In der Arbeit wird der Fokus auf das Lesen und die Förderung der Lesekompetenz der Schüler und Schülerinnen mit einer Lese-Rechtschreibstörung gelegt. So werden Theorien, die das Lesen als Prozess genauer beschreiben und gewisse Einflussfaktoren auf das Lesen, untersucht. Im Weiteren wird genauer auf die Leseflüssigkeit eingegangen, wobei Maßnahmen zur Förderung von schwachen Lesern durch geeignete Methoden beleuchtet werden. In der Arbeit wird zwischen normalen Lesern, also Schülern ohne auffälligem Leseverhalten und Lernenden mit LRS beziehungsweise schwachen Lesern unterschieden.
Um die Schwierigkeiten des Lesens genauer nachvollziehen zu können, muss jenes als ein kognitiver Prozess betrachten werden, welcher zu jedem Zeitpunkt, indem ein Text gelesen wird, stattfindet. Lesen funktioniert unserer Ansicht nach fast automatisiert, jedoch ist dies ein Ergebnis jahrelanger Aneignung von Kompetenzen und Fertigkeiten, die wir, ohne uns darüber bewusst zu sein, anwenden, um gelesenes verarbeiten und wiedergeben zu können. Im Zuge dessen wurden im Laufe der 70er und 80er-Jahre Modelle für den Erwerb der Schriftsprache entworfen. Hervorzuheben sind die Modelle, die sich auf die Informationsverarbeitungstheorien des Lesens beziehen. Eine Beschreibung dieser Prozesse liefert Coltheart mit seinem „Zwei- Wege-Modell“ sowie Günther mit dem Entwicklungsmodell der Schriftsprache.
Gliederung
1. LRS - eine verbreitete Lernstörung
2. Erläuterung des Lesemodells nach Coltheart
3. Beschreibung des Entwicklungsmodells der Schriftsprache
4. Lesekompetenz und Leseflüssigkeit fördern
4.1 Die Lautleseverfahren
4.2 Lautleseverfahren in der Praxis
5. Zusammenfassung der erarbeiteten Ergebnisse und Schlussbetrachtung
6. Literaturverzeichnis
1. LRS - eine verbreitete Lernstörung
21 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von 15 Jahren in Deutschland haben Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben, dies geht aus den aktuellsten Ergebnissen der PISA-Studie hervor.1 Das Ergebnis birgt Grund zur Besorgnis und regt zur genaueren Untersuchung dieses Problems an. Deutlich ist, dass es sich bei einer Lese-RechtschreibSchwäche durchaus um eine zahlenmäßig bedeutsame und weit verbreitete Lernstörung handelt. Der Erwerb der Lesefähigkeit legt den Grundstein für den schulischen wie beruflichen Werdegang der einzelnen Schülerinnen und Schüler. Jedoch wird eine ernsthafte Lese- und Rechtschreibproblematik meist erst im späten Grundschulalter erkannt und versucht, dieser entgegenzuwirken. Viele Schülerinnen und Schüler haben jedoch zu diesem Zeitpunkt, durch die jahrelange Frustration beim Üben und Lernen, bereits resigniert, wodurch therapeutische Maßnahmen meist nicht mehr den gewünschten Erfolg erzielen. Dies macht deutlich, welch wichtige Rolle das frühzeitige Erkennen von LRS und die Entwicklung geeigneter Präventionsmaßnahmen, für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler, spielt. In der vorliegenden Arbeit wird der Fokus auf das Lesen und die Förderung der Lesekompetenz der Schüler und Schülerinnen mit einer Lese-Rechtschreibstörung gelegt. So werden Theorien, die das Lesen als Prozess genauer beschreiben und gewisse Einflussfaktoren auf das Lesen, untersucht. Im Weiteren wird genauer auf die Leseflüssigkeit eingegangen, wobei Maßnahmen zur Förderung von schwachen Lesern durch geeignete Methoden beleuchtet werden. In der Arbeit wird zwischen normalen Lesern, also Schülern ohne auffälligem Leseverhalten und Lernenden mit LRS beziehungsweise schwachen Lesern unterschieden.
Um die Schwierigkeiten des Lesens genauer nachvollziehen zu können, muss jenes als ein kognitiver Prozess betrachten werden, welcher zu jedem Zeitpunkt, indem ein Text gelesen wird, stattfindet. Lesen funktioniert unserer Ansicht nach fast automatisiert, jedoch ist dies ein Ergebnis jahrelanger Aneignung von Kompetenzen und Fertigkeiten, die wir, ohne uns darüber bewusst zu sein, anwenden, um gelesenes verarbeiten und wiedergeben zu können. Im Zuge dessen wurden im Laufe der 70er und 80er Jahre Modelle für den Erwerb der Schriftsprache entworfen.
Hervorzuheben sind die Modelle, die sich auf die Informationsverarbeitungstheorien des Lesens beziehen. Eine Beschreibung dieser Prozesse liefert Coltheart mit seinem „Zwei- Wege-Modell“ (1978), sowie Günther mit dem Entwicklungsmodell der Schriftsprache (1986).
2. Erläuterung des Lesemodells nach Coltheart
Max Coltheart stellt in diesem Modell zwei verschiedene Ansätze des Lesens, das sogenannte „Zwei-Wege-Modell“2, dar. Im Bereich der Legasthenieforschung können anhand dieses Systems Auffälligkeiten beim Lesen erläutert werden.
Hierbei unterscheidet man den „direkten Leseweg“ von dem „indirekten Leseweg“. Ersterer definiert sich durch eine automatische Worterkennung des Lesers; dies bedeutet, dass der Leser von der Buchstabenfolge auf das mentale Lexikon, welches er sich angeeignet hat, zugreifen und somit das Wort erfassen und richtig aussprechen kann. Hieraus entwickelt sich ein Automatisierungsprozess: nicht nur bekannte und häufig gelesene Wörter können so auf dem direkten Weg „über den orthographischen Code des Schriftbildes“3 schnell erkannt, sondern auch wiederkehrende Buchstabenkombinationen und Silben automatisch abgerufen werden. So besitzt der Leser einen direkten Zugriff auf Informationen wie Schreibweise, Aussprache und Bedeutung eines Wortes. Ellis und Young bezeichnen diesen Weg auch als „Top-down-Prozess“4. Der direkte Weg ist nur möglich, wenn die erlesenen Worte im semantischen Lexikon bereits aufgelistet sind, jedoch nicht bei unbekannten oder sogenannten Pseudowörtern. Schüler und Schülerinnen mit auffälligem Leseverhalten durch Legasthenie zeigen hierbei deutliche Defizite, daher besteht die Förderung der Schüler in der Festigung des „indirekten Weges“.
Der indirekte Leseweg beschreibt ein Prinzip, in welchem unbekannte Worte, auf eine andere Art und Weise erlesen werden. Die Worte werden Buchstabe für Buchstabe, also die lautliche Form eines Wortes, Schritt für Schritt und nicht in Silben oder Buchstabenkombinationen, erschlossen. Dieser Ansatz wird auch als „bottom up“5 bezeichnet. Hierbei werden einzelne Grapheme in Phoneme übersetzt, also die akustischen Laute wahrgenommen und als Wörter entschlüsselt. Voraussetzung dafür ist „ein Wissen über die Graphem- Phonem- Korrespondenzen“6 der deutschen Sprache. Der Leser muss hierbei den Zusammenhang zwischen geschriebenen Schriftzeichen und gesprochenen Lauten erkennen und sich somit die sprachliche Realisierung der unbekannten Wörter erschließen.
Beide Wege des Modells stehen bei einem kompetenten Leser in Zusammenhang, da immer jener genutzt wird, welcher in der entsprechenden Situation als sinnvoller erachtet wird. Diese Vorgehensweise trägt zu einer erhöhten Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler bei.
3. Beschreibung des Entwicklungsmodells der Schriftsprache
Wie Coltheart teilt auch Günther in seinem Modell den Schriftspracherwerb in gewisse Phasen ein, ist jedoch in der Einteilung der Phasen spezifischer. Er betont, dass es sich bei der Aneignung der Schriftsprache um einen sprachlichen Prozess, nämlich die Umsetzung der gesprochenen Sprache in schriftliche Form, handelt. In Günthers Modell wird sowohl das Lesen wie auch das Scheiben berücksichtigt, jedoch wird in dieser Arbeit der Fokus auf die Entwicklung des Lesens gelegt. Die erste Stufe stellt die „Prälaterial-symbolische Stufe“7 dar. Diese beschreibt die Vorstufe zum Lesen- und Scheibenlernen. Kinder entwickeln bereits mit zwei Jahren die Fähigkeit zur Abstraktion.8 Dies bedeutet, dass Kinder lernen, Dinge aus dem dreidimensionalen Raum zu abstrahieren und zweidimensional darzustellen. Zudem beginnen Kinder in dieser Phase, Bilder zu malen und gewisse Verhaltensmuster, wie Vorlesen und Schreiben, nachzuahmen, ohne es zu beherrschen.9 Diese Nachahmung spielt eine wichtige Rolle für die folgenden Stufen und lässt den Kindern erste Eindrücke, im Bezug auf die spätere Anwendung der Schrift, gewinnen.10 Die nächste Stufe wird als „logographemische Stufe“11 bezeichnet. Hierbei erlernt das Kind den Zusammenhang von Graphemen mit bestimmten Merkmalen und deren Bedeutung. So kann es anhand der logographemischen Strategie12 Worte erraten, da diese bestimmte Eigenschaften aufweisen, wie zum Beispiel Aufschriften an Geschäften. Dies ist also eine rein visuelle Strategie, die am Wort orientiert ist und sozusagen auswendig gelernte Phänomene erkennen lässt. Hierbei „auftretende Buchstabenspiegelungen, -vertauschungen, oder -replikationen“13 irritieren sie nicht. Kinder, die sich auf der „alphabetischen Stufe“14 befinden, erkennen diese Fehler und gehen gezielter vor: Jedes Wort wird in seinen Elementen analysiert und diese werden lautsprachlich zugeordnet. Kinder ab circa sechs Jahren erwerben immer mehr Grapheme, jedoch ist diese Stufe noch geprägt von der lautierenden Erfassung der Wörter.15 Daher orientieren sich Kinder an der lautlichen Aussprache der Wörter, um diese zu verschriftlichen. Bei der logographemischen Strategie handelt es sich eher um eine Lese-, bei der alphabetischen eher eine Schreibstrategie. Auf der letzten Stufe befindet sich Kinder ab circa acht Jahren. Die „orthographische Stufe“16 bezieht sich auf das Erlernen von „Morphemen (Wortbausteine), Signalgruppen und Silben“17. Die Schülerinnen und Schüler beachten hierbei die orthographischen Regeln, vor allem die Graphem-Phonem-Korrespondenz, der Sprache. Günther nennt zusätzlich noch die „integrativ-automatisierte Stufe“, hierbei wird von einer kompetenten LeserIn und SchreiberIn ausgegangen. Diese Stufe beinhaltet die Verfeinerung der erworbenen Strategien und Kompetenzen, welche den Leseprozess durch Automatisierung verbessern und stellt in diesem Zusammenhang keine neue Strategie dar.
Problematisch kann dieses Stufenmodell des Schriftspracherwerbs sein, wenn man die Verschiedenheit der Entwicklung der einzelnen Kinder nicht berücksichtigt. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass Schüler auf jeder Stufe über Wörter verfügen können, welche normal in einer höheren Stufe erworben werden. Dies macht deutlich, dass eine strikte Abgrenzung der einzelnen Stufen voneinander, als wenig sinnvoll erachtet werden kann. So sollte eher von einem System gesprochen werden, in welchem die Phasen fließend ineinander übergehen. Die Fehlerkultur der Lernenden ist wichtig und bestrebt diese im Hinblick auf den Prozess der Problemlösung, was wiederum dazu führt, dass diese neue Strategien anwenden und ihre Lesekompetenz kontinuierlich erweitern.
4. Lesekompetenz und Leseflüssigkeit fördern
Mit zunehmender Lesekompetenz erhöht sich auch die Lesegeschwindigkeit und Leseflüssigkeit der Schüler. Dadurch wird „der kognitive Leseprozess auf der Wort- und Satzebene entastet“18, dies bedeutet, dass Leser ihre Wahrnehmung fast völlig auf das Verstehen des Inhalts des Textes fokussieren können, da sie weniger mentale Energie benötigen, um das Geschriebene zu entschlüsseln. Dieser Prozess spielt daher eine wichtige Rolle im Hinblick auf Leser mit auffälligem Leseverhalten. Kinder mit LRS haben meist ein sehr stockendes und unrundes Leseverhalten, welches die Leseflüssigkeit und das damit verbundene Textverständnis erheblich einschränkt. Diese benötigen einen Großteil ihrer Wahrnehmung für das Entziffern der einzelnen Wörter, dabei geht meist der, im Text beschriebene, Zusammenhang zu weiten Teilen verloren. Daher haben diese Schülerinnen und Schüler Probleme, das Gelesene zu verarbeiten sowie wiederzugeben. Das Lesen stellt eine schwere Herausforderung dar, die sich mit zunehmender Frustration auch auf die Lesemotivation der Lernenden niederschlägt. Dies stellt eine Gefahr für eine Abwärtsspirale dar: Ungeübte und schwache Leser mit geringer Lesekompetenz meiden die Lektüre, wodurch ihre Lesekompetenz im Klassenvergleich mit normalen Lesern, die ihre Lesefertigkeiten durch regelmäßiges Lesen verbessern, stagniert.19 Jedoch lässt sich die Leseflüssigkeit durch gezielte Übungen steigern. Hierbei spricht man in der Leseforschung von „Viellese-“ und von „Lautleseverfahren“.20 Diese beiden Ansätze beinhalten vielerlei Methoden zur Förderung der Leseflüssigkeit, jedoch gelten Vielleseverfahren nicht unmittelbarer als erwiesene Möglichkeit zur Förderung der Leseflüssigkeit bei schwachen Lesern.21 Man geht davon aus, dass nicht der zu lesende Text oder dessen Anspruch entscheidend für die Förderung ist, sondern die Fülle an zu lesendem Material die Kompetenz der Leser steigern soll. So soll das kognitive Wörterbuch erweitert und die Lesefertigkeit verbessert werden. Rosebrock bringt in ihrem Werk zum Ausdruck, dass die Vielleseverfahren für schwache Leser schnell überfordernd wirken können, da ein hohes Maß an Eigeninitiative, zum Beispiel im Hinblick auf die Auswahl und die selbständige Auseinandersetzung mit dem Text, gefordert wird. Daher wird im folgenden der Fokus auf die Erläuterung der Lautleseverfahren und der Förderung von schwachen Lesern durch geeignete Methoden dieses Ansatzes gelegt.
[...]
1 laut OECD, 2019.
2 Karin R eber, Prävention von Lese- und Rechtschreibschwächen im Unterricht, S. 19.
3 ebd.
4 Karin R eber, Prävention von Lese- und Rechtschreibschwächen im Unterricht, S. 19.
5 Karin R eber, Prävention von Lese- und Rechtschreibschwächen im Unterricht, S. 19.
6 Karin R eber, Prävention von Lese- und Rechtschreibschwächen im Unterricht, S. 21.
7 Karin R eber, Prävention von Lese- und Rechtschreibschwächen im Unterricht, S. 15.
8 vgl. Karin R eber, Prävention von Lese- und Rechtschreibschwächen im Unterricht, S. 15.
9 vgl. Karin R eber, Prävention von Lese- und Rechtschreibschwächen im Unterricht, S. 15.
10 vgl. ebd.
11 Karin R eber, Prävention von Lese- und Rechtschreibschwächen im Unterricht, S. 15.
12 Karin R eber, Prävention von Lese- und Rechtschreibschwächen im Unterricht, S. 16.
13 ebd.
14 ebd.
15 vgl. Karin R eber, Prävention von Lese- und Rechtschreibschwächen im Unterricht, S. 16.
16 Karin R eber, Prävention von Lese- und Rechtschreibschwächen im Unterricht, S. 17.
17 ebd.
18 Cornelia Rosebrock et al., Leseflüssigkeit fördern, Lautleseverfahren für die Primar- und Sekundarstufe, S. 20.
19 vgl. Cornelia Rosebrock et al., Leseflüssigkeit fördern, Lautleseverfahren für die Primar- und Sekundarstufe, S. 20.
20 Cornelia Rosebrock et al., Leseflüssigkeit fördern, Lautleseverfahren für die Primar- und Sekundarstufe, S.20.
21 vgl. Cornelia Rosebrock et al., Leseflüssigkeit fördern, Lautleseverfahren für die Primar- und Sekundarstufe, S.21.
- Quote paper
- Lina Förder (Author), 2019, Lese-Rechtschreibschwäche bei Kindern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1246544
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