Seit 1984 sind die Sachwalterschaftsverfahren kontinuierlich gestiegen. Dies bedeutet, dass immer mehr Menschen Rechtsschutz benötigen. Durch diese Zunahme ist die Sachwalterschaft unter Druck geraten und die Befürchtungen, dass die Qualität in der Betreuung abnimmt, sind berechtigt.
Gründe für die Zunahme der Sachwalterschaften sind u.a. die Zunahme der Zielgruppen und fehlende soziale Ressourcen.
Da es sich bei den KlientInnen in der Sachwalterschaft um unfreiwillige KlientInnen handelt, ist es häufig schwierig für den/die SachwalterIn, eine zufriedenstellende Zusammenarbeit zu erreichen.
Einerseits brauchen psychisch kranke Menschen häufig einen Sachwalter, da sie auf Grund der Krankheit nicht fähig sind, ihren Lebensalltag selbstständig zu gestalten. Andererseits bedeutet eine Sachwalterschaft für die betroffenen Personen Einschränkung, Abhängigkeit, aber auch Kontrolle und Stigmatisierung.
Das Ziel der Arbeit ist es, aufzuzeigen, was es braucht, damit betroffene Personen die Sachwalterschaft als nützlich erleben, bzw. was fehlt oder schief läuft, wenn die Sachwalterschaft (nur) als Einschränkung erlebt wird.
Mit Hilfe von narrativen Interviews mit betroffenen Personen wurden die aktuelle Situation, die Bedürfnisse, die Anforderungen an eine/n SachwalterIn, aber auch die Kritik an den/die SachwalterIn erhoben und in der Folge ausgewertet und interpretiert.
Ein wesentliches Ergebnis der Forschung ist, dass die Sachwalterschaft Beziehungsarbeit sein muss, damit sie funktioniert und als positiv erlebt wird.
Die Häufigkeit der Kontakte und das Engagement des/der SachwalterIn sind ausschlaggebend für eine gute Zusammenarbeit mit den betroffenen Personen.
Inhalt
I. EINLEITUNG
II. ZUGRUNDELIEGENDE FORSCHUNGSFRAGE DIESER ARBEIT
III. MOTIVATION UND ERKLÄRUNG DES FORSCHUNGSANLASSES
IV. INHALTLICHER AUFBAU DER ARBEIT
V. AUSGANGSSITUATION
VI. MÖGLICHE GRÜNDE FÜR DEN EXPANSIVEN ANSTIEG
VI.1. Zunahme an Rechtsgeschäften
VI.2. Fehlende soziale Ressourcen
VI.3. Veränderung des Wohlfahrtssystems
VI.4. Zunahme der Zielgruppe
VII. VORRAUSSETZUNGEN FÜR EINE SACHWALTERSCHAFT
VIII. SACHWALTERSCHAFTSVERFAHREN (AUßSTRG IDF. AB 1.1.2005)
IX. PSYCHISCHE ERKRANKUNGEN
IX.1. Häufigkeit von psychischen Erkrankungen
IX.2. Allgemeines
X. PSYCHISCHE KRANKHEITEN, DIE HÄUFIG ZU EINER SACHWALTERSCHAFT FÜHREN
X.1. Depression
X.2. Manie
X.3. Borderline Störung
X.4. Schizophrenie
X.5. Vermüllungssyndrom
XI. EMPIRISCHER TEIL
XI.1. Kontext der forschungsleitenden Frage
XI.2. Forschungsleitende Frage
XI.3. Methode zur Datenerhebung
XI.4. Zielgruppe
XI.5. Durchführung der Interviews
XI.6. Auswertung des Datenmaterials
XI.7. Kategorienbildung
XI.8. Formulierung von 9 Kategorien
XI.9. Auswertung und Interpretation der Interviews
XI.9.a Unterschied in der Betreuung auf Grund des/der SachwalterIn
XI.9.b Kontakt zum/r SachwalterIn
XI.9.c Beziehung zum/zur SachwalterIn
XI.9.d Wertschätzende Haltung und Respekt
XI.9.e Macht bzw. Machtmissbrauch
XI.9.f Transparenz und Information
XI.9.g Anerkennung bzw. Förderung der Selbstbestimmung
XI.9.h Einschränkung der Freiheitsrechte
XI.9.i Engagement des/der SachwalterIn
Ausblick
Resümee
Literatur
Weitere Quellen
Abbildungsverzeichnis
I. Einleitung
„Nichts ist leichter, als Schwächere in die Ecke zu drängen und sie unter Machtausübung ihre Rechte zu berauben. Wann muss geändert werden – wenn das Sachwalterrecht nicht oder nicht mehr so funktioniert, wie es gedacht ist? Dort, wo die Menschen jene Unterstützung finden, die sie brauchen, sind sie auch zufrieden mit der Sachwalterschaft.“
(http://www.freak-radio.at/cgi-bin/freak.cgi?id=fn00079, Abfragedatum: 25.02.2007)
„Laut Volksanwaltschaft gibt es derzeit 200 Beschwerden in Zusammenhang mit Sachwalterschaften. „Dann etwa, wenn sich Patienten nicht besachwalten lassen wollen oder, wenn sie sich darüber beschweren, dass sich der Sachwalter nicht um sie kümmert", heißt es aus dem Büro von Volksanwalt Ewald Stadler. Derzeit gebe es in Wien einige große Rechtsanwaltskanzleien, die pro Kanzlei bis zu 3000 Sachwalterschaften hätten. Eine persönliche Betreuung sei damit nicht möglich.“ (http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4103&Alias=wzo&cob= 233107, Abfragedatum: 25.02.2006)
Klischee "Kassieren"
„Mit dem Klischee, dass Anwälte nur "kassieren" würden, kann Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer, Waltraud Steger, nichts anfangen. Im Gegenteil: In Oberösterreich etwa, wo sie selbst als Sachwalterin tätig ist, werde darauf geachtet, dass auch der Sachwalterverein Klienten mit Geld bekommt. Laut Steger erfolgt die Aufteilung Verein oder Anwalt nach dem Ausmaß der rechtlichen Probleme des Betreuten. "Die Auswahl erfolgt bei uns im Radel", so Steger. Der Anwalt kann nicht gezwungen werden, eine Sachwalterschaft zu übernehmen. Er kann diese jedoch nur dann ablehnen, "wenn ihm dies nicht zugemutet werden kann." (http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4103&Alias=wzo&cob= 233107, Abfragedatum: 25.02.2006)
„In den meisten Fällen ist es ein viel beschäftigter Anwalt oder Notar, der die Sachwalterschaft übernimmt. So kommt es, dass Klienten Wochen lang warten müssen, bis Ihnen der Sachwalter erlaubt, einen Handwerker zu beschäftigen oder zum Friseur zu gehen. Herr Winkler verbrachte den strengsten Winter seit hundert Jahren in einem unbeheizten Wohnwagen, bis seine Sachwalterin ein Stromaggregat für ihn besorgte.“
(http://tv.orf.at/groups/doku/pool/kleinkind3/story, Abfragedatum: 25.02.2006)
Die oben genannten Auszüge aus Medienberichten, veröffentlicht im Internet, zeigen deutlich, dass der Ruf der Sachwalterschaft in der Öffentlichkeit nicht immer positiv ist und sollen einen Einstieg in das Thema bieten.
Durch diese Beispiel wird ersichtlich, dass die Zunahme an Sachwalterschaften auch Probleme mit sich bringt, sei es z.B. durch Überforderung in der Betreuung oder durch Qualitätsverlust in der Betreuung. Man kann in dieser Hinsicht sicherlich von einem problematischen „Erfolg“ sprechen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die momentane Situation nicht immer befriedigend von den betroffenen Personen erlebt werden muss.
Vereinssachwalter können auf Grund ihrer Kapazitäten nicht immer eingesetzt werden. Angehörige sind häufig überfordert und können auf Grund des geltenden Rechts die betroffenen Personen nicht immer adäquat vertreten.
Der Vorwurf an die Vertreter von Rechtsberufen ist, dass auf Grund hoher Fallzahlen die Betreuung nicht immer im Sinne der betroffenen Personen sein muss. Die Qualität der Betreuung verringert sich mit Zunahme der Sachwalterschaften und die Sachwalterschaft kann nicht immer zufriedenstellend für die betroffenen Personen ausgeführt werden. Ungeachtet der bestehenden Problematik hat der/die SachwalterIn in jedem Fall die Personensorge laut ABGB § 282 (2) wahrzunehmen. Es sollte sich dabei um persönlichen Kontakt handeln, der im Sachwalterrechts-Änderungsgesetzt 2006 mit mindestens einmal pro Monat festgelegt wird.
Dass die Personensorge in manchen Fällen aus verschiedenen Gründe zu kurz kommen kann, wurde in den oben angeführten Beispiel gezeigt.
Durch die genannten Umstände kann die Sachwalterschaft als negativ erlebt werden und für die Betroffenen kann es zu Einschränkungen in ihrer Lebensgestaltung kommen. Weiters kann vermutet werden, dass dadurch die Lebensqualität sinkt.
Auf Grund dieser Problematik können folgende Vermutungen aufgestellt werden:
Die Sachwalterschaft kann bedeuten:
- eine Einschränkung in der Lebensgestaltung
- kein Zugang zum eigenen Geld
- mangelhafte Betreuung
- Erniedrigung und Abwertung
- keine bzw. zu wenig Informationen
Dass die Sachwalterschaft nicht nur negative Aspekte besitzt ist unumstritten.
Die Sachwalterschaft bietet Schutz und die Wahrung der Interessen. Die Durchsetzung von Ansprüchen zählt ebenfalls zu den Vorteilen.
(Weber-Schigutt 2006:55).
II. Zugrundeliegende Forschungsfrage dieser Arbeit
In dieser Arbeit soll die Sachwalterschaft aus Sicht von psychisch kranken Menschen dargestellt werden. Betroffene Personen haben unterschiedliche Anforderungen an die Sachwalterschaft, damit diese als positiv erlebt wird. Deshalb ist folgende Forschungsfrage als Grundlage für diese Arbeit gestellt worden:
„Was braucht es, damit betroffene Personen die Sachwalterschaft als nützlich erleben, bzw. was fehlt/läuft schief, wenn die Sachwalterschaft (nur) als Einschränkung erlebt wird?“
III. Motivation und Erklärung des Forschungsanlasses
Durch meine berufliche Tätigkeit kannte ich die Sachwalterschaft von psychisch kranken Menschen, die ihre Sachwalterschaft häufig verschweigen und/oder wenig darüber mitteilen, wie sich das Leben mit einem/r SachwalterIn gestaltet. Aus meinen Beobachtungen verläuft die Betreuung durch den/die SachwalterIn häufig auf einer anonymen Ebene und die Betroffenen gehen respektvoll, wenn nicht ehrfürchtig mit der Sachwalterschaft um.
Im Rahmen der Ausbildung an der Fachhochschule besuchte ich das Handlungsfeld „Sachwalterschaft“ und lernte eine andere Seite der Sachwalterschaft kennen, nämlich dass Sachwalterschaft Schutz und Sicherheit bedeutet.
Deshalb ist das Interesse geweckt worden, den Anspruch, den betroffene Personen an den/die SachwalterIn stellen, zu erforschen. Die Sachwalterschaft, so wie sie heute existiert, gibt es seit dem Jahre 1984. Davor gab es für Menschen, die auf Grund ihrer geistigen Verfassung nicht in der Lage waren ihre Rechtsgeschäfte wahrzunehmen, die Möglichkeit einer „vollen Entmündigung“ oder einer „Teilentmündigung“.
Mit dem Bundesgesetz vom 2. Februar, BGI. Nr. 136, über die Sachwalterschaft für behinderte Personen, das am 1. Juli 1984 in Kraft trat, wurde der Begriff „Entmündigung“ aus dem Gesetz gestrichen und an die Stelle der Entmündigung trat die Möglichkeit der Bestellung eines/r SachwalterIn. „Die Sachwalterschaft wird allseits jedenfalls als weniger diskriminierend als die Entmündigung angesehen und empfunden“ (Hopf 1998:20)
Die betroffenen Personen sollen durch dieses Rechtsmittel ]die Möglichkeit erhalten, ihre Rechte durchzusetzen und die Chance für ein möglichst selbstbestimmtes Leben eingeräumt zu bekommen.
Das Ziel des Sachwalterrechts ist es, Personen, die auf Grund einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, ihre Angelegenheiten ordnungsgemäß zu erledigen, Schutz und Unterstützung zu bieten. (Bittner o.J.:2)
IV. Inhaltlicher Aufbau der Arbeit
In dieser Arbeit sollen zunächst die Missstände der Sachwalterschaft aufgezeigt werden, die sich auf Grund der Zunahme an Sachwalterschaften ergeben haben. Die Befürchtungen, dass die Qualität der Betreuung abnimmt ist berechtigt und die mögliche Gründe dafür sollen in diesem Kapitel erläutert werden.
Damit überhaupt ein/e SachwalterIn bestellt werden kann, müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein, die im Anschluss aufgezeigt werden. Erst wenn die Vorraussetzungen erfüllt sind, kann ein/e SachwalterIn angeregt werden und das Sachwalterschaftsverfahren eingeleitet werden.
Die psychischen Erkrankungen zählen neben den geistigen Behinderungen zu den Vorraussetzungen, um eine Sachwalterschaft anregen zu können und haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Betreuung durch eine/ SachwalterIn.
Da sich die Forschungsfrage auf die Zielgruppe „Menschen mit psychischer Erkrankung“ bezieht, werden die psychischen Erkrankungen in weiterer Folge ausführlicher dargestellt und die Bedürfnisse, die sich daraus für die betroffenen Personen ergeben, sollen erläutert werden.
Weiters werden die Ergebnisse der qualitativen Forschung aufgezeigt und der Literatur gegenübergestellt. Mit Hilfe von narrativen Interviews wurden die Meinungen, die Bedürfnisse und die Kritik von fünf betroffenen Personen eingeholt und nach der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring ausgewertet.
Der Ausblick auf das neue Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006, das mit 1.Juli 2007 in Kraft tritt, soll einen kurzen Überblick über bevorstehende Änderungen geben.
Im Resümee werden die wichtigsten Ergebnisse der Literaturrecherche und der qualitativen Forschung zusammengefasst und die Forschungsfrage beantwortet.
V. Ausgangssituation
Seit dem das Sachwalterrecht im Juli 1984 in Kraft getreten ist, kam es zu einem kontinuierlichen Anstieg der Sachwalterschaftsverfahren. Dies spricht für eine hohe Akzeptanz der Sachwalterschaft, die weniger diskriminierend als die Entmündigung angesehen und empfunden wird.
Durch den Anstieg der Sachwalterschaften, und es ist derzeit kein Ende bei der Zunahme der Sachwalterschaftszahlen abzusehen, wurde eine Reform des Sachwalterrechts notwendig, die mit 1. Juli 2007 in Kraft tritt.
(Pilgram 2005:3)
Die Vermutung liegt nahe, dass durch den Anstieg die Qualität der Betreuung abnimmt und die Bedürfnisse und Interessen der betroffenen Personen nicht ausreichend berücksichtigt werden können. Durch die Abnahme der Qualität besteht die Gefahr, dass die Sachwalterschaft nicht immer positiv erlebt wird und die betroffenen Personen in eine für sie unzufriedenen Arbeitsbeziehung gedrängt werden.
Es bedürfen immer mehr Betroffene einer Rechtsfürsorge und dies meist nicht nur für eine bestimmte Zeit, sondern ein Leben lang. „Derzeit wird etwa ein Promille der Bevölkerung neu unter Sachwalterschaft gestellt, Tendenz steigend.“ (Pilgram 2005:3)
Daraus lässt sich schließen, dass viele Personen das Rechtsmittel der Sachwalterschaft in Anspruch nehmen und die Kapazitäten der Gerichte und SachwalterInnen stark in Anspruch genommen werden.
Ein zusätzliches Problem ergibt sich dadurch, dass es nicht zu der erwünschten Ausdifferenzierung der Angelegenheiten kam, sondern der Regelfall ist die als Ausnahme gedachte „Sachwalterschaft für alle Angelegenheiten“ geworden. (Forster 1998:53)
Dies kann für die betroffenen Personen bedeutet, dass die Sachwalterschaft als Einschränkung in der Lebensgestaltung empfunden wird und einen „negativen Beigeschmack“ erhält. Eine Ausdifferenzierung der Angelegenheiten bedeutet für die Betroffenen ein Mehr an Selbstbestimmung und Eigenständigkeit.
Es kann angenommen werden, dass bei einer Zugestehung von mehr Selbstbestimmung von Seiten des Gerichtes und/oder des/r SachwalterIn, die Sachwalterschaft nicht nur als Einschränkung, sondern auch als Schutz und Sicherheit erlebt wird.
Ebenso gibt es laut Forster (ebd.:53) ein Betreuungsgefälle, da nur eine Minderheit von qualifizierten VereinssachwalterInnen profitiert.
Den größten Teil der SachwalterInnen bilden Angehörige und den zweitgrößten Teil VertreterInnen der Rechtsberufe, wie aus der Abbildung unten ersichtlich wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Aufrechte Sachwalterschaftssachen, Quelle: Bundesministerium für Justiz
Es geht aus der Abbildung hervor, dass sowohl die einstweiligen Sachwalterschaften, als auch die ständigen Sachwalterschaften um vieles gestiegen sind. Waren es im Jahre 1995 noch 1.187 einstweilige Sachwalterschaften, so stiegen die Sachwalterschaften innerhalb von 10 Jahren um mehr als das Siebenfache an und betrugen im Jahr 2005 bereits 8.001.
Aber auch die ständigen Sachwalterschaften haben sich in diesem Zeitraum fast verdoppelt. Betrugen sie im Jahr 1995 29.436, so waren es im Jahr 2005 bereits 53.111.
Die ständigen Sachwalterschaften stiegen in allen Wirkungskreisen und den meisten Zuwachs an Sachwalterschaften konnten die Rechtsberufe verzeichnen. Den relativ geringsten Zuwachs verzeichneten die Vereinssachwalter.
Aus diesen Daten ist ersichtlich, dass die Sachwalterschaft seit ihrer Reform im Jahre 1983 eine enorme Zunahme verzeichnen kann. Dieser Erfolg ist aber in diesem Fall nicht unbedingt wünschenswert, denn es zeigt auch, dass immer mehr Betroffene Unterstützung benötigen, um ihre Rechte durchsetzen zu können.
VI. Mögliche Gründe für den expansiven Anstieg
VI.1. Zunahme an Rechtsgeschäften
Die gesellschaftliche Umwelt ist komplexer und anspruchsvoller geworden. Dies bewirkt, „dass auch bereits Beeinträchtigungen und Störungen geringeren Grades Menschen ihre soziale Funktionsfähigkeit verlieren lassen.“ (Pilgram 2005:5)
Viele Rechtsgeschäfte können nicht mehr selbstständig bewältigt werden und die betroffenen Personen benötigen die Sachwalterschaft, um ihre Rechte durchsetzen zu können.
Pilgram (2005:8) versucht das Komplexitätsniveau an der Alltäglichkeit von Rechtsgeschäften festzumachen und die Messbarkeit der Daten über Verfahrensdaten oder über Tätige in Rechtsberufen zu lösen, um Aussagen über die Zunahme an Rechtsgeschäften machen zu können.
Die Wachstumsrate bei den Rechtsberufen stieg deutlich an und somit ist ersichtlich, dass es zu einer Zunahme der Rechtsgeschäfte kam.
VI.2. Fehlende soziale Ressourcen
Eine weiter mögliche Erklärung für den Anstieg von Sachwalterschaftsverfahren könnten die fehlenden sozialen Netze der Betroffenen sein. Viele sind auf sich alleine gestellt, da funktionierende familiäre Strukturen fehlen und eine adäquate Betreuung durch Angehörige nicht möglich ist.
„Es ist oft und gerne die Rede von der Krise der Familie, so dass es nahe liegend scheint, hinter dem „Erfolg“ der Sachwalterschaft Defizite familiärer Solidarität und privater Netzwerke zu orten“. (Pilgram 2005:8)
Fällt ein Mensch aus dem familiären Netz heraus (z.B. aus Gründen der Überforderung von Seiten der Familie), dann kommen andere Institutionen oder Beratungsstellen für die Betreuung der betroffenen Person auf. In vielen Fällen wird ein/e SachwalterIn dann angeregt, wenn diese Betreuung ausgeschöpft wurde. Häufig ist der Antrag Ausdruck der Hilflosigkeit eines Betreuungs- oder Behandlungsteams. (Müller 1998:154)
Das Prinzip der Subsidiarität findet Anwendung, denn es wird erst dann ein/e SachwalterIn bestellt, wenn die Betreuung durch nahe Angehörige oder Institutionen nicht mehr gegeben ist.
Dies dient einerseits der Entlastung der professionellen und ehrenamtlichen SachwalterInnen, da die Zahl der Neubestellungen in den letzten Jahren gestiegen ist.
Andererseits, wenn ein/e Betroffene/r durch Angehörige oder ihm/ihr vertraute Personen betreut und/oder vertreten wird, bildet dies eine gute Ausgangssituation für den Betreuungsprozess.
Im Moment hat die Subsidiarität weniger Bedeutung, dem soll aber durch das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 –SWRÄG; BGBI.Nr 92/2006, Teil I, das mit 01.07.2007 in Kraft tritt, entegegengewirkt werden.
Aus dem eben genannten Grund wird ersichtlich, dass die Menschen oft nicht mit Unterstützungen aus dem sozialen Umfeld rechnen können und Institutionen übernehmen diese Funktion. Ob es sich dabei um Pflegeheime, Psychosoziale Dienste oder andere Einrichtungen handelt ist für die betroffenen Personen irrelevant, solange sie adäquat betreut und unterstützt werden. Häufig werden von den Institutionen Sachwalterschaften angeregt, da die SachwalterInnen auf Grund der rechtlichen Grundlage betroffene Personen bei Rechtsgeschäften vertreten können bzw. müssen. Somit sind die SachwalterInnen auch eine Absicherung für die Institutionen.
VI.3. Veränderung des Wohlfahrtssystems
Ein weiterer möglicher Grund könnte sein, „dass die Rechtsfürsorge auf komplexe Weise mit gesellschaftlichen Entwicklungen im Sozialwesen und bei der Personenfürsorge zusammenhängt“. (Pilgram 2005:5) Die Leistungsangebote werden immer spezifischer und ausdifferenzierter, was wiederum bedeutet, dass auch die Sozialfürsorge komplizierter wird. Bis entschieden ist wer zahlt, „mag Rechtsfürsorge auch als Mittel zur Notstandsüberbrückung attraktiv und relevant genutzt, um nicht zu sagen missbraucht werden“. (Pilgram 2005:5).
Menschen mit psychischen Erkrankungen sind häufig überfordert mit dem Ausfüllen von Anträgen und wenn eine geeignete Unterstützung aus dem Umfeld fehlt, kann der/die SachwalterIn dazu beitragen, den betroffenen Personen ihre Ansprüchen geltend zu machen.
VI.4. Zunahme der Zielgruppe
Einer der Gründe für die Zunahme an Sachwalterschaften ist das Wachstum der Zielgruppe. Durch die längere Lebenserwartung steigt die Zahl der älteren Menschen. Aber auch die Zahl jener Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, ist im Ansteigen.
Aus der Abbildung unten wird ersichtlich, dass in den Jahren 1981 bis 2001 jede Zielgruppe wesentlich angestiegen ist.
Es ist nicht zu einer verringerten, sondern zu einer dramatisch vermehrten Bestellung von Sachwalterschaften gekommen. (Forster 1998:52) Es gilt aber zu bedenken, dass das die Zahl der zur Verfügung stehenden qualifizierten SachwalterInnen nicht im selben Umfang gewachsen ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Zugänge Entmündigter und Besachwalteter (Grafik entnommen aus Pilgram 2005:6)
Durch die rasante Zunahme an Sachwalterschaften besteht die Gefahr, dass die Qualität der Betreuung durch den/die SachwalterIn beeinträchtigt werden kann.
Pilgram meint (2005:1), dass die Quantitätsproblematik sehr wohl eine Qualitätsproblematik mit sich zieht, alleine schon auf Grund der institutionellen Kapazitäten. Dass die Kapazitäten nicht in diesem Maße erhöht wurden, wie die Sachwalterschaften angestiegen sind, zeigt z.B. die Zahl der 140 hauptamtlichen Vereinssachwalter, die seit dem Jahre 1995 nicht angehoben wurde.
(Kollmayer 1998 :32)
VII. Vorraussetzungen für eine Sachwalterschaft
Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Sachwalterschaft sind einerseits geistige Behinderungen, die in dieser Arbeit keine Berücksichtigung finden und andererseits psychische Erkrankungen, die im Anschluss an das Sachwalterschaftsverfahren umfangreicher dargestellt werden und mit den für die Forschungsfrage relevanten Bedürfnissen aus Sicht der Betroffenen verknüpft werden.
§ 273. (1) ABGB: Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, so ist ihr auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu ein Sachwalter zu bestellen.
(2) Die Bestellung eines Sachwalters ist unzulässig, wenn der Betreffende durch andere Hilfe, besonders im Rahmen seiner Familie oder von Einrichtungen der öffentlichen oder privaten Behindertenhilfe, in die Lage versetzt werden kann, seine Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß zu besorgen. Ein Sachwalter darf nicht nur deshalb bestellt werden, um einen Dritten vor der Verfolgung eines, wenn auch bloß vermeintlichen, Anspruchs zu schützen.
(3) Je nach Ausmaß der Behinderung sowie Art und Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten ist der Sachwalter zu betrauen
1. mit der Besorgung einzelner Angelegenheiten, etwa der Durchsetzung oder der Abwehr eines Anspruchs oder der Eingehung und der Abwicklung eines Rechtsgeschäfts,
2. mit der Besorgung eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten, etwa der Verwaltung eines Teiles oder des gesamten Vermögens, oder
3. mit der Besorgung aller Angelegenheiten der behinderten Person.
Laut Gesetz ist vorgesehen, dass die Sachwalterschaft nie nur zum Schutz von Dritten ausgesprochen werden darf, sondern nur zum Wohle der Betroffenen. „Das Umfeld muss sich andere Wege suchen, um sich vor Nachteilen zu schützen“. (Weber-Schigutt 2006: 16)
Das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 – SWRÄG; BGBI. Nr. 92/2006, Teil 1, Inkrafttreten: 1.7.2007 bietet Alternativen zur Sachwalterschaft, nämlich die Vorsorgevollmacht, die verbindliche Patientenverfügung und die Vertreterbefugnis. Sollte eine dieser Alternativen zur Anwendung kommen, ist die Sachwalterschaft unzulässig.
Das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 – SWRÄG; BGBI. Nr. 92/2006,
Teil 1, Inkrafttreten: 1.7.2007 §268 (2) besagt, dass die Bestellung eines Sachwalters unzulässig ist, soweit Angelegenheiten der behinderten Person durch einen anderen gesetzlichen Vertreter oder im Rahmen einer anderen Hilfe, besonders in der Familie, in Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder im Rahmen sozialer oder psychosozialer Dienste, im erforderlichen Ausmaß besorgt werden. Ein Sachwalter darf auch dann nicht bestellt werden, soweit durch eine Vollmacht, besonders eine Vorsorgevollmacht, oder eine verbindliche Patientenverfügung für die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt ist.
Die Subsidiarität soll dadurch mehr Bedeutung erlangen und es soll in Folge zu einer Verringerung der SachwalterInnen-Bestellungen kommen. Für die Praxis bedeutet dies, dass die Personen bereits im Vorfeld über die Vorsorgevollmacht bzw. Patientenverfügung informiert werden müssen, damit diese auch zur Anwendung gelangen können.
Weiters soll durch die Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger die Angehörigenstellung gestärkt werden. Sobald sich Angehörige im Österreichischen zentralen Vertretungsregister (Durchführung durch einen Notar) registriert haben, ist es ihnen erlaubt,
- die Betroffenen in ihren Alltagsgeschäften zu vertreten,
- Rechtsgeschäfte zur Deckung des Pflegebedarfs abzuschließen,
- Ansprüche, die aus Anlass von Alter, Krankheit, Behinderung oder Armut dem Betroffenen zustehen, geltend zu machen, insbesondere sozialversicherungsrechtliche Ansprüche wie Pflegegeld, Sozialhilfe und/oder Gebührenbefreiung. (Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006: §284b. (1))
Durch die Vertretungsbefugnis soll der steigenden Zahl der Sachwalterschaftsverfahren entgegengewirkt werden, die in den letzen Jahren, wie bereits erwähnt, deutlich angestiegen ist.
VIII. Sachwalterschaftsverfahren(AußStrG idF. ab 1.1.2005)
Erst wenn die Vorraussetzungen erfüllt sind, kann eine Sachwalterschaftsverfahren eingeleitet werden. Die Einleitung des Verfahrens erfolgt auf Antrag des Betroffenen oder „von Amts“ wegen (§117 AußStrG). Angeregt werden kann das Verfahren jedoch auch durch Dritte, um die Schutzbedürftigkeit der Betroffenen dem Gericht mitzuteilen (§117 AußStrG).
Nachdem das Verfahren beim zuständigen Bezirksgericht eingeleitet wurde, kommt es zu einem ersten Gespräch mit dem Betroffenen (§118 AußStrG). Der/die RichterIn macht sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen und informiert sie/ihn über den Grund und den Zweck des Verfahrens.
Danach entscheidet sich, ob das Verfahren sofort eingestellt wird (§122 AußStrG) oder ob ein/e VerfahrensvertreterIn nach § 238 Abs. 1 AußStrG (in vielen Fälle der spätere Sachwalter) bestellt wird. Weiters wird ein Sachverständigengutachten über den Gesundheitszustand der/s Betroffenen angefordert und es wird, wenn es zur Abwendung eines Schadens notwendig ist, ein/e einstweilige/r SachwalterIn für dringende Angelegenheiten bestellt. (Bittner o.J.:5f)
In Folge wird eine mündliche Verhandlung (Tagsatzung) gem. § 121 AußStrG einberufen, an dem der/die Betroffene selbst, der/die VerfahrensvertreterIn und der/die GutachterIn anwesend sind. Falls notwenig können auch Auskunftspersonen geladen werden. Nach dieser mündlichen Verhandlung kann das Verfahren eingestellt werden oder es kommt zur Bestellung eines/r SachwalterIn gem.§ 273 ABGB durch Beschluss §§ 123, 124 AußStrG.
Dieser Beschluss ist der betroffenen Person persönlich mitzuteilen und muss durch den/die RichterIn bzw. durch den/die SachwalterIn erläutert werden. Der Beschluss gibt Auskunft über die Person, die als SachwalterIn bestellt wurde und über den Wirkungskreis des/der SachwalterIn.
Die betroffene Person, VertreterIn oder SachwalterIn können gegen den Beschluss Rekurs binnen 14 Tagen erheben (§ 127 AußStrg, imV. §§ 46 Abs. 1 u. 2 und 47 AußStrG). (ebd.:5f)
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