Es handelt sich um eine Arbeit, welche die Beratungsmethode des Coachings
näher beleuchtet und aufzeigt, warum Coaching auch eine sozialpädagogische Methode ist. Zentrale Fragen sind, ob Führungskräfte in ihrem Tagesgeschäft Unterstützung (von außen) benötigen und wenn dies der Fall ist, ob sozialpädagogisches Coaching eine geeignete Methode darstellt, dies zu leisten. Ziel dieser Arbeit ist, dem Leser zu verdeutlichen, dass Coaching auf der beruflichen und der persönlichen Ebene interagiert und in diversen Bereichen
wirksam werden kann. Darüber hinaus soll meine Arbeit aufzeigen, dass Führungskräfte − aufgrund ihrer oftmals einseitig orientierten akademischen Ausbildung − einen hohen Bedarf an professioneller Unterstützung aufweisen. Ich möchte darlegen, dass Führungskräfte bestimmte menschliche Qualifikationen mitbringen müssen, beziehungsweise (bzw.) bereit sein müssen, diese zu erwerben, um den hohen Anforderungen, wie zum Beispiel (z.B.) der Führung der eigenen Person oder der Mitarbeiterführung, gerecht werden zu können. Mittels der
Sozialen Arbeit soll in wirtschaftlich orientierte Unternehmen ein Menschenbild adaptiert werden, das von Wertschätzung und Achtung, sowie von einer ganzheitlichen Sichtweise auf den Menschen, geprägt ist. Eine moderne Führungskraft betreibt eine verständnisvolle und vertrauenswürdige Mitarbeiterführung und sieht sich als Partner und Unterstützer. Darüber
hinaus sollte sie sich von der Annahme leiten lassen, dass Vertrauen nur in einem angstfreien Raum gedeihen kann. Wer als Führungskraft Anerkennung genießen möchte, muss für seine Mitarbeiter berechenbar, fair und glaubhaft sein, sich partnerschaftlich verhalten, sowie ihnen ein Stück Vertrauensvorschuss geben und aktiv eine Vertrauensbildung anstreben. Es ist förderlich, sich seiner Führungsgrundsätze vertraut zu sein, um sie sodann seinen Mitarbeitern
transparent zu machen. Dies ist der Grundstock einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, wo nicht nur die Führungskraft auf den Gutwillen der Mitarbeiter angewiesen ist. Der Leser soll weiterhin erkennen, dass sich die Soziale Arbeit ebenfalls an Menschen richtet, welche an sich „auf der Sonnenseite des Lebens“ stehen und nicht nur an Menschen, die sozial benachteiligt sind. Die folgende Arbeit besteht aus fünf Kapiteln und wird durch einen empirischen
Teil im Anhang ergänzt. Das einleitende Kapitel stellt dem Leser die Profession Soziale Arbeit vor und erklärt im Speziellen die dort angewandte Methode der Beratung. [...]
Inhaltsverzeichnis
SUMMARY
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Einführung
I. Soziale Arbeit
I.1 Historische Entwicklung Sozialer Arbeit
I.2 Begriffsbestimmung Soziale Arbeit
I.3 Aufgaben von Sozialer Arbeit
I.4 Ziele von Sozialer Arbeit
I.5 Beratung in der Sozialen Arbeit
II. Verständnis von Coaching
II.1 Bedeutung des Coaching- Begriffs
II.2 Der historische Entwicklungsprozess des Coachings
II.3 Betriebliches Coaching
II.4 Begriffsbestimmung von Coaching
II.5 Abgrenzung Coaching von Supervision
III. Coaching in der Praxis
III.1 Ziele des betrieblichen Coachings
III.2 Zielgruppen von Coaching
III.3 Anlässe für Coaching
III.3.1 Krisen als Anlass für Coaching
III.3.1.a Individuelle Krisen
III.3.1.b Kollektive Krisen
III.3.2 Die Suche nach Verbesserung als Anlass
III.3.2.a Individuelle Verbesserungen
III.3.2.b Kollektive Verbesserungen
IV. Grundlage und Theorie des Coachings
IV.1 Der Coaching- Prozess.
IV.2 Systemisch-konstruktivistisches Denken als Grundlage von Coaching
IV.2.1 Systemisch-konstruktivistische Methoden des Coaching
IV.2.2 Systemische Fragetechniken
IV.3 Anforderungen an den Coach
IV.4 Coaching als sozialarbeiterische Beratungsmethode
IV.4.1 Parallelen zwischen Sozialer Arbeit und Coaching
IV.4.2 Sozialpädagogisches Coaching
IV.5 Zusammenfassung
V. Führung
V.1 Begriffsbestimmung von Führung
V.2 Grundlagen wirksamer Führung
V.3 Aufgaben von Führungskräften
V.3.1 Führung der eigenen Person
V.3.1.a Persönlichkeitsmanagement
V.3.1.b Rollenmanagement
V.3.1.c Stressmanagement
V.3.1.d Zeitmanagement
V.3.2 Mitarbeiterführung
V.3.2.a Empowerment von Mitarbeitern.
V.3.2.b Die Mitarbeitermotivation
V.3.2.c Teammanagement
V.4 Führungsstile
V.4.1 Klassische Führungsstile
V.4.2 Moderne Führungsstile
V.5 Kommunikation als Basis erfolgreicher Führung
V.5.1 Die Vier- Ohren- Theorie
V.5.2 Das Johari- Fenster als Grundlage für gelungenes Mitarbeiterfeedback
V.5.3 Die Fragetechnik
V.5.4 Das Richtige Zuhören
V.6 Das Mitarbeitergespräch
V.7 Das Kritikgespräch
V.8 Konfliktmanagement
V.8.1 Erscheinungsformen von Konflikten in Organisationen.
V.8.2 Ursachen von Konflikten
V.8.3 Eskalationsstufen von Konflikten
V.8.4 Konflikteindämmung durch Führungskräfte
V.9 Methoden der Führung
V.9.1 Der Managementzyklus
V.9.2 Delegation
V.9.3 Mitarbeitermeetings führen
V.9.4 Mitarbeitercoaching
V.10 Zusammenfassung der Coachingaufgaben
VI. Anhang: Coaching aus der Sicht von Führungskräften (Praktischer Teil)
VI.1 Theoretischer Ablauf einer Untersuchung
VI.1.1 Im Vorfeld einer impirischen Studie
VI.1.2 Die Wahl einer Untersuchungsmethode
VI.1.3 Die Fragebogenkonstruktion
VI.1.4 Methodische Vorüberlegungen
VI.1.5 Die Feldphase einer empirischen Untersuchung
VI.1.6 Die Auswertung einer empirischen Untersuchung
VI.2 Qualitative Untersuchung zum Thema
VI.2.1 Im Vorfeld der empirischen Untersuchung
VI.2.2 Die Wahl der Untersuchungsmethode
VI.2.3 Die Fragebogenkonstruktion und methodische Vorüberlegungen
VI.2.4 Die Feldphase der empirischen Untersuchung
VI.2.5 Die Zusammenfassung der Antworten.
VI.2.6 Auswertung der empirischen Untersuchung
VI.3 Frageleitfaden
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Anlässe für Coaching.
Abbildung 2: Der Coaching- Prozess
Abbildung 3: Wichtigkeits-Dringlichkeits-Matrix
Abbildung 4: Maslowsche Bedürfnispyramide
Abbildung 5: Zwei- Fakten Theorie
Abbildung 6: Die Vier- Ohren- Theorie
Abbildung 7: Das Johari- Fenster
Abbildung 8: Eskalationsstufen von Konflikten
Abbildung 9: Der Managementzyklus
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gegenüberstellung Coaching und Supervision
Tabelle 2: Zieldefinitionen von betrieblichem Coaching
Summary
Meine Diplomarbeit trägt den Titel: „Führen - Fordern - Fördern. Kann sozialpädagogisches Coaching Führungskräfte in ihrem Daily- Business unterstützen? Eine Literaturanalyse mit praktischem Teil.“ Es handelt sich um eine Arbeit, welche die Beratungsmethode des Coa- chings näher beleuchtet und aufzeigt, warum Coaching auch eine sozialpädagogische Metho- de ist. Zentrale Fragen sind, ob Führungskräfte in ihrem Tagesgeschäft Unterstützung (von außen) benötigen und wenn dies der Fall ist, ob sozialpädagogisches Coaching eine geeignete Methode darstellt, dies zu leisten. Ziel dieser Arbeit ist, dem Leser zu verdeutlichen, dass Co- aching auf der beruflichen und der persönlichen Ebene interagiert und in diversen Bereichen wirksam werden kann. Darüber hinaus soll meine Arbeit aufzeigen, dass Führungskräfte - aufgrund ihrer oftmals einseitig orientierten akademischen Ausbildung - einen hohen Bedarf an professioneller Unterstützung aufweisen. Ich möchte darlegen, dass Führungskräfte be- stimmte menschliche Qualifikationen mitbringen müssen, beziehungsweise (bzw.) bereit sein müssen, diese zu erwerben, um den hohen Anforderungen, wie zum Beispiel (z.B.) der Füh- rung der eigenen Person oder der Mitarbeiterführung, gerecht werden zu können. Mittels der Sozialen Arbeit soll in wirtschaftlich orientierte Unternehmen ein Menschenbild adaptiert werden, das von Wertschätzung und Achtung, sowie von einer ganzheitlichen Sichtweise auf den Menschen, geprägt ist. Eine moderne Führungskraft betreibt eine verständnisvolle und vertrauenswürdige Mitarbeiterführung und sieht sich als Partner und Unterstützer. Darüber hinaus sollte sie sich von der Annahme leiten lassen, dass Vertrauen nur in einem angstfreien Raum gedeihen kann. Wer als Führungskraft Anerkennung genießen möchte, muss für seine Mitarbeiter berechenbar, fair und glaubhaft sein, sich partnerschaftlich verhalten, sowie ihnen ein Stück Vertrauensvorschuss geben und aktiv eine Vertrauensbildung anstreben. Es ist för- derlich, sich seiner Führungsgrundsätze vertraut zu sein, um sie sodann seinen Mitarbeitern transparent zu machen. Dies ist der Grundstock einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, wo nicht nur die Führungskraft auf den Gutwillen der Mitarbeiter angewiesen ist. Der Leser soll weiterhin erkennen, dass sich die Soziale Arbeit ebenfalls an Menschen richtet, welche an sich „auf der Sonnenseite des Lebens“ stehen und nicht nur an Menschen, die sozial benach- teiligt sind. Die folgende Arbeit besteht aus fünf Kapiteln und wird durch einen empirischen Teil im Anhang ergänzt. Das einleitende Kapitel stellt dem Leser die Profession Soziale Ar- beit vor und erklärt im Speziellen die dort angewandte Methode der Beratung. Im zweiten Kapitel gehe ich dann näher auf das Verständnis von Coaching ein, indem ich das betriebliche Coaching und seine Adaption in Unternehmen vorstelle. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den Zielen und Adressaten von Coaching und zeigt dem Leser, zu welch vielfältigen An- lässen Coaching in Anspruch genommen werden kann. In Kapitel 4 erläutere ich die Grundlagen und Theorie des Coachings mittels der Vorstellung eines Coaching- Prozesses. Darüber hinaus beschreibe ich das systemisch- konstruktivistische Denken, das meines Erachtens im Coaching unabkömmliche Grundlage ist. Weiterhin ist es mir ein Anliegen, die Anforderun- gen an einen modernen Coach zu erläutern um sodann eine Zusammenfassung der Coaching- kapitel zu geben. Kapitel 5 geht intensiv auf das Thema Führung ein und gibt einen umfas- senden Überblick über die anspruchsvolle Aufgabe der Führung. Das Führungskapitel stellt ebenfalls die Schwierigkeiten dar, die bei der Ausführung der Aufgaben auftreten können und gibt letztendlich preis, wie sozialpädagogisches Coaching seinen Beitrag zu diesem Thema leisten kann. Im Anhang dieser Arbeit, die mit abschließenden Gedanken des Autors endet, stelle ich meine empirische Untersuchung „Coaching aus der Sicht von Führungskräften“ vor. Es soll deutlich werden, dass Coaching nahezu in jedem Bereich der Führung eine pro- fessionelle Unterstützung bieten kann, da es die Perspektive der Führungskraft erweitert und ihre persönlichen und beruflichen Kompetenzen stärkt und fördert. Coaching bietet die Chan- ce, sich bei alltäglichen Fragestellungen und Problemen, aber auch bei schwerwiegenden Kri- sen sowie Verbesserungsanliegen professionellen Beistand zu holen.
Einführung
Mit vorliegender Diplomarbeit soll der Frage nachgegangen werden, ob Coaching, als eine Methode der Sozialen Arbeit, Führungskräfte in ihrem Tagesgeschäft, dem so genannten Dai- ly- Business, unterstützen kann. Das Thema hat für mich Relevanz, weil ich herausfinden möchte, ob Führungskräfte den heutigen Anforderungen, allem voran der Mitarbeiterführung, überhaupt noch gerecht werden können. Fraglich ist dies, da der wirtschaftliche Abschwung in den 1990er Jahren eine zunehmende Arbeitsunsicherheit mit sich brachte, was zu Entlas- sungen in größeren Dimensionen führte. Bis heute weiß der Arbeitnehmer nicht, ob er auch im nächsten Jahr noch seinen Arbeitgeber, bzw. gleiche Arbeitsinhalte hat, nicht einmal Be- amte sind mehr auf „der sicheren Seite“, da auch sie oftmals in den Vorruhestand verabschie- det oder in einen anderen Verwaltungsbereich versetzt werden. Interessant ist die Annahme, dass Organisationsveränderungen zum Teil auch durchgeführt werden, wenn diese eigentlich gar nicht notwendig sind. Dies ist womöglich auf folgende Tatsache zurück zu führen: „So- bald eine Aktiengesellschaft verkündet, sich „neu aufstellen zu wollen“, wird dies von der Börse mit einer Kurssteigerung honoriert. Ähnliche Auswirkungen haben die vielen Firmen- zusammenschlüsse bzw. -übernahmen.“1 Oftmals werden Mitarbeiter nicht rechtzeitig über bevorstehende Entwicklungen informiert, bei unpopulären Vorhaben teilweise bewusst ge- täuscht oder man geht bei Änderungsmaßnahmen unsensibel bis achtlos mit ihnen um. Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei Arbeitnehmern ein Vertrauensschwund zu beobachten ist, der auch auf Führungsfehler zurückgeführt werden kann. Es ist davon auszugehen, dass der Mensch, in seiner Funktion als Humankapital für das Unternehmen, nur die bestmögliche Leistung erbringen kann, wenn er selbst als denkendes, fühlendes und autonomes Lebewesen und nicht als Maschine angesehen wird. Ich vermute, dass Anerkennung und Wertschätzung im Hinblick auf Arbeitsleistung von großer Bedeutung sind. Wie der Leser sicher bestätigt, geht man am liebsten zur Arbeit, wenn die Vergütung der Arbeitsleistung adäquat ist, wenn man weiß, dass man gebraucht wird, ein gutes Verhältnis zu Kollegen und Führungskräften hat, die Umgebung, in der man sich ein Großteil seines Lebens aufhält, anregend gestaltet ist und wenn man sich mit den Unternehmenszielen identifizieren kann. Es ist zu beobachten, dass viele Unternehmen ihren Mitarbeitern Sonderleistungen, wie Firmenwagen, Vergünsti- gungen z.B. für Schwimmbäder oder Fitnessstudios, günstige oder kostenfreie Mittagsgerich- te oder Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten. Jedoch gibt es auch eine Reihe von Unter- nehmen, die den Mitarbeitern wenig oder sogar gar nichts bieten (äußerst sich oftmals schon in der Stellenausschreibung), diesen jedoch soviel wie möglich abverlangen. Dies führt dazu, dass Arbeitnehmer in mehrerlei Hinsicht unzufrieden sind und keine innerliche Bindung an das Unternehmen entwickeln. Auch die heutige Führungskraft hat keine einfache Stellung in ihrer „Sandwichposition“, die zwischen den eigenen Vorgesetzten und den zu führenden Mit- arbeitern liegt. Beide Seiten haben Ansprüche und Erwartungen an die Arbeit und die Füh- rungskraft, was von dieser einen guten Balanceakt abverlangt. Aufgrund der vielfältigen An- forderungen an eine Führungsperson ist die Frage zu stellen, ob genug Raum und Zeit für die Mitarbeiterführung und die zahlreichen Führungsaufgaben bleibt bzw. eingeräumt wird. Das Vermögen die eigene Person zu führen (Selbstmanagement siehe Punkt V.3.1.a), ist notwen- dige Voraussetzung für das Führen von anderen Menschen. Mein Interesse am Thema wurde dadurch geweckt, dass ich in den letzten Jahren aufgrund medialen, beruflichen und privaten Einflusses den Eindruck gewonnen habe, dass viele Menschen in und mit ihrer Arbeitsstelle unzufrieden sind. Ich vertrete die Annahme, dass berufsbedingte Krankheiten, wie bspw. Burn out, nicht von ungefähr kommen. Daher muss meiner Meinung nach Unternehmensaufgabe in der Zukunft sein, das Wohl des Individuums verstärkt in den Mittelpunkt zu rücken. So kann Einfluss auf die Fehlzeitenrate, Fluktuation, auf das Engagement, das Betriebsklima und vie- les mehr (v.m.) genommen werden. Nur unter Beachtung einer guten Psychohygiene der Mit- arbeiter besteht die Chance, dass Menschen bis ins hohe Alter am Arbeitsplatz physisch und psychisch gesund bleiben. Hierfür können Unternehmen und Führungskräfte, als auch die Mitarbeiter selbst, einen hohen Beitrag leisten.
Die methodische Vorgehensweise meiner Arbeit ist eine ausführliche Literaturrecher- che, insbesondere zu den Hauptthemen Coaching und Führung. Des Weiteren soll mittels Face- to- Face Interviews ein praktischer Bezug geschaffen werden. Der Aufbau der Arbeit, im Sinne meines erkenntnisleitenden Interesses, erfolgt durch ein einleitendes Kapitel, in Form eines Abrisses von Sozialer Arbeit und im Speziellen der Methode der Beratung. Im Zweiten Kapitel wird das Verständnis von Coaching vorgestellt, indem der Begriff definiert und auf betriebliches Coaching eingegrenzt, sowie der historische Entwicklungsprozess dar- gestellt, wird. Das dritte Kapital zeigt Coaching in der Praxis auf, indem seine Ziele und Ziel- gruppen sowie seine Anlässe ausführlich beschrieben werden. Im Kapitel 4, Grundlagen und Theorie des Coachings, wir der Coaching- Prozess und das systemisch- konstruktivistische Denken als Grundlage von Coaching vorgestellt, die Anforderungen an den Coach erläutert und eine Zusammenfassung der Coachingkapitel gegeben. Das Kapitel „Führung“ nimmt das größte Fragment dieser Arbeit ein und beleuchtet diverse Führungsaufgaben und vordringlich die Führung der eigenen Person, die Mitarbeiterführung, Führungsstile und den Bereich der Kommunikation, der zur adäquaten Führung unabkömmlich ist. Weiter werden Mitarbeiter- sowie Kritikgespräche, das Konfliktmanagement und Methoden der Führung vorgestellt. Kennzeichnend für dieses Kapitel ist die Problemdarstellung in der Ausführung der Aufgaben der Führungskräfte, sowie die Schilderung dessen, wie diese durch Coaching professionell unterstützt werden können. Im Anhang dieser Arbeit befindet sich die empirische Untersu- chung „Coaching aus der Sicht von Führungskräften“, der ein theoretischer Teil zur Erläu- terung empirischer Untersuchungen vorangestellt wird. Meine Arbeit endet mit abschließen- den Gedanken Autors.
Ich habe mich entschieden, Quellenangaben im „Chicago Style“ anzugeben. Dabei verweist eine hochgestellte Zahl am Ende des Zitats auf eine Fußnote, in der dann die Quelle genannt wird. Die weibliche Form ist in dieser Arbeit nicht ausgeschrieben, da ich dies an mancher Stelle als äußerst umständlich empfinde und es für mich eine Selbstverständlichkeit darstellt, dass Mann und Frau in der männlichen Form integriert und angesprochen sind. Ich gehe in dieser Arbeit nicht im Speziellen darauf ein, ob eine Frau auch Coaching durchführen kann, da dies ebenfalls eine Selbstverständlichkeit für mich, als weiblichen Autor dieser Ar- beit, darstellt.
I. Soziale Arbeit
Das Kapitel über Soziale Arbeit soll dem Leser einen kurzen Einblick in diese Profession vermitteln, um ein Verständnis davon zu bekommen, womit sich die Soziale Arbeit beschäf- tigt. Es soll aufgezeigt werden, dass die Beratung einen hohen Stellenwert in sozialpädagogi- schen Berufen hat und Coaching eine Methode sozialpädagogischer Beratung darstellt.
I.1 Historische Entwicklung Sozialer Arbeit
Soziale Arbeit ist aus zwei zunächst voneinander unabhängigen Berufen hervorgegangen: Der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit. Beide Berufe weisen eine über hundertjährige Tradition auf. Der Ursprung der Sozialpädagogik liegt in der Kindererziehung und in der Arbeit mit gefährdeten Kindern und Jugendlichen in der Heimpädagogik. Kinder und Jugendliche sollten einen geschützten Raum erhalten, indem ihre Erziehungsdefizite und Verhaltensprobleme korrigiert werden konnten und sie zur sozialen Teilhabe befähigt werden sollten. Es handelte sich hierbei um eine „Ersatzerziehung“ für ausgefallene Familienerziehung und Sozialerzie- hung im Sinne von Vermittlung von Gesellschaftsnormen und Werten, insbesondere für nichtbürgerliche Jugendliche, was dazu führte, dass Sozialpädagogik zur „(...)Pädagogik der sozialen Integration avancierte.“2 Der Ursprung der Sozialarbeit wiederum liegt in der be- hördlichen Armenpflege, in der christlich geprägten ehrenamtlichen Wohlfahrtspflege und in der Familienfürsorge durch Frauen. Damals war Soziale Hilfe eine gemeinschaftliche Hilfe, die in Angelegenheiten geleistet wurde, in denen Betroffene nicht sich selbst überlassen wer- den durften, sondern die Gemeinschaft zuständig war und damit Hilfe zu leisten hatte. Die Tradition der deutschen Fürsorgetheorie ist mit dem amerikanischen Sozialarbeitsmodell, bestehend aus Case- Work (Einzelfallhilfe), Group- Work (soziale Gruppenarbeit) und Com- munity- Work (Gemeinwesenarbeit) weitgehend überformt worden. Im Verlauf des 20. Jahr- hunderts begannen sich dann Sozialpädagogik und Sozialarbeit auf mehreren Ebenen zu ver- schränken. Heute wird auf eine Schrägstrichversion Sozialpädagogik/ Sozialarbeit verzichtet und man spricht an dieser Stelle von Sozialer Arbeit.
I.2 Begriffsbestimmung Soziale Arbeit
Soziale Arbeit ist den Sozialwissenschaften zuzuordnen. Diese beziehen sich auf das „(...)Erklären der Bedingungen und Zusammenhänge sozialer Praxis im Hinblick auf das Handeln von Personen, Gruppen, Institutionen und Organisationen und generell auf die Be- dingungen und die Bewältigung des Lebensalltags.(...)“.3 Staub- Bernasconi sieht die Soziale Arbeit als „(...)sozial gebündelte, reflexive wie tätige Antwort auf bestimmte Realitäten, die als sozial und kulturell problematisch bewertet werden.“4 Sie ist neben einer direkten oder indirekten Dienstleistung eine Menschenrechtsprofession, die sozialen Wandel fördert und Problemlösungen in zwischenmenschlichen Beziehungen anstrebt, sowie Menschen ermäch- tigt ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Soziale Arbeit stützt sich auf die Prinzipien der Menschenrechte und sozialer Gerechtigkeit.5 Die Praxis der Sozialen Arbeit ist ein theoretisch begründetes und reflektiertes Handeln6 und beschäftigt sich „(...) mit Menschen, deren Lebensbewältigungsstrategien nicht recht tauglich sind, Menschen, die Reifungs- und Entwicklungsprozesse sowie Krisen zu bewältigen haben. Da- bei gilt es Denk-, Gefühls-, Beziehungs- und Handlungsmuster, die Entwicklungen und Be- ziehungen hemmen, zu verändern. Gleichzeitig gilt es, diejenigen zu bewahren und zu pfle- gen, die im konstruktivistischen Sinne [siehe Punkt IV.2 T.K.] identitätsstabilisierend sind und soziales Eingebundensein ermöglichen.“7
Es wird an dieser Stelle deutlich, dass die Soziale Arbeit allumfassende Unterstützung in der Lebensbewältigung bieten und das Wohlbefinden von Menschen verbessern möchte.
I.3 Aufgaben von Sozialer Arbeit
Die Aufgaben der Sozialen Arbeit ergeben sich aus dem ihr zugrunde liegenden Menschen- bild. Dieses geht von der Prämisse aus, dass der Mensch grundsätzlich vernunftbegabt, sozial, kulturell und religiös im Wesen ist und alle wesentlichen Potentiale in sich trägt, um seine Welt zu gestalten und freiheitlich sowie autonom zu leben. Dies zeigt sich durch die Bega- bungen zu reflektieren, zu kommunizieren und zu handeln.8 Wichtig ist für Soziale Arbeit und ihre Institutionen „(...)die Vermeidung, Aufdeckung und Bewältigung sozialer Probleme. So- zialarbeiterinnen und Sozialarbeiter verstehen es als ihre Aufgabe, Menschen in sozial schwierigen Situationen mit professionellen Mitteln zu helfen, ein möglichst eigenständiges Leben in Gemeinschaft zu führen.“9 Sie agiert durch einen Eingriff in das Leben von Men- schen, die zu einem spezifischen Zeitpunkt ihres Lebens nicht fähig sind, ihr Leben selbstbe- stimmt zu führen. Aufgrund dieses Menschenbildes von Sozialer Arbeit benötigen diese Men- schen professionelle Unterstützung, jene Fähigkeiten wieder zu aktivieren. Unterdessen hat die Soziale Arbeit als wissenschaftsbasierte Profession die zusätzliche Aufgabe, „(...)ihr Wis- sen über Soziale Probleme für die öffentlichen Entscheidungsträger zugänglich zu machen und sich in die (sozial)politischen Entscheidungsprozesse über mögliche Problemlösungen einzumischen.“10 Somit ist eine Aufgabe der Sozialen Arbeit, sich auch um Soziale Probleme in Unternehmen zu kümmern, indem sie sich z.B. mittels Coaching an Führungskräfte wen- det.
I.4 Ziele von Sozialer Arbeit
Soziale Arbeit ist Arbeit mit sozial benachteiligten Menschen mit dem Ziel, diese weitestge- hend wieder in die Gesellschaft zu integrieren. In der Sozialen Arbeit wird darum Präventi- onsarbeit geleistet, um Menschen zu befähigen, ihr Leben und Zusammenleben zu gestalten. Soziale Arbeit greift auch bei akuten sozialen Problemen von Menschen, die in bestimmten Lebensphasen nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft heraus Lebenswelt zu gestalten. Ihr Gegenstand ist der Mensch mit seinen individuellen und sozialen Bezügen und ihr Ziel ist, Menschen zu eigenverantwortlichem und eigenständigem Leben zu befähigen und sie dazu zu veranlassen, ihre Ressourcen (wieder) zu nutzen. Um die Ziele verwirklichen zu können, be- dient sich Soziale Arbeit vordergründig der Methode der Beratung, die in diversen sozialar- beiterischen Arbeitsfeldern eingesetzt wird und nun dem Leser vorgestellt werden soll. Coa- ching stellt eine Form dieser Beratung dar und soll in dieser Arbeit im Detail dargelegt wer- den.
I.5 Beratung in der Sozialen Arbeit
Beratung im Alltagsgebrauch bedeutet, sich Rat in Situationen zu suchen, in denen wir glau- ben, nicht mehr alleine weiterzukommen. Sie kann aber auch einfach Teil unserer Kommuni- kation mit Erzählen, Reagieren, Zuhören, Nachfragen und Weghören sein. Professionelle Be- ratung jedoch, bedient sich wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Psychologie, Soziologie, Medizin und Pädagogik und ist eine wissenschaftlich fundierte Klärung und Beeinflussung menschlichen Verhaltens mit dem Ziel der Behandlung und Prophylaxe von Fehlentwicklun- gen.11 Sozialpädagogische Beratung ist, Belardi zu Folge, eine „(...)spezielle Dienstleistung für Einzelpersonen, Familien und Institutionen, um diesen zur eigenständigen Lösung von Problemen im psychosozialen Bereich zu verhelfen.“12 Darüber hinaus ist sie Beratung zu diversen Lebenslagen. Beraten wird z.B. zu Erziehungsfragen (Erziehungsberatungsstelle), zu Alkoholabhängigkeit oder Mobbing (Betriebliche Sozialarbeit), zum Thema Verschuldung (Gemeinwesenarbeit) oder bei Sinnkrisen (Lebensberatungsstelle). Der Sozialpädagoge ist für viele verschiedene Themen zuständig und für unterschiedliche Angebotsformen und vielfälti- ge Adressatengruppen offen. Sozialpädagogische Beratung ist Beratungshandeln in der Kom- plexität alltäglicher Problemlagen und Problemlösungsstrategien und weit stärker als andere Beratungsansätze eine Intervention, die auf die Belebung von Alltagstechniken der Konflikt- und Krisenbewältigung gerichtet ist und dabei notwendigerweise den gesellschaftlichen Kon- text nicht ausklammert.13 Ihre Grundhaltung ist durch eine klientenzentrierte Gesprächsfüh- rung, welche Kongruenz (Authentizität), positive Wertschätzung und Empathie (einfühlendes Verstehen) beinhaltet, gekennzeichnet.14 Beratung sollte grundsätzlich freiwillig in Anspruch genommen werden und zielt auf Beseitigung oder zumindest Reduktion von Hilfebedürftig- keit ab.15 Themen von sozialpädagogischer Beratung ergeben sich aus sozialen Problemen, die Staub- Bernasconi in ihrer systemisch- prozessualen Theorie, mit Ausstattungsproblemen, Austauschproblemen, Kriterienproblemen und Machtproblemen beschreibt16. Mit einem Bei- spiel aus einer Beratungsstelle für Mädchen, die sexuelle Gewalt erfahren haben, möchte der Autor diese Problematiken verdeutlichen. Ein Mädchen, welches sexuelle Gewalt erfahren hat, kann von zu Hause nicht ausziehen, weil ihre finanziellen Mittel dazu nicht ausreichen und sie, um eigenständig zu wohnen, zu jung ist (Ausstattungsprobleme). Sie hat große Angst davor, dass ihr Vater, wie angedroht, ihren Hund verletzen wird, wenn sie jemand von dem Missbrauch erzählen oder von zu Hause flüchten würde (Behinderungsmacht des Vaters). Aufgrund ihres traumatischen Erlebnisses zeigt sie im Alltag Verhaltensauffälligkeiten und wird somit von Mitschülern ausgegrenzt (Austauschprobleme). Sie fürchtet, dass ihr niemand Glauben schenken würde, wenn sie von dem schrecklichen Erlebnis erzählen würde oder dass sie von der Umwelt womöglich als Schuldige dastehen würde (Kriterienprobleme). Dieses Beispiel zeigt, dass die Probleme sich oft gegenseitig bedingen und daher von Multiproblem- Fällen gesprochen wird.
II. Verständnis von Coaching
Nachdem der Leser einen Einblick in die Soziale Arbeit und in die Methode der Beratung erhalten hat, soll nun auf Coaching als eine spezielle Form der Beratung eingegangen werden. Dieses Kapitel stellt einen Schwerpunkt der Diplomarbeit dar und soll dem Leser eine Idee davon geben, wie sich Coaching entwickelt hat, was professionelles Coaching im Sinne des 21. Jahrhunderts ist, wann es eingesetzt wird, welche Methoden dem Coach für seine Arbeit zur Verfügung stehen und was unter sozialpädagogischem Coaching verstanden wird.
II.1 Bedeutung des Coaching- Begriffs
Der Coaching- Begriff kommt ursprünglich aus dem Leistungssportbereich und bezeichnet den Trainingsprozess, bei welchem Sportler mit der Hilfe eines coachenden Trainers bis an ihre Grenzen trainiert und durch den Coach zu maximaler Leistungsfähigkeit motiviert wer- den. Mit der vertieften Professionalisierung des betrieblichen managementbezogenen Coa- chings wurde dieses zunehmend vom Sportcoaching abgegrenzt, um Denkmuster des Geco- achten zu bearbeiten und nicht um Leistung vor Ort zu optimieren. Betrachtet man das Wort „Coach“ so heißt dieses übersetzt schlicht und ergreifend „Kutsche“. „Das Bild von der Kut- sche vermittelt einen wesentlichen Kern von Coaching: Die Kutsche ist ein Hilfsmittel, ein Beförderungsmittel, um sich auf den Weg zu machen und ein Ziel zu erreichen“17. Diese Be- schreibung erscheint treffend, da der Coach den Coachee (zu Coachenden) über einen be- stimmten Zeitraum hinweg begleitet, bis dieser sein persönliches Ziel erreicht hat. Der Coach animiert den Coachee, während der Reise nach links und rechts zu schauen, aber den Weg und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
II.2 Der historische Entwicklungsprozess des Coachings
Um den Ursprung und die Zielsetzungen von Coaching besser verstehen zu können, sollen im Folgenden sieben Entwicklungsstadien18 des historischen Entwicklungsprozesses nach Bö- ning in einem kurzen Überblick aufgezeigt werden und auf die siebte Phase, der vertieften Professionalisierung, etwas näher eingegangen werden.
Sieben Entwicklungsstadien
1. Phase: Der Ursprung
Der Ursprung des Begriffes Coaching liegt in den USA, wo es in den 70er Jahren im Rahmen des Trainings von Spitzensportlern entwickelt wurde. Während das Coaching anfangs nur im Bereich des Sportes Anwendung fand, wurden die hier gewonnenen Erkenntnisse zur Einzel- förderung in den 80er Jahren auch zur Förderung der mittleren Managementetagen eingesetzt.
2. Phase: Die Erweiterung
Der international verschärfende Wettbewerb verlangte neue Führungskräfteentwicklungen, weshalb sich der Einsatz von Coaching in den USA Mitte der 80er Jahre um die „(...)karrierebezogene Betreuung von Nachwuchs- Führungskräften“19, das sogenannte „Men- toring“ erweiterte. Während dieser Zeit galt das Coaching im Management in den USA als eine „(...)zielgerichtete und entwicklungsorientierte Mitarbeiterführung durch Vorgesetzte.“20
3. Phase: Der „Kick“
Mitte der 80er Jahre wurde das in den USA entwickelte Coachingkonzept auch in die BRD importiert. Interessanterweise konzentrierte sich Deutschland beim Import des Coachings ausschließlich auf die Einzelbetreuung für das Top- Management durch externe Berater. Der Coach war für die Bearbeitung exklusiver Themen (von Konflikten mit Kollegen bis zu Ehe- problemen) verantwortlich. In dieser Pionierphase verfolgte das Coaching das Hauptziel, den Klienten ihre Denk- und Handlungsmuster zu verdeutlichen und Selbstreflexion anzuregen. Die Top- Managerberatung wurde Ende der 80er Jahre ins Ursprungsland USA reimportiert.
4. Phase: Systematische Personalentwicklung
Mit der zunehmenden Verbreitung des betrieblichen Coachings etablierte sich dieses noch zum Ende der 80er Jahre in Deutschland zunehmend auch in Personalabteilungen von Unter- nehmen. Dort wurde das Coaching zu einer systematischen Führungskräfteentwicklung, die sich vor allem auf die mittlere und untere Führungsebene und auf spezielle Themen und Vor- gehensweisen festlegte.
5. Phase: Differenzierung
Anfang der 90er Jahre wurde das Coaching in vielen verschiedenen Umfeldern und zu ver- schiedensten Problemstellungen eingesetzt. Dies führte zu einer weiteren Systematisierung des Begriffes, welcher „(...)mit immer neuen Bedeutungen, Inhalten und konkreten Abläufen belegt“21 wurde. Es formierte sich das Gruppen- und Teamcoaching, das „(...)zum Ausdruck und Kernbegriff einer allgemeinen und vertieften psychologisch ausgerichteten Beratungsme- thodik“22 wurde. Zu dieser Zeit grenzten sich unternehmensexterne Coachs zunehmend von internen Vorgesetzten, die als Coachs fungierten, ab.
6. Phase: Populismus
Nachdem Coaching nachweislich Erfolge erzielte, wurde Mitte/ Ende der 90er Jahre jede (fachliche) Beratung zu einem Coaching. Das Wort wurde benutzt, um die Besonderheit der Beratung aufzuzeigen, auch wenn die Beratungsform wenig mit dem tatsächlichen Coachen zu tun hatte. Beispiele hierfür sind das Astrologie- Coaching oder das EDV- Coaching.
7. Phase: Vertiefte Professionalisierung
Seit 2000 hat sich der zunehmend differenzierte „Containerbegriff“23 Coaching, der abermals für allerlei verwendet wurde, deutlich professionalisiert. Dabei hat sich das Coaching neben den Einsatzgebieten für die berufliche, sowie die sportliche Förderung auch als wissenschaft- liches Fachgebiet aufgetan, in welchem gezielte Methoden erforscht und entwickelt wurden. Die zunehmende öffentliche Aussprache über die hilfreiche Wirkung von Coaching im Rah- men von Politik und Wirtschaft ist mittlerweile gewachsen. Großunternehmen haben vom Topmanagement bis hin zu den Nachwuchsführungskräften Coaching etabliert. Coaching- Datenbanken werden zunehmend aus- und aufgebaut. Coaching wird auch zunehmend entta- buisiert, das heißt (d.h.) man spricht nun öffentlicher über seine persönlichen Coaching- Er- fahrungen. Darüber hinaus nimmt die wissenschaftliche Forschung über das Thema zu, z.B. in Form von Diplom- oder Dissertationsarbeiten. Mittlerweile können sich Interessierte deutsch- landweit zwischen über 200 Coachingausbildungen unter etwa 35.000 Coachs und 1500 Buchtiteln auswählen. Bisher wurden mindestens sieben Coachingverbände, unter anderem der DBVC (Deutscher Bundesverband Coaching e.V.) ins Leben gerufen. Coaching hat also sein Image, seine Attraktivität und seinen Status aufrechterhalten.
II.3 Betriebliches Coaching
Coaching hat sich in unterschiedlichen Settings, dem traditionellen Einzelcoaching, dem Team- und dem Gruppencoaching, in den Betrieben etabliert. In dieser Arbeit soll näher auf das Einzelcoaching eingegangen werden. Nach Böning kann zwischen einem externen und einem internen Coaching unterschieden werden. Externes Coaching vollzieht sich durch den organisationsexternen, hauptberuflichen Coach und internes Coaching wird oft im Rahmen einer Personalentwicklung oder eines Projektes durchgeführt, meist durch den Vorgesetzten selbst und in seltenen Fällen auch durch einen firmeninternen Coach 24. In einem Nächsten sollen dem Leser einige Vor- und Nachteile von einem internen beziehungsweise externen Coaching aufgezeigt werden.
Organisationsexterner Coach:
-Hohe Rollen- und Themenflexibilität
-Leichterer Zugang zu oberen Führungskräften/ Top- Management
-Intimität und Vertraulichkeit leichter erfüllbar als beim internen Coach
-Nur begrenzter Direkteingriff auf Tagesverhalten
-Wenig Kenntnis über firmeninterne Strukturen, Abläufe und Veränderungen
Organisationsinterner Coach:
-Kenntnis des Unternehmens und des Arbeitsumfeldes der gecoachten Führungskraft
-Tägliches Eingreifen prinzipiell möglich
-Themen und Tiefendimension des Coachings sind begrenzt; Abhängigkeit von der Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter hoch
-Rollenkonflikte leichter möglich
Zugleich soll der Leser darauf aufmerksam gemacht werden, dass in dieser Arbeit von einem Coaching die Rede sein soll, das durch einen professionellen Coach (gleich ob intern oder extern) durchgeführt wird. Das Coachen durch die Führungskraft selbst wird in Punkt V.9.4 ausführlicher behandelt. Interessant ist, dass Firmen mittlerweile externe Coachs beauftragen, um nicht nur „off the job“, sondern auch „on the job“ zu coachen, was bedeutet, dass der Co- ach die Führungskraft vor Ort, in oder direkt nach der Situation coacht. Diese Form des Coa- ching wird auch Realcoaching oder Feldcoaching genannt. Als besondere Stärken der Realco- achings25 sind das zeitnahe und unmittelbare Feedback aus der Echtsituation heraus, hervor- zuheben und die Tatsache, dass der Coach sich selbst ein Bild machen kann. Der Transfer des Gelernten kann unmittelbar erfolgen. Der Nachteil könnte wiederum sein, dass sich die Fühigentliche Verhalten verfälscht.
II.4 Begriffsbestimmung von Coaching
Betrachtet man die historische Entwicklung von Coaching, ist es nicht verwunderlich, dass es eine Reihe von unterschiedlichen Definitionen gibt. Der Verfasser dieser Arbeit stellt im Fol- genden einige, seiner Ansicht nach, treffliche Auslegungen vor:
Schreyögg ist der Ansicht, dass Coaching „(...)im allgemeinen als besondere Form der Unterstützung von Management, Sozialmanagement oder dem Sich- Managen von Freiberuf- lern“26 beschrieben werden kann und definiert es als „(...)exklusive Form der Personalent- wicklung.“27 Unterdessen betitelt sie eine weitere Funktion des Coachings als Dialogform über „Freud und Leid im Beruf“28. Damit meint sie, die Aufgabe des Coachings sei einerseits eine „Therapie gegen berufliches Leid“29 wie Krisen und Misserfolge im Beruf und anderer- seits eine „Unterstützung beruflicher Freude“30 wie die berufliche Selbstverwirklichung.
Rauen und Looss sehen im Coaching einen Beratungsprozess in dem der Coach der Führungskraft ohne Betriebsblindheit und ohne von politischem Verhalten beeinflusst zu sein, ein fachliches Feedback gibt.31 Ferner spielen „(...)Rekonstruktion, Analyse, Konfrontation, Ratgeben und Planung oder auch schlicht das Vorhandensein eines kundigen Ansprechpart- ners eine entscheidende Rolle.“32 Indes definiert Rauen Coaching aus der Sicht der Personal- entwicklung als „(...)eine Kombination aus individueller, unterstützender Problembewälti- gung und persönlicher Beratung auf Prozessebene für unterschiedliche berufliche und private Anliegen (...).“33 Somit ist Coaching „(...)ein interaktiver, personenzentrierter Beratungs- und Betreuungsprozess(...)“34 der nicht nur berufliche, sondern auch private Probleme behandeln kann. Coaching findet seiner Meinung nach auf „(...)einer tragfähigen und durch gegenseitige Akzeptanz und Vertrauen gekennzeichneten, freiwillig gewünschten Beratungsbeziehung statt.“35
Fallner und Pohl sind sich einig und sehen im Coaching „(...)eine innovative Maß- nahme der Personalentwicklung und ein Instrument zur Entwicklung der Lernfähigkeit des Unternehmens.“36 Außerdem heben sie hervor, dass Coaching ein „(...)gezieltes, berufsbezo- genes Persönlichkeits- und Mentaltraining ist, das auch Talenttraining umfasst.“37 Ihr Anlie- gen ist es, der Arbeit „Herz und Seele“ zurück zu geben.
Das systemische Coaching nach Radatz wird in Punkt V.2. ausführlich beschrieben. Sie sieht in ihm eine „(...)maßgeschneiderte Problemlösung im Spannungsdreieck zwischen Be- ruf, Organisation und Privatleben oder in einem dieser drei Bereiche eine Problemlösungsme- thode, in welcher der Coach für die passenden Fragen, hilfreichen Zusammenfassungen und die Einhaltung des Ablaufs verantwortlich ist, und der Coachee eigenständige Lösungen für seine Situation – für seine anstehenden Fragestellungen - findet.“38
Zusammenfassend ist Coaching ein Prozess der Personalentwicklung, bei dem ein Co- ach durch z.B. gezielte Fragestellungen den zu Coachenden Lösungen und Verhaltensweisen erkennen lässt, die für diesen in seiner beruflichen und privaten Lebenssituation hilfreich sind. Coaching wird hier in seiner Beratungsfunktion als Unterstützung für Personen in höhe- ren Positionen gesehen, das primär auf deren persönlicher und beruflicher Weiterentwicklung ausgerichtet ist. Es geht um Erhalt der Leistungsfähigkeit, als auch um die Gestaltung der Berufsrollen. Die Entwicklung des Unternehmens soll visionär gefördert und der Klient soll befähigt werden, Lösungen selbst zu entwickeln. Grundsätzliches Coachingmerkmal ist daher die Förderung der Selbstreflexion und –wahrnehmung39 sowie die Förderung des Selbstma- nagements.
II.5 Abgrenzung Coaching von Supervision
Da Coaching und Supervision zwei sehr stark miteinander verbundene Beratungsmethoden darstellen, jedoch in dieser Arbeit nur von Coaching die Rede sein soll, nimmt der Schreiber an dieser Stelle eine Differenzierung der Metakonzepte vor. Auch in diesem Punkt gibt es in der Literatur darüber Streitigkeiten, ob und welche Unterschiede bestehen. Die freie Überset- zung von Supervision lautet, sich einen „komplexen Überblick verschaffen“.40 Darüber hinaus versteht man darunter „(...)die zeitlich begrenzte Reflexion der beruflichen Praxis des Super- visanden unter Einbeziehung persönlicher (privater, biographischer) Anteile.“41 Supervision basiert auf Freiwilligkeit (Ausnahme: Lehrsupervision) und ist vorwiegend selbstreflexive, prozessorientierte, nicht- direktive Beratung. Es geht daher nicht um Instruktion, Training oder Schulung. Supervision kann eine psychoanalytisch, systemisch, gruppendynamisch et cetera (etc.) orientierte Beratungsform sein. Im Kommenden sollen Unterschiede, Gemein- samkeiten und Überschneidungen von Coaching und Supervision tabellarisch dargestellt wer- den.
Tabelle 1: Gegenüberstellung Coaching und Supervision, eigene Darstellung
Unterschiede Gemeinsamkeiten Überschneidungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten42,43,44,45
III. Coaching in der Praxis
In diesem Kapitel soll der Leser erfahren, welche Ziele mit Coaching verfolgt werden, an wen sich Coaching adressiert und zu welchen Anlässen ein Coach beauftragt werden kann.
III.1 Ziele des betrieblichen Coachings
Aufgrund vielfältiger Coachingdefinitionen gibt es in der Coachingliteratur auch eine Viel- zahl von Zielbeschreibungen. Im Nachfolgenden möchte der Autor dem Leser einige ausge- wählte Definitionen tabellarisch wiedergeben.
Tabelle 2: Zieldefinitionen von betrieblichem Coaching, eigene Darstellung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten46,47,48,49,50,51,52
Folglich lässt sich sagen, dass grundsätzlich zwischen zwei Zielen, im Rahmen betrieblichen Einzelcoachings, unterschieden werden kann. Hierbei handelt es sich um das Unternehmens- ziel Wirtschaftlichkeit und um individuelle Ziele des Gecoachten. Um Betriebsziele zu errei- chen, muss der Coach die betriebliche Lernfähigkeit des Unternehmens steigern. Dabei ist das oberste Ziel einer jeden Unternehmung und der Grund, warum überhaupt Coaching angeboten wird, die Wirtschaftlichkeit (dem Maß für Effizienz) die ein Unternehmen anstrebt. Das Coa- chingziel liegt also darin, den Rahmen der betrieblichen Abläufe so zu setzen, dass sie rei- bungslos funktionieren und der betriebliche Output im besten Falle gesteigert wird. Für diese Zielerreichung ist ein harmonisches Betriebsklima mit motivierten, ausgeglichenen und zu- friedenen Mitarbeitern und Führungskräften ausschlaggebend. Des Weiteren können indivi- duelle Ziele unterschieden werden. Diese sind persönliche Ziele des Gecoachten und können privater oder beruflicher Natur sein. Da Anlässe für Coaching (siehe Punkt III.3.) sehr varia- bel sind, werden Ziele mit dem zu Coachenden stets individuell festgelegt. Birgmeier geht
sogar soweit zu sagen, dass Ziele im Coachingprozess, „niemals im Vorfeld eines Coachings benennbar [seien und sich erst T.K.] im Laufe des Prozesses“53 ergeben.
III.2 Zielgruppen von Coaching
Die Entwicklung der Zielgruppen von Coaching wurde schon in Punkt II.2. angedeutet. Die Zielgruppen des Coaching haben sich bis zum heutigen Tage erheblich ausgedehnt. Während anfangs das Coaching auf „Einzelpersonen in verantwortungsvollen Positionen“54 gerichtet war, dient das Coaching nun generell „Personen mit Steuerungsfunktionen auf allen hierarchi- schen Ebenen, also Topmanagern wie Vorarbeitern.“55 Die Begründung liegt gemäß Loos und Rauen darin, dass sich das Stigma der Beratung abgebaut hat und es relativ „normal“ gewor- den ist, sich professionelle Hilfe von außen zu holen. Zudem hat Coaching nun, neben dem Profit- Bereich, auch in Non- Profit Organisationen Einzug gehalten. Dies ist auf den Kosten- druck und auf Veränderungen innerhalb der Berufsrollen der Non- Profit Organisationen zu- rückzuführen, sodass heute neben Führungskräften auch z.B. Sozialarbeiter und Sachbearbei- ter der Zielgruppe angehören. Coaching ist demnach „(...)eine Beratungsform für Führungs- kräfte in Betrieben, Verwaltungssystemen und in sozialen Dienstleistungseinrichtungen“56 geworden.
Es zeigt sich, dass Coaching mittlerweile für Menschen in helfenden, lehrenden, ver- kaufenden, gestalteno welchen Anlässen sich genannte Personengruppen beraten lassen können. Der Leser soll im nächsten Absatz erfahren, wann Coaching hilfreich sein kann und welchen Nutzen der Coachee davon hat.
III.3 Anlässe für Coaching
Obwohl in den betrieblichen Abläufen auch rein wirtschaftliche Coachingthemen existieren, so lassen sich unzählige Anlässe aufzählen, in denen ein sozialpädagogischer Bezug von Re- levanz ist. Einen besonders detaillierten Einblick in eine Auswahl der verschiedenen Coa- chinganlässe gibt Schreyögg. Generell unterscheidet sie zwischen zwei Anlässen des Coa- chings. Zum einen wird Coaching bei Krisen und zum anderen bei der Suche nach Verbesse- rung in Anspruch genommen57. Um einen Überblick geben zu können, hat der Verfasser die- ser Arbeit ein Schaubild entworfen, das „Krisen“ in individuelle und kollektive Krisen und „Die Suche nach Verbesserungen“ in individuelle und kollektive Verbesserungen unterteilt. An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass Coaching ebenfalls bei Problemen - die noch nicht zu Krisen ausgereift sind - auf der interpersonalen Ebene (z.B. anhaltende Konflikte oder Schnittstellenprobleme), sowie bei Verbesserungen auf Interpersonaler Ebene (z.B. in Bezug auf Zusammenwirken in Teams oder Beziehungen zwischen Gruppen), wirksam sein kann. Diesen Aspekt vernachlässigt Schreyögg, im Gegensatz zu Birgmeier58, in ihren Aus- führungen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Anlässe für Coaching, eigene Darstellung der Theorie von Schreyögg59
III.3.1 Krisen als Anlass für Coaching
Dem Leser soll zuerst der Begriff der Krise näher gebracht werden. „Bei Krisen handelt es sich um eine Bedrohung, eine Herausforderung, eine Belastung für die Aufmerksamkeit, eine Aufforderung zu neuen Handlungen, die den Keim einer neuen Organisation in sich tragen könnte.“60 Coaching ist besonders geeignet, in Situationen, in denen alte Muster aufgegeben werden müssen und sich neue Entwicklungen anbahnen, Unterstützung zu bieten. Dabei ist es besonders wichtig, dass der Coach dem Coachee bewusst macht, dass eine Krise zumeist auch eine Chance darstellt, um handlungsfähig zu bleiben und die Möglichkeit der Veränderung zu erkennen.
III.3.1.a Individuelle Krisen
Individuelle Krisen können durch Krisen aus dem Privatleben, durch situative Faktoren und durch strukturelle Veränderungen hervorgerufen werden.
Krisen aufgrund persönlicher Faktoren
Krisen aufgrund persönlicher Faktoren sind jene, die man im Privatleben erlebt und einerseits durch akute, einmalige Ereignisse wie dem Tod eines Familienangehörigen oder durch das Verlassenwerden durch den Partner ausgelöst werden und sich andererseits auch über einen längeren Zeitraum anbahnen und „(...)durch längerfristige Erscheinungen verursacht sind“.61 Diese Ereignisse können „(...)das gesamte Weltverständnis eines Menschen erschüttern(...)“62 und zu einer Neugewichtung persönlicher Werte führen. Einem Menschen, der gerade kurz davor stand, sein Leben zu verlieren, erscheinen die Gespräche in Teamsitzungen vielleicht trivial und unerheblich während sie zuvor bedeutungsvoll für ihn waren.
Krisen aufgrund situativer Faktoren
Krisen aufgrund situativer Faktoren geben den häufigsten Anlass für Coaching. Pensionie- rung, Mobbing, Jobstress, das Burnout- Syndrom und Arbeitsplatzwechsel können eine solche Krise darstellen. Besonders beim Arbeitsplatzwechsel werden Menschen dazu genötigt, viel Kraft in ihre Mobilisierung zu setzen, um die spezifische Arbeitsform einer jeden neuen Ar- beitsstelle zu verinnerlichen und gleichzeitig neue Beziehungen zu Arbeitskollegen aufzubau- en. Auch die berufliche Abweichung als Krisenherd sei genannt. Sie tritt vor allem in den so genannten „Helfermilieus“ (in sozialen, psychologischen Bereichen) auf, wenn eine gesunde
Distanz zum Klientel nicht mehr gewährleistet ist. Coaching kann hier, gerade bei Hochkom- plexität von Systemen, “Support-Funktion“63 leisten und überzogene konzeptionelle Ansprü- che zurecht rücken.
Jobstress
Stress besteht aus einem Druck z.B. in Form von Zeitdruck, Belastungsdruck oder Anforde- rungsdruck, der Gefühle von „Überforderung, Missmut, Sich- Gehetzt- Fühlen, Erfahrungen von Inkompetenz oder Ohnmacht auslöst. [Es ist davon auszugehen, dass Stress T.K.] (...)eine subjektive, vom Menschen selbst konstruierte Belastung [darstellt T.K.]. Wie aber insbeson- dere die Life- Stress- Forschung zeigt(...), ist Stress mindestens ebenso umfassend als objekti- vierbares Phänomen zu begreifen, das sich aus interaktionellen, institutionellen und sogar gesellschaftlichen Kontexten ergeben kann.“64
Es wird zwischen Eustress, der durch Herausforderungen und positive Erregungen entsteht, und daher lebensnotwendig ist, und dem Disstress, der schädliche Auswirkungen auf das Individuum hat, unterschieden. Die Stressresistenz hängt davon ab, wie der Einzelne ge- lernt hat, mit Stress umzugehen, wie seine psychische Ausstattung ist und wie er Coping- Strategien (Stressbewältigungsstrategien) einsetzen kann. Menschen, die hier weniger gut ausgestattet sind, geraten schneller in Stress als jene, die eine durchschnittliche oder gute Stressresistenz mitbringen.
Das Burnout- Syndrom
Aus lang anhaltendem, nicht entgegengewirktem Stress kann sich das Burnout- Syndrom entwickeln. Die Krankheit, als Innbegriff einer schleichenden Krise „(...)ist ein physischer und psychischer Erschöpfungszustand, der von negativen Selbstdefinitionen und negativistischen Haltungen gegenüber der Arbeit begleitet ist.“65 (...)
„Symptomatiken bestehen in Gleichgültigkeit gegenüber der Arbeit, in Widerstand, den Ar- beitsplatz überhaupt zu betreten, Schuldgefühlen, sozialem Rückzug und einer Vielzahl von somatischen Beschwerden.“66
Oft liegen die Ursachen in einer generellen Unzufriedenheit wie z.B. im „subjektiven Gefühl von Erfolglosigkeit.“67 Vom Ausbrennen sind grundsätzlich alle Berufsgruppen be- troffen. In Arbeitsfeldern, wo menschliches Engagement besonders erwartet wird, wie in Hel- ferberufen (z.B. Sozialarbeiter, Ärzte) und Tendenzbetrieben (z.B. Kirchen, Gewerkschaften) sich besonders starke „(...)Insuffizienzgefühle und insgesamt stärkere Symptome“68 zu beo- bachten, wenn die Betroffenen keinen Sinn mehr in ihrer Arbeit sehen . Wichtig ist eine an- gemessene Regulation zwischen Privat- und Berufsleben. Die Hauptaufgabe im Prozess des Coachings ist hier die Sortierung des eigenen Sinnsystems.
Mobbing
Eine weitere schleichende Krise stellt das Mobbing dar, welches in den letzten Jahren ver- mehrt die öffentliche Aufmerksamkeit erregt hat und etwa 11% aller Beschäftigten in der BRD betrifft.69 „Hierbei handelt es sich um interaktive Eskalationen am Arbeitsplatz. Die Grundstruktur ist folgende: Ein Mensch gerät aus irgendeinem oft geringfügigen Anlass für Vorgesetzte oder Kollegen zum Stein des Anstoßes“70 und wird dann systematisch und über einen längeren Zeitraum hinweg schikaniert, drangsaliert, benachteiligt und ausgegrenzt.71 Aufgrund von gesetzlichen Neuregelungen72 sind Unternehmen, bei Stress- und Burnout- Fäl- len in ihrem Betrieb angehalten, Präventionsarbeit zu leisten. Volkswagen (VW) hat bei- spielsweise (bspw.) eine Betriebsvereinbarung getroffen, in der sie sich verpflichten, Mobbing zu unterbinden. Der Ärger, der Mobbing kennzeichnet, findet in vielerlei Schikanen seinen Ausdruck, wird aber nie wirklich angesprochen. Klassisch für das Mobbing sind Irritierungen des Gemobbten: Es werden ihm bspw. Büromaterialien vom Schreibtisch entwendet und auf Nachfrage mit Unwissenheit reagiert. Mitunter sind „Hinter- dem- Rücken- Reden“, sich ge- gen den Gemobbten verschwören, bis hin zum Ausschluss aus sonst alltäglichen Berufsaktivi- täten erkennbar. Oftmals werden Mobbing- Opfer degradiert, indem sie plötzlich nicht mehr für ihre Aufgaben geeignet sein sollen und nur noch einfache Arbeiten wie Kopien anfertigen oder Besorgungen ausführen sollen. Diese alltägliche, stark spürbare Feindseligkeit, bewirkt im Opfer tatsächlich eine merkwürdige Reaktion, da sein Selbstwertgefühl zusehends ge- schwächt wird und sich eine große Unsicherheit breit macht, wodurch die „(...)die Mobben- den subjektiv eine Rechtfertigung für ihr feindseliges Handeln“73 erhalten. Psychische wie somatische Beschwerden sind in der Regel die Folge dieses Prozesses. Drastisch ist die Maß- nahme des Mobbings „von oben“, das so genannte „Bossing“ anzusehen. Hierbei wird eine Person bewusst so lange von ihrem Vorgesetzten schikaniert, bis sie von sich aus den Ar beitsplatz wechselt, wodurch „(...)Mobbing heute die vielleicht häufigste Form indirekter Kündigung dar[stellt].“74
Krisen aufgrund struktureller Veränderungen
Krisen aufgrund struktureller Veränderungen am bestehenden Arbeitsplatz können krisenhafte Entwicklungen für den Einzelnen mit sich bringen. Eine Entberuflichung bspw. kann nicht nur hochbetagte Menschen, sondern auch hochrangige Manager in mittleren Jahren treffen. Sie bringt die „(...)Angst vor Einbruch der sozialen Sicherheit aus der Diskrepanz von biogra- phischem Wollen und gesellschaftlicher Zurückweisung“75 mit sich.
Krisen aufgrund mehrerer Faktoren
Als wahrscheinlich schlimmste Krise ist jene einzustufen, die mehrere Faktoren beinhaltet. Eine bevorstehende Kündigung kann bei einer schlechten psychischen und physischen Ver- fassung z.B. aufgrund einer laufenden Scheidung immense Krisen hervorrufen.
III.3.1.b Kollektive Krisen
Krisen können auch in organisatorischen Einheiten oder in der ganzen Organisation entstehen, wenn Situationen von einem ganzen Kollektiv bewältigt werden müssen. „In solchen Fällen erhält Coaching in der Regel die Funktion einer kompakten Personalentwicklungsmaßnahme, die dann häufig in Form von Gruppen- oder Team- Coaching erfolgt.“76 Ursachen kollektiver Krisen liegen in „(...)ökonomischen Problemen im System, in formalen Umstrukturierungen, in organisationskulturellen Wandlungsprozessen, in der Fusion von zwei Systemen oder gar in politischen Wandlungsprozessen.“77
Ökonomische Krisen
Ökonomische Krisen stellen einen sehr häufigen Anlass von Coaching dar, weil Systeme Ge- fahr laufen zusammen zu brechen, wenn materielle Ressourcen zu verschwinden drohen. „Der Ruf nach spezialisierter Personalentwicklung im Sinne von Coaching“78 für den gesamten Kader, wird momentan in vielen Bereichen wie z.B. in der Metallindustrie und in sozialen Dienstleistungssystemen, laut. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Krisen durch Umstrukturierungen
Diese Krisen entstehen vorwiegend daher, dass Angestellte befürchten, „(...)ihre bisherigen Privilegien im Sinne von Status oder Ressourcenzuteilung zu verlieren“79 und im Weiteren dadurch, dass die formalen Umstrukturierungen unterschwellige Angst schüren, dass „(...)nun völlig neue Normen und Standards etabliert werden müssten.“80 Aber auch ganz normale or- ganisatorische Prozesse können Veränderungswiderstand auslösen, egal ob es sich dabei um prosperierende oder ökonomisch angeschlagene Betriebe handelt. Es ist also bekannt, „(...)dass Organisationen im Verlauf ihres Bestehens bestimmte Stadien durchlaufen, die re- gelmäßig durch typische Krisen eingeleitet werden.“81
Organisationskulturelle Krisen
Hiermit sind Veränderungen in organisationskulturellen Mustern gemeint, wenn z.B. die Struktur sehr hierarchisch angelegt war und nun Mitarbeiter stärker in Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden. Besonders der Wechsel von Führungskräften, und somit veränderte Führungsstile und Intentionen in der Organisation, können kollektive Irritationen nach sich ziehen.
Krisen bei der Fusion von zwei Systemen
Hier besteht die Angst davor „(...)von der Mutterfirma ohne Rücksicht auf Verluste einver- leibt zu werden, also nach Belieben umstrukturiert und kulturell überrollt zu werden.“82 Eine weitere Angst besteht davor, den Arbeitsplatz zu verlieren, weil Stellen möglicherweise abge- baut oder die Abteilungen umstrukturiert werden.
III.3.2 Die Suche nach Verbesserung als Anlass
Erfahrene Menschen in Führungspositionen suchen als eine exklusive Form der Personalent- wicklung nach Verbesserungsmöglichkeiten in ihrem Unternehmen. Meist steht dieser Wunsch an, wenn Krisen überwunden wurden und man nach einer Herausforderung sucht, um seine Arbeit zu optimieren. In einem Wachstums- und Ruhestadium suchen Menschen nach noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten und beruflicher Selbstverwirklichung. Beim Coaching geht es darum, „(...)wie eine Führungskraft besser als bisher Krisen bewältigen oder ihre Ma- nagementkompetenzen weiter ausbauen kann. Vielfach tauchen beim Coaching auch Karrie- re- und Rollenberatung auf.“83 Aber auch ganze Kollektive von Führungskräften fragen um Coaching an, da sie ihre Managementkompetenzen durch „Formen der Qualitätssicherung, neue Angebotsstrukturen und neue Führungskonzepte“84 etablieren wollen. Es ist dabei zwi- schen individuellen und kollektiven Verbesserungen zu unterscheiden.
III.3.2.a Individuelle Verbesserungen
Wie der Leser bereits erfahren hat, brauchen Menschen Coping- Strategien, um private und berufliche Anforderungen bewältigen zu können. Wie wir uns in schwierigen Situationen ver- halten, hängt unter anderem von unseren biographischen Erfahrungen, Formen der Informati- onsverarbeitung und den sozialen Netzwerken ab, die wie für uns nutzen können. Führungs- kräfte wenden sich oftmals mit dem Wunsch der Erweiterung dieses „Coping- Inventariums“ an einen professionellen Coach. Neben der Entwicklung von Managementkompetenzen wün- schen sich viele Führungskräfte einen Ausbau ihrer Karriere, sie wollen weitergehen und nicht stagnieren, sie wollen erfahren, welcher Ort für sie und ihre Potentiale passend ist und wo sie hohe berufliche und persönliche Verwirklichung erreichen können. Die Rollenbera- tung, wo es für den Coaching- Klienten um das Verstehen der eigenen Position und der Inten- sivierung und Erweiterung dieser geht, besteht einerseits in „(...)Ermutigung und Training, alle noch nicht genutzten positionellen Handlungsspielräume auszufüllen [und andererseits T.K.] (...)in der Korrektur und Neugestaltung von Interaktionen mit komplementären Rollen- partnern.“85
III.3.2.b Kollektive Verbesserungen
Aufgrund des technologischen Wandels und der Ressourcenverknappung steigt der Bedarf an Veränderungsbereitschaft innerhalb von Organisationen. Die Implementierung von Führungs- konzepten ist für viele moderne Organisationen ein Anliegen um eine „Corporate Identity“ (Unternehmensidentität) zu schaffen. Da Angebote sich der Marktnachfrage anpassen und somit hinterfragt und möglicherweise verändert, präzisiert oder verworfen werden sollten, kann Coaching den Führungskader bspw. in der Hinterfragung der „Sinnhaftigkeit eines Para- digmenwechsels“86 unterstützen.
IV. Grundlage und Theorie des Coachings
In diesem Kapitel soll der Leser erfahren, wie ein Coaching- Prozess in fünf Phasen ablaufen kann. Darüber hinaus soll das systemisch- konstruktivistische Denken skizziert, Anforderun- gen an einen Coach formuliert und sozialpädagogisches Coaching vorgestellt werden.
IV.1 Der Coaching- Prozess
Nachdem der Leser erfahren hat, zu welchen Anlässen Coaching in Anspruch genommen werden kann, soll nun aufgezeigt werden, in welchen Phasen ein Coaching- Prozess ablaufen kann. Der Coaching- Prozess kann, wie von Birgmeier angeführt, in fünf Phasen eingeteilt werden87. Kennzeichnend für den Prozess ist, „(...)dass nicht die Einhaltung formaler Regeln, sondern die Berücksichtigung der behandelten Wirkfaktoren entscheidend für das Gelingen eines Coaching- Prozesses ist.“88 Anders ausgedrückt, bedeutet dies, dass es kein allgemein- gültiges Rezept für diesen gibt, sondern dass der individuelle Verlauf abweichen kann. Die Abbildung stellt ein allgemeines Modell des Coaching- Prozesses dar, das im Nachstehenden erläutert werden soll.
Der Coaching Prozess
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Der Coaching- Prozess, eigene Darstellung angelehnt an Böning89
Phase 1: Einstiegs- und Kontaktphase
Ein Klient erkennt den Wunsch nach Unterstützung für berufliche oder private Belange, wor- auf er, im Regelfall selbst, einen Coach aufsucht. Das Erstgespräch stellt eine Orientierungs- phase dar, in der grob besprochen wird, aus welchem Grund sich der Klient an den Coach wendet. Klient und Coach sollen die Entscheidung treffen, ob sie miteinander arbeiten wollen. Themen wie Erwartungen, Wünsche, Befürchtungen, Prognosen etc. werden thematisiert. Der Coach stellt Grenzen und Möglichkeiten von Coaching dar. In dieser Phase spielt das Bauch- gefühl des Klienten in Bezug auf den Coach eine große Rolle. Wenn der Coach seinem Klien- ten glaubhaft vermitteln kann, dass er eine vertrauenswürdige Person ist, ihm professionell helfen kann, sowie dem Klienten akzeptierend und wertschätzend gegenübertritt, ist ein Grundstein für eine gute Zusammenarbeit bereits gelegt.
Phase 2: Vereinbarungs- und Kontraktphase
Entscheidet sich der Klient für das Coaching, werden detaillierte Vereinbarungen (z.B. Kos- tenübernahme, zeitlicher Rahmen) zumeist per Kontrakt schriftlich niedergelegt. Der Auftrag, die Ziele und die Rolle des Klienten werden hierbei geklärt. Der Zielformulierung wird zu- meist hohe Bedeutung beigemessen. „Hier können End- und Leistungsziele(...) unterschieden werden. Die Leistungsziele liegen dabei im Einflussbereich des Klienten selbst, die Endziele hingegen können nicht direkt erreicht werden, sondern sind noch von äußeren Faktoren ab- hängig.“90 Zugleich müssen Prioritäten unter den Zielen festgelegt, Werte und Absichten, die der Klient verfolgt, benannt und angestrebte Ziele dokumentiert werden. Es muss bei der Formulierung darauf geachtet werden, dass der Klient auch aus dem Coaching- Prozess aus- steigen kann. Unterdessen muss sich der Klient in seinen Zielvorstellungen und seiner spezifi- schen Problemsituation angenommen und verstanden fühlen, sowie eine Vorstellung davon vermittelt zu bekommen, wie der Prozess aussehen könnte.
Phase 3: Arbeitsphase in 2 Stufen
In dieser Phase werden Coach und Klient wohl am längsten verweilen, da diese die intensivs- te, sozusagen die Hauptphase, des Prozesses darstellt. In einer ersten Stufe soll die Situation des Klienten analysiert, genauer gesagt, eine Bestandsaufnahme gemacht werden. Durch un- terschiedliche Fragen und Fragetechniken soll sich der Coach Informationen einholen und sich ein Bild über die Hintergründe des Coaching- Anlasses machen, um eine (vorläufige) Diagnose zu erstellen. Beispielfragen könnten sein: „Wer ist an dem Problem beteiligt?“,
„Was genau ist das Problem?“, „Woran würden Sie erkennen, dass das Problem beseitigt ist?“91 Im Anschluss folgt eine ausführliche Situationsschilderung, eine Situationsanalyse sowie eine Diagnose des Problems mit welcher der Coachee die Gegebenheiten bewusster wahrnimmt. Als Instrumente und Methoden(...) dienen sämtliche Arten von Befragungen, Fragebögen, Bildbeschreibungen und „geistige Landkarten“ und vor allem Soziogramme und Rollenspiele.92 Darüber hinaus bedient sich der Coach Elementen des Psychodramas sowie systemischer und analytischer Verfahren. In dieser Phase werden auch schon „Hausaufgaben“ aufgegeben und „Stärken-Schwächen-Analysen“93 durchgeführt. Für den Klienten ist in dieser Phase das Vertrauen in die Verschwiegenheit des Coaches, die Gewinnung von Klarheit und Orientierung, die Hilfe beim Aufdecken „blinder Flecken“ sowie ein positives Gefühl, was den Kontakt zwischen beiden und die Kompetenz des Coaches betrifft, wichtig.
In der zweiten Stufe kann die Arbeit an der Problemlösung, Zielorientierung und Ent- wurfsgestaltung begonnen werden. Diese Arbeitsphase kann in mehrere Etappen eingeteilt werden, die sich in einzelnen Settings wiederholen. Beim Anknüpfen werden Umsetzungser- gebnisse, Erfahrungen der Hausaufgaben sowie negative Erlebnisse zu den Vorhaben aus dem letzten Setting besprochen. Danach werden aktuelle Ereignisse in das Coaching aufgenom- men, wenn sie neue Gesichtspunkte, Fortschritte, Probleme oder Einflüsse mit sich bringen. Im Anschluss werden bereits vereinbarte Interventionen und Ziele erneut besprochen und wei- terentwickelt. Nun können konkrete Schritte mit dem Klienten vereinbart werden. Der Klient soll hier „Hilfe zur Selbsthilfe“ erhalten. Abschließend findet ein Rückblick statt und es wird besprochen, wie in der Zukunft „Step by step“ weiter vorgegangen wird.
Phase 4: Evaluationsphase
Evaluiert kann der ganze Coaching- Prozess werden, da die Evaluation eine GPS-Funktion, sozusagen ein globales Positionsbestimmungssystem, übernimmt. Dabei wird der vormalige Ist- Zustand mit dem erreichten Soll- Zustand verglichen und eine Einschätzung über die Zielerreichung abgegeben. Fragen könnten sein: „Was wurde erreicht?“, „Wie wurde es er- reicht?“, „Was soll noch erreicht werden?“
Phase 5: Abschlussphase
In dieser Phase des Abschiedes wird noch einmal zurückgeblickt, bevor neue Fähigkeiten, Fertigkeiten und Muster gefestigt werden. Der Klient benötigt in dieser Phase ein Erfolgsge- fühl, was die Unterstützung durch den Coach und die Förderung der eigenen Person, mitsamt der positiven Veränderung der Gesamtsituation, betrifft. In diesem Stadium soll auch eine Perspektive entwickelt werden, welchen Herausforderungen der Klient nun gewachsen ist und welche Situationen er heute besser als in der Vergangenheit meistern kann.94
Nach den Ausführungen zum Coaching- Prozess ist es dem Verfasser nun ein Anlie- gen, das systemisch- konstruktivistische Denken, welches eine ganzheitliche Sichtweise rep- räsentiert und somit als Grundgerüst für Coaching geeignet ist, vorzustellen.
IV.2 Systemisch-konstruktivistisches Denken als Grundlage von Coaching
Um das systemische Denken kennzeichnen zu können, soll dem Leser zuerst der Begriff des Systems erläutert werden. Nach Meinung von Ulrich/ Probst „(...)bestehen Systeme aus Tei- len, die so miteinander verknüpft sind, dass kein Teil unabhängig ist von anderen Teilen und das Verhalten des Ganzen beeinflusst wird vom Zusammenwirken aller Teile.“95 Veränderun- gen eines Teiles bewirken auch Veränderungen der anderen Teile. Zudem haben die Teile verschiedene Einflusskräfte auf die jeweils anderen Teile und das System im Gesamten. Ein System kennzeichnet sich dadurch, dass es sich einerseits von seiner Umwelt abgrenzt und andererseits auf sie ausgerichtet und strukturell bezogen ist. Anders ausgedrückt, ist das Sys- tem „(...)ein Konstrukt, das aus Beziehungen, Kommunikationen und Handlungen besteht, die von den Menschen(...), die dieses System bilden, erzeugt werden.“96 Systemisches Denken impliziert also, dass sich ein Mensch in unterschiedlichen Systemen zur gleichen Zeit verhält. Je nach System haben wir andere Rollen, Funktionen und Aufgaben und verhalten uns daher in verschiedenen Systemen unterschiedlich. Systemisches Denken bedeutet, vom linear- kau- salen Denken (aus A folgt B, aus B folgt C usw.) abzukommen und sich auf das zirkuläre Denken einzulassen. Dies bedeutet, sich damit auseinander zu setzen, dass alles mit allem vernetzt ist und alles auf alles Einfluss ausübt. Man muss daher „im Kreis denken“ um Wech- selwirkungen in ihrem Ausmaß erfassen zu können. Für den Coach ist bedeutsam, zu wissen, dass das Verhalten des Coachee nicht auf eine, ganz klar auszumachende Ursache zurück zu führen ist, sondern mit sehr vielen Details zusammen hängt. Im zirkulären Denken wird nach Mustern (z.B. in der Kommunikation) im Zusammenhang mit anderen Mustern gefragt, die zu bestimmten Ergebnissen führen und danach, wie Muster anders „gestrickt“ werden können. Im konstruktivistischen Denken97 besteht die Annahme, dass nichts wirklich wirklich ist bzw. es die objektive Wirklichkeit nicht gibt. Wirklichkeit entsteht im Auge des Betrachters, wes- halb davon auszugehen ist, dass es niemals zwei Menschen geben wird, „(...)die zugleich und auf die gleiche Art und Weise das Gleiche erleben.“98 Der Coach muss sich also bewusst sein, dass seine subjektive Einstellung mit allem, was er von sich gibt, transportiert wird. Darüber hinaus, muss er den Fokus darauf richten, was der Coachee mit dem Gesagten meint, indem er sich von der Vorstellung löst, dass alle Menschen auf dieser Welt ähnlich denken und ähnli- che Wertvorstellungen haben.
IV.2.1 Systemisch-konstruktivistische Methoden des Coachings
Methoden sind die Mittel und Verfahrensweisen, die in einem Hilfeprozess eingesetzt werden. Methoden werden in unterschiedlichen Arbeitsfeldern eingesetzt und umgekehrt können un- terschiedliche Methoden in einem Arbeitsfeld eingesetzt werden. Um das Coaching effizient führen zu können, benötigt der professionelle Coach eine Art „Werkzeugkoffer“, aus dem er benötigtes Material bei Bedarf holen und zielgerichtet einsetzen kann. Die Methodenfülle im Coaching- Prozess ist so beachtlich, dass sich die Ausführungen nur auf ausgewählte systemi- sche Fragemethoden99 beschränken. Der interessierte Leser kann sich bspw. bei Hesse 1997, Schiepek 1999 oder Schlippe 1997 und 2003 weitere Informationen zur systemischen Inter- ventionsform des Reframing, zu Umdeutungsfragen, Verbesserungsfragen, Fragen nach Aus- nahmen zum Problem, sowie Fragen nach Ressourcen zu diesem Thema einholen.
IV.2.2 Systemische Fragetechniken
Systemische Fragen100 sind die „anderen“ Fragen, die man nicht im Alltag benutzt, die even- tuell auch von gesellschaftlichen Normvorstellungen abweichen z.B. weil man in der Soziali- sation lernte, keine Gegenfragen stellen zu dürfen. Doch es handelt sich um Fragen, die den Klienten zum Denken anregen, ihm verhelfen aus bisherigen Denkprozessen auszubrechen. Sie sind mitunter kreativ, ungewohnt und irreal. Für ein erfolgreiches systemisches Coaching hat die Regel Gültigkeit, Geduld bei der Antwort des Coachee zu haben, denn je länger er zum Nachdenken braucht, desto eindringlicher war die Fragestellung. Allgemeine Merkmale systemischer Fragen sind:
- „Systemische Fragen sind offene Fragen.
- Systemische Fragen bringen den Kunden zum Denken - anstatt die Neugier des Coaches zu stillen.
- Systemische Fragen fokussieren auf das „Innen“ und nicht auf das „Außen“.
- Systemische Fragen sind niemals Suggestiv- Fragen.
- Systemische Fragen haben nicht den Charakter, dem Coach recht zu geben - sie lassen die Antwort offen.
- Systemische Fragen sind häufig Gegenfragen.“101
Darüber hinaus werden, statt analysierend- statischer Fragen über die Vergangenheit, im systemischen Coaching zukunfts-, verhaltens-, und zielorientierte Fragen gestellt. Im Folgen- den seien einige kreative systemische Fragetypen näher erläutert:
1. Ziel-, lösungs- und ressourcenorientierte Fragen
Bei diesen Fragen ist es ein Anliegen, Ziele und Lösungen in der Zukunft zu erreichen und nicht nach Ursachen für Probleme zu suchen. Bsp.: „Wie könnten Sie sich in der Zukunft an- ders verhalten?“
2. Verhaltens- statt Situationsfragen
Coaching zielt darauf ab, nicht die Situation, sondern das Verhalten in einer Situation zu än- dern, so dass andere Reaktionen entstehen. Es wird bewusst danach gefragt, was jeder einzel- ne tut, um das Problem zu erzeugen und was getan werden müsste, das Problem zu lösen. Verhaltensfragen sollen hierbei die Wechselwirkungen erhellen und stellen Situationsfragen „auf Umwegen“ dar. Bsp.: „Was tut jeder einzelne dazu, um diese Situation herbeizuführen?“
3. Fragen nach Unterschieden
Der Coachee soll entdecken, dass er Wahlmöglichkeiten in seinen Verhaltensweisen und in Umgangsmöglichkeiten mit Zeiten und Personen hat. Hierfür stehen dem Coach eine Reihe von Skalenfragen102 (Motivations-, Qualitäts-, Zuversichts-, Kompetenz- und Zufriedenheits- skalen) zur Auswahl. Die Skalierfragen werden gezielt eingesetzt, um die Attraktivität der subjektiven Zielvorstellung zu erhöhen und zu definieren, die Zuversicht in die Machbarkeit seines Vorhabens zu stärken sowie um nächste Schritte zu konkretisieren. Bsp.: „Wenn 10 die Lösung Ihres Problems wäre und 0 das Gegenteil, wo befinden Sie sich dann im Augen- blick?“
4. Beschreibende, erklärende und bewertende Fragen
Diese Fragen unterscheiden sich darin, dass beschreibende Fragen die Wirklichkeit, erklären- de Fragen zusammenhängende Denkmuster und bewertende Fragen die Einstellungen des
Coachee zutage bringen sollen. Die Anwendung der Fragen erfolgt im Dreischritt wie folgen- des Beispiel verdeutlicht:
Klientenaussage: „Ich will, dass alles funktioniert“ Coach:
1. Beschreibend: „Woran erkennen Sie dass es funktioniert, in Ihrem und in dem Ver- halten ihrer Mitarbeiter?“
2. Erklärend: „Wenn alles funktionieren würde, wie wäre es dazu gekommen?“
3. Bewertend: „Wie würden Sie/ Ihre Mitarbeiter das Funktionieren dann auf einer Skala von 0 - 10 bewerten?“
5. Fragen nach Mustern
Menschen übertragen Muster vom einen auf das andere System. Bei dieser Übertragung kann es passieren, dass das Verhaltensmuster zu einer negativen Reaktion im Systemumfeld des Coachees führt. Daher muss der Coach dem Coachee helfen, sich seiner Muster bewusst zu werden und diese bewusst zu verändern. Bsp.: „Welche Schritte müsste ich befolgen, wenn ich Ihr Problem verursachen wollte?“
6. Zirkuläre Fragen
Diese Fragen sollen komplexe Zusammenhänge verdeutlichen, ohne dass alle Systembeteilig- ten anwesend sein müssen. Es wird geprüft „(...)welches Verhalten des Kunden mit welchem Verhalten anderer Personen des Systemumfeldes verknüpft ist und welches veränderte Ver- halten des Kunden Veränderungen in die gewünschte Richtung bewirkt.“103 Bsp.:„Wie müss- ten Sie nach Meinung der anderen Mitarbeiter Ihren Mitarbeiter xy motivieren, dass er wieder bessere Arbeit leistet?“
7. Hypothetische Fragen
Der Coachee bekommt hier eine Anleitung, sich in eine Situation zu versetzen, in der das Ziel schon erreicht ist, er soll so tun, „Als- ob“ es so wäre. Dann kann gefragt werden, welches Verhalten der Klient in der Zielsituation anwenden, welche Reaktionen er erhalten würde und welche weiterführenden Verhaltensweisen diese bei ihm auslösen würden. Bsp.: „Angenom- men Sie änderten Ihren Führungsstil, welche Veränderungen im Verhalten Ihrer Mitarbeiter könnten Sie dann beobachten?“
[...]
1 Laufert 2007, S.18, Gabal
2 Böhnisch 2005, S.13, Juventa
3 Miller 2001, S.10, Lucius und Lucius
4 Staub- Bernasconi 1995, S.43
5 siehe http://www.dbsh.de/Internationale_Definition.DOC Auszug vom 03.10.08
6 siehe Miller 2001, S.10, Lucius und Lucius
7 ebenda S.13
8 siehe Miller 2001, S.13
9 Gruber 2005, S.1, Lucius und Lucius
10 Staub- Bernasconi 2002, S.11, Paul Haupt
11 siehe Bommert& Plessen 1978, S.11, Kohlhammer
12 Belardi 1996b, S.40, Lambertus
13 siehe Galuske 1998, S.43, Juventa
14 siehe Weinberger 2005, S.24, Juventa
15 siehe Thiersch 1977, S.101, Neuwied
16 siehe Staub- Bernasconi 2002, S.11
17 Fischer- Epe 2004 zitiert in Pallasch/Peterson 2005, S.19, Juventa
18 siehe Rauen (Hrsg.) 2005, S.28- S.35, Hogrefe
19 siehe: Rauen (Hrsg.) 2005, S.28
20 ebenda
21 siehe: Rauen (Hrsg.) 2005, S.32
22 ebenda
23 Birgmeier 2006, S. 117, Juventa
24 Birgmeier 2006, S.63
25 http://www.perspektive-mittelstand.de/Empowerment-Coaching-fuer-Fuehrungskraefte-in-der- Produktion/management- wissen/2083.html Auszug vom 28.09.08
26 Birgmeier 2006, S. 37
27 http://www.schreyoegg.de/content/view/81/37/ - Auszug vom18.04.08
28 Schreyögg 2003, S. 67, Campus
29 ebenda
30 ebenda
31 Rauen (Hrg.) 2005, S. 156, Hogrefe
32 Rauen (Hrg.) 2005, S.156
33 Rauen 2000, zitiert in Birgmeier 2005, S.38
34 Birgmeier 2005, S.38
35 ebenda
36 Fallner& Pohl 2001, S. 23, Verlag für Sozialwissenschaften (VS Verlag)
37 ebenda S. 27
38 Radatz 2008, S. 85, Verlag Systemisches Management
39 siehe Rauen (Hrsg.) 2005, S.26
40 Fallner& Pohl 2005, S.39
41 Pallasch& Peterson 2005, S.16
42 Pallasch& Peterson 2005, S.16
43 siehe Fallner& Pohl 2005, S.38
44 Pallasch& Peterson 2005, S.18
45 Fallner& Pohl 2005, S.38
46 Birgmeier 2006, S.38
47 Rauen (Hrsg.) 2005, S.113
48 Fallner und Pohl 2001, S.29
49 siehe ebenda
50 Birgmeier 2006, S.37
51 Masurek 2005, S.21, Lit
52 siehe Birgmeier 2006, S.70
53 Birgmeier 2006, S.71
54 Fallner und Pohl 2001, S.41
55 http://www.schreyoegg.de/content/view/81/37/ Auszug vom 17.05.08
56 siehe http://www.schreyoegg.de/content/view/81/37/ Auszug vom 17.05.08
57 siehe Schreyögg 2003, S.76-105
58 siehe Birgmeier 2006, S.67
59 siehe Schreyögg 2003, S.76-105
60 Ulich 1987 zitiert in Schreyögg 2003, S.76
61 Schreyögg 2003, S.77
62 ebenda S. 78
63 Schreyögg 2003, S.79
64 Lazarus 1991 zitiert in Schreyögg 2003, S.84
65 Emener 1982 zitiert Schreyögg S.88
66 Kaslow und Schulmann 1987 zitiert ebenda S.88
67 Fengler 1987 zitiert ebenda S.88
68 McNeely 1992 zitiert ebenda S.88
69 siehe Broschüre der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2007, S.5
70 Schreyögg 2003, S.90
71 siehe Broschüre der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2007, S.7
72 siehe Gastiger Gesetzestexte, Lambertus Preisgau, AGG und BetrVG
73 Schreyögg 2003, S.90
74 Walter 1993 zitiert in Schreyögg 2003, S.92
75 Böhnisch 2006, S.254
76 Schreyögg 2003, S.90
77 ebenda
78 ebenda
79 Schreyögg 2003, S.93
80 ebenda S.90
81 ebenda
82 Schreyögg 2003, S.95
83 ebenda S. 97
84 Schreyögg 2003, S.90
85 Schreyögg 2003, S.101
86 ebenda S.105
87 siehe Birgmeier 2006, S.92-95
88 Wissemann 2006, S.231, Verlag Hans Huber
89 siehe Birgmeier 2006, S.93
90 Rauen (Hrsg.) 2005, S.282
91 Rauen 2000 zitiert in Birgmeier, 2006, S.94
92 Vogelauer 2000 zitiert ebenda
93 Rauen 2000, S.179
94 siehe Wissemann 2006, S.246
95 Miller 2001, S.36
96 Radatz 2008, S.80
97 siehe ebenda S.31-80
98 Radatz 2008, S.33
99 siehe ebenda S.167-218
100 Radatz 2008, S.181-218
101 ebenda, S.168
102 siehe Schiepek 1999, S.82
103 Radatz 2008, S.204
- Quote paper
- Diplom Sozialpädagogin Tamara Klink (Author), 2009, Führen, fordern, fördern - Kann sozialpädagogisches Coaching Führungskräfte in ihrem Daily- Business unterstützen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124609
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