Das Ziel dieser Arbeit ist es, ein potentielle Verbesserung im Bereich Lean Management, genauer Shopfloor Management, zu entwickeln. Die Forschungsfrage der Masterthesis lautet: Wie können produzierende Unternehmen durch Big Data Analytics im Bereich des Shopfloor Managements Verbesserungspotentiale erzielen?
Im Genaueren wird in dieser Arbeit ein praxisbezogenes Verbesserungspotential erarbeitet, mit welchem Unternehmen und Organisationen die Lücke zwischen analogem und digitalem Shopfloor Management schließen können. Es wird dargestellt, wie wichtig definierte Kennzahlen für eine konsistente Entscheidungsfindung sind. Zusätzlich wird aufgezeigt, wie Beschäftigte im Spannungsfeld von Digitalisierung und Industrie 4.0 mithilfe eines visuellen Informationssystems in digitale Prozesslandschaften eingebunden werden können.
Diese Masterthesis wurde bei einem deutschen Luftfahrtlogistikunternehmen durchgeführt, welches ein breites Spektrum an Logistikkomplettlösungen anbietet. Das Prinzip des (analogen) Shopfloor Managements wird hier konsequent angewendet, um im Spannungsfeld von stringenten Luftfahrtregularien und hohem Wettbewerbsdruck zu bestehen. Dabei fällt auf, dass die Erstellung der KPIs meist weder automatisiert noch standardisiert, sondern analog abläuft. Das Ergebnis ist ein hoher manueller Aufwand, hohes Fehlerpotential und ein geringer Grad an Transparenz für Beschäftigte und Führungskräfte. Aus diesem Grund lag es nahe, ein Projekt mit dem Ziel, Verbesserungspotentiale herauszustellen, zu initiieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Einführung
1.2. Problemstellung
1.3. Aufbau und Zielsetzung
1.3.1. Aufbau
1.3.2. Ziel der Arbeit
1.3.3. Praxisbezug
2. Stand der Technik
2.1. Shopfloor Management
2.1.1. Begriffsbestimmung Lean Management
2.1.2. Begriffsbestimmung SFM
2.1.3. Prinzipien SFM
2.1.4. Probleme nachhaltig lösen
2.1.5. Führung vor Ort
2.1.6. Abweichungen erkennen
2.1.7. Optimierung Ressourceneinsatz
2.2. Industrie 4.0
2.2.1. Business Analytics
2.2.2. Digital Leadership
2.3. Kennzahlen und Echtzeitdaten in der Produktion
2.3.1. Echtzeitdaten im Unternehmenskontext
2.3.2. Business Analytics SFM
3. Methodik
3.1. Forschungsdesign
3.2. Primärmethodik: Konzeptionell-deduktive Analyse
3.3. Sekundärmethodik
3.3.1. Feldexperiment
3.3.2. Prototyping
3.4. Methoden zur Datenerhebung
3.4.1. Ist-Analyse
3.4.2. Expert:innen-Interviews
3.4.3. Fragebogen
3.4.4. Dokumentenanalyse und -auswertung
3.4.5. Messungen
4. Optimierung SFM
4.1. Identifikation der Kennzahlen SFM
4.1.1. Vorgehen
4.1.2. Aktueller Stand SFM im Unternehmen
4.1.3. Bewertung SFM-Kennzahlen
4.2. Bewertung Shopfloor Management
4.3. Potentiale & Entwicklungsmöglichkeiten
4.3.1. Potentiale
4.3.2. Weiterentwicklungsmöglichkeiten
4.4. Handlungsempfehlungen SFM
4.4.1. Anforderungen
4.4.2. Gestaltungsprinzipien
4.5. Einfluss Echtzeit-Analyse
4.5.1. Ziel des Experiments
4.5.2. Experimentdesign
4.5.3. Unterstützung durch Echtzeitdaten
4.5.4. Ermittlung der Kennzahlen
4.5.5. Auswertung
4.5.6. Berechnung der Teststatistik
4.5.7. Interpretation
4.6. Validierung des Vorgehens
4.6.1. Validierung des Ist-Zustands
4.6.2. Validierung des Experiments
4.7. Grenzen des Experiments
5. Umsetzung Prototyp digitales SFM
5.1. Vorgehen
5.2. Anforderungsanalyse
5.2.1. Funktionale Anforderungen
5.2.2. Nicht funktionale Anforderungen
5.2.3. User:innenspezifische Anforderungen
5.2.4. Technische Anforderungen
5.2.5. Organisatorische Anforderungen
5.3. Prototyping: digitales SFM
5.3.1. Design Thinking
5.3.2. UX-Workshop
5.3.3. Ergebnisse
5.4. Validierung des Prototyps
6. Abschließende Betrachtung
6.1. Zusammenfassung der Ergebnisse
6.2. Diskussion
6.2.1. Interpretation der Ergebnisse
6.2.2. Grenzen der Untersuchung
6.3. Ausblick
A. Ergänzende Materialien
A.1. Fragebögen
A.2. Prozess-Skizzen
A.3. Programmierung R
A.3.1. Quellcodes
A.3.2. Outputs
A.4. Erweiterung SFM Demonstrationsprototypen
Kurzzusammenfassung:
Zielgerichteter Einsatz von Digital Leadership und Real-Time Business Analytics zur Verbesserung des Shopfloor Managements im Zuge der Industrie 4.0
Die vorliegende Masterarbeit hat das Ziel, aufzuzeigen, wie produzierende Unternehmen mittels Real-Time-Analytics und der Digitalisierung des Shopfloor Managements Verbesserungspotentiale erzielen können.
Dabei wurde ein Framework zur Reifegradeinstufung von Kennzahlen entwickelt. Mithilfe dieser Einstufung konnte ein Konzept zur digitalen Transformation des Shopfloor Managements erstellt und im Anschluss ein Demonstrationsprototyp für das digitale Shopfloor Management entwickelt werden. Der Nutzen von Real-Time-Analytics wurde in einem Feldexperiment festgestellt.
Die mittels einer konzeptionell-deduktiven Analyse erarbeiteten Ergebnisse zeigen auf, wie Real-Time-Analytics und das digitale Shopfloor Management für produzierende Unternehmen Erfolgsfaktoren darstellen.
Die digitale Transformation im Zuge des Megatrends Industrie 4.0 befindet sich im Anfangsstadium. Deshalb bedarf es zur Umsetzung von digitalen und globalen Ökosystemen einer Intensivierung von Forschungsvorhaben in diesem Themenfeld.
Schlagwörter:
Industrie 4.0, Shopfloor Management, Big Data Analytics, Digitaler Zwilling, Digital Leadership, Echtzeitdaten
Abstract:
Improvement of Shopfloor Management, through the use of Digital Leadership and RealTime Business Analytics in the course of Industry 4.0
This master's thesis aims to show how manufacturing companies can use realtime analytics and the digitalisation of shopfloor management to achieve potential improvements.
A framework for the maturity classification of key figures was developed. With the help of this classification, a concept for the digital transformation of shopfloor management was created and a demonstration prototype for digital shopfloor management was subsequently developed. The benefits of real-time analytics were proven in a field experiment.
The results obtained with the help of a conceptual-deductive analysis show how real-time analytics and digital shopfloor management represent success factors for manufacturing companies.
The digital transformation in the course of the megatrend Industry 4.0 is in its early stages. Therefore, research projects in this field need to be intensified in order to implement digital and global ecosystems.
Keywords:
Industry 4.0, Shopfloor Management, Big Data Analytics, Digital Twin, Digital Leadership, Real-Time Analytics
Danksagung
Hier an dieser Stelle will ich mich bei all denjenigen bedanken, die mich während des Studiums als auch bei der Erstellung dieser Abschlussarbeit unterstützt, motiviert und auch aufgemuntert haben.
Abbildungsverzeichnis
1.1. Aufbau der Arbeit
2.1. Führung am Ort der Wertschöpfung
2.2. Zentrale Elemente SFM
2.3. KVP Schema und A3 Problemlösungsblatt
2.4. Tätigkeitsstruktur-Analyse
2.5. Konventionelle Shopfloor Tafel
2.6. Beispiel T-Card
2.7. Vorgehen betriebliches Vorschlagswesen
2.8. Vier Phasen der industriellen Revolution
2.9. Vorgehensmodell des CRISP-DM für KDD
2.10. Balanced Scorecard eines fiktiven Unternehmens
2.11. 7. Säulen Modell eines Reporting-Systems
2.12. Anwendungsbeispiel: Reporting Dashboard
3.1. Triangulationsdesign
3.2. Zusammenhang Induktion und Deduktion
3.3. Methodisches Rahmenwerk
3.4. Methodik dieser Arbeit
4.1. Framework zur Einstufung des SFM
4.2. Maturity Index Industrie 4.0
4.3. Betrachtete Kennzahlen im Unternehmen
4.4. Analyse der Kennzahlen nach Maturity Index
4.5. Mitarbeiter:innen-Dashboard im Experiment
4.6. SAP-Dashboard im Experiment
4.7. Boxplots Experiment
4.8. Vergleich normalverteilte Daten
4.9. Histogramme des Experiments
4.10. Vorgehen IST-Analyse
5.1. Vorgehen Prototyping
5.2. Design Thinking Prozess
5.3. Mock-UP Management-Cockpit
5.4. Mock-UP Betriebsdaten
5.5. Mock-UP Sicherheit
5.6. Mock-UP Fluktuation
5.7. Mock-UP Receiving-Cockpit
5.8. Mock-UP Störungen
5.9. Mock-UP Übersicht Niederlassung
5.10. Mock-UP Benachrichtigungen
5.11. Mock-UP Mitarbeiter:innen-Cockpit
5.12. Auswertung Validierung Prototyp
A.1.1. Interviewleitfaden
A.1.2. Interview Experiment
A.1.3. Interview Validierung
A.2.1. Wareneingangsprozess
A.3.2.1. Output R Code: DLZ
A.3.2.2. Output R Code: Fehler
A.3.2.3. Output R Code: Arbeitsvorrat
A.3.2.4. Output R Code: Arbeitseinteilung
A.3.2.5. Output R Code: Motivation
A.3.2.6. Output R Code: Stress
A.4.1. Wochenthema
A.4.2. Status Betriebsmittel
A.4.3. Personalverschiebung
A.4.4. Betriebsmittel
A.4.5. Maßnahmenblatt
A.4.6. Wiedervorlage
A.4.7. 6S Qick-Check
Tabellenverzeichnis
2.1. Strukturierter Tagesablauf Logistikunternehmen 14
4.1. Übersicht Optimierungspotentiale
4.2. Vorteile durch Steigerung des Industrie 4.0 Reifegrades
4.3. Im Experiment betrachtete Kennzahlen
4.4. Berechnung der p-Werte
5.1. Übersicht UseCases für Mock-UPs
Quellcodeverzeichnis
A.3.1.1. R Code DLZ
A.3.1.2. R Code Fehler
A.3.1.3. R Code Arbeitsvorrat
A.3.1.4. R Code Einteilung
A.3.1.5. R Code Motivation
A.3.1.6. R Code Stress
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1. Einführung
Die digitale Transformation wird in diesem Jahrhundert Produktionsprozesse grundlegend verändern. Die enorme Bedeutung dieser Entwicklung fasst Jeff Bezos, CEO Amazon wie folgt zusammen:
There is no alternative to digital transformation. Visionary companies will carve out new strategic options for themselves — those that don't adapt, will fail. - Jeff Bezos, Amazon CEO
Veränderungen in den Bereichen der Digitalisierung und Transformation in der Industrie werden mit dem Schlagwort Industrie 4.0 bezeichnet. Diese neuen Entwicklungen stoßen auf breites öffentliches Interesse, besonders in einem stark industrialisierten Land wie Deutschland. Diese Entwicklung bringt aber auch Gefahren durch digitale Disruption mit sich, wie das einleitende Zitat zeigt. Hierzu signalisieren bereits Wissenschaftler:innen und Unternehmensverbände ein Zurückfallen Deutschlands und warnen vor einer Schwächung durch die Digital Disruption. [BMa]
Veränderungsprozesse im Zuge des Trends Industrie 4.0 finden in allen Wertschöpfungsstufen eines Unternehmens statt. Somit müssen sich alle Bereiche von Unternehmen verändern, um die Wettbewerbsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Der Begriff Industrie 4.0 impliziert eine Begrenztheit dieser Entwicklung auf den industriellen Bereich, was jedoch nicht zutreffend ist. Beispielsweise sind auch die Branchen Militär, Gesundheitswesen, Energie, wie auch Mobilität betroffen.
In der Pflege gibt es bereits Pilotprojekte zur Einführung von Pflegerobotern, die menschliche Arbeitskräfte ersetzen sollen, mit dem Ziel, trotz des demografischen Wandels eine ausreichende medizinische und pflegerische Versorgung sicherzustellen. [Be18]
Auch der Militärsektor nutzt Roboter zur Entschärfung von Minen, oder Drohnen zur Luftaufklärung. [FL15, Au]
Im Energiesektor werden intelligente Stromnetze, auch Smart Grid genannt, entwickelt, welche eine Kommunikation und Steuerung untereinander ermöglichen. Ziel ist es hier, eine maximale Effizienz und hohe Ausfallsicherheit zu erreichen. [Fa12]
Im Mobilitätssektor werden intelligente Verkehrssteuersysteme mit dem Ziel entwickelt, die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen und damit eine optimale Nutzung von Straßen-, Verkehrs-, und Reisedaten sicher zustellen. [BMb]
Der von Industrie 4.0 getriebene Wandel wirkt sich neben der technischen Implementierung von Innovationen auch auf den Menschen aus. So werden mithilfe von Digitalisierungsprozessen neue Kommunikationswege und ein anderes psychologisches Bewusstsein entwickelt. Aus diesem Grund stellt sich im Zeitalter der vierten industriellen Revolution die Frage, inwieweit vorhandene Führungs- und Steuerungskonzepte überdacht werden müssen?
1.2. Problemstellung
Eines der bekanntesten Führungs- und Steuerungskonzepte in der Industrie ist das Shopfloor Management Konzept, welches seinen Ursprung in Japan hat. Entwickelt wurde das Shopfloor Management (SFM) in den 50er-Jahren vom Automobilhersteller Toyota, wobei das SFM-Konzept nur ein Teilaspekt der unternehmensweiten Lean Management Strategie darstellte. [Br17, S. 62] Das Lean Management wurde konzipiert, um hohen Wettbewerbsdruck und häufig wechselnden Anforderungen stand zu halten. [Ha14, S. 89] Der Einsatz erfolgte zunächst in der Großserienfertigung in der Automobilindustrie, später erfolgte die Adaption auf andere Branchen und Industriesektoren. Mittlerweile ist das Lean Management weltweit anerkannt und verbreitet, auch außerhalb der Automobilindustrie. [AM06, S. 9 ff.]
Durch kontinuierliche Weiterentwicklung entwickelte sich das Lean Management hin zu einer allumfassenden Methode, welche die Unternehmenskultur und -philosophie mit einbezieht. Mittlerweile gilt Lean Management als zeitgemäßes Managementsystem und wird in vielen Unternehmen als Grundlage für ganzheitliche Produktionssysteme und zur Entwicklung von Unternehmensstrukturen verwendet. [Ro10, SSS15, S. 1; S. 527] Der Begriff Ganzheitlichkeit meint hier die Verknüpfung von elementaristischen und holistischen Elementen. [Eg94, S. 77] Elementaristische Vorgehensweisen zielen darauf ab, einzelne Elemente zu analysieren, dabei aber den Gesamtzusammenhang zu vernachlässigen. Dahingegen sehen holistische Ansätze das Ganze, vernachlässigen aber die Wechselbeziehung der Einzelelemente. [St15, S. 20 f.]
Seit dieser Entwicklung in den 50er-Jahren gab es keine grundlegenden Veränderungen an dem SFM-Prinzip, eher geringfügige Anpassungen, die das SFM-Konzept nicht veränderten. Konzeptänderungen waren bislang auch nicht notwendig, da sich die Rahmenbedingungen der Produktion nicht signifikant geändert haben. [JHQ16, S. 493 f.] Die Rahmenbedingungen der klassischen Produktion haben sich durch digitale Transformationsprozesse im Zuge der Industrie 4.0 signifikant verändert. Aus diesem Grund muss überprüft werden, ob sich das SFM-Konzept an diese Entwicklung anpassen muss.
Das Shopfloor Management ist die Verbindung von Produktions- und Managementebene. Meist wird SFM als Führung am Ort der Wertschöpfung angesehen. [LP18, S. 24] Generell findet durch SFM eine Überwachung der Produktion oder von produktionsnahen Bereichen wie z.B. der Logistik statt. Mithilfe von visuellen Entscheidungshilfen werden Beschäftigte zur Optimierung von Prozessen am Ort der Wertschöpfung eingebunden. In der Regel werden im SFM definierte Management-Kennzahlen, auch Key Performance Indicators (KPI) genannt, auf einer physischen Tafel (z.B. Whiteboard) visualisiert. Diese Kennzahlen zeigen positive oder negative Abweichungen vom Soll-Wert auf und dienen somit als Entscheidungsgrundlage, um Potentiale und Probleme zu erkennen. Die Evaluierung dieser KPIs wird meist als Shopfloor Management Meeting bezeichnet und findet morgens und im Stehen statt. Hier werden innerhalb von 15 Minuten tagesaktuelle Herausforderungen besprochen und die Kennzahlen evaluiert. Teilnehmer:innen sind Führungskräfte und operative Mitar- beiter:innen. Dieses Konzept ermöglicht eine effiziente und effektive Problemlösung, sowie Erkennung von Verbesserungspotentialen. Üblicherweise erfolgt die Visualisierung mithilfe einer Magnet- oder Pinnwand. Die KPIs werden von den einzelnen Fachbereichen ermittelt und jeden morgen an die Pinn- bzw. Magnetwand geheftet.
Die meist analoge Erstellung von KPIs erfolgt mit hohem manuellen Aufwand. Inkorrekte Kennzahlen können zu nicht konsistenten und fehlerbehafteten Entscheidungen führen. Die Gründe hierfür sind:
- Abwesenheit.
- Falsche Definition der Kennzahl.
- Inkorrekte Darstellung der Kennzahl.
Auch werden Mitarbeiter:innen, die unmittelbar an der Wertschöpfung beteiligt sind, oftmals nicht direkt informiert.
Besonders im Zuge der Globalisierung stehen Unternehmen unter hohem Wettbewerbs- und Kostendruck. Aus diesem Grund müssen ständig neue Potentiale zur Kostenreduzierung entwickelt werden. [Mr00, S.1 ff.] Denn das Treffen von falschen Entscheidungen erzeugt Fehler, welche wiederum Fehlerkosten verursachen. Mit jeder Wertschöpfungsstufe erhöhen sich die Fehlerkosten um den Faktor zehn. Je früher ein Fehler entdeckt wird, desto weniger Fehlerkosten können entstehen. [VDI94]
Um einer Fehlerentstehung entgegen zu wirken, muss das Management fundierte und nachvollziehbare Entscheidungen treffen. [Mu15] Jedoch birgt die analoge Darstellungsweise von Kennzahlen folgende Fehlerpotentiale:
- Intransparenz der Kennzahlen.
- Fehlende Rückmeldung.
- Reaktion auf Probleme, anstatt vorausschauendes Agieren.
- Unübersichtlichkeit der Aufgaben, Ziele und Kennzahlen.
- Hoher manueller Aufwand.
- Beschäftigte müssen aktiv Informationen beziehen.
Diese Fehlerpotentiale erzeugen folgendes Resultat:
- Ineffiziente und ineffektive Auswertung erzeugt Verschwendung.
- Beschäftigte sind nicht richtig oder nicht informiert, agieren daher falsch und sehen keine Resultate ihrer geleisteten Arbeit.
- Entscheidungen werden auf Basis fehlerhafter, unzureichender, intransparenter Kennzahlen getroffen und verursachen Fehler und damit auch Fehlerkosten.
Das analoge Shopfloor Management trägt durch die hohe Fehleranfälligkeit, Ausfallhäufigkeit, Trägheit, sowie die geringe Transparenz erheblich zu Fehlentscheidungen bei. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, zu untersuchen, wie man das analoge SFM zu einem digitalen, echtzeitbasierten SFM transformieren kann.
1.3. Aufbau und Zielsetzung
1.3.1. Aufbau
Die Ausarbeitung dieser Arbeit erfolgt in sechs Abschnitten, deren Ausrichtung und inhaltliche Verknüpfung nach dem IMRaD1 -Schema implementiert wird. Das IMRaD-Schema sorgt für Unterstützung bei der Strukturfindung, verringert Unordnung und ermöglicht eine kompetente, logische Präsentation von relevanten Informationen für den:die Rezipient:in. [Wu11]
Das erste Kapitel, die Einleitung, führt zum Thema hin, begründet die Relevanz und zeigt die Problem- und Fragestellung, sowie den Aufbau der Arbeit auf.
Der Abschnitt zwei behandelt den aktuellen Stand der Technik in den Themengebieten Industrie 4.0, Shopfloor Management und Kennzahlensysteme. In diesem Abschnitt werden Begriffe definiert, Konzepte und relevante Kernpunkte erklärt, sowie erläutert. Dieses Kapitel dient als Ausgangsbasis für die spätere praxisorientierte Konzeption.
Teil drei gibt einen Überblick über die methodische Vorgehensweise, im Genaueren werden hier die Primär- und Sekundärmethodiken, sowie die Datenerhebungsmaßnahmen aufgezeigt. Der Abschluss des Kapitels leitet über zum konzeptionellen Teil vier der Arbeit.
Die Ausarbeitung eines Frameworks zur Umsetzung einer digitalisierten Shopfloor Management Lösung folgt in Teil vier. Die Identifikation der Kennzahlen erfolgt durch eine Ist-Analyse und schließt mit einem Ausblick auf Potentiale und Weiterentwicklungsmöglichkeiten ab. Im nächsten Schritt werden die echtzeitbasierten Kennzahlen in einem Feldexperiment bewertet. Die Validierung und die Grenzen dieses Vorgehens schließt Kapitel vier ab.
Die Erstellung und Validierung eines Demonstrationsprototypen stellt den Abschnitt fünf dar. Mithilfe einer Anforderungsanalyse werden die Rahmenbedingungen abgesteckt und im nächsten Schritt in einem Darstellungsprototypen für die Zielgruppen Management, operationelle Führung und Mitarbeiter:innen implementiert. Abgeschlossen wird das Kapitel fünf mit der Validierung des Prototypen.
Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung. Hier werden die zentralen Ergebnisse und Potentiale aufgezeigt. Eine wissenschaftliche Diskussion der Arbeit erfasst offene Fragestellungen und weist auf zukünftige Forschungsbedarfe hin. Das Fazit reflektiert diese wissenschaftliche Arbeit.
Die Abbildung 1.1 gibt einen schematischen Überblick der Arbeit.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.1.: Aufbau der Arbeit Quelle: eigene Darstellung
1.3.2. Ziel der Arbeit
Das Ziel dieser Arbeit ist es, ein potentielle Verbesserung im Bereich Lean Management, genauer Shopfloor Management, zu entwickeln.
Die Forschungsfrage der Masterthesis lautet:
Wie können produzierende Unternehmen durch Big Data Analytics im Bereich des Shopfloor Managements Verbesserungspotentiale erzielen?
Mithilfe dieser wissenschaftlichen Arbeit wird folgender wissenschaftliche Mehrwert und Innovationsbeitrag geliefert:
- Analyse von Einsatzmöglichkeiten der Industrie 4.0 im Bereich digitales Shopfloor Management.
- Erarbeitung eines Vorgehens zur Einführung eines echtzeitbasierten digitalen SFM, welches hilft, zeitnah richtige Entscheidungen zu treffen. Das Vorgehen kann auch auf andere Branchen übertragen werden und besitzt somit ein hohes Innovationspotential.
- Diese Masterthesis bietet eine sofortige industrielle Anwendungsmöglichkeit, durch die Entwicklung eines Demonstrations-Prototypen für ein visuelles Informationssystem zur Entscheidungsfindung und Information von Beteiligten, Berechtigten und (berechtigt) interessierten Personen.
- Unternehmen können durch dieses Forschungsvorhaben unterstützt werden, Optimierungen in den Bereichen Prozessen, Führung und Verhalten zu erreichen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Im Genaueren wird in dieser Arbeit ein praxisbezogenes Verbesserungspotential erarbeitet, mit welchem Unternehmen und Organisationen die Lücke zwischen analogem und digitalem Shopfloor Management schließen können. Es wird dargestellt, wie wichtig definierte Kennzahlen für eine konsistente Entscheidungsfindung sind. Zusätzlich wird aufgezeigt, wie Beschäftigte im Spannungsfeld von Digitalisierung und Industrie 4.0 mithilfe eines visuellen Informationssystems in digitale Prozesslandschaften eingebunden werden können.
1.3.3. Praxisbezug
Diese Masterthesis wurde bei einem deutschen Luftfahrtlogistikunternehmen durchgeführt, welches ein breites Spektrum an Logistikkomplettlösungen anbietet. Das Prinzip des (analogen) Shopfloor Managements wird hier konsequent angewendet, um im Spannungsfeld von stringenten Luftfahrtregularien und hohem Wettbewerbsdruck zu bestehen. Dabei fällt auf, dass die Erstellung der KPIs meist nicht automatisiert, sowie nicht standardisiert, sondern analog abläuft. Das Ergebnis ist ein hoher manueller Aufwand, hohes Fehlerpotential und ein geringer Grad an Transparenz für Beschäftigte und Führungskräfte. Aus diesem Grund lag es nahe, ein Projekt mit dem Ziel, Verbesserungspotentiale herauszustellen, zu initiieren.
Im Folgenden werden aus Datenschutzgründen unternehmensbezogene Daten leicht abgeändert, ohne aber die Größenordnung des Ergebnisses und die dahinter liegende Berechnungslogik zu ändern.
2. Stand der Technik
Im folgenden Kapitel wird der Stand der Technik der resultierenden Frage- und Aufgabenstellung erläutert.
Kapitel 2.1 gibt einen Überblick über die Geschichte, Entstehung und die Kernpunkte des Shopfloor Management. Hierbei wird im besonderen Maße auf die vier Kernpunkte Führung vor Ort, Abweichungen erkennen, nachhaltige Problemlösung und effizienter Ressourceneinsatz eingegangen.
Anschließend, im Kapitel 2.2, erfolgt eine Vorstellung des Themengebiets Industrie 4.0. Nach der Einführung in das Thema wird der Fokus auf die für dieses Forschungsvorhaben relevanten Kernpunkte Digital Leadership und Business Analytics gelegt.
Das Kapitel 2.3 gibt einen Einblick in die Nutzung von Kennzahlen und Echtzeitdaten in der Produktion, genauer werden die Funktionen von Kennzahlen innerhalb unternehmerischer Prozessen, bzw. Produktionsprozessen aufgezeigt. Des Weiteren werden Kennzahlarten, -systeme und -ziele erläutert. Im Speziellen wird die Bedeutung und der Aufbau von Kennzahl(systemen) im Shopfloor Management konkretisiert.
2.1. Shopfloor Management
2.1.1. Begriffsbestimmung Lean Management
Das Lean Management umfasst eine effiziente Gestaltung der kompletten Wertschöpfungskette, mittels einer ganzheitlichen Prozessoptimierung. Eine Beschränkung auf spezifische Unternehmensbereiche erfolgt nicht. Das Ziel ist es, ein schlankes Management mithilfe von Lean-Methoden, Verfahren und Denkprinzipien zu implementieren und somit Prozesse zu verschlanken und ein Produktionssystem ohne Verschwendung zu erschaffen. Hierfür werden interne Prozesse ständig verbessert, aber auch einer Neuorientierung ausgesetzt. [Br08, S. 61 ff.]
Die zentralen Aspekte sind die Kostensenkung sowie die Kundenorientierung. Dabei werden Einsparpotentiale erkannt und eliminiert. Letztendlich werden so Prozesse ohne Verschwendung eingeführt. [Br08, S. 61 ff.]
Zur Umsetzung der kontinuierlichen Verbesserung, Verminderung der Verschwendung und Realisierung von Einsparpotentialen wurden im Zuge des Lean Management, unterschiedliche Methoden und Werkzeuge entwickelt, wie z.B. das Shopfloor Management.
2.1.2. Begriffsbestimmung SFM
Das Wort Shopfloor Management besteht aus den beiden Wörtern Management, sprich Führung und Verwaltung und Shopfloor, der Produktion. In einer Hierarchiepyramide dargestellt, befindet sich das Management an oberster Stelle und der Shopfloor unten. Die Vergütung nimmt i.d.R. mit der Höhe der Hierarchieebene zu, konträr dazu die direkte Wertschöpfung. Jedoch ist die Produktion, jene Ebene mit der höchsten Wertschöpfung. Hier werden die Produkte geschaffen die als Grundlage des Unternehmenserfolgs dienen. Aus diesem Grund lag es nahe, ein effektives und effizientes Produktions-Managementsystem für Unternehmen zu entwickeln, um den langfristigen Unternehmenserfolg zu sichern. Das Shopfloor Management wird oft auch als Führung am Ort der Wertschöpfung bezeichnet. [Pe09, S. 28]
Die Abbildung 2.1 zeigt die Wortherkunft des SFM auf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1.: Führung am Ort der Wertschöpfung Quelle: Anlehnung an [Pe09, S. 28]; eigene Darstellung
Das Shopfloor Management bewirkt eine Verringerung einer undifferenzierten, engstirnigen Denkweise. Somit sind Führungskräfte stärker an die Produktion und das Tagesgeschehen gekoppelt. Andererseits wird hier auch die Eigenverantwortung der Mitarbeiter:innen gefordert und gefördert, um deren Weiterentwicklung zu unterstützen. [Br08, S. 99 f.]
2.1.3. Prinzipien SFM
Das Shopfloor Management besteht aus vier zentralen Elementen: Führung vor Ort, Abweichungen erkennen, Probleme nachhaltig lösen und Ressourceneinsatz optimieren. Im Folgenden Abschnitt werden Werkzeuge und Methoden vorgestellt, welche charakteristisch für die jeweiligen Kernelemente sind. Die Abbildung 2.2 zeigt die Kernelemente des SFM grafisch auf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2.: Zentrale Elemente SFM Quelle: Anlehnung an [Pe09, S. 40]; eigene Darstellung
2.1.4. Probleme nachhaltig lösen
Ziel dieses Kernelements ist es, strukturierte Problemlösungszyklen in der Produktion zu manifestieren. Hierbei wird der Fokus auf die Suche nach der Problemursache und der Beseitigung gelegt. Eine Clusterung von gleichen oder ähnlichen Ursachen hilft, neuen Problemen vorzubeugen.
Kern des Shopfloor Gedanken ist es, die Beschäftigten in den gesamten Prozess mit einzubinden. Dies steigert die Akzeptanz und das bereichsübergreifende Wissen der Beschäftigten. Durch die Visualisierung des gesamten Problemlösungsprozesses an dem Shopfloor Board wird eine durchgehende Transparenz erzeugt.
Der grundlegende Ansatz der Problemlösung ist immer gleich, denn mithilfe von standardisierten Methoden und Werkzeugen werden Probleme detailliert beschrieben und schließlich die Problemursache(n) gefunden. Die Auswahlmöglichkeiten der Methoden und Werkzeuge sind vielfältig. Bekannte Beispiele hierfür sind: 5-Warum Methode, Fischgrätendiagramm oder Histogramme. Ist die Ursachenfindung abgeschlossen, werden Maßnahmen definiert, welche regelmäßig in den SFM-Terminen nachverfolgt und bei Bedarf korrigiert werden.
Konnte eine Problem dauerhaft eliminiert werden, findet eine Verankerung der Maßnahme statt. Diese Standardisierung sichert Erkenntnisse ab und sorgt für Fortschritt im Unternehmen. Dieser Prozess wird auch als Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) oder Kaizen (japanisch: Veränderung zum Besseren hin) bezeichnet. Der iterative KVP-Prozess besteht aus den Schritten Plan, Do, Check, Act (kurz: PDCA), mit dem Ziel, Verbesserungen zu erzielen und zu manifestieren. [Pe09, S.94-101]
Zur Visualisierung und Archivierung dieses Prozesses hat sich die Darstellung auf einem A3-Problemlösungsblatt bewährt. Hier werden alle Schritte, von Problemdefinition bis hin zum Ergebnis, abgebildet. Den Beschäftigten wird so ein durchweg transparenter Prozess gewährleistet. Die Abbildung 2.3 zeigt das KVP Schema und das A3-Blatt zur Problemlösung grafisch auf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.3.: KVP Schema und A3 Problemlösungsblatt Quelle: in Anlehnung an [BW13] (a,b); eigene Darstellung (a)
2.1.5. Führung vor Ort
Das Führen am Ort der Wertschöpfung ist das wichtigste der vier SFM-Prinzipien. Das Ziel dieses Konzeptes ist es, die Distanz zwischen Produktion und Management signifikant zu reduzieren. In produzierenden Unternehmen ist das mittlere und obere Management sehr stark von den Produktionsprozessen abgekoppelt. Somit werden Entscheidungen anhand von Kennzahlen getroffen, ohne dabei die Hintergründe, gar die Produktionsprozesse, zu kennen. Dieser Inhaltsverlust führt zu fehlerhaften Entscheidungen und damit zu vermeidbaren Fehlerkosten.
In der Literatur findet sich eine passende Metapher zu dieser Thematik. So beschreibt Remco Peters [Pe09, S. 27-28] die Situation mit einer Analogie aus dem Medizinwesen. Das Treffen von Entscheidungen in produzierenden Unternehmen, nur anhand von Kennzahlen, ist vergleichbar mit der Telefondiagnose einer Person im ärztlichen Dienst. Diese verschreibt der zu behandelnden Person ein Medikament, ohne sie vorher gesehen und untersucht zu haben. Ein solches Vorgehen ist nicht akzeptabel. Dahingegen ist eine solche Vorgehensweise in produzierenden Unternehmen häufig anzutreffen.
Im Weiteren werden durch die fehlende Präsenz von Führungskräften nicht nur falsche Entscheidungen getroffen, es bleiben auch Verbesserungspotentiale unerkannt. Diese Problematik trifft nicht nur auf das mittlere und obere Management zu, sondern auch auf die operationelle Führung. So verwenden betriebliche Führungskräfte 95% ihrer Zeit mit Bürotätigkeiten oder Terminen [Pe09]. Somit ist die Führungskraft nur zu fünf Prozent direkt an der Wertschöpfung, in der Produktion tätig. Die Abbildung 2.4 stellt diesen Zusammenhang grafisch dar. Eine ausgewogene Führung, sowie die Erkennung von Potentialen ist so nicht möglich. Aus diesem Grund zielt die SFM-Philosophie darauf ab, die Arbeitsinhalte wieder in Richtung Wertschöpfung zu lenken. Im folgenden werden zwei grundlegende SFM- Methoden erklärt, die es Führungskräften ermöglichen, mehr Zeit an der Wertschöpfung zu investieren, ohne dabei andere Teilbereiche zu vernachlässigen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.4.: Tätigkeitsstruktur-Analyse betriebliche Führung Quelle: Anlehnung an [Pe09, S. 26]; eigene Darstellung
Shopfloor Meetings finden zwingend in der Produktion statt, so können Entscheidungen über die Produktion auch direkt an dem Ort der Wertschöpfung getroffen werden. Somit können 25% der Arbeitszeit der betrieblichen Führung in die Produktion gesetzt werden. Der zentrale Mittelpunkt der SFM-Meetings ist die Shopfloor Tafel. Auf dieser werden wichtige, tagesaktuelle Informationen eingetragen, wie z.B. Schichtbelegung, kritische Termine oder Auslastung der Vortage. Dabei ist es essentiell, dass die Visualisierung kurz und prägnant gestaltet ist. Ziel ist es hier, in etwa 15 Minuten das ganze Produktionsgeschehen zu überblicken. Die Abbildung 2.5 zeigt eine konventionelle Shopfloor Tafel mit unterschiedlichen Elementen. Ein strukturierter Tagesablauf sorgt für eine transparente, definierte, zielgerichtete Kommunikation durch feste Abläufe mit vordefinierten Inhaltsblöcken, Teilnehmer:innen, Zeit, Ziel und Ort. Die Zeitblöcke für das SFM sind stets reserviert und haben die höchste Priorität, alle anderen Besprechungen finden nur in den anderen freien Zeitfenstern statt. Die Tabelle 2.1 zeigt einen strukturierten Tagesablauf eines Logistikunternehmens.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.5.: Konventionelle Shopfloor Tafel Quelle: [Si]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2.1.: Strukturierter Tagesablauf Logistikunternehmen Quelle: eigene Darstellung
T-Cards sind physische oder digitale Karten, welche die Aufgaben der Führungskräfte visualisieren und transparent darstellen. Nach Erledigung der Aufgaben werden die Karten wieder umgedreht. Es können jederzeit neue Aufgaben bzw. Karten hinzugefügt oder entfernt werden. Dies erzeugt Transparenz und Verbindlichkeit. Verwendet werden T-Cards für regelmäßige Aufgaben mit dem Zweck der Fehlerprävention und zur Ermittlung von KVP- Bedarfen. Mögliche Aufgaben wären: Arbeitssicherheit, Sauberkeit, Prozessbeobachtungen. Die Abbildung 2.6 zeigt ein Beispiel für eine T-Card aus einem Logistikunternehmen.
2.1.6. Abweichungen erkennen
Das Kernelement Abweichungen erkennen, ermöglicht es, Soll-Ist Vergleiche durchzuführen und somit die aktuelle Lage zu bestimmen. Für eine derartige Lagebestimmung ist es obligatorisch, Standardisierungen vorzunehmen. Als Standard wird die zu einem definierten Zeitpunkt bestmögliche Ausführung einer Tätigkeit, genauer deren Arbeitsinhalt, Abfolge, zeitliche Dauer und Ergebnis, bezeichnet. Eine Standardisierung ermöglicht somit eine Unterscheidung zwischen gewünschtem und nichtgewünschtem Zustand. [Pe09, S. 86]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.6.: Beispiel T-Card Quelle: eigene Darstellung
Eine Standardisierung ist somit zwingend notwendig, um Abweichungen zu erkennen. Eine der effektivsten und effizientesten Methoden, Abweichungen zu erkennen, sind Visualisierungen. Abweichungen sind hier auf einen Blick erkennbar. Es sollen dennoch nur die Informationen dargestellt werden, die sofortiges, prozess- und erfolgsbezogenes Feedback ermöglichen. Eine zu hohe Anzahl an visualisierten Kennzahlen führt dahingegen durch eine Informationsüberflutung zu einer Ablenkung von Kernpunkten. [Pe09, S. 88]
Eine Visualisierung von Produktionsprozessen kann z.B. durch folgende Werkzeuge erfolgen:
- Prozessabläufe (Standardarbeitsblätter)
- Prozesszustände (Andon-Board)
- Sauberkeit und Ordnung (6S-Check)
- Arbeitspaketsteuerung (Kanban-Board)
Eine weitere Möglichkeit, Abweichungen in der Produktion zu erkennen, ist das so genannte Gamba (japanisch: Ort des Geschehens). Bei dieser Methode durchlaufen Führungskräfte die Produktion bzw. die Produktionsprozesse und können somit Abweichungen von Standards erkennen oder ob Verbesserungen umgesetzt wurden. Zugleich wird ein Verständnis für Abläufe in der Produktion bei den Führungskräften etabliert. Das Gamba bietet Führungskräften somit die Möglichkeit, Informationen von direkt an der Wertschöpfung Beteiligten zu beziehen und auch eigene, ungefilterte Informationen direkt an die Beteiligten weiterzugeben, bzw. direkt Feedback zu erhalten. [Pe09, S. 90 ff.]
2.1.7. Optimierung Ressourceneinsatz
Mithilfe des Shopfloor Management Konzepts können aktiv Prozesse in der Wertschöpfung gesteuert und optimiert werden. Die iterative Optimierung von Produktionsressourcen und die Erkennung von Abweichungen, durch transparente Steuerungsprozesse, trägt signifikant zu einer Verbesserung der Gesamtprozesse bei. Die Optimierung des Ressourceneinsatzes lässt sich in drei Hauptkomponenten aufteilen:
Mitarbeiter:innen sind eine der wichtigsten Ressourcen eines Unternehmens. Umso wichtiger ist es, diese effizient einzusetzen. Der effiziente Einsatz dieser Ressource kann durch Visualisierungswerkzeuge, wie einer Belegungstafel, sichergestellt werden. Sie gibt Überblick über die Ist-, Soll- und Mindestbelegung der Mitarbeiter:innen. Für jede:n Mitar- beiter:in wird eine Karte mit Namen, Qualifikation und potentiellen Arbeitsfeldern erstellt. Diese Karten werden vor dem Schichtbeginn den jeweiligen Arbeitsbereichen zugeordnet. Somit ist eine vollständige Transparenz gewährleistet, welche es ermöglicht, Abweichungen sofort zu identifizieren und die Personalplanung zu optimieren. Neben der Auslastung der Mitarbeiter:innen ist auch die Mitarbeiter:innenqualifikation zu betrachten. Hier wird zuerst eine sogenannte Qualifizierungsmatrix, zur systematischen Ermittlung von Qua- lifikationsbedarfen, bestimmt. Daraus wird ein mittel- und langfristiger Schulungsplan, gemäß den Anforderungen, erstellt. Diese ist Grundlage für die aktive und zielgerichtete Förderung von Mitarbeiter:innen. So werden aktive und qualifizierte Mitarbeiter:innen, die das Grundgerüst des SFM-Konzepts darstellen, ausgebildet. Das proaktive Einbringen von Ideen der Mitarbeiter:innen ist ein weiterer Grundgedanke des Shopfloor Management. Ein Werkzeug hierfür ist die Implementierung eines Mitarbeiter:innen-Ideenportals, auch betriebliches Vorschlagswesen (BVW) genannt. Hier können Mitarbeiter:innen aktiv Ideen zur Prozessoptimierung einbringen. Die Abbildung 2.7 zeigt den systematischen Ablauf eines BVW. Auch können Führungskräfte durch ihren Führungs- und Fragenstil Mitarbei- ter:innen aktiv zum Mitdenken bewegen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.7.: Vorgehen betriebliches Vorschlagswesen Quelle: Anlehnung an [Bi00, S. 140]; eigene Darstellung
Die Ressource Zeit stellt sicher, wie effizient, aber auch wie effektiv, das Shopfloor Management umgesetzt wird. Damit die unterschiedlichen Methodiken des SFM angewendet werden können, bedarf es einem guten Zeitmanagement. Zur Ermittlung der Effizienz kann eine Tätigkeitsstrukturanalyse angewendet werden. Diese zeigt, welche Tätigkeiten wie viel Zeit in Anspruch nehmen, siehe Abb. 2.4. So lassen sich zeitintensive, nicht relevante Tätigkeiten identifizieren und daraus eine Neustrukturierung ableiten. Bei jeder Analyse müssen die folgenden beiden Grundfragen der Effektivität und Effizienz beantwortet werden:
- Werden die richtigen Dinge gemacht? Effektivität.[Ma09, S. 20]
- Werden die Dinge richtig gemacht? Effizienz.[Ma09, S. 20]
Dadurch kann erst sichergestellt werden, dass die eingesetzte Zeit effektiv und effizient genutzt wird. Letztendlich wird so Zeit geschaffen, um SFM-Methoden zu implementieren und anzuwenden.
Als letzter Aspekt dieses Abschnitts wird die Ressource Maschinen und Anlagen betrachtet. Eine der populärsten Methoden der Produktionsprozesssteuerung ist Kanban (japanisch: Karte). Diese Methode orientiert sich am realen Verbrauch von Materialien, ermöglicht somit eine maximale Reduktion von Beständen in allen Wertschöpfungsstufen. Kanban hilft damit die Produktivität des Unternehmens zu verbessern, bei gleichzeitiger Reduzierung der Verschwendung. Die Produktion erfolgt nur, wenn ein Bedarf vorhanden ist, auch Pull-Verfahren genannt. Somit wird konsequent eine Überproduktion vermieden. Umgesetzt wird Kanban z.B. in den Ausführungen, Flächen-Kanban, Behälter-Kanban oder am populärsten, Karten-Kanban. [RSE13, S. 175 f.]
2.2. Industrie 4.0
Der Begriff Industrie 4.0 bezeichnet die vierte industrielle Revolution, welche zukunftsorientierte Technologien, Prinzipien der Cyber-Physischen Systeme und intelligente MenschMaschine-Interaktionen anwendet. Diese Paradigmen ermöglichen eine Identifizierung und Kommunikation mit jeder Entität in der Wertschöpfungskette und führt somit zu einer IT-gestützten individualisierten Massenfertigung. [La14, Po15]
Das erste Mal erwähnt wurde der Begriff Industrie 4.0 von Siegfried Dais und Henning Kagermann auf der Hannover Messe 2011. Daraufhin wurde unter deren Leitung eine Arbeitsgruppe Industrie 4.0 gegründet.
Ziel von Industrie 4.0 ist es, die gesamte Fabrik mithilfe von Internet of Things und vernetzten Services zu einer smarten Umgebung zu transformieren. Zusätzlich ermöglichen intelligente Maschinen, Produktionsanlagen und Lagersysteme eine konsistente Informations- und Kommunikationskette, die alle Bereiche von der Logistik bis hin zum Marketing integriert. Industrie 4.0 sorgt mithilfe von gesteigerter Transparenz für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Mitarbeiter:innen und Geschäftspartner:innen. [KWH13]
Die erste industrielle Revolution begann Ende des 18. Jahrhunderts mit der Einführung von mechanischen Fertigungsanlagen, wie z.B. der mechanische Webstuhl. Zur Wende des 20. Jahrhunderts folgte die zweite industrielle Revolution, welche die elektrisch-betriebene Massenproduktion von Gütern auf Basis der Arbeitsteilung beinhaltete. Diese wurde in den 1970er-Jahren durch die dritte industrielle Revolution abgelöst. Diese dritte Revolution nutzt Elektronik und Informationstechnologie, um Fertigungsprozesse zu automatisieren. Die vierte industrielle Revolution setzt auf Vernetzung von allen Teilen der Wertschöpfungskette mithilfe von Cyber-Physischen Systemen. [KWH13]
Die Abbildung 2.8 zeigt die vier Phasen der industriellen Revolution grafisch auf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.8.: Vier Phasen der industriellen Revolution Quelle: Anlehnung an [DFK]; eigene Darstellung
Industrie 4.0 beeinflusst das Produktionsumfeld mit Änderungen in den Prozessabläufen maßgeblich. Konträr zur konservativen prognosebasierten Produktionsplanung schafft es Industrie 4.0, Produktionspläne in Echtzeit zu berechnen. Ermöglicht wird die Entwicklung hin zu einer Smart Factory vor Allem durch neue Technologien und intelligente Algorithmen. [BHVH14]
Mit der Einführung von Informations- und Kommunikationssystemen in industriellen Netzwerken stieg auch der Automatisierungsgrad der Fabriken enorm an. Intelligente und selbstlernende Maschinen in der Produktion synchronisieren sich mit der gesamten Wertschöpfungskette, von der Bestellung des Materials vom Lieferanten bis hin zur Auslieferung der Ware an den Kunden. [Ga13]
Auch die Simulation von Prozessen z.B. in den Bereichen Bestand, Logistik und Transport sowie die Nutzungshistorie von Produkten hilft, die Produktionsprozesse positiv zu lenken. [WCZ15]
Die Bereitschaft zur Umsetzung von Industrie 4.0 in Deutschland ist vorhanden, 41 Prozent der deutschen Unternehmen sind sich dem Wandel bewusst und haben bereits konkrete Projekte mit Bezug auf Industrie 4.0 gestartet. Trotzdem ist es noch ein weiter Weg bis zur vollständigen Erschließung des Themas in der Industrie. Vor Allem für kleine und mittelständische Betriebe ist der Wandel weitestgehend unbekannt, denn nur 44 Prozent geben an, von dem Begriff Industrie 4.0 gehört zu haben. Andererseits haben nur 17 Prozent der Großunternehmen den Term noch nicht gehört. [We14]
Die Industrie muss die Möglichkeiten und Vorteile, die mit der Vernetzung all ihrer Fabrikabläufe verbunden sind, ausschöpfen. Dies betrifft nicht nur technische Fragen, sondern wirft auch wichtige Management- und Führungsfragen auf. [SW15]
Die vierte industrielle Revolution ist auf der ganzen Welt verbreitet und besitzt in verschiedenen Ländern unterschiedliche Bezeichnungen. In vielen englischsprachigen Ländern wird der Begriff Industrie 4.0 auch mit dem Internet of Things (IoT) gleichgesetzt. Daher sind Erkenntnisse der Forschung im Bereich Industrie 4.0 oder IoT auf Fertigungspraktiken weltweit einsetzbar.
Die Integration der beiden Dimensionen Lean Management und Industrie 4.0 ist ein wichtiges Forschungsfeld, das in dieser Arbeit ausgiebig beleuchtet wird. Im Folgenden werden die für diese Arbeit relevanten Aspekte der Industrie 4.0 genauer betrachtet.
2.2.1. Business Analytics
Business Analytics (BA) beschreibt systematische, iterative Untersuchungsmethoden von Unternehmensdaten. BA hilft dabei, datenbasierte Erkenntnisse zu gewinnen und somit Geschäftsentscheidungen zu beeinflussen und zu optimieren.
Dahingegen konzentriert sich Business Intelligence (BI) auf die Verwendung von konsistenten Daten und Metriken, um die vergangene Leistung zu messen, als auch Geschäftssteuerungsfunktionen zu übernehmen. BI setzt die Beschreibung von Daten in den Vordergrund, währenddessen sich BA auf die Vorhersage von Ereignissen bzw. Daten konzentriert. Somit beantwortet Business Analytics die Fragen: „Warum ist es passiert?“. Währenddessen Business Intelligence Fragen wie, „Was ist passiert?“ oder „Wann ist es passiert?“ beantwortet. Viele BI-Anwendungen integrieren sukzessive BA-Funktionen in bereits vorhandene Systemlösungen. [BSG14]
Business Analytics bearbeitet Daten mithilfe von analytischer Modellierung und numerischer Analyse, inklusive prädiktiver und erklärender Modellierung. BA nutzt als Eingabeparameter menschliche Entscheidungen oder automatisierte Entscheidungsalgorithmen.
Typische Anwendungsgebiete für Business Analytics sind [BSG14]:
- Untersuchung von Datenmustern und Zusammenhängen (Data Mining).
- Quantitative und statistische Analyse.
- Tests zur Entscheidungsüberprüfung (A/B-Test).
- Vorhersage von Ereignissen (Predictive Analytics).
Nach der Durchführung der Geschäftsziel-Analyse (Business Understanding) wird eine Untersuchungsmethodik festgelegt. Im ersten Schritt wird die Datenbasis aus einem oder mehreren Systemen extrahiert (Data Understanding und Preparation). Daraufhin folgt das Bereinigen und die Integration der Daten in ein Data Warehouse (Modeling). Die eigentliche Analyse an sich erfolgt mittels kleineren Datenstichproben. Die daraus entstehenden Analysemodelle werden durch weitere Fragen bzw. zusätzliche Parameter optimiert (Evaluation). Die erzeugten Analysemodelle können genutzt werden, um Echtzeitentscheidungen zu optimieren, zu treffen oder zu automatisieren (Deployment). [BSG14]
Zusammengefasst wird dieser Prozess als Vorgehensmodell im Cross-Industry Standard Process for Data-Mining (CRISP-DM). Die Abbildung 2.9 zeigt den typischen Ablauf eines Knowledge-Discovery-in-Database Prozess auf.[DJ18]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.9.: Vorgehensmodell des CRISP-DM für KDD Quelle: [DJ18]
2.2.2. Digital Leadership
Die vierte industrielle Revolution und die daraus resultierende Digitalisierung und Vernetzung bewirken eine starke, teils disruptive Veränderung der Umwelt und Produktionsprozesse. Auch Führungs- und Managementansätze müssen an dieses neue Zeitalter angepasst werden. Das aktuelle Zeitalter wird auch gerne mit dem Akronym VUCA (Volatile, Uncertain, Complex, Ambiguous) beschrieben, so suchen Mitarbeiter:innen nach Orientierung, wollen aber den Wandel auch aktiv mitgestalten. Es geht vor Allem darum, welche Umstände im Zeitalter der Digitalisierung beachtet werden sollen und welche Eigenschaften eine gute Führungskraft haben soll. [AH17, S. 167]
Das folgende Kapitel geht auf die zentralen Fähigkeiten von Führungskräften im Zuge der Digitalisierung ein. Auf etwaige technische Neuerungen, wie z.B. Microsoft Teams wird hier kaum eingegangen, da diese einen geringen Bestandteil der digitalen Transformation darstellen. Die erfolgreiche Durchführung der digitalen Transformation ist signifikant von den Führungseigenschaften des Vorgesetzten abhängig. [AH17, S. 184-185]
Primär geht es hier um ein Führungsverhalten, um Mitarbeiter:innen erfolgreich durch neue Herausforderungen zu begleiten und zu führen. Damit ein Führungsstil erfolgreich sein kann, ist es unabdingbar, das Vertrauen der Mitarbeiter:innen zu gewinnen. Ohne gegenseitiges Vertrauen ist das gesamte Führungskonzept zum Scheitern verurteilt. [AH17, S. 167-178]
Die Anforderungen an Führungskräfte haben sich stark gewandelt, es werden andere Charaktereigenschaften und Fähigkeiten abverlangt als bei analogen Führungskräften. Laut Andelfinger/Hänisch ergab eine Studie folgende fünf grundlegende Führungsqualitäten: Entschlossenheit, Sozialkompetenz, Führung, Innovation und Disruption. [AH17, S. 186]
1. Entschlossenheit
Führungskräfte sollen eine klare Vision aufweisen und diese auch verfolgen. Eine digitale Führungskraft gibt besonders in schwierigen Phasen Halt, fungiert als Vorbild und ermutigt, Ruhe zu behalten. Diese Eigenschaften sind besonders in der sich ständig wandelnden VUCA Welt von hoher Relevanz. [AH17, S. 186-192]
2. Sozialkompetenz
Eine der wichtigsten Kompetenzen im Zeitalter der Digitalisierung ist die Sozialkompetenz. Gerade in digitalen Konferenzen ist es wichtig, den anderen Teilnehmer:innen aktiv zuzuhören und diese wahrzunehmen. Eine gute Führungskraft kennt die Stärken und Schwächen der Teammitglieder und kann diese Diskrepanzen zum Vorteil des ganzen Teams nutzen. Teams können sich beispielsweise anhand folgender Merkmale unterscheiden: Kultur, Sprache, Alter, Religion, Werte und Lebensweisen. Die Kompetenz, Menschen mit unterschiedlichen Merkmalen in eine Organisation zu vereinen, ist eine der wichtigsten Fähigkeiten einer Führungskraft. Auch zeigt z.B. die Studie des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter, dass Teams mit sozial kompetenten Führungskräften auch engagierter und anpassungsfähiger als Teams mit klassischen Top-Down Führungskräften sind. [Li]
3. Führung
Führung bedeutet, als Vorbild zu handeln und auch selbst an die Vision des Unternehmens zu glauben und so die Mitarbeiter:innen über intrinsische Faktoren zu motivieren. Diese
Eigenschaft ist besonders bei räumlich verteilten, digitalen Teams wichtig, um so Mitarbei- ter:innen ohne physische Präsenz zu motivieren.
4. Innovation
Führungskräfte sollen den Mitarbeiter:innen neue innovative Wege zur Problemlösung aufzeigen. Ein erfolgreicher Innovationsprozess setzt voraus, dass nur wenige Struktur- und Sicherheitsbedenken vorhanden sind. Neue Problemlösungsansätze, wie z.B. das Design Thinking können somit zielführend eingesetzt werden und erlauben es den Mitarbei- ter:innen, ihren Horizont zu erweitern.
5. Disruption
Eine Führungskraft muss auch bereits bestehende Prozesse oder Abläufe unterbrechen oder zerschlagen können. Nur so können neue innovative Prozesse hin zum digitalen Wandel entstehen. Dazu wird von den Führungskräften viel Mut verlangt, um Widerstände im Unternehmen zu überwinden.
Zusammenfassend werden von guten Digital Leaders folgende Charaktereigenschaften verlangt:
- Empathie.
- Durchsetzungsvermögen.
- Fachliches Verständnis von relevanten Themengebieten.
- Sozialkompetenz.
- Selbstreflexion.
Das Digital Leadership nimmt somit eine bedeutende Rolle ein und entscheidet über Erfolg oder Scheitern der digitalen Transformation. Eine Studie des Forschungsbeirat Industrie 4.0 zeigt auf, wie enorm wichtig die Rolle des Menschen für den digitalen Wandel im Zuge der Industrie 4.0 ist. Aus diesem Grund ist es auf lange Sicht wichtig, fundierte Digital Leader auszubilden. [La18a]
2.3. Kennzahlen und Echtzeitdaten in der Produktion
Durch Kennzahlen kann die Informationsversorgung für die Entscheiderebene in Unternehmen bereitgestellt werden. Denn Kennzahlen bilden entscheidende Zusammenhänge in Unternehmen auf eine komprimierte, quantitative Form ab. Innerhalb von unternehmerischen Prozessen sind sie ein essenzielles Hilfsmittel zur Ermittlung von Soll-Größen (Planung) und Ist-Größen (Kontrolle). Generell können Kennzahlen in allen unternehmerischen Bereichen und Prozessen eingesetzt werden. [HGS15]
Die Erstellung und der Einsatz von Kennzahlen ist von hoher Bedeutung für die Unternehmenssteuerung. Wlcek beschreibt die Funktion von Kennzahlen anhand von drei wesentlichen Aufgaben:
- Kennzahlen ermöglichen die Ermittlung von der Wirksamkeit von Maßnahmen und die Steuerung von Systemen. [Kl16]
- Konstanter Vergleich von Systemwerten mit den Ziel-, Vergangenheitswerten und anderen Prozessen oder Geschäftsbereichen. [Kl16]
- Analyse des zu betrachtenden Systems, inklusive der Einflussfaktoren, sowie Ermittlung von Verbesserungsansätzen. [Gl08a]
Eine sorgfältige Messung von Leistungskennzahlen ist vor Allem in produzierenden Unternehmen obligat. Literatur und Quellen zu Leistungskennzahlen im Produktionsbereich gibt es in großer Anzahl. So beschreiben beispielsweise Bauer und Hayessen in ihrem Standardwerk die 100 wichtigsten Kennzahlen in der Produktionsumgebung [BH07]. Des Weiteren gibt Lödding einen übersichtlichen Einblick in die Produktionsplanung sowie -steuerung [Lo16].
Typische Produktionsleistungskennzahlen lassen sich in drei Kategorien unterteilen: [KS12]
- Output-orientiert (Termintreue, Produktionsleistung).
- Ressourceneinsatz-orientiert (Material-, Personaleinsatz).
- Produktionsprozess-orientiert (Losgröße, Bestand, Durchlaufzeit).
Eine Verknüpfung von Kennzahlen zu Kennzahlensystemen ist zwingend erforderlich. Denn zwischen Kennzahlen finden Zielkonflikte und Wechselwirkungen statt. Diese müssen in einer genauen Betrachtung berücksichtigt und erkannt werden. [Lo16] Die Balanced Scorecard (BSC) bietet hier eine explizite Berücksichtigung weiterer und unterschiedlicher Perspektiven. Die BSC ist ein Instrument zur Errichtung eines integrierten Managementsystems. Dabei werden nicht nur die finanzielle Perspektiven verfolgt, sondern auch andere Frühindikatoren zur Geschäftsentwicklung genutzt. Die damit ermöglichte, umfassende Sicht schafft so konkrete Maßnahmen zur besseren Ausrichtung des Unternehmens an Zielen. [KN97]
Die Abbildung 2.10 zeigt beispielhaft die vier Felder einer Balanced Scorecard eines fiktiven Unternehmens.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.10.: Balanced Scorecord eines fiktiven Unternehmens Quelle: [KN97]
Kennzahlensysteme werden häufig als Echtzeitsysteme betrieben. Diese sind durch ständig betriebsbereite Programme gekennzeichnet. [Sc06] Im Bereich des Shopfloor Management erfolgt die Erfassung von Echtzeitdaten automatisch mittels Sensoren in der Produktion, welche mit Datenverarbeitungssystemen vernetzt sind. Die somit erfassten Daten können entweder direkt vor Ort oder in verteilten Systemen ausgewertet werden. Im Vergleich zu anderen Steuerungssystemen können im Rahmen des SFM Daten auch augenblicklich ausgewertet werden, anstatt nur vergangenheitsbezogen. Mittels SFM werden bereits viele Daten in Echtzeit erfasst, aber oft nur unstrukturiert ausgewertet. Nur mithilfe einer klar definierten Strategie kann das Potential von Echtzeitdaten genutzt werden.
2.3.1. Echtzeitdaten im Unternehmenskontext
Der Einsatz von Echtzeitdaten führt im Zuge der Industrie 4.0 zu signifikanten Verbesserungen in den Unternehmensprozessen. Folgende Literatur bzw. Studien belegen diese Behauptung, vgl. [BM15, Fr15, VDM14]. Der Einsatz von Echtzeitdaten bietet folgende wesentliche Vorteile:
- Dezentrale Entscheidungen.
- Geringerer Planungsvorlauf.
- Verringerung von Verschwendung.
- Erhöhung der Auslastung.
- Geringere Durchlaufzeiten (DLZ) und Bestände.
- Operative Entscheidungshilfe.
- Erkennen von Abweichungen durch Messwerte in Echtzeit; Predictive Maintenance.
- Zeitgenaue Anpassung der Produktionskapazität an die Auftragslage; Dynamic Manufacturing.
- Kürzere Wartezeiten und höhere Maschinenauslastung.
- Permanente Inventur; digital twin.
- Lokalisierung von Warenströmen mittels Global Positioning System (GPS) oder Radio Frequency Identification (RFID).
Die aus Produktions- und Logistikprozessen gewonnen Echtzeitdaten können nun genutzt werden, um Kommunikationsabläufe zwischen Maschinen und Menschen zu optimieren. Diese direkte Kommunikation sorgt dafür, dass Bestände verringert und Durchlaufzeiten reduziert werden können. Gleichzeitig kann auch die Auslastung der Maschinen erhöht und damit die Effizienz gesteigert werden. Prozessdaten können nun in Echtzeit ausgewertet werden und so Abweichungen in den Prozessen zielgenau erkannt werden. Somit können Ausfallzeiten reduziert und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden. Das Resultat ist die Verringerung von Verschwendung durch geringe Bestände und zielgerichtete Produktionsbewegungen durch Echtzeitinformationen. [Bi14]
Die Prozesssteuerung kann mithilfe von schnellen und fundierten Entscheidungen deutlich effizienter gestaltet werden [Bi14]. Diese Entwicklung wird durch die Bereitstellung von Echtzeitdaten ermöglicht. Durch die gesteigerte Kommunikation zwischen Mensch und Maschine können dezentrale Entscheidungsstrukturen geschaffen werden, welche kurze und flexible Planungsvorlaufzeiten bezüglich der Produktionsprozesse ermöglichen. So kann kurzfristig und flexibel auf Kundenaufträge eingegangen werden. Des Weiteren können Kundenwünsche noch während des Produktionsprozesses eingespielt werden, z.B. Änderung der Dachhimmel-Farbe bei einem Automobilhersteller, während des Produktionsprozesses. So können Aufträge kundenindividuell erfüllt werden. [BM15] Besonders im Logistikbereich können Unternehmen ihren Kund:innen Mehrwerte durch Echtzeitdaten schaffen, z.B. Transparenz von Lieferketten und Überwachung der Wertschöpfungsketten. Dadurch können Unternehmen deutlich schneller und effektiver auf Störungen reagieren. [Co14]
Der Nutzen von Echtzeitdaten lässt sich allgemein entweder monetär (Kostenvergleichsrechnung oder Kapitalwertmethode) als auch non-monetär mittels Nutzwertanalyse oder Extended Performance Analyse (EPA) einstufen [DSW07]. Die EPA bietet den Vorteil, nichtmonetäre als auch nicht-quantifizierbare Effekte (z.B. Kundenmehrwert) in die Bewertung mit einzubeziehen. Das EPA-Modell integriert nicht-monetäre und monetäre Effekte in der Erfassung als auch in der Identifizierung von Nutzeffekten. [Mi16]
2.3.2. Business Analytics SFM
Das Ziel des Shopfloor Managements ist es, Potentiale in der Produktion durch Erreichung von Zielen optimal auszunutzen. Diese Ziele und Potentiale werden in Kennzahlen transformiert und visualisiert. Dies ermöglicht eine kontinuierliche, systematische und leicht verständliche Nutzung der Kennzahlensysteme. Denn nur wenn Führungskräfte und Mit- arbeiter:innen die Ziele verinnerlichen und den Ist-Zustand monitoren können, werden Verbesserungspotentiale erzielt. So hängt der Erfolg vom Shopfloor Management maßgeblich von einem zielgerichteten, systematischen Reportingsystem ab.
Reporting sind für eine definierte Zielvorgabe zusammengefasste, ausgewertete Informationen. Ziel hierbei ist es, alle Ebenen, operativ sowie strategisch, in der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Eine der wichtigsten Aufgaben ist die Herstellung von Transparenz in allen Geschäftsprozessen. Die wichtigsten Kennzahlen (KPIs) unterschiedlicher Bereiche des Unternehmens werden nach den Bedürfnissen der jeweiligen Fachabteilung zusammengefasst, verglichen und gesendet. [Ei08]
Reportingsysteme bestehen grundsätzlich aus vier wesentlichen Säulen: 1. Berichtsobjekte, 2. Inhalte, 3. Visualisierung und 4. Organisation und Prozesse. [Gl08b] In der Literatur wird das 4 Säulen-Modell manchmal auf ein 7 Säulen-Modell erweitert: 1. Software, 2. Hardware, 3. Daten, 4. Kennzahlen, 5. Sicherheit, 6. Prozesse und 7. Design. Die 7 Säulen bauen auf dem Gesamtkonzept des Reporting-Systems auf. [Fr]
Die Abbildung 2.11 stellt das 7 Säulen-Modell grafisch dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.11.: 7. Säulen-Modell eines Reporting-Systems; In Anlehnung an: [Fr]
In den ersten beiden Schritten müssen die richtigen und passenden Softwarekomponenten ausgewählt werden. Im dritten Schritt müssen die jeweiligen Daten bereinigt und eine Datenbasis erstellt werden. Die Konkretisierung der Kennzahlen erfolgt im Schritt vier.
[...]
1 Introduction, Methods, Results, and Discussion
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- Lukas Gernoth (Author), 2022, Wie Digital Leadership und Real-Time Business Analytics das Shopfloor Management optimieren. Welche Potentiale ergeben sich durch Big Data Analytics?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1248108
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