Am 18. August 1907 wurde in Stuttgart ein Internationaler Sozialistischer Kongress abgehalten. Am Tag zuvor trat in Verbindung zu diesem Kongress die Erste Internationale Konferenz sozialistischer Frauen zusammen. Die provisorische Tagesordnung dieser Konferenz – angekündigt in dem Blatt „Die Gleichheit. Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen“, Ausgabe vom 22. Juli 1907 – sah folgende Punkte vor:
1. Berichte über die sozialistische Frauenbewegung in den verschiedenen Ländern
2. Schaffung regelmäßiger Beziehungen zwischen den organisierten Genossinnen der einzelnen Länder
3. Das Frauenstimmrecht.
An dieser ersten Internationalen sozialistischen Frauenkonferenz, deren Durchführung ein Jahr zuvor von der deutschen Frauenkonferenz angeregt wurde, nahmen 58 Delegierte aus 15 Ländern teil . Deutschland war offiziell durch 15 Frauen vertreten, darunter Clara Zetkin, Emma Ihrer und Rosa Luxemburg. Clara Zetkin, die wohl damals populärste Vertreterin der sozialistischen und spätere Führerin der kommunistischen Frauenbewegung, hielt auf dieser Konferenz ein Referat über die Frage der internationalen Zusammenarbeit. Die Konferenz beschloss die Einrichtung eines Sekretariats bei der Redaktion der Zeitschrift „Die Gleichheit“, die zum gemeinsamen Publikumsorgan bestimmt wurde. Diese von Clara Zetkin herausgegebene Zeitschrift berichtete in den folgenden Jahren intensiv über die internationale sozialistische Frauenbewegung. Die Konferenz in Stuttgart sprach sich außerdem für die Forderung eines uneingeschränkten allgemeinen Frauenstimmrechts aus.
Clara Zetkins Weggefährtin Ottilie Baader hielt auf dieser Stuttgarter Konferenz eine Rede, aus der ein Auszug hier behandelt werden soll.
Inhalt
Abschrift der Quelle
Einleitung
Quelleninterpretation
1. Erklärung der Begriffe
2. Sprachlich-didaktische Interpretation
3. Ideologiekritische Interpretation vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund
Zusammenfassung, persönliche Einschätzung und Nachwirkung
Literaturverzeichnis
Abschrift der Quelle
Aus der Rede Ottilie Baaders auf der Internationalen Konferenz Sozialistischer Frauen vom August 1907 in Stuttgart
„(…) Die sozialistische Frauenbewegung Deutschlands ist von der Überzeugung durchdrungen, dass die Frauenfrage ein Teil der sozialen Frage ist und nur zusammen mit ihr durch die Beseitigung der kapitalistischen und die Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung gelöst werden kann. Die Verwirklichung der frauenrechtlerischen Fragen löst nicht einmal die Frage für die bürgerlichen Frauen, denn sie lässt an Stelle der alten sozialen Gegensätze zwischen Mann und Frau der bürgerlichen Klassen neue Gegensätze und Konflikte entstehen. Noch weniger aber sichert sie den Frauen der arbeitenden Klasse, welche die große Mehrzahl des weiblichen Geschlechts ausmachen, ihre volle soziale und ihre volle menschliche Emanzipation.
Als Arbeiterin wie als Arbeiterfrau leidet die Proletarierin am stärksten nicht durch die Vorrechtstellung des männlichen Geschlechts, sondern durch die Ausbeutung und Macht seitens der kapitalistischen Klassen, eine Ausbeutung und Macht, die in dem Wesen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung begründet ist. (…)
Die proletarische Frau, die sozial und menschlich frei werden will, muß daher gegen die Ursache ihrer Lage kämpfen, gegen die kapitalistische Ordnung. (…)
Die proletarische Frau hat das gleiche Interesse wie der proletarische Mann, der im Kampfe der kapitalistischen Gesellschaft Reformen abzutrotzen und sie eines Tages ganz zu beseitigen. Sie leidet ebenso wie der Mann ihrer Klasse, ja nicht selten noch bitterer als er unter all den Übeln, welche naturnotwendig aus dem Wesen des Kapitalismus fließen. (…)“
Einleitung
Am 18. August 1907 wurde in Stuttgart ein Internationaler Sozialistischer Kongress abgehalten. Am Tag zuvor trat in Verbindung zu diesem Kongress die Erste Internationale Konferenz sozialistischer Frauen zusammen. Die provisorische Tagesordnung dieser Konferenz – angekündigt in dem Blatt „Die Gleichheit. Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen“, Ausgabe vom 22. Juli 1907 – sah folgende Punkte vor:
1. Berichte über die sozialistische Frauenbewegung in den verschiedenen Ländern
2. Schaffung regelmäßiger Beziehungen zwischen den organisierten Genossinnen der einzelnen Länder
3. Das Frauenstimmrecht.
An dieser ersten Internationalen sozialistischen Frauenkonferenz, deren Durchführung ein Jahr zuvor von der deutschen Frauenkonferenz angeregt wurde, nahmen 58 Delegierte aus 15 Ländern teil[1]. Deutschland war offiziell durch 15 Frauen vertreten, darunter Clara Zetkin, Emma Ihrer und Rosa Luxemburg. Clara Zetkin, die wohl damals populärste Vertreterin der sozialistischen und spätere Führerin der kommunistischen Frauenbewegung, hielt auf dieser Konferenz ein Referat über die Frage der internationalen Zusammenarbeit. Die Konferenz beschloss die Einrichtung eines Sekretariats bei der Redaktion der Zeitschrift „Die Gleichheit“, die zum gemeinsamen Publikumsorgan bestimmt wurde. Diese von Clara Zetkin herausgegebene Zeitschrift berichtete in den folgenden Jahren intensiv über die internationale sozialistische Frauenbewegung. Die Konferenz in Stuttgart sprach sich außerdem für die Forderung eines uneingeschränkten allgemeinen Frauenstimmrechts aus.
Clara Zetkins Weggefährtin Ottilie Baader hielt auf dieser Stuttgarter Konferenz eine Rede, aus der ein Auszug hier behandelt werden soll. Baader hatte in der deutschen sozialistischen Frauenbewegung eine wichtige Position inne: Sie war Vertrauensperson der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands. In dieser Funktion zeichnet sie auch den Aufruf und die Einladung zur Frauenkonferenz in der bereits oben genannten Ausgabe der Zeitschrift „Die Gleichheit“[2].
Baader richtete sich mit ihrer Rede[3], die in Auszügen oben wieder gegeben ist, an die versammelten Delegierten und formuliert darin eindringlich das Kernziel der sozialistischen Frauenbewegung: die Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung.
Welche Absicht verfolgte Baader mit ihrer Rede? Sie wollte damit den Konferenzteilnehmerinnen aus den übrigen vierzehn Ländern einen ausführlichen Bericht der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands über das Wesen, die Ziele und Fortschritte der sozialistischen Frauenbewegung in Deutschland vermitteln. Die fremdländischen Delegierten aus Ländern mit ihren ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen und dem dort anzutreffenden sozialistischen Wirken innerhalb der dortigen Frauenbewegung sollten aufgeklärt und informiert werden über die Situation im Gastgeberland dieser Internationalen Konferenz, nämlich Deutschland. Die hier diskutierte Rede ist damit der Beitrag Ottilie Baaders zu dem Tagungsordnungspunkt 1 der Konferenz: „Berichte über die sozialistische Frauenbewegung in den verschiedenen Ländern.“
Sie macht unmissverständlich deutlich, auf was die sozialistische Frauenbewegung in Deutschland hinarbeitet: auf den Klassenkampf.
Trotz dass Baader sich mit ihrer Rede de facto an eine „Öffentlichkeit“ wendet (sie trägt die Rede „öffentlich“ vor), kann man dennoch nicht von einer Traditionsquelle sprechen, da sie nur für einen kleinen Kreis ausgewählter Sinnesgenossinnen bestimmt war, nämlich für die anwesenden Teilnehmer/-innen der Frauenkonferenz. Die Rede selbst, konzipiert als Machwerk für den ihr zugedachten Anlass, ist daher den Überrestquellen zuzuordnen.
Ottilie Baader [4], 1847 in Raake/Oberschlesien geboren[5], verstorben 1925 in Berlin, zählte als deutsche Frauenrechtlerin und Sozialistin neben Clara Zetkin zu den bedeutendsten Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht in Deutschland. Sie stammte aus einer Arbeiterfamilie. Die Mutter verstarb früh, Ottilies Schulbesuch wurde durch den Umzug der Familie nach Berlin abrupt beendet. Baader begann dort ihren beruflichen Werdegang in einer Nähfabrik. Später arbeitete sie in einer Wollfabrik unter miserablen Arbeitsbedingungen und kam später in eine Wäschefabrik, in der bereits mit Nähmaschinen gearbeitet wurde. Durch ihre Beteiligung am Kampf der Berliner Mantelnäherinnen 1866 gegen eine drohende Erhöhung der Nähgarnzölle fand sie Anschluss zur Gewerkschaft und zur SPD. In einer Berliner Kragen-und Manschettenfabrik tat sich Baader als geschickte Verhandlungsführerin der Arbeiterinnen hervor, als der Unternehmer wegen des deutsch-französischen Krieges 1870/71 in Absatzschwierigkeiten geriet und den Lohn reduzieren wollte. Ihre Verhandlungen hatten prompt Erfolg, Baader wurde aber dennoch gekündigt und leistete hinfort Heimarbeit, wobei sie gleichzeitig ihre übrigen Familienmitglieder betreute.
Ihre mangelnde Schulbildung versuchte Baader in Kursen des von Lina Morgenstern gegründeten Arbeitervereins nachzuholen. Sie wurde eine von zwei Frauen im Vorstand der von Wilhelm Liebknecht um 1890 gegründeten Arbeiterbildungsschule. Mit ihrem Vater las sie gemeinsam Karl Marx´ „Das Kapital“, später auch das damals viel beachtete Buch von August Bebel „Die Frau und der Sozialismus“. Ottilie Baader fand Anschluss an die Sozialdemokraten und betätigte sich sehr rege in sozialdemokratischen Frauenorganisationen. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregte sie das erste Mal als Vorrednerin bei einer Versammlung der Schäftearbeiter. Ihre Rede wurde sogar in der Zeitung erwähnt.
1894 wurde Baader weibliche Vertrauensperson der SPD im Wahlkreis 4, 1899 wurde sie zentrale Vertrauensperson der SPD für frauenspezifische Aktivitäten in der SPD. Das war von 1904 bis 1908 ein besoldeter Posten. 1908 trat sie von diesem Posten zurück. Als Zentralvertrauensperson der sozialdemokratischen Frauen stand Baader an der Spitze der proletarischen Frauenbewegung. Sie war damit Kommunikations- und Informationsstelle für die aktiven Frauen der Arbeiterbewegung. Mit der Einrichtung „Vertrauensperson“ war es den Frauen möglich, das damals noch geltende Vereinsverbot für Frauen zu unterwandern. Frauen konnten nun verdeckt politisch aktiv werden, indem sie beispielsweise Tarnorganisationen wie Agitationskommissionen, Bildungs- oder Lesezirkel sowie Nähstuben gründeten. Dies schützte Baader allerdings nicht vor häufigen Schikanen durch die Polizei, die sie in ihrer Autobiografie „Ein steiniger Weg“ schildert.[6] Nicht selten kam es auch zu Anklagen und Verurteilungen. Das Verbot der Teilnahme von Frauen an politischen Versammlungen und ihre Betätigung in politischen Vereinen galt bis 1908 in Preußen, Bayern und in den meisten Kleinstaaten. Als dann der Reichstag ein neues Vereins- und Versammlungsrecht beschloss, verfasste Baader 1908 einen Vorschlag zur Neuorganisation der Frauen in der SPD.[7] Bis 1917 war Ottilie Baader im Frauenbüro der SPD tätig. Sie trat für das Frauenwahlrecht, den Frauen- und Kinderschutz und für Frauenbildung ein.
[...]
[1] „… außerdem nahmen als Gäste Vertreterinnen des jüdischen Frauenbundes in Rußland, der Petersburger Sozialdemokratie, der organisierten Weberinnen von Lodz und eine indische Frau aus Bombay an den Beratungen teil.“ – in: Ottilie Baader: Ein steiniger Weg. Lebenserinnerungen, Stuttgart/Berlin 1921, S. 96
[2] „Die Gleichheit. Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen“, Redaktion bei Clara Zetkin in Degerloch bei Stuttgart, 17. Jahrgang, Nr. 15, Ausgabe vom 22. Juli 1907.- Im Jahre 1907 betrug die Zahl der Abonnenten 70.000. Bis 1914 stieg die Abonnentenzahl kontinuierlich an.
[3] Diese Eröffnungsrede ist ein Bericht der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands an die Internationale Konferenz Sozialistischer Frauen, abgedruckt in: Heinz Niggemann (Hrsg.): Frauenemanzipation und Sozialdemokratie, Frankfurt/M., 1981
[4] Kurzbiografie von Peter Joksch, 1999 auf der Website www.uni-ulm.de/LiLL/3.0/D/frauen/biografien/Jh19/baader.htm#kurzbiographie#kurzbiographie, letzter Zugriff 30.12.2006, aus der Website www.asf-rhein-sieg.de/historie/h_05.html, „Frauen die vor uns waren, letzter Zugriff: 30.12.2006 und von Claudia Sucker auf dem SPD-Berlin Portal http://berlin.spd.de/servlet/PB/menu/1020848, letzter Zugriff: 05.02.2007
[5] Der Geburtsort Frankfurt/Oder findet sich häufig, ist aber nicht richtig.
[6] Ottilie Baader: Ein steiniger Weg. Lebenserinnerungen einer Sozialistin, Stuttgart/Berlin, 1921
[7] abgedruckt in: Heinz Niggemann (Hrsg.): Frauenemanzipation und Sozialdemokratie, Frankfurt/M., 1981, S. 140-143
- Quote paper
- Michael Krischak (Author), 2007, Aus der Rede Ottilie Baaders auf der Internationalen Konferenz Sozialistischer Frauen vom August 1907 in Stuttgart, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125155
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