Gab es in der DDR Intellektuelle, die der Definition Werner Mittenzweis gerecht
wurden? Wie ist Mittenzwei – als ehemaliges Parteimitglied und im wiedervereinigten
Deutschland schreibender Autor - zu lesen? Unterscheiden sich seine Darstellungen intellektuellen Lebens in der DDR relevant
von denen westdeutscher Autoren? Diese Fragen sollen anhand einer Analyse des
Verhältnisses von 'Intellektuellen' und Kulturpolitik der DDR bis zur Wandlung in eine geschlossene
Gesellschaft, bis zum Bau der Mauer, Antworten finden. Einer Vorstellung dieser
Periode bei Mittenzwei folgt somit zunächst eine kritische Betrachtung seiner Darstellung aus
Sicht einiger exemplarischer westlicher Autoren. Die Arbeit schließt mit einer Einordnung des Werkes von Mittenzwei in die deutsche Aufbereitung des Themenkomplexes "Intellektuelle in der DDR".
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung: „Der Intellektuelle“ bei Mittenzwei
2. Entwicklung der Lebensumstände der Intellektuellen in der SBZ und DDR 1945 – 1961 nach Mittenzwei
2.1 Antifaschistisch-demokratische Erneuerung, 1945–1949
2.2 Von den Staatsgründungen zur Formalismus-Diskussion, 1949–1954
2.3 Philosophische Kontroversen und intellektuelle Opposition, 1953–1957
2.4 Auf dem Weg in eine geschlossene Gesellschaft, 1959–1961
3. Kritische Betrachtung der Darstellung bei Mittenzwei
3.1 Zur Situation der Intellektuellen in der DDR
3.2 Zum Umgang der Partei mit der Intelligenz
4. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung: „Der Intellektuelle“ bei Mittenzwei
In der Einleitung zu seinem Buch über die Intellektuellen bemüht sich Werner Mittenzwei um eine Definition. Zunächst betont er die spezifischen Rollen innerhalb der funktional stark differenzierbaren Schicht der Intellektuellen.[1] Verwenden möchte er den modernen Begriff, der mit Émile Zola im Rahmen der Dreyfus-Affäre gegen Ende des 19. Jahrhun- derts in Frankreich geprägt wurde und zunächst Schimpfwort-Charakter hatte.[2] Über bestehende Begriffs-Definitionen stellt Mittenzwei sein eigenes Verständnis des Intellek- tuellenbegriffs dar: Antonio Gramsci entlehnt er die Festlegung auf den organischen Intellektuellen, der als Organ seiner Klasse deren Konsens, Interessen und Bedürfnisse ausdrücke.[3] Aus der Definition Karl Mannheims übernimmt er die Vorstellung einer Mittlerfunktion zwischen der herrschenden Klasse und den Arbeitern, die die Förderung gesellschaftlichen Fortschritts zum Ziel hat.[4] Den Intellektuellen arbeitet Mittenzwei als den ewigen Dissidenten heraus, dessen kritische Geisteshaltung sich häufig gegen die politisch vorherrschende Macht stellt, da er universellen Prinzipien verpflichtet ist und nur auf eines zu Gunsten seiner Ideale nicht verzichten kann: die Wahrheit.[5] Von Pierre Bourdieu benennt Mittenzwei die Idee vom bidimensionalen Wesen des Intellektuellen, nach der er einem intellektuell autonomen Feld, dessen Gesetze er respektiere, angehöre und seine spezifische Kompetenz und Autorität aus diesem Feld in artfremde Bereiche, v. a. die Politik, einbringe.[6] Grundbedingung für das Erwerben von solcher Kompetenz ist bei Bourdieu die Autonomie der Intellektuellen, ohne die ihre Schlussfolgerungen keine Universalität erreichen könnten.[7] Für seine weiteren Ausführungen beschränkt sich Mitten- zwei auf die Betrachtung des literarischen Intellektuellen, der zwar nicht an bestimmte Berufe gebunden ist, sich aber vor allem aus Dichtern, Publizisten, Philosophen und Literaturwissenschaftlern zusammensetzt. Diese definiert er als „Signalisten der Gefühls- und Gedankenwelt von Menschen, des Mentalitätspotentials einer Nation, Klasse oder sozialen Gruppe“[8]. Obwohl Mittenzwei sich über verschiedene Sozialwissenschaftler an „den Intellektuellen“ annähert, geht er nicht wirklich auf die Debatten um den Begriff und die Funktion des/der Intellektuellen ein. Auch die von ihm aufgeführten Ansätze wendet er nicht konkret auf die DDR an, so dass seine Definition recht offen bleibt.[9]
Der Kultursoziologe Wolfgang Engler berichtet in seinem Buch „Die ungewollte Moderne. Ost-West-Passagen“[10] vom Düsseldorfer Soziologentag und der dort aufgekommenen Diskussion über das Vorhandensein des Typus des 'Intellektuellen' in der DDR, die in der Äußerung „Intellektuelle – die gab es bei Ihnen doch gar nicht!“ eines Teilnehmers gegen- über den ostdeutschen Teilnehmern endete.[11] Obwohl Mittenzweis Werk von 2001 den Titel „Die Intellektuellen“ trägt, bleibt in seiner Darstellung der thematisierten literarischen Intelligenz die Frage nach der tatsächlichen Existenz der im Titel benannten Gruppe fraglich. In seinem Versuch einer Begriffsdefinition in der Einleitung weist Mittenzwei schon auf bestehende Definitionsansätze hin, die eine Verwendung des Schlagwortes auf die DDR eigentlich ausschließen. So zitiert er Pierre Bourdieus Ansicht, der marxistische Intellektuelle habe seine „Kompetenz dem Proletariat geopfert“[12]. Ebenfalls weist er darauf hin, dass M. Rainer Lepsius, der die „Kritik als Beruf“[13] des Intellektuellen charakterisiert, mangels dieser bezüglich der DDR von 'Intelligenz', nicht aber von 'Intellektuellen' spricht. So hält es auch Manfred Jäger in seiner „Überwindung der Teilung“[14]. Mittenzwei selbst schreibt:
„Der Intellektuelle, der an den Problemen der Zeit nicht vorbeigehen und der leidenden Menschheit ein Helfer sein will, hat keine andere Wahl, als auf dem Kampfplatz zu erscheinen. Er muss sich in die Hölle der Widersprüche begeben. [...] Der [...] Verrat des literarischen Intellektuellen besteht [...] in der Verweigerung seiner Eingriffsmöglichkeiten, dem Rückzug ins Abseits“.[15]
Dennoch wählt er den Begriff des literarischen Intellektuellen für die Gruppierung, die er in seinem Werk beschreiben möchte. An seine im zweiten Kapitel dieser Arbeit schon zitierte Definition fügt er weitere, von Edward W. Said festgelegte, Aspekte auf, die erneut eine Verwendung des Begriffs für eine Beschreibung der Verhältnisse in der DDR aus- schließen. Nach Said bedeutet 'intellektuell' Verbindlichkeiten, Risikobereitschaft, Mut aber auch eine daraus resultierende Verletzlichkeit ein. Des Weiteren muss die Einmischung eines Intellektuellen eine Langzeitwirkung aufweisen und, vor alle dem, öffentlich wahrge- nommen werden.[16] „Was er als Einzelner gedacht hat, muß er in der Öffentlichkeit aus- fechten. Das ist das Feld auf dem er bestehen muß“.[17] Mit diesem Widerspruch endet seine Beschreibung des Typus des literarischen Intellektuellen. Im Verlauf seines Buches benutzt Mittenzwei die Begrifflichkeiten 'Intellektuelle', 'Intelligenz' und 'Geistesschaffende' synonym. Dabei sei darauf verwiesen, dass auch Joachim Streisand, damals noch Pro- fessor an der Humboldt-Universität zu Berlin und Nationalpreisträger der DDR, in seinem Buch „Kultur in der DDR“ auf den Begriff des Intellektuellen verzichtet und stattdessen den der 'Intelligenz verwendet.[18]
Gab es in der DDR Intellektuelle, die den Theorien aus Mittenzweis Einleitung gerecht wurden? Wie ist Mittenzwei – als ehemaliges Parteimitglied und im wiedervereinigten Deutschland schreibender Autor – zu lesen? Unterscheiden sich seine Darstellungen rele- vant von denen westdeutscher Autoren? Diese Fragen sollen anhand einer Analyse des Verhältnisses von 'Intellektuellen' und Kulturpolitik der DDR bis zur Wandlung in eine ge- schlossene Gesellschaft, bis zum Bau der Mauer, Antworten finden. Einer Vorstellung dieser Periode bei Mittenzwei folgt somit zunächst eine kritische Betrachtung seiner Darstellung aus Sicht einiger exemplarischer westlicher Autoren. Zur schnelleren Einord- nung der verschiedenen in dieser Arbeit benannten Institutionen in die kulturpolitische Machthierarchie finden sich im Anhang eine graphische Übersicht sowie eine Kurzinformation über die darin aufgeführten Vertreter des Partei- und des Staatsapparats sowie der dem Parteiapparat untergeordneten gesellschaftlichen Organisationen und Institutionen.
2. Entwicklung der Lebensumstände der Intellektuellen in der SBZ und DDR 1945 – 1961 nach Mittenzwei
2.1 Antifaschistisch-demokratische Erneuerung, 1945–1949
Mittenzwei beschreibt die erste Nachkriegszeit als eine Phase von „Katastrophe und Hoff- nung“[19]. Die aus dem Exil zurückkehrende literarische Intelligenz habe versucht die „politisch-moralische Vernichtung des Faschismus“[20] herbei zu führen. Johannes R. Becher, selbst aus dem russischen Exil zurückgekehrt und für diese Zeit repräsentativer Kulturschaffender in der SBZ, vertrat die Auffassung, der „Totalniederlage“ müsse eine „Totalkritik“ folgen, da es nach Hitler keine „anständigen Deutschen“ mehr gäbe. Deutsch- land bedürfe eines „nationale[n] Befreiungs- und Aufbauwerk[es] größten Stiles“.[21] Dies sollte über eine Reinigung der „vom Faschismus mißbrauchten Ideale des Nationalen, des wahren Deutschland und der Werte der Heimat“[22] geschehen. Mit dem Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands (KB) und dem auf Initiative Bechers gegründeten Aufbau-Verlag entstanden im Juli und August 1945 zwei Foren, die den gedanklichen Austausch von zurückgekehrten Emigranten und Daheimgebliebenen fördern sollten[23]. Dabei bemühte sich Becher um die Gewinnung der Intellektuellen: „Nur über Fragen der Kultur schien es möglich, die zu gewinnen, die Dolmetscher der Erneuerung werden sollten: die Intelligenz“.[24] Das Werben um die Intelligenz in den unmittelbaren Nachkriegsjahren war offensichtlich: Sie erhielten Lebensmittel wie Schwerarbeiter, in den Clubs der Intelligenz[25] kostenloses Mittagessen und wurden bevorzugt mit Heizmaterial versorgt.[26] Zu Beginn wurde der Arbeit Bechers und des KB von der Besatzungsmacht viel Spielraum gewährt, schließlich wurde mit der 'deutschen Erneuerung' ein gemeinsames Ziel verfolgt, schon bald wurde aber klar, dass die Sowjetunion die große Linie vor gab, jegliche Bemühung in der SBZ also von der Billigung der Besatzungsmacht abhing. Am 30. Juni 1947 kam es zur Gründung der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion, die ein Gegengewicht zum KB bilden sollte und stattdessen Konzentration auf die Einigung der deutschen Tradition und Kultur die Freundschaft zu den Völkern der Sowjetunion in den Mittelpunkt rückte.[27] Schon im September des Vorjahres begannen sowjetische Offizielle, Bechers Arbeit kritisch zu sehen:
„Wir sind jetzt zu der festen Überzeugung gelangt, dass man Becher auswechseln muss. Ihn weiter zu ertragen ist unmöglich. […] jetzt… mit Verstärkung des politischen Kampfes darf es nicht sein, dass sich der Kulturbund einfach in einen Auflauf der gesamten Intelligenz verwandelt… In seinen ganzen geistigen Anschauungen ist Becher nicht Marxist, sondern er orientiert sich direkt an England und Amerika […]. Ihm ist es peinlich, davon zu reden, dass er Mitglied des ZK der SED ist. Das verbirgt er auf alle nur erdenkliche Weise. […] Der Parteiarbeit begegnet er mit Verachtung… er tritt nicht offensiv auf, sondern passt sich an, die Seele des deutschen Intelligenzlers jedoch kennt er besser als wir“.[28]
Bechers Kurs bezüglich des Umgangs mit der, v. a. bürgerlichen, Intelligenz stieß nicht nur bei der Besatzungsmacht auf Ablehnung. Auch die Arbeiterschriftsteller, Bechers Mit- streiter aus der Zeit vor 1933, wollten dies nicht mittragen:
„Dass man jene, die sie als bürgerliche Schriftsteller abgetan hatten und die nicht gerade durch antifaschistischen Widerstand aufgefallen waren, jetzt in die erste Reihe stellte, empfanden sie als ungerecht und politisch falsch“.[29]
Von der Idee einer Umerziehung des deutschen Volkes bzw. der von Georg Lukács gefor- derten „Katharsis“[30] blieb schließlich nur der Prozess der Entnazifizierung, dessen Effekt für die Intellektuellen in der Ostzone nicht so groß war, da ein Großteil dieser schon gegen Kriegsende vor den anrückenden Russen in den Westen geflohen waren und die, die blieben die anstehenden Prozesse begrüßten.[31] Allgemein befand sich die literarische Intelligenz in der Phase der antifaschistisch-demokratischen Erneuerung in einer Art Wartezustand. Die realen Umstände verhinderten die Faszination von geistigen Problemen[32] und man glaubte noch an eine Mögliche deutsche Einheit, so dass der Zuspruch zu einer der Ideologien der Besatzungsmächte noch nicht relevant erschien. Mit dem Beginn des „Kalten Krieges“ änderte sich dies: Auf dem Ersten Deutschen Schriftstel- lerkongress vom 4. bis 8. Oktober 1947 kam es zu einer „Abschiedszeremonie“ der deutschen Intelligenz „vor dem Auseinanderdriften“[33]. Erstmals kam es zu offenen, von Polemik geprägten, Auseinandersetzungen zwischen Repräsentanten der westlichen und der östlichen Seite, die politischen Angriffen der einen gegen die andere Besatzungsmacht gleichten. Die Währungsreform von 1948 verschärfte diese Trennungssituation noch, da die Devisenschwierigkeiten des Ostens den geistigen Austausch zwischen Ost- und Westzonen ins Stocken brachten. Da die Ostmark im Ausland keinen Wert hatte, hörten ausländische Schriftsteller schlicht auf sich im Osten verlegen zu lassen.[34] Unter diesen Umständen schlossen sich die unterschiedlichen Lager enger zusammen und sonderten aus, wer sich nicht einpassen ließ: „Der geistige Standort wurde verlangt wie ein Ausweis“.[35] Da ihre kontemplative Weltanschauung in der SBZ nicht länger erwünscht war, war gerade die literarische Intelligenz vor die Frage gestellt, welchem Lager sie künftig zugehörig sein wollte. Schon ab 1947 kam es zu vielen Übersiedlungen bedeutender Schriftsteller in den Westen.[36]
2.2 Von den Staatsgründungen zur Formalismus-Diskussion, 1949–1954
Bei den Wanderungsbewegungen in den Westen war die Intelligenz in einem beachtlichen Maß beteiligt. So verlor beispielsweise auch das Ostdeutsche Theater, das in den ersten Jahren nach Kriegsende zum Sammelpunkt berühmter künstlerischer Intelligenz in Deutschland war, bis Anfang der Fünfziger Jahre fast alle Berühmtheiten. Die DDR wurde ihrer Bezeichnung und ihren Zielen nach als gegen die Intelligenz gerichtet empfunden.[37] Allerdings erlebte sie auch einen Zulauf an Intelligenz, die sich der sozialistischen Gesellschaft verpflichtet fühlte oder darin zumindest eine lobenswerte Alternative sah. Die Zuwanderer hatten jedoch häufig internationale Bindungen aufgebaut, die sie auch zu pflegen gedachten. Sie wussten nicht, dass sie sich in eine geschlossene Gesellschaft begeben würden.[38] Und selbst die, die schon ahnten, dass auch die DDR nicht halten würde was sie versprach, verhielten sich zunächst unentschlossen und abwartend bzgl. ihres Verbleibs im Osten.[39] Von offizieller Seite wurde die Gruppe der Intellektuellen in drei Gruppierungen unterschieden:
- Einem kleinen Kreis sozialistischer Kräfte, die die neu entstehende Intelligenz aus Reihen der Arbeiter und Bauern, aber zunehmend auch die einzelne Vertreter der bürgerlichen Intelligenz umfasste,
- einer kleinen aktiven Gruppe konservativer und reaktionärer Intellektueller, die die 'neue Ordnung' ablehnten sowie
- dem Gros der Intellektuellen, die in abwartender Position gegenüber den Verhältnissen in der SBZ verharrten, aber eine geistige Bindung zur bürgerlichen Welt hatten und der SED mit Vorbehalten begegneten.[40]
Da die DDR die Intelligenz aber als Vertrauenspersonen zwischen Russen und deutscher Bevölkerung sowie für den Wiederaufbau des Landes benötigte, bemühte sie sich auch nach der Staatsgründung am 7. Oktober 1949 weiterhin um sie. Dies äußerte sich in Son- derzuwendungen wie Wohnraum oder Baumaterial aber auch in Steuervergünstigungen und der Gewährung lebenslanger Pensionen.[41] Trotz verschiedener versuche von SED und Politbüro, die daraus erwachsende Intelligenzfeindlichkeit der Arbeiter einzudämmen, wuchs deren Unmut. „Der Sozialismus blieb eine Mangelgesellschaft“.[42] Auch die Privile- gien für Intellektuelle blieben. Nur wollte die Intelligenz inzwischen gar keine Privilegien mehr, sondern Mitspracherechte auf dem kulturellen Gebiet. Sie wollten mit veränderter Kunst zur Erleichterung der menschlichen Existenz beitragen. Direkt nach dem Ende des Krieges hatten die Künstler eine eingreifende Kunst ausgebildet, die ihren Landsleuten wieder vertrauen gab. Als die Kommunisten „eine Niederlage nach der anderen einstecken mussten und kaum noch eine Stimme besaßen, da waren sie, die Schriftsteller, die Stimme der Partei“[43]. Nun, da die Partei sich etabliert hatte, wollten sie sich nicht sagen lassen, wie sie zu dichten hatten. Genau diesen Rückzug aus kulturpolitischen Belangen wollte die SED aber für die Intelligenz erreichen. Häufig wurden Schriftsteller in Funktionen eingesetzt, die sie von einem Eingriff in künstlerische Belange abhielten. Friedrich Wolf wurde so Diplomat. Auch im Bereich der Philosophie hofierte man Wissenschaftlern für ideologische Nichteinmischung. Zu Beginn der Fünfziger Jahre wäre politisch nichts durch- setzbar gewesen, was nicht in Einklang mit der sowjetischen Führung stand, unerheblich über welche wichtigen Kontakte man auch verfügen mochte.[44] Bezüglich der Intellektuellen verfolgte die SED zu dieser Zeit zwei Ziele, deren Disziplinierung und die kulturpolitische Festigung der eigenen Rolle. Allerdings führte diese Disziplinierung zur geistigen Deformation der Intelligenz. Der Marxismus als kritische Methode wurde ausgehöhlt und durch den Glauben an einzelne Prinzipien ersetzt. Jeder Versuch eines besonderen deutschen Weges zum Sozialismus wurde als abweichend von dem sowjetischen Vorbild bekämpft, die 'Reinheit' der Partei wurde zum obersten Prinzip. Neue Ideen 'von unten' unterlag dem Vorwurf des Opportunismus und der Fraktionsbildung, die es unbedingt zu verhindern galt.[45]
[...]
[1] Als unterschiedliche Typen Intellektueller benennt er beispielsweise den literarischen, den technischen, den medizinischen und den juristischen Typ. Vgl. Mittenzwei (2001), S. 9f..
[2] Vgl. ebd., S. 10. Gerade im Marxismus und Kommunismus hatte der Begriff als Gegenpol zum proletari- schen Denken die Funktion eines „standardisierten Schimpfwortes“. Bering (1978), S. 149 und 155.
[3] Vgl. Mittenzwei (2001), S. 11.
[4] Vgl. ebd.
[5] Mittenzwei bezieht diese Abgrenzung von Geiger, Said und Benda. Vgl. ebd., S. 12f..
[6] Vgl. ebd., S. 14.
[7] Dabei muss diese nicht notwendigerweise eine Ablehnung der Politik implizieren, wohl aber eine Gegen- macht zu Politik und Medien darstellen. Vgl. Mittenzwei (2001), S. 14f..
[8] Ebd., S. 18f..
[9] Vgl. Dietrich ( 2002).
[10] 1995 erschienen in Frankfurt am Main.
[11] Vgl. Dietrich (2002).
[12] Vgl. Mittenzwei (2001), S. 14.
[13] Lepsius, zit. nach ebd., S. 18.
[14] 1998 erschienen in Stuttgart.
[15] Mittenzwei (2001), S. 16f..
[16] Vgl. Mittenzwei (2001), S. 19.
[17] Mittenzwei (2001).
[18] Vgl. Streisand (1981).
[19] Mittenzwei (2001), S. 21.
[20] Ebd., S. 23f..
[21] Becher, zit. nach Mittenzwei (2001), S. 24.
[22] Mittenzwei (2001), S. 24.
[23] Dieser Austausch führte 1945 zunächst zu einer Kontroverse: Während die aus dem Exil zurückgekehrten die daheim gebliebenen Intellektuellen mit der „Kollektivschuld“ (Thomas Mann) belegten, vertraten letztere die Auffassung, dass deren „innere Emigration“ (Frank Thieß) schwerer gewesen wäre, als vom Ausland aus zu kritisieren und warfen den Emigrierten vor nun „Proraganda gegen das Volk“ (Hans Grimm) zu betreiben. Zit. nach Mittenzwei (2001), S. 43f..
[24] Ebd., S. 29.
[25] Die Clubs der Intelligenz waren Einrichtungen des KB, die als Treffpunkte der technischen, wissenschaft- lichen und künstlerischen Intelligenz fungierten. Sie dienten dem beruflichen Erfahrungsaustausch, fachlich-wissenschaftlicher Qualifizierung und als Veranstaltungsort. Offiziell sollten sie Begegnungsstätte für Angehörige der Intelligenz mit Arbeitern und Genossenschaftsbauern sein. Ob sie diesem Anspruch tatsächlich genügten ist aber fraglich. Vgl. Zimmermann (1985a), S. 730.
[26] Vgl. Mittenzwei (2001), S. 63.
[27] Vgl. ebd., S. 35.
[28] Tulpanow (sowjetischer Kulturoffizier), zit. nach Mittenzwei (2001), S. 34.
[29] Mittenzwei (2001), S. 32.
[30] Zu Lukács vgl. ebd., S. 48ff..
[31] Vgl. ebd., S. 51.
[32] Vgl. ebd., S. 57.
[33] Ebd., S. 58.
[34] Vgl. Mittenzwei (2001), S. 62.
[35] Ebd., S. 64.
[36] Vgl. ebd.. Die Bücher dieser „Unpersonen“ verschwanden nach ihrem Abwandern in der SBZ aus dem öffentlichen Leben. Vgl. ebd., S. 65ff..
[37] Vgl. Mittenzwei (2001), S. 69.
[38] Gerade junge Intellektuelle waren von Faschismus und Exil in ihrer Arbeit stark behindert worden und letzten in die gerade gegründete DDR neue Hoffnungen. Vgl. ebd., S. 70f..
[39] Victor Klemperer (Volkskammer -Abgeordneter des KB) bemerkte schon wenige Tage nach der Staatsgründung: „ [...] Ich weiß, daß die demokratische Republik innerlich verlogen ist, [...]“. Dennoch blieb der Ansatz der DDR für ihn nach dem Faschismus die einzige Alternative. Zit. nach Mittenzwei (2001), S. 74.
[40] Diese Unterteilung wurde 1948 von Paul Wandel, dem Präsidenten der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung, vorgenommen. Vgl. Mittenzwei (2001), S. 75.
[41] Vgl. ebd., S. 79f..
[42] Vgl. Mittenzwei (2001), S. 81.
[43] Ebd.
[44] Vgl. ebd., S. 82ff..
[45] Vgl. ebd., S. 86f..
- Quote paper
- Magistra Artium Hannah Kohn (Author), 2006, "Der Intellektuelle" in der Kulturpolitik der DDR, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124490
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