Mittelalterliche Stoffe und Romane dienten Richard Wagner als Vorlage für viele seiner Opern. Er arbeitete seine Quellen um, veränderte sie stark und schuf damit völlig neue, selbstständige Kunstwerke.
Diese Arbeit behandelt eines der schwierigsten Werke Wagners, das lange als unaufführbar galt. Die Liebesgeschichte von Tristan und Isolde. In dieser Arbeit soll vor allem dargestellt werden, in wieweit Wagner für seine Oper Tristan und Isolde von seiner Vorlage, dem Tristan-Roman von Gottfried von Straßburg, abweicht und dem Stoff durch starke inhaltliche Veränderungen Spannung und Dramatik verleiht.
Zu Beginn soll zunächst ein Vergleich zwischen Richard Wagner und Gottfried von Straßburg angestellt werden. Der Fokus liegt hier auf den Veränderungen durch Wagner und die damit verbundenen Verschiebungen in der Interpretation von Figuren und Handlung.
Desweiteren möchte ich noch auf einige mittelalterliche Motive in der Oper eingehen, die Wagner bewusst einsetzt, um seine Handlung in den höfischen Kontext einzubetten. So wird auf die Themen Liebesreligion und Minne eingegangen und es soll gezeigt werden, wie Wagner Gottfrieds „Liebes-Religion“ übernimmt und besonders seine Isolde als Erlöserin und Heilsbringerin darstellt. Damit kann ein Brückenschlag zu Tristans Stellung in Gesellschaft und Minneverhältnis gemacht werden. Anschließend will ich auf das Thema Treue und Verrat bei Wagner eingehen, welches eines der zentralen Leitmotive dieses Werkes darstellt. Zum Schluss soll noch auf die Auswahl der Orte Schiff, Garten und Burggarten in der Oper bei Wagner eingegangen werden, die wegen ihres hohen Symbolwertes nicht unbeachtet bleiben dürfen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2. Vergleich zwischen Wagner und Gottfried
2.1 Konzept Wagners für die Oper
2.2 Veränderungen in der Vorgeschichte
2.3 Die Liebesfindung
2.3.1 Verschiebung des Machtstatus
2.3.2 Liebes- und Todestrank
2.4 Liebesverwirklichung
2.4.1 Entrückung des Liebespaares
2.4.2 Liebesakt
2.4.3 Zwischen Tag und Nacht
2.5 Liebeserfüllung
3 Liebesreligion
4 Frau Minne
5 Tristans gesellschaftliche Stellung
6 Treue und Verrat
6.1 Marke und Tristan
6.2 Tristan und Kurwenal
6.3 Tristan und Melot
6.4 Isolde und Marke
6.5 Isolde und Brangäne
6.6 Isolde und Tristan
7 Die Orte in der Oper
7.1 Das Schiff
7.2 Der Garten
7.3 Der Burggarten
8 Libretto als selbstständiges Kunstwerk
9 Bibliographie
1 Einleitung
Mittelalterliche Stoffe und Romane dienten Richard Wagner als Vorlage für viele seiner Opern. Er arbeitete seine Quellen um, veränderte sie stark und schuf damit völlig neue, selbstständige Kunstwerke.
Diese Arbeit behandelt eines der schwierigsten Werke Wagners, das lange als unaufführbar galt. Die Liebesgeschichte von Tristan und Isolde. In dieser Arbeit soll vor allem dargestellt werden, in wieweit Wagner für seine Oper Tristan und Isolde von seiner Vorlage, dem Tristan -Roman von Gottfried von Straßburg, abweicht und dem Stoff durch starke inhaltliche Veränderungen Spannung und Dramatik verleiht.
Zu Beginn soll zunächst ein Vergleich zwischen Richard Wagner und Gottfried von Straßburg angestellt werden. Der Fokus liegt hier auf den Veränderungen durch Wagner und die damit verbundenen Verschiebungen in der Interpretation von Figuren und Handlung.
Desweiteren möchte ich noch auf einige mittelalterliche Motive in der Oper eingehen, die Wagner bewusst einsetzt, um seine Handlung in den höfischen Kontext einzubetten. So wird auf die Themen Liebesreligion und Minne eingegangen und es soll gezeigt werden, wie Wagner Gottfrieds „Liebes-Religion“ übernimmt und besonders seine Isolde als Erlöserin und Heilsbringerin darstellt. Damit kann ein Brückenschlag zu Tristans Stellung in Gesellschaft und Minneverhältnis gemacht werden. Anschließend will ich auf das Thema Treue und Verrat bei Wagner eingehen, welches eines der zentralen Leitmotive dieses Werkes darstellt.
Zum Schluss soll noch auf die Auswahl der Orte Schiff, Garten und Burggarten in der Oper bei Wagner eingegangen werden, die wegen ihres hohen Symbolwertes nicht unbeachtet bleiben dürfen.
Zum besseren Verständnis werde ich die Zitate aus Gottfrieds Tristan-Roman auf Neuhochdeutsch einfügen und das Mittelhochdeutsche vernachlässigen.
2. Vergleich zwischen Wagner und Gottfried
2.1 Konzept Wagners für die Oper
Richard Wagners Oper enthält nur die für ihn wichtigen Kernszenen, die für die beiden Liebenden zentral sind, denn er meißelt „aus dem erzählbunten Ritter-Liebes-Roman [Tristan] die (diesem freilich fundamental eigene) mythische Substanz in Reinheit“[1] heraus. Alles überflüssige Beiwerk lässt er beiseite.
Wapnewski zitiert hier Wagner: „’dass im Tristan das innere Drama, auf das es ankommt, aus der Verkrustung durch das Gedränge der Ereignisse, befreit sei.’“[2] So werden weder Tristans Jugend, noch seine Aventuren erzählt. Auf diese Weise wird die Handlung stark gestrafft, wo im Tristan-Roman Tage und Wochen vergehen, darf in der Oper die erzählte Zeit nicht weit von der Erzählzeit abweichen. Jeder Akt wird zum Ende hin zugespitzt und zu einem grandiosen Finale gebracht. Im Folgenden soll nun untersucht werden, wie stark und auf welche Weise Richard Wagner von seiner Vorlage abweicht und sie umformt.
2.2 Veränderungen in der Vorgeschichte
Der erste Akt spielt auf einem Schiff, während der Überfahrt nach Kornwall. Tristan, der Brautwerber, will die irische Prinzessin zu König Marke bringen, um sie mit ihm zu verheiraten. Trotzdem darf die Vorgeschichte der Ermordung Morolds und die Brautwerbung nicht fehlen und so lässt Wagner Isolde das Geschehene berichten. Jedoch hält sich die Erzählung hier auch nur grob an die mittelalterliche Vorlage. Bei Gottfried hält sich Tristan schon zum zweiten Mal am irischen Hof auf, als die junge Isolde ihn als Mörder Morolds entlarvt. Wagner hingegen rafft das Geschehen stark und so kommt es sehr schnell zu der verhängnisvollen Situation, in der Isolde Tristan erschlagen will.
Mehrere Details verändert Wagner hier ganz bewusst: Morold ist nicht mehr nur Onkel Isoldes, sondern ihr Verlobter: „Angelobt war er mir, der hehre Irenheld;“[3] Warum Wagner hier die Familiensituation verändert, hat wahrscheinlich damit zu tun, dass er die Sippentreue des Mittelalters nicht als ausreichenden Beweggrund verstand und den Verlust des Verlobten als tiefgreifender erachtete.[4] Außerdem empfindet Isolde es als „Schmach“ (S. 20), dass Tristan für den Irland zinspflichtigen König Marke um sie warb. Der Drachenkampf und die Entledigung des hinterlistigen Truchsessen werden hier als Gründe für die Erwerbung von Isoldes Hand gar nicht ins Feld geführt. So bleiben als einzig märchenhaftes Element nur die Zaubersäfte der Königinmutter in der Oper erhalten.
Hinzu kommt, dass Isolde ihren Plan, Tristan mit dem Schwert zu töten, nicht ausführen kann, als er sie ansieht und sie Mitleid für ihn empfindet:
„Er sah mir in die Augen.
Seines Elendes
jammerte mich;“ (S. 19)
Im Tristan-Roman bedarf es etwas mehr als einen Blick und Mitleid. Als Isolde Tantris als Tristan entlarvt und ihn erschlagen will, schreitet ihre Mutter ein, die Tristan Schutz für sein Leben und seine Habe versprochen hat. Doch auch dies besänftigt die blonde Isolde nicht. Gottfried muss erst seine Philosophie der Weiblichkeit als das ewig Gute ins Feld führen, bis sie das Schwert zu Boden wirft, denn „sie [konnte] ihn nicht erschlagen, Ihr zartes weibliches Empfinden bedrängte sie und hielt sie davon zurück.“[5] Im Roman wird also klar, dass Isolde Tristan zu diesem Zeitpunkt nicht liebte und erst durch den Liebestrank ihr Herz öffnet. Wagners Isolde jedoch lässt sich von Tristans Blick bezwingen und schon von Beginn des ersten Aktes an merkt man, dass sie bereits unsterblich in ihn verliebt ist. Auf das Motiv des Blicks als Liebesbeweis soll im Kapitel „Frau Minne“ genauer eingegangen werden.
2.3 Die Liebesfindung
2.3.1 Verschiebung des Machtstatus
Wagner verschiebt den Machtstatus der beiden Protagonisten in ihrem Verhältnis zueinander. Während bei Gottfried Isolde die Stärkere ist, die Tristans Zuneigung als Gefolgsmann, der sie zu trösten versucht, zurückweist[6], ist es bei Wagner Tristan, der Isoldes Befehl zunächst nicht befolgt, in ihre Kajüte zu kommen. Er redet sich auf seine Stellung als Kapitän hinaus, der das Schiff ja schließlich sicher ans Ziel bringen müsse:
„Lies’ ich das Steuer
jetzt zur Stund’,
wie lenk’ ich sicher den Kiel
zu König Markes Land?“ (S.14f)
Auch durch Kurwenals Herabwürdigung Isoldes wird ihr niedriger Status als Person und zukünftige Königin sichtbar, denn „Irlands Maid“ habe „Tristan [dem] Held“ gar nichts zu befehlen (S.15). Erst als Isolde kurz vor Landung des Schiffes an der Küste Kornwalls es ablehnt, an Tristans Seite vor König Marke zu treten, wenn sie nicht zuvor „Sühne […] für ungesühnte Schuld“ (S. 26) empfinge, kommt Tristan zu ihr. Doch auch in dieser Situation hat Tristan den höheren Status. Tristan hat nichts zu befürchten. Er ermordete Morold nicht, sondern besiegte ihn in fairem Zweikampf. Außerdem war diese Schuld in Irland schon gesühnt worden und er hatte sich mit allen versöhnt. Doch bei Tristan merkt man deutlich, dass er nur der Überlegene ist, da er sich an die gesellschaftlichen Konventionen hält und seine Ehre bewahren will. So nennt er die „Ehr-Furcht“ (S.30) als Grund für sein Ausweichen, denn er fürchtet seine Ehre zu verlieren, wenn er Isoldes Wünschen nachginge. Er benimmt sich der höfischen Konvention gemäß, denn auch
„die Sitte lehrt,
wo ich gelebt:
zur Brautfahrt
der Brautwerber
meide fern die Braut.“ (S.31)
Tristan versucht seine wahren Gefühle für Isolde zu verbergen. Er blickt „sinnend über das Meer“ (S. 11) und fährt auf, als er Isoldes Namen hört (S.13). Auch er liebt sie, doch versucht er durch Distanz zu vermeiden, dass zwischen ihnen etwas geschehen könnte, was seiner Ehre schaden würde. Nachdem Isolde jedoch ihren Verlobten ins Feld führt und unerbittlich Rache für ihn fordert, übergibt Tristan ihr sein Schwert:
„War Morold dir so wert,
nun wieder nimm das Schwert,
und führ es sicher und fest,
dass du nicht dir’s entfallen lässt.“ (S.34)
Hier stellt sich die Frage, ob Tristan nun wirklich für seine Tat sühnen will, oder glaubt, dass Isolde nicht ihn, sondern Morold liebt und deshalb von ihrer Hand sterben will. Er schreckt auch nicht vor dem Sühnetrank zurück, den er als Todestrank erkannt hat:
„In deiner Hand
den süßen Tod,
als ich ihn erkannt
den sie mir bot;“ (S. 57)
Er legt sein Leben also ohne Widerspruch in Isoldes Hand.
2.3.2 Liebes- und Todestrank
Tristan und Isolde trinken den Liebestrank bei Gottfried keineswegs bewusst, er wird ihnen zufällig eingeschenkt, da er von einem Hoffräulein für Wein gehalten wird.[7] Brangäne vernachlässigt hier ihre Pflicht und so kommt es zur zufälligen Einnahme des Trankes.
Die Brangäne der Oper hat den Liebestank zum gleichen Zweck wie bei Gottfried dabei, nämlich um Marke und Isolde in Liebe zu vereinen. Isolde verlangt von ihr jedoch, dass sie ihr und Tristan den Todestrank verabreicht und appelliert an die Treue und den Gehorsam der Magd. Brangäne vertauscht jedoch absichtlich die beiden Säfte aus wahrer Treue zu ihrer Herrin.
Was aber bewegt Isolde dazu, den Todestrank mit Tristan trinken zu wollen?
Wagners Isolde lässt auf der Oberfläche mehrere Beweggründe erkennen, Tristan und sich selbst zu töten. Vor allem Rache treibt die junge Königin, denn Tristan soll die Ermordung ihres Verlobten sühnen. Dazu kommt der Ehrverlust, den sie durch Tristans Tat erlitten hat. Indem er Morold tötete, befleckte er auch ihr Ansehen:
[...]
[1] Wapnewski, Peter. Tristan der Held Richard Wagners. Berlin: Severin und Siedler 1981, S. 71
[2] Wapnewski, Peter. Musikdrama. In: Richard-Wagner-Handbuch. Müller, Ulrich und Wapnewski, Peter (Hg.). Stuttgart: Kröner 1986, S. 315
[3] Wagner, Richard: Tristan und Isolde. Textbuch mit Varianten der Partitur. Stuttgart: Reclam 2003, S.33 Dieses Werk soll im Folgenden im Text nur mit Seitenangabe hinter das Zitat gestellt werden, weil es das zu Untersuchende Primärwerk ist.
[4] vgl. Mertens, Volker: Richard Wagner und das Mittelalter. In: Richard-Wagner-Handbuch. Müller, Ulrich und Wapnewski, Peter (Hg.). Stuttgart: Kröner 1986, S. 42
[5] Straßburg, Gottfried von: Tristan. Band 2. Stuttgart: Reclam 1994, S. 25.
[6] vgl. Straßburg, 1994, Bd 2, S. 103
[7] vgl. Straßburg, 1994, Bd 2, S. 109
- Quote paper
- Veronika Luther (Author), 2009, Tristan und Isolde - Ein Vergleich zwischen Richard Wagners Libretto und Gottfried von Straßburgs Tristan-Roman, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124763
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