischer Kritik vom damals Erlaubten, d.h. auf der Bühne Gezeigten, ab, weil er nicht „von zurückgebliebenen Edelleuten und modernen Proletariern“ (Haida 1981, S.28) erzählte, sondern das bürgerliche Leben darstellte, und zwar so, wie es vorher noch niemand getan hatte. Sternheims Intention war es, die bürgerliche Wirklichkeit zu schildern, dem Zuschauer den Spiegel vorzuhalten, und zwar durch geballte Nichtigkeiten mit Hintersinn und Tiefgang. Zu diesem Zweck erschuf der Autor einen ,Riesen’, einen Über-Bürger sozusagen, der „zeigte, wohin, in aller Einfalt womöglich, des Bürgers Handel gediehen war“. (Haida 1981, S.29). Dieser Riese ist in „Die Hose“ Theobald Maske, dessen Sprössling Christian in „Der Snob“ zwar nicht mehr so riesig ist, doch weil der Sohn zwischen den Ständen operiert, dehnt er sich quasi mehr in die Breite aus anstatt in die Höhe. Ansonsten arbeitet Sternheim in seinen Komödien eher mit begrenztem Personalaufgebot, was zum einen übersichtlich ist und zum anderen ausreicht, den Hauptprotagonisten zu unterstützen.
Der deutsche Lyriker Ernst Stadler (1883-1914) bezeichnete Carl Sternheims Komödien übrigens als „Gesicht dieser Zeit“, die „das Chaotische unserer Epoche“ (gemeint ist die Zeit vor dem 1. Weltkrieg) zum Ausdruck zu bringen vermochten. Deutschland befand sich damals in einem Zustand des Umbruchs und Sternheim war in der Lage, diesen Zustand darzustellen. Dass wenig an Handlung passiert, ist laut Stadler „nicht Empfindungsarmut [ ], sondern hohe künstlerische Zweck-ökonomie und dient dazu, dem Wort und der ,Gebärde’ den Vorrang zu geben“, was er als Merkmale des Expressionismus wertet, welchen Stadler als literarische Epoche weniger mit Depressionen und Unheilvollem in Verbindung gebracht sehen wollte, sondern vielmehr als Chance, zu einem besseren Dasein zu gelangen. In welche literaturgeschichtliche Epoche Sternheims Werk einzuordnen ist, wird weiterhin diskutiert und soll an dieser Stelle nicht Gegenstand der Betrachtungen sein. Wenden wir uns daher - wie in der Einleitung angekündigt - den handelnden Personen zu.
Theobald Maske
Aus heutiger Sicht würde man sagen, dass Theobald Maske ein Spießerdasein führt. Die erste Szene präsentiert ihn uns in seinem Reich, sprich seiner Wohnstube, bei der Ausübung seiner häuslichen Macht, d.h. dem Maßregeln seiner Frau Luise (1.Aufzug, 1.Auftritt, S.10-11). Als unumschränkter Herrscher im Haus mit Hang zu Brutalität sind die Personen um ihn herum „Objekte seiner Macht und Lust“ (Fehr 1968, S.44). In der Ehe herrscht Terror statt Kommunikation, ein Nebeneinander statt einem Miteinander, wenn man so will. Da verwundert es nicht, dass Theobald keine Skrupel kennt, aus einem Missgeschick seiner Frau Profit zu schlagen und im Laufe der Geschichte zwei Männer zu übervorteilen, die sich aufgrund des reizvollen Anblicks der hosenlosen Frau Maske bei Theobald einmieten wollen, um dem Objekt der Begierde nahe zu kommen. Durch besagtes Missgeschick Luises nämlich (sie hat während einer königlichen Parade ihre Hose verloren), glaubt Theobald seine Existenz als königlicher Beamter bedroht. Und wirtschaftliche Sanktionen sind das Schlimmste, was ihm passieren kann, das stellt Theobald hier klar. „Ein gütiges Schicksal gab mir ein Amt, das siebenhundert Taler einbringt. [ ] Da trittst du auf mit deiner Art und zerstörst unser Leben, das gesegnet wäre.“ (1.Aufzug, 1.Auftritt, S.11). Das Gerede der Leute interessiert ihn nur am Rande, insoweit es ihn aus der Anonymität des Alltags in die Augen der Öffentlichkeit bringt. „Meine Freiheit ist mir verloren, achtet die Welt auf mich in besonderer Weise. Meine Unscheinbarkeit ist die Tarnkappe, unter der ich meinen Neigungen, meiner innersten Natur frönen darf.“ (3.Aufzug, 1.Auftritt, S.78).
Mit seinem Gebaren wirkt Theobald Maske wie die Verkörperung des Prinzips „Mir geht nichts über mich“, welches der deutsche Philosoph Max Stirner (1806-1856) in seinem Buch „Der Einzige und sein Eigentum“ von 1844 propagiert. Und in der Tat muss der Zuschauer den Maskeschen Charakter von Anfang an als Zeitgenossen empfinden, der vom Kapital besessen scheint, dem ökonomischen Prinzip alles andere unterordnet, sowie einen Egoismus nach Darwinscher Maxime vom „Überleben des Stärkeren“ an den Tag legt. „Ein Kerl, stark, gesund und ekelhaftbewußt [sic!] seiner Stärke und Gesundheit,…“, wie der österreichische Schriftsteller und Kritiker Alfred Polgar (1873-1955) es beschreibt. Dieser Eindruck verstärkt sich im Laufe des Stückes noch, wenn Theobald mit den Menschen in seiner Umgebung verfährt als seien sie Waren (seine Frau als Lockvogel, die Nachbarin als Bettgespielin) oder potenzielle Käufer eben dieser Waren (Scarron und Mandelstam, die Mieter, die Zeugen von Luises Missgeschick wurden). Winfried Freund formuliert den Tatbestand von Theobalds „Kaufmannslogik“ folgendermaßen:
[...]
[1] ‚eigene Nuance’ = Bestimmung des Einzelnen, die ihn von jedem anderen Menschen unterscheidet und die ohne Rücksichtnahme realisiert werden muss
- Quote paper
- Susanne Krebs (Author), 2006, Carl Sternheims Komödien "Die Hose" und "Der Snob", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125303
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