Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit beschäftigt sich mit der Erforschung der Wirksamkeit eines digitalen Punktefelds für die Unterstützung von Schüler:innen im Bereich der Multiplikation und Division.
Zu Beginn wird der theoretische Hintergrund erörtert. Es wird geklärt, was unter dem Begriff Operationsverständnis verstanden wird und welche Wichtigkeit diese Kompetenz für das erfolgreiche Erlernen von Fähigkeiten im Mathematikunterricht hat. Daran anschließend werden Darstellungsmittel im Mathematikunterricht beleuchtet, welche Bedeutung sie im Lernprozess haben und wie ikonische Darstellungen verstanden werden. Darauffolgend wird auf das Punktefeld als Darstellungsmittel eingegangen. Hier wird besonders Bezug darauf genommen, wie das analoge Punktefeld in Papierform gebraucht wird und wie an ihm die Multiplikation und Division visualisiert werden kann. Nachfolgend werden digitale Medien im Mathematikunterricht erläutert. Im Anschluss daran werden die Forschungsfragen formuliert. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wird anschließend eine empirische Forschung vorgestellt. Außerdem wird die Wahl des Forschungsdesigns und Art der Datenauswertung begründet. Die wissenschaftliche Arbeit endet mit einer Diskussion der Forschungsergebnisse, in der die Forschungsfragen beantwortet und Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung eines digitalen Punktefeldes und den Einsatz in der unterrichtlichen Praxis gezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Hinweis zur geschlechtergerechten Sprache
1. Einleitung
I. Theoretischer Hintergrund
2. Operationsverständnis
2.1 Definition und Begriffsklärung
2.2 Multiplikation und Division
2.2.1 Grundvorstellungen
2.2.2 Rechengesetze
2.2.3 Das Einmaleins und Einsdurcheins
2.3 Bedeutung für das Weiterlernen
3. Darstellungsmittel im Mathematikunterricht
3.1 Definition und Begriffsklärung
3.2 Das E I S-Prinzip nach Bruner
3.3 Das Verstehen von ikonischen Darstellungen aus psychologischer Sicht
4. Das Punktefeld als Darstellungsmittel
4.1 Aufbau und Verwendung
4.2 Einführung der Multiplikation und Division am Punktefeld
4.3 Vertiefung der Multiplikation und Division durch das Punktefeld
5. Digitale Medien im Mathematikunterricht
5.1 Zur Wirkung digitaler Medien in der Schule
5.2 Einsatzmöglichkeiten im Mathematikunterricht
5.3 Das digitale Punktefeld
6. Forschungsfragen
II. Empirische Forschung
7. Forschungsmethodisches Vorgehen
7.1 Forschungsdesign
7.1.1 Interviewleitfaden
7.2. Interviewaufgaben
7.3 Auswahl der Schüler:innen
7.4 Auswertung der Daten
8. Darstellung der Ergebnisse
9. Diskussion der Ergebnisse
9.1 Einordnung in aktuellen Forschungsstand
9.2 Interpretation der Ergebnisse
9.3 Schlussfolgerung
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ergebnisse im Fach Mathematik
Abbildung 2: Verschiedene Repräsentationen einer Multiplikationsaufgabe
Abbildung 3: Operationsverständnis bei »Lernstand 5«
Abbildung 4: integratives Modell des Text- Bildverstehens
Abbildung 5: Hunderterpunktefeld S.
Abbildung 6: Deutung und Begründung von Darstellungen in der Diagnose zur Multiplikation
Abbildung 7: Die Aufgabe 6*7 am Punktefeld
Abbildung 8: Vom Punktefeld zum Malkreuz
Abbildung 9: Das digitale Punktefeld
Abbildung 10: Code-Matrix
Abkürzungsverzeichnis
bspw. beispielsweise
bzw. beziehungsweise
ggf. gegebenenfalls
u.a. unter anderem
z. B. zum Beispiel
Hinweis zur geschlechtergerechten Sprache
In dieser wissenschaftlichen Arbeit wird mit einem Doppelpunkt gegendert, wie zum Beispiel bei Schüler:innen oder mit genderneutralen Formulierungen wie Lehrkräfte und Studierende.
Ausnahmen dieser Regel können sich möglicherweise in Tabellen oder Grafiken, aufgrund der vereinfachten Lesbarkeit, und bei Zitaten finden. Auch in diesen Fällen sind alle Personen jeglichen Geschlechts mitinbegriffen.
1. Einleitung
Im Mathematikunterricht in den deutschen Grundschulen werden die vier Rechenoperationen Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division gelehrt. Bei diesen mathematischen Operationen handelt es sich um die sogenannten Grundrechenarten, umgangssprachlich häufig als Plus-, Minus-, Mal- und Geteiltrechnung bezeichnet (vgl. Krauthausen 2018, S. 62). Die Rechenoperationen werden im Zahlenbereich der natürlichen Zahlen einschließlich der Null N 0 durchgeführt, in den jeweiligen Klassenstufen in den Zahlenräumen von 0 bis 1 Million (vgl. Bildungsplan der Grundschule Mathematik 2016, S. 37). Die Schüler:innen sollen neben dem formalen Wissen zur Durchführung der Rechenoperationen, vor allem ein grundsätzlichen Verständnis über die Bedeutung der Rechenzeichen und -anwendungen erlangen. Deshalb zielt der Mathematikunterricht sowohl auf die Fähigkeit Rechenaufgaben routiniert lösen, als auch Mathematik in realen Handlungs- und Sachsituationen anwenden zu können (vgl. Hasemann, Gasteiger 2020, S. 133).
Nichts desto trotz ist leider festzustellen, dass 22% der Schüler:innen in Baden-Württemberg nach dem Übergang in die weiterführenden Schulen bereits einfachste mathematische Probleme nicht lösen können. Zu diesem Ergebnis kam der Bildungsbericht des Jahres 2018. Die nachstehende Abbildung zeigt die erreichten Niveaustufen in den 5. Klassen der unterschiedlichen Schularten im Bereich des Operationsverständnis. In der Grafik ist zu erkennen, dass besonders Schüler:innen in den Werkreal-, Gemeinschafts- und Realschulen nur die untersten Niveaustufen erreichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Ergebnisse im Fach Mathematik (vgl. Landesinstitut für Schulentwicklung, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2018, S. 292).
Zum einen ist ein ausgeprägtes Operationsverständnis grundlegend für die Fähigkeit Alltagsprobleme mit angewandter Mathematik zu lösen, zum anderen erreichen jedoch viele Schüler:innen nur die untersten Niveaustufen, wie die Abbildung zeigt. Dies führt zum Anlass, neue Methoden und Unterrichtsgestaltungen zu erproben, um diese Kinder entsprechend zu fördern. Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit beschäftigt sich deshalb mit der Erforschung der Wirksamkeit eines digitalen Punktefelds für die Unterstützung von Schüler:innen im Bereich der Multiplikation und Division.
Zu Beginn wird der theoretische Hintergrund erörtert. Es wird geklärt, was unter dem Begriff Operationsverständnis verstanden wird und welche Wichtigkeit diese Kompetenz für das erfolgreiche Erlernen von Fähigkeiten im Mathematikunterricht hat. Daran anschließend werden Darstellungsmittel im Mathematikunterricht beleuchtet, welche Bedeutung sie im Lernprozess haben und wie ikonische Darstellungen verstanden werden. Darauffolgend wird auf das Punktefeld als Darstellungsmittel eingegangen. Hier wird besonders Bezug darauf genommen, wie das analoge Punktefeld in Papierform gebraucht wird und wie an ihm die Multiplikation und Division visualisiert werden kann. Nachfolgend werden digitale Medien im Mathematikunterricht erläutert. Im Anschluss daran werden die Forschungsfragen formuliert. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wird anschließend eine empirische Forschung vorgestellt. Außerdem wird die Wahl des Forschungsdesigns und Art der Datenauswertung begründet. Die wissenschaftliche Arbeit endet mit einer Diskussion der Forschungsergebnisse, in der die Forschungsfragen beantwortet und Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung eines digitalen Punktefeldes und den Einsatz in der unterrichtlichen Praxis gezogen werden.
I. Theoretischer Hintergrund
2. Operationsverständnis
Im folgenden Kapitel soll der Begriff Operationsverständnis genauer beleuchtet werden. Unterschiedliche Ansichten von verschieden Fachdidaktiker:innen werden herangezogen, um daraus eine Definition des Begriffs für diese wissenschaftliche Arbeit abzuleiten. Ausgehend davon wird auf die Multiplikation und Division genauer eingegangen. Dabei wird der Begriff Grundvorstellungen erklärt und welches Konzept dahintersteht. Im abschließenden Abschnitt dieses Kapitels wird die Bedeutung von Operationsverständnis und Grundvorstellungen für das kontinuierliche Weiterlernen erläutert.
2.1 Definition und Begriffsklärung
Nach Gerster und Schultz (2004) können Rechenoperation in drei verschiedenen Sprachen dargestellt werden: als eine konkrete Situation, eine modell- oder bildhafte Darstellung oder in einer symbolische Darstellung. Operationsverständnis ist dabei die Fähigkeit, Verbindungen zwischen diesen Sprachen herzustellen und zwischen den Sprachen übersetzen zu können. Meist findet eine Übersetzung zwischen in Alltagssprache beschriebenen Sachsituationen und der mathematischen symbolischen Sprache statt. Die modell- bzw. bildhafte Sprache nimmt dabei oft eine Vermittlerrolle ein (vgl. Gerster, Schultz 2004, S. 387) . Welche Bedeutung die modell- bzw. bildhafte Sprache als Vermittlerrolle im Übersetzungsprozess hat, wird von den beiden nicht weiter erläutert. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die Definition nach Gerster und Schultz (2004) von Operationsverständnis als eine Übersetzungsfähigkeit zwischen den drei Sprachen einer Rechenoperation am Beispiel einer Multiplikationsaufgabe. Demnach gibt es sechs Übersetzungsrichtungen zwischen den Repräsentationsformen (vgl. Gerster, Schultz 2004, S. 388) .
Die Sprachen bei Gerster und Schultz können auch als Kommunikationsmittel bezeichnet werden. Verallgemeinert sind die Sprachen also sinntragende Zeichen, die einen Austausch zwischen Personen über mathematische Sachverhalte ermöglichen. Die Sprachen fungieren als Mittler zwischen Kommunikationspartner:innen. Dabei müssen beide Kommunikationspartner:innen auch das gleiche Verständnis der Grundrechenarten mit unterschiedlichen Sprachen zum Ausdruck bringen können (vgl. Royar 2013, S. 106f). Das heißt, dass Operationsverständnis auch als eine Art Kommunikationsfähigkeit über Mathematik mit anderen Personen zu verstehen ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Verschiedene Repräsentationen einer Multiplikationsaufgabe (Gerster, Schultz 2004, S. 387).
Das Projekt PriMakom, Primarstufe Mathematik kompakt, welches vom Deutschen Zentrums für Lehrerbildung Mathematik in Kooperation mit der Technischen Universität Dortmund betrieben wird, beschreibt Operationsverständnis als eine grundlegende Vorstellung zu den Rechenoperationen. Im Zentrum steht die Frage, welche Handlungen können mit welcher Operation verknüpft werden. Dabei beinhaltet Operationsverständnis folgende drei Aspekte: Grundvorstellungen zur Rechenoperation, die Fähigkeit zum Darstellungswechsel und das Erkennen und Nutzen von Beziehungen und Strukturen zwischen Aufgaben (vgl. PriMakom 2021, o.Pag.).
Götze, Selter und Zannetin (2019) schließen sich der Definition von Gerster und Schultz an, erweitern aber Operationsverständnis, wie auch das Projekt PriMakom, um die beiden Komponenten Grundvorstellungen und Erkennen und Nutzen von Beziehungen und Strukturen. Was unter dem Begriff Grundvorstellungen zu verstehen ist, wo seine Ursprünge liegen und welche Bedeutung er bei einem Operationsverständnis hat, wird im anschließenden Abschnitt genauer beschrieben. Was bei Gerster und Schultz noch als Sprachen bezeichnet wird, wird bei dem Verständnis nach Götze, Selter und Zannetin als Darstellungsformen betitelt. Die Darstellungsformen können enaktiv, also konkrete Handlungen in Sachkontexten, ikonisch als bildliche Darstellungen oder symbolisch als symbolische Repräsentationen sein (vgl. Götze, Selter & Zannetin 2019, S. 43). Die Darstellungseben folgen dem E I S-Prinzip, was auf den Psychologen Bruner zurückgeht und in dem Kapitel Darstellungsmittel im Mathematikunterricht vertieft erläutert wird. Die dritte Komponente von Operationsverständnis ist das Erkennen und Nutzen von Beziehungen und Strukturen. Damit sind sowohl Beziehungen und Strukturen zwischen Aufgaben als auch zwischen Rechenoperationen gemeint. Beziehungen zwischen Aufgaben zeigen sich vor allem bei der Anwendung von Rechengesetzen, die in einem Abschnitt des Kapitels Multiplikation und Division genauer erklärt werden. Strukturen zwischen Rechenoperationen sind das Verständnis darüber, dass bspw. die Subtraktion die Umkehroperation zur Addition und die Division zur Multiplikation ist. Es werden also heuristische Strategien zur Problemlösung angewandt. Die Kompetenzen diese Zusammenhänge und Zahlbeziehungen zu nutzen, sind sehr bedeutsam für ein erfolgreiches Weiterlernen im Mathematikunterricht (vgl. Götze et. al. 2019, S. 44f). Im Gegensatz zu Gerster und Schultz und anderer Fachliteratur, wird bei Götze, Selter und Zannetin aber nicht von Operationsverständnis, sondern von Operationsvorstellungen gesprochen. Die beiden Begriffe tragen in diesem Zusammenhang die gleiche Bedeutung und werden synonym verwendet.
Eine etwas andere aber ähnliche Definition von Operationsverständnis findet sich bei Lernstand 5. Lernstand 5 ist ein Verfahren zur Diagnose und Förderung von Basiskompetenzen zu Beginn der fünften Klasse. Das Diagnoseinstrument wurde vom Landesinstitut für Schulentwicklung in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg im Auftrag des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg entwickelt. Seit dem Schuljahr 20I5/I6 wird es in allen fünften Klassen in Baden- Württemberg zu bestimmten Zeitpunkten eingesetzt, um die vorhandenen Basiskompetenzen bei den Schüler:innen zu diagnostizieren und folglich zu fördern (vgl. Institut für Bildungsanalyse Baden-Württemberg 2021, o. Pag.). Hier wird Operationsverständnis als Fähigkeit bezeichnet, zu entsprechenden Situationen die passende Rechenoperation zu finden und zu Rechenoperation die entsprechend passenden Situationen. Wie bei PriMakom und Götze, Selter und Zannetin ist es eine Verknüpfung zwischen Alltagssituation und dazu passender Rechenoperation. Mit Situationen sind Beschreibungen, Handlungen, Bilder oder Texte gemeint (vgl. Schulz, Leuders & Rangel 2017, S. 403). Die unterschiedlichen Formen ähneln zwar dem E I S-Prinzip, was sich aber bei Lernstand 5 an einer anderen Stelle wiederfinden lässt. Bei Lernstand 5 wird noch der Begriff Zahlenverständnis eingeführt. Zahlenverständnis beinhaltet neben einem gesicherten Umgang mit dem Stellenwertsystem und unterschiedlichen Zahlaspekten, auch das Übersetzen zwischen verschieden Zahldarstellungen (vgl. Schulz, Leuders, Rangel & Kowalk 2015, S. 15). Die Zahldarstellungen können bildlich, symbolisch oder verbal sein. Hier lässt sich eine Ähnlichkeit zum E I S-Prinzip erkennen. Die Definition von Operationsverständnis bei Lernstand 5, beinhaltet wieder die Fähigkeit einen Übersetzungsprozess zu vollziehen, aber nicht nur zwischen den drei Darstellungsebenen, sondern auch zwischen außermathematischen Darstellungen, den Situationen, und der mathematisch-symbolischen Darstellung durch Zahlen, Operations- und Gleichheitszeichen (vgl. Schulz et. al. 2017, S. 401). Bei diesem wechselseitigem Übersetzungsprozess spielen zwei Faktoren eine entscheidende Rolle: Zum einen das Anwenden von Grundvorstellungen, wie es auch die vorangegangen Definitionen betonen, und zum anderen das Konstruieren eines Situationsmodells. Beim Konstruieren eines Situationsmodells werden die relevanten von den nicht relevanten Informationen gelöst und ggf. eine Skizze oder Hilfsrechnungen zum vereinfachten Lösen angefertigt und herangezogen. Es findet ein Mathematisierungsprozess statt (vgl. Schulz et. al. 2015, S. 16). Die nachstehende Abbildung verdeutlicht nochmals die beiden Übersetzungsprozesse innerhalb des Operationsverständnis nach Lernstand 5.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Operationsverständnis bei »Lernstand 5« (Schulz, Leuders & Rangel 2017, S. 403).
Lernstand 5 unterteilt Operationsverständnis in ein standardisiertes Stufenmodell mit drei Niveaustufen, wobei die unterste Stufe nochmals zweigeteilt ist. Diese Niveaustufen wurden basierend auf fachdidaktisch-theoretischen Modellen, welche die kognitive Anforderungen der Testaufgaben beschreiben, entwickelt. Somit gibt diese Lernstandsanalyse gezielt Aufschluss darüber, wie weit das Operationsverständnis der Schüler:innen entwickelt ist und wo entsprechende Fördermaßnahmen ansetzen müssen (vgl. Institut für Bildungsanalyse Badem-Württemberg 2022, o. Pag.).
Bei allen Definitionen von Operationsverständnis spielen Grundvorstellungen zu den verschiedenen Rechenoperationen eine wichtige Rolle (vgl. Selter, Zannetin 2019, S. 45f; Schulz et. al. 2017, S 401; PriMakom 2021, o. Pag.). Daraus lässt sich schließen, dass der Aufbau von tragfähigen Grundvorstellungen zu einem ausgeprägtem Operationsverständnis beiträgt. Außerdem ist das Erkennen und Nutzen von Zahl- und Aufgabenbeziehungen, was innerhalb der mathematisch-symbolischen Darstellungsebene abläuft, auch Teil von Operationsverständnis. Wo sich die Definitionen unterscheiden, ist der Bereich des Darstellungswechsels. Bei der Definition nach Gerster und Schultz ist gar der Darstellungswechsel alleine Operationsverständnis. Bei PriMakom und Götze, Selter und Zannetin ist der Darstellungswechsel einer von drei Teilaspekten. Die Formen der Darstellungen sind dabei enaktiv, ikonisch und symbolisch, greifen also auf das E I S-Prinzip nach Bruner zurück. Dagegen findet bei Lernstand 5 hier ein Rückgriff auf ein Zahlverständnis statt, innerhalb dessen die unterschiedlichen Zahldarstellungen zu finden sind. Auch im Bildungsplan ist von wechselseitigem Übersetzen zwischen Darstellungsebenen die Rede. Hier werden die enaktive, ikonische und symbolische Form aber nochmals um die verbale Form, wie es auch das Zahlverständnis von Lernstand 5 enthält, erweitert (vgl. Bildungsplan der Grundschule Mathematik 2016, S. 25).
Zu erkennen ist, dass der Begriff Operationsverständnis in der Mathematikdidaktik unterschiedlich definiert wird. In der Literatur lässt sich dazu keine einheitliche Definition finden und der Begriff wird häufig unscharf verwendet (vgl. Royar 2013, S. 167). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Operationsverständnis eine grundsätzliche Vorstellung zu den vier Grundrechenarten ist. Diese Vorstellung beinhaltet eine Verknüpfung zwischen den mathematischen Zeichen und Begriffen mit konkreten Situationen, die durch unterschiedliche Formen repräsentiert werden können. Bei dieser Verknüpfung wird auf Grundvorstellungen zurückgegriffen. Außerdem ist das Erkennen und Nutzen von innermathematischer Zusammenhänge, wie Rechengesetze, Teil dessen. Es lässt sich festhalten, dass erst durch ein ausgeprägtes Operationsverständnis mathematische Aufgaben nicht nur formal gelöst werden können, sondern dass man dadurch fähig wird, Mathematik im realen Alltag anzuwenden.
2.2 Multiplikation und Division
Die Einführung der Multiplikation und der Division aufbauend auf der Addition und Subtraktion findet in der Regel im Laufe des zweiten Schuljahres statt (vgl. Krauthausen 2018, S 66). Vor der Erarbeitung ist ein gesicherter Umgang mit der Addition und Subtraktion sowie Grundeinsichten in das dezimale Stellenwertsystem, verbunden mit dem Bündeln und Entbündeln von Zehner und Einer, notwendig (vgl. Gaidoschik 2014, S. 28). Über relevante Sachsituationen im Umfeld der Schüler:innen werden multiplikative Strukturen erschlossen (vgl. Selter 2002, S. 12). Häufig ist der Mathematikunterricht bei der Einführung neuer Operationen in eine Richtung zunehmender Abstraktion ausgerichtet. Von enaktiven Handlungen über ikonische Darstellungen wird hin zu der symbolischen Schreibweise gearbeitet. Ein Unterricht, welcher die Übersetzungsprozesse nur in eine Richtung schult, gefährdet dabei aber die Fähigkeit der Rückübersetzung in andere Darstellungsformen. Für den Aufbau von Grundvorstellungen und Operationsverständnis ist die Fähigkeit zum Transfer ausgehend von allen Darstellungsformen in eine andere sehr wichtig (vgl. Bönig 1993, S. 39f).
Diverse Studien belegen, dass Kinder schon vor der unterrichtlichen Bearbeitung über Vorkenntnisse der Multiplikation und Division besitzen. Diese Kenntnisse und Umweltbezüge bilden den Ausgangspunkt des Unterrichts (vgl. Padberg, Benz 2021, S. 144f).
2.2.1 Grundvorstellungen
Der Grundvorstellungsbegriff wurde von Rudolf vom Hofe Mitte der 1990er Jahre endgültig in den Diskurs der Mathematikdidaktik etabliert (vgl. Wartha, Schulz 2019, S. 25) . vom Hofe untersuchte die Ursprünge des Grundvorstellungsbegriffs, seine Entwicklung im Laufe der Jahre und welche Konzepte es dazu gibt (vgl. vom Hofe 1996, S. 4f). Das Konzept der Grundvorstellungen vereint traditionelle Ansätze der Mathematikdidaktik mit psychologischen Aspekten. Sie sind das Bindeglied zwischen Mathematik und Realität (vgl. vom Hofe 2003, S. 5). Grundvorstellungen sind eine Art Beziehung zwischen mathematischen Inhalten und dem Phänomen der individuelleren Begriffsbildung (vgl. vom Hofe 1996, S. 6). Sie beruhen nicht auf theoretischen Überlegungen, sondern resultieren aus empirischen Forschungen (vgl. Selter 1996, S. 12). Es sind also Vorstellungen zu mathematischen Begriffen und Verfahren (vgl. Schulz et. al. 2017, S. 401). Diese Vorstellungen entstehen durch eigenständiges Denken und sind daher individuell . Mit Hilfe dieser Vorstellungen kann man sich Rechenoperationen als einen tatsächlichen Vorgang in der Realität vorstellen (vgl. Selter 1996, S. 13).
Gaidoschik (2014) beschreibt Grundvorstellungen als ein Hin- und Herwechseln zwischen verschiedenen Darstellungsebenen. Diese können handelnder, textlicher, sprachlicher, symbolischer oder bildlicher Art sein (vgl. Gaidoschik 2014, S. 38). Mit Hilfe von ausgebildeten Grundvorstellungen können Rechenoperationen in verschiedene Darstellungsebenen übersetzt werden (Wartha, Schulz 2011, S. 6). Vergleicht man dieses Verständnis mit der Definition von Operationsverständnis nach Gerster und Schultz (2004), so lässt sich erkennen, dass sich diese sehr ähneln. Wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, sind Grundvorstellungen ein Teilaspekt von Operationsverständnis, überschneiden sich jedoch in manchen Definitionen. Die beiden Begriffe sind deshalb nicht trennscharf voneinander zu unterscheiden.
Zu allen vier Grundrechenarten gibt es verschiedene Grundvorstellungen, die im Laufe der Primarstufe aufgebaut werden. Weil bei der Forschung nur die Multiplikation und Division untersucht wurde, wird im Folgenden auch nur genauer auf Grundvorstellungen dieser beider Operationen eingegangen
Bei der Multiplikation existieren drei grundlegende Vorstellungen: zeitlich-sukzessives Modell
Bei dieser Grundvorstellung entsteht das Produkt aus mehrmaligem Wiederholen der gleichen Handlung in einem Zeitablauf. Die Gesamtmenge ergibt sich aus einer zeitlich-sukzessiven Handlung. Hier steht die dynamische Komponenten der Multiplikation im Mittelpunkt (vgl. Padberg, Benz 2021, S. 149). Diese Modellvorstellung kann auf ein Verständnis der wiederholten Addition gleichgroßer Mengen zurückgeführt werden. Ein Beispiel wäre: Thomas geht drei Mal in den Keller. Jedes Mal holt er vier Flaschen. Die passende Rechenoperation dazu lautet 4+4+4 bzw. 3>4. Der erste Faktor entsteht aus der Häufigkeit der Handlung, der zweite Faktor aus den gleichmächtiger Mengen (vgl. Krauthausen 2018, S. 66). räumlich-simultanes Modell
Hierbei entsteht das Produkt nicht aus einer zeitlich durchgeführten Handlung, sondern ist direkt vorhanden. Die Gesamtmenge kann durch räumliche Anordnung simultan erfasst werden. Die statische Komponente der Multiplikation steht in diesem Fall im Mittelpunkt. Ein Beispiel für diese Modellvorstellung wäre eine Getränkekiste, in der in drei Reihen immer vier Flaschen stehen (vgl. Krauthausen 2018, S. 66f). Die passende Rechnung hierfür 3>4 kann wieder auf eine wiederholte Addition gleichmächtiger Mengen 4+4+4 zurückgeführt werden (vgl. Padberg, Benz 2021, S. 150).
Die beiden Grundvorstellungen sind eng miteinander verknüpft. So kann aus einer zeitlichsukzessiven Handlung eine räumlich-simultane Anordnung entstehen. Wiederum kann eine räumlich-simultane Anordnung auf eine vorherige zeitlich-sukzessive Handlung zurückgeführt werden. An den beiden obigen Beispielen verdeutlicht: Thomas stellt die Flaschen aus dem Keller in drei Viererreihen auf. Es wurden drei Mal vier Flaschen in die Getränkekiste gestellt (vgl. Schipper 2013, S. 147f). Da sich die beiden Grundvorstellungen in die jeweils andere überführen lassen und sie beide auf einer wiederholten Addition gleichmächtiger Mengen beruhen, ist nach der Ansicht von Padberg und Benz (2021) die Diskussion, worauf die Multiplikation bei der Einführung beruht, überflüssig. Schüler:innen müssen nicht die Grundvorstellungen benennen und unterscheiden können. Wichtig ist, dass sie in den entsprechenden Situation die multiplikativen Strukturen erkennen (vgl. Padberg, Benz 2021, S. 150f). kartesisches Produkt
Dieser Aspekt der Multiplikation weicht von den beiden genannten Aspekten ab, weil er aus dem Bereich der Kombinatorik stammt. Hier steht die Bestimmung sämtlicher möglicher Kombinationen im Mittelpunkt. Wie viele Kombinationen gibt es aus den Elementen einer ersten Menge mit den Elementen einer zweiten Menge. Ein Beispiel hierfür wären Aufgaben wie: Wie viele verschiedene Kombinationen sind aus drei Hosen und vier T-Shirts möglich? Diese Grundvorstellung wird auch Kreuzprodukt genannt (vgl. Krauthausen 2018, S. 68f). Ein Zugang zur Multiplikation über den kombinatorischen Aspekt weist diverse Schwierigkeiten auf. Im Gegensatz zu den beiden anderen Grundvorstellungen besitzen hier die Schüler:innen über wenig Vorerfahrungen, zudem sind passende Alltagssituationen seltener. Darstellungsund Arbeitsmittel für die ersten beiden Grundvorstellungen, wie zum Beispiel das Punktefeld, sind hier nur bedingt geeignet. Darüber hinaus ist der Zusammenhang der Multiplikation und Division als jeweilige Umkehroperation nur schwer ersichtlich. Folglich besitzen auch noch Erwachsene wenig gefestigte Vorstellungen zu diesem multiplikativem Aspekt. Gerade deshalb und weil er grundlegend für die Inhaltsbezogene Kompetenz Daten, Zufall und Wahrscheinlichkeit ist, ist es aber wichtig, diesen Aspekt nach Behandlung der beiden anderen sorgfältig im Unterricht zu thematisieren (vgl. Padberg, Benz 2021, S. 151f).
Neben diesen drei Grundvorstellungen existieren noch die Vorstellung des multiplikativen Vergleichs und der Proportionalität. Beim ersteren wird eine Grundmenge um den zweiten Faktor vergrößert. Thomas ist 6 Jahre alt. Seine Oma ist 12-mal so alt. Ein Situation für die Grundvorstellung der Proportionalität oder auch Raten ist bspw. Thomas bekommt 6€ Taschengeld pro Monat. Wie viel Taschengeld bekommt er in einem Jahr (vgl. Padberg, Benz 2021, S. 153). Es lässt sich erkennen, dass die beiden letztgenannten Grundvorstellungen große Ähnlichkeit zu dem zeitlich-sukzessiven Modell und dem räumlich-simultanen Modell aufweisen. Eine trennscharfe Zuordnung von einer bestimmten Situation zu einer einzigen Grundvorstellung ist daher nicht immer möglich, da die Vorstellungen individuell sind.
Bei der Division existieren zwei grundlegende Vorstellungen:
Aufteilen
Bei dieser Grundvorstellung ist die Grundmenge und die Anzahl der Elemente in den Teilmengen bekannt. Gesucht wird die Anzahl der Teilmengen. Es werden also beispielsweise zwölf Kinder immer in Vierergruppen aufgeteilt. Gesucht ist die Anzahl der Vierergruppen. Symbolisch ausgedrückt I2:4=3 (vgl. Krauthausen 2018, S. 69). Beim Aufteilen findet eine Zerlegung einer Menge in gleichmächtige Teilmengen statt. Die Mächtigkeit der Teilmengen ist gegeben. Die Anzahl der Teilmengen wird gesucht. Diese Vorstellung der Division lässt sich auch über ein Verständnis der wiederholten Subtraktion gleichmächtiger Teilmengen von einer Grundmenge erschließen, also I2-4-4-4. Die Vorstellung des Aufteilens steht in einem engen Zusammenhang zur Multiplikation. So lässt sich umgekehrt die Situation der Kindergruppen auch als Multiplikationsrechnung 3>4=I2 darstellen (vgl. Padberg, Benz 2021, S. 174f).
Verteilen
Bei der Vorstellung des Verteilens ist auch wieder die Grundmenge gegeben. Dieses Mal ist aber die Anzahl der Teilmengen gegeben und die Anzahl der Elemente der Teilmengen wird gesucht. Zwölf Kinder werden in drei Gruppen eingeteilt. Wie viele Kinder sind immer in einer Gruppe (vgl. Krauthausen 2018, S. 71) ? Beim Verteilen findet eine Zerlegung einer Menge in gleichmächtige Teilmengen statt. Wie beim Aufteilen kann beim Verteilen auch ein Zusammenhang zur Multiplikation hergestellt werden (vgl. Padberg, Benz 2021, S. 176).
Wie auch bei den Grundvorstellungen zur Multiplikation ist es bei den Grundvorstellungen Aufteilen und Verteilen nicht wichtig, dass die Kinder die beiden Begrifflichkeiten kennen und exakt unterscheiden können. Es ist vielmehr von zentraler Bedeutung, dass sie mit beiden Grundvorstellungen in Situationen konfrontiert werden und verschiedene Handlungserfahrungen machen. Nur so kann die Ganzheitlichkeit einer Operation erschlossen werden (vgl. Schipper 2013, S. 150).
Grundsätzlich ist die Multiplikation mit der Division, wie auch die Addition mit der Subtraktion, als Umkehroperation eng miteinander verknüpft. Es ist als sinnvoll zu betrachten, beide Operationen verknüpft miteinander im Unterricht zu behandeln. Wie auch im späteren Kapitel 4.2 Einführung der Multiplikation und Division am Punktefeld genauer beschrieben wird, können in bildlichen Darstellungen beide Rechenoperationen hineingedeutet werden. Die gleichzeitige Thematisierung und die Verdeutlichung als jeweilige Umkehroperation, auch als Lösungsstrategie von Aufgaben, trägt zu einem besseren Verständnis beider Operationen bei (vgl. Schulz, Wartha 2021, S. 132).
In der Literatur finden sich teilweise abweichende Bezeichnungen zu den Grundvorstellungen. Worüber Einigkeit herrscht, ist die Tatsache, dass das Konzept der Grundvorstellungen dynamisch ist, aufbauend auf individuellen Vorstellungen und Erfahrungen der Schüler:innen. Sie spiegeln die Beziehung zwischen Individuum, Mathematik und Realität wider (vgl. vom Hofe 1995, S. 128ff). Kinder müssen beim Aufbau dieser Vorstellungen zu Rechenoperationen selbst aktiv werden. Es ist ein langfristiger geistiger Prozess, weil Grundvorstellungen nicht einfach auswendig gelernt werden können. Das eigenständige Denken bedarf Zeit. Diese Zeit muss den Kindern bei ihrer Eigenaktivität gewährt werden. Zudem verhindert eine zu enge Belehrung den individuellen Entwicklungsprozess von Grundvorstellungen (vgl. Gaidoschik 2014, S. 74f). Geeignete Materialien und Darstellungsmittel unterstützen den Aufbauprozess, sie dienen als Lernhilfe für die mentalen Vorstellungen. Handhabung am Material und mentale Vorstellungen müssen dabei übereinstimmen (vgl. Wartha, Schulz 2019, S. 76). Mit Hilfe von Grundvorstellungen wird ein Bezug zwischen mathematischem Inhalt und Realität geschaffen. Es ist zwar möglich Rechenoperation formal zu lösen, ohne Vorstellungen zu der Rechenoperation zu besitzen, allerdings ist das Operieren mit Zahlen in diesem Fall zu vergleichen, mit dem Auswendiglernen und Aufsagen eines Gedichtes, dessen Inhalt man nicht versteht. Es wäre ohne Realitätsbezug und folglich ohne Sinn (vgl. Gaidoschik 2014, S. 18). In der Literatur findet sich neben dem Begriff Grundvorstellungen aktuell auch der Begriff Modellvorstellungen. Die beiden Begriffe werden allerdings synonym verwendet (vgl. Krauthausen 2018, S. 66).
2.2.2 Rechengesetze
Bei der Multiplikation gelten drei Grundlegende Rechengesetze, die ersten beiden analog zur Addition (vgl. Wittmann, Müller 2017, S. 202).
Kommutativgesetz - Vertauschungsgesetz
Der erste Faktor und der zweite Faktor können vertausch werden: axb=bxa; 3x4=4x3.
Assoziativgesetz - Verbindungsgesetz
Die Faktoren eines Produkts dürfen beliebig zusammengefasst werden: (axb)xc=ax(bxc); (3x4)x5=3x(4x5)=12x5=3x20.
Distributivgesetz - Verteilungsgesetz
Dieses Gesetz verbindet die Multiplikation mit der Addition bzw. Subtraktion: (a±b)xc=axc±bxc; (3+4)x5=3x5+4x5.
Die drei Rechengesetze gelten bei der Multiplikation für alle natürlichen Zahlen N (vgl. Krauthausen 2018, S. 81).
Bei der Division gelten nur das Distributivgesetz und das Assoziativgesetz. Ersteres ist sehr wichtig für halbschriftliche Rechenverfahren, weil es die Grundlage für das schrittweise Rechnen bildet. Dadurch können vermeintlich schwere Aufgaben in leichtere zerlegt werden, wie das folgende Beispiel zeigt: 176:8=(160+16):8=160:8+16:8=20+2=22 (vgl. Padberg, Benz 2021, S.186f). Das Assoziativgesetz findet in der Grundschule aber nur selten Anwendung (vgl. Wittmann, Müller 2017, S. 239f).
Eine rein formale Herleitung und Begründung der Rechengesetze würde die Kompetenzen von Grundschulkinder weit überschreiten . Daher ist es umso wichtiger, diese Eigenschaften der Operationen an geeigneten Arbeits- und Darstellungsmitteln, entsprechend dem Niveau der Schüler:innen, zu verdeutlichen und begründen. Eine grundschulgemäße Ikonisierung ist das Darstellen von Produkten mit Hilfe von rechteckigen Punktefeldern, auf die im Kapitel 4 Das Punktefeld als Darstellungsmittel vertieft eingegangen wird (vgl. Wittmann, Müller 2017, S. 202). Sie spiegeln die grundlegende Struktur der Multiplikation wider und sind deshalb Ausgangspunkt zur Anwendung der Multiplikation in größeren Zahlenräumen (vgl. Walther, Heuvel-Panhuizen, Granzer & Köller 2016, S. 53).
Rechengesetze finden in der Grundschule besonders bei halbschriftlichen Rechenverfahren ihre Anwendung. Die Rechenstrategie dahinter ist, dass Aufgaben mit großen Zahlen in Aufgaben mit kleineren Zahlen überführt werden. Das Erkennen und Nutzen von Beziehungen und Strukturen spielt dabei eine wichtige Rolle. Das Nutzen von Rechengesetzen beruht auf einem tiefem Verständnis mathematischer Zusammenhänge und ist auch Voraussetzung für das Verstehen von späteren Inhalten, wie beispielsweise den binomischen Formel. Es kann daher auch als Teil eines tragfähigem Operationsverständnis gesehen werden (vgl. Akinwunmi, Deutscher & Selter 2014c, S.117). Im Bildungsplan der Grundschule lassen sich Rechengesetze in die inhaltlichen Kompetenz Zahlen und Operationen und deren Unterpunkt Rechenoperationen verstehen und beherrschen verorten (vgl. Bildungsplan der Grundschule Mathematik 2016, S. 25f).
2.2.3 Das Einmaleins und Einsdurcheins
Die Behandlung und Erarbeitung des Einmaleins findet im Laufe des zweiten Schuljahres, nach einer grundsätzlichen Erschließung der Multiplikation über Umweltbezüge und der wiederholten Addition, statt. Sie reicht bis ins dritte Schuljahr, an dessen Ende alle Kinder das Einmaleins automatisiert beherrschen sollten. Es bildet die Grundlage für die schriftlichen Rechenverfahren der Multiplikation und Division und das Zehnereinmaleins. Somit ist es von ausgesprochener Wichtigkeit für einen flüssigen Übergang in die Sekundarstufe (vgl. Wittmann, Müller 2017, S. 206).
Die Erarbeitung des Einmaleins findet heute meistens über den Zugang durch die sogenannten Kernaufgaben, auch Königsaufgaben genannt, statt. Diese Zugangsweise geht auf Arnold Fricke und Heinrich Besuden zurück (vgl. Walther et. al. 2016, S. 56). Fricke und Besuden (1970) etablierten operative Lernprinzipien in den Mathematikunterricht und sprachen sich gegen traditionelle Methoden aus. Nach ihren Lernprinzipien sollen Inhalte nicht mehr kleinschrittig und isoliert behandelt werden, sondern in einer operativen Gesamtbehandlung. Eine solche Vorgehensweise soll die Ausbildung beweglicher Denkoperationen fördern (vgl. Fricke 1970, S. 90f). Bezogen auf das Einmaleins bedeutet das, dass dieses nicht durch Auswendiglernen einzelner Einmaleinsreihen erfolgen soll, sondern aufbauend auf den Kernaufgaben ganzheitlich erschlossen wird. Dadurch sollen Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge der Multiplikation und Division erarbeitet werden (vgl. Fricke 1970, S. 94). Die Erschließung über Kernaufgaben folgt dem Prinzip von leicht nach schwer. Zunächst stehen die leichten Kernaufgaben im Mittelpunkt. Das sind Multiplikationsaufgaben mit I ...; 2>...; 5>...; 10>> Beherrschen Kinder diese Reihen routiniert, können die anderen Reihen durch Addition und Subtraktion aufbauend auf den Kernaufgaben erschlossen werden. So kann beispielsweise die Aufgabe 6>7 auf die beiden Kernaufgaben 5>7 + I>7 abgeleitet werden, das Distributivgesetz wird angewandt (vgl. Walther et. al. 2016, S 56). Eine solche Vorgehensweise sorgt für ein Verständnis über die Beziehungen zwischen verschiedenen Einmaleinsaufgaben (vgl. Krauthausen 2018, S. 76). Durch Nutzung der operativen Eigenschaften der Multiplikation wird ein routinierter Umgang mit dem Einmaleins für Kinder erleichtert. Alleine durch das Anwenden des Kommutativgesetz halbiert sich die Anzahl an Einmaleinsaufgaben, die auswendig zu wissen sind. Wird zudem das Distributivgesetz noch benutz, können die 100 Aufgaben, wenn man die 0 dazu nimmt 121 Aufgaben, auf wenige einfache Aufgaben heruntergebrochen werden (vgl. Schipper 2013, S. 146). Werden bei der unterrichtlichen Behandlung auch immer wieder Darstellungswechsel und Bezüge zu realen Situation von den Schüler:innen verlangt, so werden integrativ auch Grundvorstellungen der Multiplikation geschult. Ein isoliertes Auswendiglernen der einzelnen Reihen schafft dagegen keine Grundvorstellungen und trägt nicht zu einem Operationsverständnis bei (vgl. Gaidoschik 2014, S. 18).
Padberg und Benz (2011) sprechen sich sowohl für die Erarbeitung des Einmaleins über eine ganzheitliche Behandlung, als auch für eine getrennte Erarbeitung über die einzelnen Einmaleinsreihen, aus. Sie betonen zwar, dass eine getrenntes Lernen der Reihen kein Operationsverständnis schafft, nichtsdestotrotz ist ein routiniertes Auswendigwissen des Einmaleins wichtig für das darauf aufbauende Zehnereinmaleins und Grundlage für die schriftlichen Rechenverfahren der Multiplikation und Division. Ihres Erachtens ist eine ausgewogene Kombination beider Zugangsweisen entscheidend (vgl. Padberg, Benz 2011, S. 138f). Ziel dieser kombinierten Erarbeitung ist ein sicheres und schnelles Abrufen von Kernaufgaben aus dem Langzeitgedächtnis (vgl. Gaidoschik 2010, S. 152).
Das Einsdurcheins wird durch das Verständnis der Division als Umkehroperation zur Multiplikation erschlossen. Das Einsdurcheins ist demnach nichts anderes als die Umkehrung des Einmaleins und kann dadurch genau nach den gleichen Prinzipien behandelt werden. Auch hier werden wieder vermeintlich schwierige Divisionsaufgaben auf leichtere Kernaufgaben, durch Anwendung des Distributivgesetzes, abgeleitet (vgl. Wittmann, Müller 2017, S. 241f). Eine derartige operative Behandlung von Einmaleins und Einsdurcheins trägt darüber hinaus zum Aufbau von Grundvorstellungen, durch Verständnis über die jeweilige Umkehroperation, bei.
2.3 Bedeutung für das Weiterlernen
Gerade Schüler:innen, die vermeintlich schwächere Leistungen aufweisen, sehen Mathematik oft als sinnlose Wissenschaft an. Sie erkennen keinen Nutzen von Mathematik als Instrument, Alltagsprobleme zu begreifen und zu lösen. Sie besitzen meist nur fehlerhafte Ideen von Verfahren, mit denen sie isolierte Aufgaben im Unterricht vermeintlich korrekt lösen können (vgl. Schäfer 2005, S. 502). Diese Meinung der Sinnlosigkeit von Mathematik können auf mangelnde Grundvorstellungen zurückgeführt werden, denn erst Grundvorstellungen erzeugen Sinnzusammenhänge (vgl. vom Hofe 1995, S. 128f). Studien belegen, dass zahlreiche Schüler:innen über unzureichende bis gar keine Grundvorstellungen verfügen (vgl. Bönig 1995, S. 157; Royal 2013, S. 156; Schäfer 2005, S: 439f). Diese sind dadurch nicht in der Lage beispielsweise bei Textaufgabe herauszufinden, welche Rechenoperation anzuwenden ist (vgl. Gaidoschik 2014, S. 72). Entsprechend werden Textaufgabe nicht oder nur teilweise korrekt gelöst. Fehlerhafte Grundvorstellungen und mangelndes Operationsverständnis können deshalb auch als Indiz für eine Rechenschwäche gewertet werden (vgl. Käpnick, Benölken 2020, S. 244). Werden Aufgaben aufgrund von fehlendem Operationsverständnis von Kindern nicht korrekt gelöst, so entwickeln diese Kinder Strategien zur Bewältigung dieses Problems. Unter anderem wird die Strategie des zählenden Rechnens gewählt. Zählendes Rechnen wiederum unterbindet aber den Aufbau von Operationsverständnis und verhindert die Entwicklung von heuristischen Strategien. So kann ein Teufelskreis aus fehlendem Operationsverständnis und ungeeigneten Rechenstrategien entstehen (vgl. Schäfer 2005, S. 253f). Diesem Teufelskreis gilt es frühzeitig, durch entsprechende Unterrichtsgestaltung und Fördermaßnahmen, entgegenzuwirken. Ein stabiles Operationsverständnis bildet die Grundlage allen Rechnens und ist deshalb auch als Voraussetzung für die Entwicklung von heuristischen Strategien, also dem Benutzen von Hilfsaufgaben und anderen Lösungsmitteln, zu sehen (vgl. Götze et. al. 2019, S. 62).
Studien von Schäfer (2005) und Bönig (1995) haben gezeigt, dass speziell das Operationsverständnis in den Bereichen Multiplikation und Division bei vielen Schüler:innen nur lückenhaft entwickelt ist. Ist kein Verständnis der Multiplikation und Division im Bereich der natürlichen Zahlen vorhanden, können auch keine Vorstellungen über Rechenoperationen mit Brüchen aufgebaut werden (vgl. Bönig 1995, S. 202). Folglich werden auch nicht die Voraussetzungen für Dezimal-, Prozent- und Zinsrechnungen in den folgenden Schuljahren geschaffen. Ein solides Verständnis der Multiplikation und Division ist auch Voraussetzung für eine Zahlbereichserweiterung auf die rationale Zahlen R (vgl. Schäfer 2005, S. 261f). Dies zeigt, dass bestimmte mathematische Kenntnisse, welche in der Grundschule erworben werden, für einen weiteren Kompetenzaufbau in der Sekundarstufe besonders wichtig sind (vgl. Moser Opitz 2009, S. 34).
Diese so wichtigen Kenntnisse werden auch als Basiskompetenzen bezeichnet (vgl. Schulz et. al. 2017, S. 396). Zu diesen Basiskompetenzen gehört unter anderem ein tragfähiges Operationsverständnis sowie entsprechende Grundvorstellungen (vgl. Schmassmann, Moser Opitz 2011, S. 4). Das Verständnis von Zahlen und Operationen bildet den Kern der arithmetischen Kompetenzen. Sind diese Basiskompetenzen nicht vorhanden, so ist ein Weiterlernen in der Sekundarstufe gefährdet (vgl. Schulz et. al. 2015, S. 14). Schwache Mathematikleistungen von Schüler:innen in der Sekundarstufe sind deshalb meistens darauf zurückzuführen, dass während der Grundschulzeit basale mathematische Kompetenzen nicht erworben wurden (vgl. Moser Opitz 2009, S. 33). Können bereits einfache Textaufgaben nicht gelöst werden, so kann auch kein Mathematisierungsprozess bei komplexeren Sach- und Textaufgaben angestoßen werden. Diese Schüler:innen scheitern im Lösungsprozess beim Strukturieren der gegebenen Situation und dem Verständnis von Grundvorstellungen (vgl. Wartha 2009, S. 160). Die beiden Übersetzungsprozesse, welche nach Lernstand 5 im Operationsverständnis von großer Wichtigkeit sind, stellt also leistungsschwächere Schüler:innen auch noch in der Sekundarstufe vor eine große Herausforderung. Um ein kontinuierliches Weiterlernen in der Sekundarstufe zu gewährleisten, ist es wichtig die zentrale Bedeutung der mathematischen Basiskompetenzen hervorzuheben (vgl. Moser Opitz 2013, S. 220). Lernschwierigkeiten im Mathematikunterricht der weiterführenden Schulen kann also dadurch vorgebeugt werden, dass sich der Grundschulunterricht auf den Aufbau dieser Basiskompetenzen konzentriert (vgl. Ufer, Reiss & Heinze 2009, S.69f). Dies impliziert auch eine weitere Förderung der Grundschulmathematik in den Eingangsklassen der Sekundarstufe (vgl. Schäfer 2005, S. 264).
Die Bedeutung von Operationsverständnis sowie Grundvorstellungen für jegliches Mathematiklernen in höheren Klassenstufen lässt sich gut mit der Metapher eines Fundaments verdeutlichen. Ist ein Fundament nicht vorhanden, so können darauf auch keine weiteren Strukturen aufgebaut werden. Ist kein grundlegendes Verständnis für Zahlen und Operationen vorhanden, so können auch komplexere Verfahren der Mathematik in der Sekundarstufe nicht verstanden werden.
3. Darstellungsmittel im Mathematikunterricht
Das dritte Kapitel befasst sich mit Darstellungsmitteln im Mathematikunterricht. Ausgehend von einer Klärung des Begriffs und Definition wird darauf aufbauend das E I S-Prinzip nach Bruner vorgestellt. Daraus folgend wird beschrieben, wie aus psychologischer Sicht ikonische Darstellungen und Bilder verstanden werden und welche Schritte bei diesem Verstehensprozess ablaufen. Aus diesen Erkenntnissen soll dann auf den Nutzen und die richtige Verwendung von Darstellungsmittel geschlossen werden.
3.1 Definition und Begriffsklärung
Mit Johann Amos Comenius wurde im 17. Jahrhundert der Begriff der Anschauung und damit Anschauungsmittel in den pädagogischen Diskurs eingebracht (vgl. Schipper 2013, S. 288). Durch Pestalozzi und Herbart wurde der Begriff und die Anschauungsmittel von Comenius weiterentwickelt. Die Schüler:innen sollten die Mittel nicht nur anschauen, sondern selbst aktiv am Material arbeiten. Dadurch entstanden neue Visualisierungsmittel für den Mathematikunterricht (vgl. Lorenz 1992, S. 6). Für das visualisierende Medium gibt es heute unzählige unterschiedliche Begriffe. Anschauungs-, Veranschaulichungs-, Arbeitsmittel, Lernmaterial, Arbeitsmaterial, Abbilder, Bilder, um nur einige von diesen zu nennen. In der Fachliteratur und in den Broschüren der Lehrmittelverlage gibt es keine einheitliche Definition zu diesem Begriff (vgl. Krauthausen 2018, S. 308). Ganz allgemein gesagt, sind damit alle Materialien gemeint, die für eine Visualisierung des mathematischen Begriffs sorgen. Krauthausen (2018) unterscheidet zwischen Veranschaulichungsmittel und Anschauungsmittel. Veranschaulichungsmittel dienen der Lehrkraft, um daran mathematische Zusammenhänge zu verdeutlichen. Anschauungsmittel dagegen werden um die Eigenaktivität der Schüler:innen ergänzt. Die Lernenden sind selbst am Material aktiv und gebrauchen dies eher als Arbeitsmittel zum Mathematiktreiben. Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass die beiden Begriffe nicht trennscharf zu unterscheiden sind, denn häufig kann ein Veranschaulichungsmittel auch als Anschauungsmittel gebraucht werden. Wichtig dabei ist, dass zur (Re-)Konstruktion von mathematischem Wissen diese Materialen nicht nur als reines Demonstrationsmaterial, sondern auch als Denkwerkzeuge zum Mathematiktreiben genutzt werden (vgl. Krauthausen 2018, S. 310).
Die unscharfe Begriffsverwendung begründet sich unter anderem darauf, dass durch die Lehrmittelindustrie immer wieder neue Anschauungs- und Arbeitsmittel entworfen und vertrieben werden. Dadurch werden stets neue Bezeichnungen gewählt, um neue Materialien von den anderen abzuheben. Wittmann spricht gar von einer „ Flut“ an neuen visualisierenden Materialien, die die Grundschulen überrollen, mit der Devise: „Viel hilft viel“ (vgl. Wittmann 1993, S. 394). Dieses Überangebot wird noch von Eigenproduktionen der Lehrkräfte, sowie durch die fortschreitende Digitalisierung und den einhergehenden neuen Apps und Lernsoftwares, verstärkt (vgl. Schipper 2013, S. 288).
Der Begriff des Darstellungsmittels geht aber über den Begriff der Veranschaulichungs- und Anschauungsmittel hinaus. Alle Mittel zur Visualisierung von Mathematik sind Darstellungsmittel. Darstellungsmittel können aber ebenfalls anderer Form sein. Auch symbolische Zeichen, wie zum Beispiel Ziffern, oder konkrete Handlungsabläufe sind Darstellungsmittel des mathematischen Begriffs. Darstellungsmittel sind die Repräsentation der Mathematik.
Die Mathematik als Wissenschaft von Mustern, Beziehungen und Strukturen bedarf einem Medium, um repräsentiert zu werden. Ohne ein darstellendes Medium haben wir keinen Zugang zur Mathematik als Wissenschaft. Die Repräsentationen sind aber nicht gleichzusetzen mit den mathematischen Begriffen. Es handelt sich dabei lediglich um Symbole, welche auf mathematische Inhalte verweisen. Die Repräsentationen müssen interpretiert werden bzw. es gibt eine Norm, wie die Repräsentationen im mathematischen Sinn zu deuten sind. Dadurch entsteht ein Dilemma des mathematischen Wissens. Zum einen wird die Konkretheit eines Mediums als Repräsentation benötigt, um Mathematik überhaupt darzustellen und einen Zugang zu ihr zu haben. Zum anderen muss dann wiederum von dieser Konkretheit des Materials abstrahiert werden, um allgemein die Idee des mathematischen Begriffs erfassen zu können (vgl. Söbbeke 2005, S. 17f). Die vermittelnden Medien haben also einen symbolischen Charakter. Es wird die Konkretheit der Darstellung benötigt, um abstrakte Inhalte der Mathematik zu erfassen (vgl. Söbbeke, Steenspaß 2010, S. 216).
Gerade im arithmetischen Anfangsunterricht und zum Einführen neuer Themeninhalte ist die Art des Darstellungsmittels sehr wichtig und unumgänglich. Darstellungen haben deshalb eine bedeutende Rolle im Mathematikunterricht, weil sie als Visualisierung des abstrakten mathematischen Begriffs unverzichtbar sind (vgl. Kuhnke 2013, S. 18). Die Fachdidaktiker:innen verwenden häufig unterschiedliche Begriffe dafür, mit unterschiedlichen Bedeutungen, weshalb in der Fachliteratur keine einheitliche Definition zu finden ist. Aus diesem Grund soll nun abschließend eine für diese wissenschaftliche Arbeit geltende Definition formuliert werden: Ein Darstellungsmittel ist ein Medium, mit Hilfe dessen die abstrakten Inhalte und Ideen der Mathematik repräsentiert und visualisiert werden können. Darstellungsmittel können in unterschiedlichen Repräsentationsformen vorhanden sein. Die Arten der unterschiedlichen Repräsentationsformen werden im folgenden Abschnitt genauer beschrieben.
3.2 Das E I S-Prinzip nach Bruner
Der Psychologe Jérome Seymour Bruner entwickelte ein Prinzip, welches besagt, dass jeder Wissensbereich oder jede Problemstellung innerhalb eines Wissensbereich auf drei verschiedene Arten dargestellt werden kann, als enaktive Repräsentation, als ikonische Repräsentation oder als symbolische Repräsentation. Daher wird dieses Prinzip nach Bruner auch E I S-Prinzip genannt (vgl. Bruner 1974, S. 49). Darstellungsmittel im Mathematikunterricht, welche im vorherigen Abschnitt thematisiert wurden, können also in drei Repräsentationsmodi bestehen.
Bei der enaktiven Repräsentation geht eine tatsächliche Handlung von statten. Kinder können mathematisches Wissen durch aktive Handlungen, die sie selbst durchführen, aneignen. Lernen durch die enaktive Repräsentationsform beruht vor allem auf der Stufentheorie nach Piaget, in der in frühen Phasen durch Handlungen gelernt wird (vgl. Wittmann 1981, S. 70f). Bei der ikonischen Repräsentationsform spielt die Wahrnehmungsorganisation und das simultane Erfassen eine wichtige Rolle. Bildliche Darstellungen eignen sich besonders gut, wenn sie schematisiert sind und dadurch die Strukturen des zu Vermittelnden deutlich sichtbar werden. Wittmann bezeichnet ikonische Darstellungen auch als „eine Art geometrischer Sprache“ (vgl. Wittmann 1981, S. 87). Die symbolische Darstellung ist charakterisiert durch die Verwendung von Zeichen und Symbolen, welche eine allgemeine Art haben, wie sie zu lesen sind. Diese Repräsentation ist am abstraktesten gleichzeitig aber am leistungsfähigsten, weil durch endliche Zeichen unendlich viele Einzelfälle dargeboten werden können. Eine einzelne symbolisch dargestellte Zahl, kann unendlich viele Einzelfälle darstellen. Die symbolische Darbietung kann als formal mathematische Sprache aufgefasst werden (vgl. Wittmann 1981, S. 87f). Operatives Denken ist nicht an die enaktive Darstellungsform gebunden. Schüler:innen können in allen drei Fällen und auch Mischfällen operieren. Werden die Fälle miteinander in Verbindung gebracht und finden gleichzeitig Anwendung, so können Schüler:innen davon profitieren (vgl. Wittmann 1981, S. 91).
Die Repräsentationsformen können auch als Mischformen auftreten. Häufig werden in ikonischen Darstellungen auch symbolische Darstellungen verwendet, um diese zu konkretisieren. Repräsentationsformen können sich also gegenseitig ergänzen. Zwar ist die symbolische Darstellung die Leistungsfähigste, allerdings betont Bruner, dass kein Repräsentationsmodus dem anderen überlegen ist und es daher keine Reihenfolge gibt, wie sie im Unterricht zu behandeln sind. Viel wichtiger ist es, eine Sensibilität für die Vor- und Nachteile der Arten zu entwickeln (vgl. Bruner 1974, S. 53).
Vergleicht man nun das E I S-Prinzip mit dem Verständnis nach Gerster und Schultz (2004) von Operationsverständnis so lässt sich erkennen, dass sie dem Prinzip nach Bruner folgen. Wie in Kapitel 2.1 Grundvorstellungen erläutert sind die unterschiedlichen Arten der Darstellung beim Verständnis von Grundvorstellungen sehr präsent. Für alle Fachdidaktiker:innen begründen sich Grundvorstellungen in einer gewissen Art immer auf die Tatsache, dass Mathematik mit unterschiedlichen Darstellungsmittel repräsentiert werden kann. Sowohl bei den Grundvorstellungen zu Rechenoperationen, als auch für den Aufbau dessen spielen die unterschiedlichen Darstellungsformen eine essentielle Rolle. Das Prinzip der unterschiedlichen Darstellungsformen von Mathematik bildet in fast allen Fällen die Grundlage für die Auffassung von Operationsverständnis und Grundvorstellungen.
3.3 Das Verstehen von ikonischen Darstellungen aus psychologischer Sicht
Die beiden Psychologen Schnotz und Bannert entwickelten im Jahre 1999 das integrative Modell des Text- Bildverstehens. Dem Modell nach ist Text- und Bildverstehen ein anforderungsorientiertes Konstruieren von deskriptionalen und depiktionalen mentalen Repräsentationen. Beim Konstruieren werden unterschiedliche Prozesse, wie Selektions-, Organisations-, Symbolverarbeitungs- und Strukturabbildungsprozesse durchlaufen. Außerdem spielen Prozesse der mentalen Modellkonstruktion sowie Modellinspektion eine Rolle (vgl. Schnotz, Bannert 1999, S. 217). Das Modell ist auf der folgenden Seite abgebildet. Demnach verläuft der depiktionale Zweig ausgehend von einem externen Bild über die visuelle Wahrnehmung bzw. Vorstellung des Bildes über eine thematische Selektion hin zu einem mentalen Modell. Beim Verstehen von Bildern wird durch semantische Verarbeitungsprozesse ein mentales Modell des dargestellten Gegenstands konstruiert. Das Erstellen des mentalen Modells beim Bildverstehen ist keine eins zu eins Zuordnung von der ikonischen Darstellungen zu der internen mentalen Repräsentation. Der Wahrnehmungs- und Verstehensprozess von Bildern und Diagrammen verläuft nicht immer linear und ist sehr individuell, weil zum Aufbau des mentalen Modells auch vorhandenes Weltwissen herangezogen wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Aufbau des mentalen Modells ist ein kognitiver Aufwand, der sich aus dem Zusammenspiel interner sowie externer Verarbeitungsbedingungen zusammensetzt. Weil das Verstehen von grafischen Darstellungen individuell abläuft, merken Lernende nur schwer, wenn sie Bilder oder Teile dieser nicht korrekt verstehen (vgl. Schnotz, Bannert 1999, S. 222ff). Bild und mentales Modell sind zwar nicht identisch, besitzen aber im Idealfall analoge Strukturabbildungen. Die Oberflächenmerkmale des Bildes werden auch im mentalen Modell abgebildet. Was wiederum zur Folge hat, dass das mentale Modell ähnliche Nutzungseigenschaften wie die zugrundeliegende grafische Konfiguration hat (vgl. Schnotz, Bannert 1999, S. 233).
Geht man von einer mathematischen Problemstellung aus, welche durch ein Bild oder Diagramm beschrieben ist, so bildet dann das mentale Modell die Grundlage für alle weitere Schritte im Problemlösungsprozess. Das mentale Modell hier ähnelt stark dem Situationsmodell beim Operationsverständnis nach Lernstand 5. Sowohl bei dem Modell nach Schnotz und Bannert (1999) als auch bei dem Modell von Lernstand 5 ist ein mentales Modell bzw. Situationsmodell sehr wichtig für die darauf aufbauenden Bearbeitungsschritte (vgl. Kürschner, Schnotz 2007, S. 50). Ist das mentale Modell fehlerhaft, so sind alle weiteren Schritte im Mathematisierungsprozess ebenfalls fehlerhaft. Der Aufbau eines tragfähigen mentalen Modells ist also von äußerster Wichtigkeit. Auch wenn mathematische Problemstellungen nur in textlicher Form beschrieben sind, so wird für den Lösungsprozess ein Situationsmodell benötigt. Besitzen Schüler:innen geringe Lesekompetenzen, dann fällt es ihnen auch schwerer, die Textoberflächenrepräsentation zu decodieren und daraus ein entsprechendes Situationsmodell aufzubauen. Die Untersuchungen von Schnotz und Bannert zeigen, dass das Hinzuziehen von ikonischen Darstellungen in solchen Fällen die Schüler:innen beim Konstruieren von mentalen Modellen unterstützen kann (vgl. Kürschner, Schnotz 2007, S. 51). Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass die Visualisierungen auch aufgabenadäquate Oberflächenmerkmale aufweisen, dies bedeutet, die bildliche Darstellung muss auch zur entsprechenden Aufgabe passen (vgl. Schnotz 2002, S. 74).
Weidemann (1997) zufolge besitzen Bilder in instruktionalen Angeboten drei wichtige Funktionen: Abbilder können Gegenstände, Sachsituationen oder Ausschnitte derer zeigen. Sie haben demnach eine Zeigefunktion, wenn sie den zu zeigenden Gegenstand verdeutlichen. Viele Abbildungen im schulischen Kontext aber auch Bilder in Bedienungsanleitungen erfüllen diese Funktion (vgl. Weidemann 1997, S: 84f). Darüber hinaus können Bilder eine Situierungsfunktion einnehmen, wenn bei der betrachtenden Person dadurch Situationsvorstellungen aktiviert werden, das heißt es werden bei der Person Alltagserfahrungen abgerufen. Die Abbildung zeigen ein bestimmtes Szenarium und helfen dadurch, Gegenstände besser in einen bestimmten Kontext einzuordnen (vgl. Weidemann 1997, S. 86f). Die dritte Funktion ist die Konstruktionsfunktion. Wie bereits erläutert wird ein Vorgang oder Rechenoperation erst vollständig verstanden, wenn ein entsprechendes mentales Modell davon entwickelt wird. Abbilder können den Aufbau dieses mentalen Modells fördern, indem sie über einzelne Elemente, als auch über das Zusammenspiel dieser visuell informieren. Soll ein Vorgang verdeutlicht werden, so geschieht dies am besten durch das Zeigen mehrerer aufeinanderfolgenden Bilder, damit die Veränderung deutlich wird. Animierte Abbildungen an digitalen Medien bieten hier weitere Möglichkeiten, den Veränderungsprozess sichtbar zu zeigen (vgl. Weidemann 1997, 87f).
Bilder und Diagramme selbst sind auf der einen Seite anspruchsvoll zu verstehen. Sie stehen nicht für sich alleine, sondern werden erst durch den Aufbau eines mentalen Modells verstanden. Auf der anderen Seite können sie Schüler:innen mit geringeren Lernvoraussetzungen dabei helfen, ein Situationsmodell aufzubauen (vgl. Schnotz 2002, S. 70f). Bei der Verwendung von ikonischen Darstellungen ist demnach darauf zu achten, dass sie selbst verstanden werden müssen und dass sie auch zur entsprechenden Aufgabe passen. Passen sie nicht, so haben sie dann wiederum negative Auswirkungen auf den gesamten Verstehensprozess (vgl. Schnotz, Bannert 1999, S. 234). Eine sorgfältige Bildauswahl ist demzufolge maßgeblich.
4. Das Punktefeld als Darstellungsmittel
Dieses Kapitel befasst sich im Besonderen mit dem Punktefeld als Darstellungsmittel. Ausgehend von der allgemeinen Beschreibung von Darstellungsmitteln im vorangegangen Kapitel wird nun das Punktefeld genauer beleuchtet. Zunächst wird der Aufbau und die Verwendung erklärt. Anschließend sollen die Möglichkeiten und der Nutzen bei der Erarbeitung der Multiplikation und Division mit Hilfe des Punktefelds aufgezeigt werden.
4.1 Aufbau und Verwendung
Das Punktefeld als Darstellungsmittel ist ein quadratisches Feld, das aus Zehn mal Zehn Punkten besteht. Schon die traditionelle Rechenmethodik bediente sich dessen Vorteile (vgl. Floer 1996, S. 67). In allen Fällen weißen die Punktefelder eine Fünfer- und Zehnerstrukturierung auf, welche entweder farblich, durch Abstände oder mit Hilfe von Linien verdeutlicht wird. So wird ein simultanes Erfassen der Punkteanzahl in den Zeilen und Spalten, als auch der 25 Punkte in den vier Quadranten vereinfacht, was dem zählenden Rechnen entgegenwirkt (vgl. Transchel 2020, S. 44). Es handelt sich um ein strukturiertes Material, was den kardinalen Zahlenaspekt betont (Schipper, Ebeling, Dröge, 2015, S. 60). Je nach Schulbuch und Verlag unterscheiden sich die Punktefelder optisch, ihre mathematische Ergiebigkeit wird dadurch aber nicht beeinträchtigt. Deutscher konnte in einer Studie mit Schulanfänger:innen belegen, dass Punktefelder durch ihren Aufbau einen Charakter haben, welcher zum Deuten und Nutzen der Struktur zur Anzahlbestimmung der Punkte auffordert (vgl. Deutscher 2015, S. 157f). Das Punktefeld wird durch einen sogenannten Malwinkel ergänzt, mit welchem man Zeilen und Spalten abdecken kann. Dadurch ist nicht das ganze Feld zu sehen, sondern nur ein Ausschnitt. Mit Hilfe des Malwinkels können so unterschiedliche Aufgaben mit unterschiedlichen Faktoren am Hunderterpunktefeld gelegt werden (vgl. Wittmann, Müller 2017, S. 146). Die Abbildung 4 zeigt die Darstellung des Punktefeldes von PriMakom einmal ohne und einmal mit Malwinkel.
Es ist sinnvoll abwischbare Punktefelder mit transparenten Malwinkeln zu verwenden. So sind sie langlebiger und mit einem farbigen Folienstift lassen sich unterschiedliche Rechnungen innerhalb des Materials einzeichnen und individuelle Rechenstrategien vergleichen (vgl. Akinwunmi et. al. 2014c, S. 117).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Hunderterpunktefeld (PriMakom 2022, o. Pag.).
Das Hunderterpunktefeld kann als Erweiterung des Zwanzigerfeldes gesehen werden. Bereits zu Beginn des ersten Schuljahres eignet sich das Zwanzigerfeld als ikonische Darstellung der Zahlen bis 20 (vgl. Scherer, Moser Opitz 2010, S. 88f). Wird der Zahlenraum im zweiten und dritten Schuljahr erweitert, so wächst auch das Punktefeld mit. Vier Hunderterpunktefelder ergeben zusammen ein Vierhundertpunktefeld, welches nochmals auf ein Tausenderfeld erweitert werden kann (vgl. Wittmann, Müller 2018, S. 20f). Das Punktefeld ist ein kontinuierlich erweiterbares Darstellungsmittel und bietet die Grundlage für allgemeine Rechteckformen, welche in der Sekundarstufe sehr große Zahlen darstellen können (vgl. Jacob, Mulligan 2014, S. 39; Schmassmann, Diener 2014, S. 12). Außerdem kann an ihnen auch die Multiplikation und Division von Bruch- und Dezimalzahlen verstehensorientiert eingeführt werden (vgl. Schulz, Wartha 2021, S. 144). Damit erfüllt das Punktefeld sehr gut das Kriterium, dass Darstellungsmittel im Mathematikunterricht über mehrere Schuljahre hinweg einsetzbar sein sollten. Diese Kontinuität in der Verwendung beugt Brüche im Lernprozess vor, auch weil das Punktefeld nicht nur in der Grundschule, sondern auch in den weiterführenden Schulen gut einsetzbar ist (vgl. Wittmann 1993, S. 396). Kontinuität bei den Darstellungsmitteln ist ein Teil des Spiralprinzips im Lernprozess. Nach diesem wird auf Inhalte und Materialen der Grundschule in den weiterführenden Schulen zurückgegriffen und unter neuen Gesichtspunkten sowie Niveaustufen behandelt. Diese lückenlose Fortsetzbarkeit des Punktefeldes als Darstellungsmittel zur Einführung der Multiplikation und Division bis hin zur allgemeinen Darstellung der Multiplikation als Rechteckform und zum ikonischen Beweismittel für die binomischen Formeln, macht es für den Mathematikunterricht so wertvoll (vgl. Selter, Zannetin 2018, S. 54f).
Nach Schipper (1996) gibt es einen Kriterienkatalog für die Beurteilung von Arbeitsmitteln für den Arithmetikunterricht. Der Katalog beinhaltet neben didaktischen und unterrichtspraktischen Kriterien auch ästhetisch-ökologische und finanzielle Gesichtspunkte (vgl. Scherer, Moser Opitz 2010, S. 87). Den Kriterien nach soll ein Arbeitsmittel quasisimultane Zahlerfassung erlauben, Ablösung von zählendem Rechnen unterstützen, beim Entwickeln operativer Strategien helfen, fortsetzbar in größere Zahlenräume, sowie bereits für Erstklässler:innen leicht handhabbar und strapazierfähig sein (vgl. Schipper 1996, S. 39). Beurteilt man das Punktefeld nach dem Kriterienkatalog von Schipper, so lässt sich erkennen, dass dieses Arbeitsmittel fast alle Punkte erfüllt. Dem Katalog nach kann das Punktefeld folglich als gutes Arbeitsmittel beurteilt werden.
Bei der Einführung des Darstellungsmittels für Multiplikationsaufgaben ist auf eine gemeinsame Leseart der Zeilen und Spalten zu achten. Die Konvention ist, dass die Anzahl der Punkte in den Zeilen den ersten Faktor und die Anzahl der Punkte in den Spalten den zweiten Faktor angeben. Diese Vereinbarung wird mit den Schüler:innen gemeinsam beschlossen, damit eine vereinfachte Kommunikation über unterschiedliche Rechenwege möglich ist. Das Punktefeld in Abbildung 4 zeigt dementsprechend klar die Aufgabe 9*8 und nicht 8*9. Wird im Laufe des Unterrichts die Kommutativität der Multiplikation erarbeitet, kann teilweise von dieser Konvention abgesehen werden (vgl. Schipper et. al. 2015, S. 104).
Diese genannte Sichtweise ist ein Beispiel dafür, dass das Punktefeld, wie alle anderen Darstellungsmittel auch, nicht selbsterklärend ist. Das alleinige Aufzeigen eines Punktefeldes lässt Kinder noch keine multiplikativen Strukturen darin erkennen. Die Fünfer- und Zehnerstrukturierung wird von den Schüler:innen nicht automatisch erkannt. Eine Verinnerlichung des Aufbaus kann durch Nachbauen und Nachzeichnen von Punktefeldern gelingen. Die multiplikativen Strukturen innerhalb des Feldes werden zu Beginn nicht thematisiert. Zunächst steht das Verständnis des Materials an sich im Mittelpunkt (vgl. Schmassmann, Diener 2014, S. 10). Der Verstehensprozess bei Kindern braucht Zeit. Diese Zeit muss ihnen auch gewährt werden, da sie das Darstellungsmittel im weiteren Verlauf ansonsten nicht entsprechend gebrauchen können (vgl. Selter 1994, S. 170).
Wie im vorangegangen Kapitel beschrieben, ist aus psychologischer Sicht das Konstruieren eines mentalen Modells sehr wichtig beim Verstehensprozess von Bildern und Diagrammen. Das Modell nach Schnotz und Bannert (1999) lässt sich auf die ikonische Darstellung eines Punktefeldes übertragen. Beim Verstehensprozess des Punktefeldes durchlaufen die Kinder unterschiedliche Phasen, welche durch gemeinsame Gespräche im Klassenverband und durch Instruktionen der Lehrkraft unterstütz werden können. Eine Untersuchung von Barmby, Harries, Higgins und Suggate (2009) zeigt aber auch, dass das Punktefeld für Schüler:innen verhältnismäßig einfach zu benutzen ist (vgl. Barmby, Harries, Higgins & Suggate 2009, S. 235). Bei der weiteren Verwendung des Punktefeldes im Unterricht ist darauf zu achten, dass es nicht nur zur Einführung der Multiplikation und Division und für die Hinführung zur symbolischen Ebene benutzt wird. Vielmehr muss es als integraler Bestandteil für einen kontinuierlichen Fähigkeitserwerb benutzt werden, an dem nicht nur Aufgaben dargestellt werden, sondern auch aktiv gerechnet wird (vgl. Selter 1994, S. 85).
Um die Addition und Subtraktion darzustellen, ist das Punktefeld weniger gut geeignet (Scherer, Moser Opitz 2010, S. 83). Dies zeigt auch eine Untersuchung von Rottmann und Schipper (2002). Sie beobachteten Grundschüler:innen in ihrem Vorgehen beim Lösen von Additions- und Subtraktionsaufgaben mit Hilfe des Punktefeldes. Dabei stellten sie fest, dass Kinder, die bereits die Kompetenz besitzen, die Aufgaben im Kopf zu rechnen, nicht mehr auf das Punktefeld zurückgreifen. Kinder, die noch weitere Unterstützung brauchen, wird diese vom Punktefeld nicht gegeben, weil es durch seine Struktur zählendes Rechnen bei Additionsund Subtraktionsaufgaben nahelegt (vgl. Rottmann, Schipper 2002, S. 69f). Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass das Punktefeld als Arbeits- und Darstellungsmittel nicht für die Addition und Subtraktion, sondern nur für die Multiplikation und Division geeignet ist. Dies zeigt eindrücklich, dass es nicht das eine Arbeits- und Darstellungsmittel für den Mathematikunterricht gibt, mit Hilfe dessen man die gesamten arithmetischen Inhalte erarbeiten kann (vgl. Scherer, Moser Opitz 2010, S. 92).
4.2 Einführung der Multiplikation und Division am Punktefeld
Die grundlegende Einführung der Multiplikation im zweiten Schuljahr findet über das Verständnis einer wiederholten Addition gleich großer Summanden statt, welche durch Punktereihen dargestellt werden können. Werden diese wiederholten Punktereihen anschließend zu einer zweidimensionalen Struktur zusammengefasst, entsteht daraus ein geordnetes Punktefeld. Die Punkte in den Reihen geben die Mächtigkeit der Summanden an und die Anzahl der Reihen die Wiederholungen der Addition. So kann mit Hilfe der Punktefelddarstellung die Multiplikation über die wiederholte Addition bildlich verdeutlich werden (vgl. Wittmann, Müller 2017, S. 201). Die Schüler:innen kennen multiplikative Strukturen bereits aus ihrem Alltag. Zum Beispiel können Wasserkästen, Schokoladentafeln und Eierkartons als räumlich-simultane Anordnung gedeutet werden. Von Oben betrachtet sind die Deckel der Wasserflaschen in den Kästen nichts anderes als die Punkte im Punktefeld. Die Schüler:innen müssen also keine große Transferleistung erbringen, weil das Darstellungsmittel alltägliche Situation kindgerecht aufzeigt (vgl. Scherer, Moser Opitz 2010,S.122).
Wie im zweiten Kapitel erläutert, ist der Aufbau von Grundvorstellungen und Operationsverständnis ganz entscheidend bei der Einführung neuer Rechenoperationen. Das Punktefeld ist zwar ein statisches Darstellungsmittel, welches die räumlich-simultane Grundvorstellung der Multiplikation betont, allerdings lassen sich auch zeitlich-sukzessive Situation, wie in Abschnitt 2.2.1 Grundvorstellungen erklärt, in räumlich-simultane Situationen überführen. Demzufolge können auch zeitlich-sukzessive Grundvorstellungen durch das Punktefeld aufgebaut werden (vgl. Krauthausen 2018, S. 66f).
Durch die leichte Verständlichkeit und zum Aufbau der grundsätzlichen multiplikativen Vorstellungen eignet sich das Feld auch sehr gut für einen Einstieg, bei dem die Zahlen nicht vorgegeben sind. Viel mehr werden den Schüler:innen verschiedene Punktefelder gegeben und sie müssen daran selbst passende Aufgaben finden, seien es direkt Multiplikationsaufgaben oder auch Additionsaufgaben. Es wird also von der ikonischen Darstellung zur symbolischen Darstellung gearbeitet. Wird dabei verlangt, dass auch immer noch Alltagssituationen, also die enaktive Ebene, dazu beschrieben werden, so erwerben die Kinder ganz kontinuierlich multiplikative Grundvorstellungen (Jacob, Mulligan 2014, S. 39).
Wichtig dabei ist, dass sich nicht nur an den Randpunkten orientiert, sondern das gesamte Feld betrachtet wird. Hier steht die Frage im Mittelpunkt, warum in rechteckigen Punktebildern eine Multiplikation zu sehen ist (vgl. Akinwunmi et. al. 2014a, S. 78). Eine alleinige Orientierung an den Randpunkten und das daraus resultierende Fehlverständnis, zeigt die nachstehende Abbildung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Deutung und Begründung von Darstellungen in der Diagnose zur Multiplikation (Akinwunmi, Deutscher & Selter 2014a, S. 78).
Bereits hier ist darauf hinzuweisen, dass die Punkte in Zeilen und Spalten nicht durch abzählen, sondern durch die Nutzung der Fünfer- und Zehnerstrukturierung, auch Kraft der Fünf genannt, quasi-simultan erfasst werden. So lassen sich auch später besser die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Aufgaben im Punktefeld verdeutlichen (vgl. PIKAS 2019, S.2).
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- Dominik König (Author), 2022, Multiplizieren und Dividieren verständlicher vermitteln. Förderung des Operationsverständnisses durch ein digitales Punktefeld, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1245726
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