Kontakte Jugendlicher mit politischen Parteien

Eine Bestandsaufnahme am Beispiel niederösterreichischer Schülerinnen und Schüler


Diplomarbeit, 2008

273 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1) EINLEITUNG
a) Problemaufriss
b) Motivation
c) Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen

TEIL I: THEORETISCHER RAHMEN

2) POLITISCHE PARTEIEN UND IHRE AKTUELLEN HERAUSFORDERUNGEN
a) Definition Politische Parteien
b) Die aktuelle Situation politischer Parteien
c) Öffentliche Kommunikation politischer Parteien
d) Das Verhältnis zwischen politischen Parteien und Jugendlichen

3) JUGENDLICHE UND IHR POLITISCHES ERLEBEN
a) Definition Jugendliche
b) Jugendliche Lebenswelten
c) Politisches Erleben junger Menschen

4) KONTAKTE JUGENDLICHER MIT POLITISCHEN PARTEIEN
a) Definition Kontakt
b) Arten von Kontakt
c) Kontaktformen jugendlicher mit politischen Parteien
d) Einflüsse auf Kontakte Jugendlicher mit politischen Parteien

TEIL II: EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG

5) RAHMENBEDINGUNGEN DER FORSCHUNG
a) Zeitliche Einbettung und politischer Kontext
b) Forschungskontext und Abgrenzung des relevanten Problembereichs
c) Hypothesen

6) METHODE DER UNTERSUCHUNG
a) Grundsätzliches zur Methodik
b) Methode: Schriftliche Befragung
c) Feldzugang und Auswahl der Stichprobe

7) KONTAKTE IN DER PRAXIS: BEFUNDE DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG
a) Beschreibung der Stichprobe
b) Datenbereinigung und Test auf Normalverteilung
c) Befunde zur Kontakt-These
d) Befunde zur Demographie-These
e) Befunde zur Partizipationsthese
f) Befunde zur Umfeld-These
g) Befunde zur Medien-These
h) Befunde zur Organisationsthese

8) SCHLUSSFOLGERUNGEN
a) Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Untersuchung
b) Forschungskritik
c) Anregungen für die weitere Forschung
d) Handlungsempfehlungen für politische Parteien

TEIL III: ANHANG

LITERATURVERZEICHNIS

FRAGEBOGEN

CODEBUCH

TABELLENVERZEICHNIS

a) Tabellen zur Beschreibung der Stichprobe

b) Tabellen zu den Tests auf Normalverteilung

c) Tabellen zu den Befunden über einzelne Thesen

ZUSAMMENFASSUNG

ABSTRACT

LEBENSLAUF

1) EINLEITUNG

„Die Frage, welches Verhältnis die Jugend zur Politik hat, ist nicht nur von allgemeinem öffentlichen Interesse, sondern berührt eine zentrale politikwissenschaftliche Thematik. Aus der Sicht des Konzepts der politischen Kultur ist die subjektive Orientierung der Bürger gegenüber der Politik eine der wesentlichen Determinanten der Stabilität und der Funktionsfähigkeit der Demokratie. Die Sozialisation der nachkommenden Generationen, die in der Internalisierung gesellschaftlich relevanter Inhalte der politischen Kultur besteht, ist damit von unmittelbarer Bedeutung für den Zustand der Demokratie in einem Land.“ (Roller/ Brettschneider/ van Deth 2006: 7)

Politische Sozialisation ist ein Lernprozess, mit dem vom Einzelnen die Regeln, Werte und Normen des politischen Systems aufgenommen werden. Sie umfasst insbesondere die Interaktion zwischen dem Individuum und dem Politischen. Politische Parteien sind insofern „wichtige Sozialisationsagenten“, als sie unter anderem die Aufgabe haben, ihre Mitglieder und alle Bürger in das politische System integrieren. (vgl. Schultze 2007: 386)

Damit Parteien diese systemunterstützende Funktion – auch angesichts der wachsenden Konkurrenz durch Massenmedien – wahrnehmen können, bedarf es nicht nur ihrer Bemühungen zur Interaktion und letztlich Kommunikation gerade mit Jugendlichen, die am Anfang ihrer politischen Sozialisation stehen. Es bedarf gleichzeitig der Bereitschaft der Jugendlichen zur Partizipation, die ihrerseits „als Ausdruck der Systemunterstützung interpretiert“ werden kann. (vgl. Schulz 2008: 217)

Die Beziehungen zwischen politischer Kommunikation und politischer Beteiligung sind ein zentraler Forschungsgegenstand der Kommunikationswissenschaft (vgl. Schulz 2008: 218). Es ist also nicht eine politikwissenschaftliche, sondern vornehmlich eine kommunikationswissenschaftliche Frage, wenn es in dieser Arbeit darum geht zu untersuchen, welche Kontakterfahrungen Jugendliche mit politischen Parteien machen und welche Faktoren diese Kontakte beeinflussen.

a) Problemaufriss

Als Ausgangspunkt sei festzuhalten, dass in folgenden forschungsrelevanten Bereichen Probleme vermutet werden: im Bereich der politischen Parteien, im Bereich der politischen Sozialisation Jugendlicher und damit im Bereich der politischen Kommunikation.

Probleme politischer Parteien

Demokratie wird hierzulande in einem Parteienstaat erlebt. Der Begriff Parteienstaat dient der „Kennzeichnung des allgemeinen, jedoch kontrovers bewerteten Prozesses der gegenseitigen Durchdringung von Gesellschaft und Staat durch den Doppelcharakter politischer Parteien als gesellschaftlich-partikulare (Interessens-)Organisationen und als politische Institutionen des parlamentarischen Systems.“

Trotz aller gerade in jüngster Zeit aufkommender Kritik an der Art und Weise, wie politische Parteien den Staat „regieren“, ist die Existenz politischer Parteien in der Wahrnehmung und im Erleben der meisten Menschen also Vorraussetzung und Bestandteil demokratischer Strukturen. Gerade die Existenz politischer Parteien scheint nun jedoch massiv bedroht, zumindest für die Zukunft. Denn politische Parteien sind aktuell nicht nur von einer Veränderung der Wählermärkte betroffen, sondern vor allem von einer massiven Abkehr von formaler Mitgliedschaft in ebendiesen Parteien. Neben einem anhaltenden grundsätzlichen Mitgliederrückgang durch weniger Beitritte und mehr Austritte, kann man in den letzten Jahrzehnten auch eine deutliche Erhöhung des Durchschnittsalters der Mitglieder beobachten. (vgl. Wiesendahl 2006: 17/ Jun 2004: 5ff)

In Wissenschaft und Praxis kann beobachtet werden, dass politische Parteien in der jüngeren Vergangenheit laufend weniger Mitglieder und dabei vor allem weniger neue und somit junge Mitglieder haben. Mit diesem Mitgliederschwund geht nicht allein schon aufgrund der geringeren Anzahl von Anhängern und Aktivisten ein Verlust an Einfluss auf gesellschaftliche Vorgänge einher. Da durch die geringe Anzahl an Neumitgliedern das Durchschnittsalter der Parteiangehörigen laufend älter wird, verlieren die politischen Parteien auch dadurch den Anschluss an die Gesellschaft, zumindest an jene Entwicklungen, an denen vor allem junge Generationen teilhaben. Um Anschluss an die Gesellschaft bzw. einzelne ihrer Gruppen zu haben, müssen die politischen Parteien mit diesen eine Verbindung herstellen oder in anderen Worten: Kontakt aufnehmen.

Eine politische Partei muss also, allein schon zum Zweck der Sicherung ihrer Existenz und ihres Mitgliederstandes, ein vitales Interesse daran haben, gerade mit jungen Menschen erfolgreich in Kontakt zu treten. Erfolgreich in Kontakt zu treten bedeutet dabei so in Kontakt zu treten, dass die kontaktierten jungen Menschen im Anschluss an den Kontakt innerhalb einer politischen Partei partizipieren wollen oder zumindest den Willen zur Partizipation nicht verlieren.

Die Motive von Stammwählern und Mitgliedern bzw. jener, die das eben nicht werden, sind eine Sache und wurden auch schon mehrfach untersucht. Es entsteht aus meiner persönlichen Sicht und Erfahrung aber doch auch der Eindruck, die politischen Parteien selber hätten den Anschluss verloren an eine neue Kommunikationskultur und letztlich den Kontakt verloren zu ihren aktuellen aber vor allem ihren potentiellen Mitgliedern und Sympathisanten.

Probleme im Bereich der politischen Sozialisation Jugendlicher

„In der Jugendkulturforschung ist man sich einig, dass es ‚die Jugend’ als ein in sich homogenes Ganzes nicht gibt. In der Politik wird aber nach wie vor häufig von ‚der Jugend’ gesprochen: Die Bedürfnisse, Interessen und Bedarfslagen von Jugendlichen werden nicht aus einer systematischen Analyse der vielfältigen jugendlichen Lebenswelten, Werthaltungen, Interessen und Lebensziele, sondern aus eigenen Weltanschauungen und Parteiprogrammatiken abgeleitet. Daraus ergibt sich ein fundamentales Problem: Angebote und Kommunikation werden nicht für eine real existierende Jugend, sonder für ein ideologisch motiviertes Wunschbild von ‚Jugend’ konzipiert.“ (Heinzlmaier 2008: 1)

Gerade jungen Menschen wird in der öffentlichen und medialen Diskussion, oft auch ziemlich unreflektiert, Politikverdrossenheit zugeschrieben. Gleichzeitig kann man aber beobachten, dass genau diese Jungen nach politischer Partizipation im Kleinen (z.B. in Schulparlamenten) wie im Großen (z.B. im Rahmen der Forderung nach einer Senkung des Wahlalters) streben und neue soziale Bewegungen, zutiefst politische Organisationen, sich eines Zustroms an jungen Menschen erfreuen. Es ist daher nahe liegend zu glauben, dass Parteienverdrossenheit keine grundsätzliche Organisationsverdrossenheit ist, sondern dass es an der Art der Organisation und ihrer Ausgestaltung liegt, ob sie für Jugendliche attraktiv ist oder nicht.

„Es gab verschiedene Motive für die politische Beteiligung, so die ideologische Motivation, die Vereinsmeierei, die Erwartung eines konkreten Nutzens oder eines höheren Prestiges. Die positive Einstellung dazu hat in all diesen Bereichen deutlich abgenommen.“ (Bachmayer 2006: 4) Angesichts der Pragmatismus der heutigen Jugendlichen wird einer Entscheidung über eine persönliche politische Partizipation höchstwahrscheinlich eine Kosten-/Nutzen-Erwägung vorangehen. So kann etwa eine Parteienmitgliedschaft der (beruflichen) Karriere gleichermaßen nutzen oder aber auch schaden.

Probleme im Bereich der politischen Kommunikation

Wir haben es in der sozial- bzw. kommunikationswissenschaftlichen Betrachtung heute mit einer Mediengesellschaft zu tun. Diese kann nun als reine Zustandsbeschreibung verwendet werden oder aber man betrachtet die Mediengesellschaft stärker entstehungs- und prozessorientiert. Der Prozess ist dann die Medialisierung, die nach Patrick Donges beschrieben werden kann als „Prozesse in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft, die von den Medien und der in ihnen stattfindenden Medienkommunikation verursacht oder ausgelöst werden.“ (Donges 2008: 26) Demnach kann diese als ein wird diese als ein „Gesellschaftstyp bezeichnet [werden], der von Medialisierung durch und durch geprägt ist.“ (Saxer 2004: 153, zit. n. Donges 2008: 25) Dieses „durch und durch“ meint somit, dass die „Medialisierung in allen gesellschaftlichen Teilbereichen wie etwa der Politik […] und auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen – der Mikroebene individueller Wahrnehmungen, Einstellung und Handelns, der Mesoebene der Organisationen bis Hin zur Makroebene gesellschaftlicher Institutionen und Teilsysteme – [stattfinden kann].“ (Donges 2008: 25) Es sind somit von der Medialisierung Akteure, die Prozesse und die Inhalte auch politischer Kommunikation, und somit auch jener von politischen Parteien, erfasst.

Unter Medialisierung oder Mediatisierung kann in diesem Kontext nämlich dreierlei verstanden werden: die wachsende Verschmelzung von Medienwirklichkeit und politischer wie sozialer Wirklichkeit, die zunehmende Wahrnehmung von Politik im Wege medienvermittelter Erfahrung sowie die Ausrichtung politischen Handelns und Verhaltens an den Gesetzmäßigkeiten des Mediensystems.“ (Sarcinelli 1998b: 687f zit. n. Jarren/Donges 2006: 29)

In Ihrem Band „Öffentlichkeitsarbeit“ sammeln Johanna Dorer und Klaus Lojka auch Texte, die sich mit aktuellen Entwicklungen in der politischen PR[1] befassen. In der Einleitung zum entsprechenden Abschnitt des Buches stellen sie fest: „Gegenseitige Instrumentalisierung von Politik und Medien, die Entwicklung eines politischen Star-Systems, die zunehmende Entfremdung von einer inszenierten Politik als Grundlage einer weit verbreiteten Politikverdrossenheit und die zunehmende Kluft zwischen politischem Handeln und öffentlich dargstellter Politik: Das sind die bedenkenswerten Entwicklungen, die mit der Mediatisierung und Neuorientierung politischer PR[2] verbunden sind. Denn wenn die res publica[3] durch politische Öffentlichkeitsarbeit eher ein Öffentlichkeitsdefizit erleidet, muss man auch die Frage nach den Folgen dieser Art politischer Kultur stellen.“ (Dorer/ Lojka 1996: 81)

Wenn man nun davon ausgehen kann, dass (politische) Öffentlichkeitsarbeit zum Ziel hat, einen Kontakt zwischen der PR[4] -betreibenden politischen Organisation, also etwa einer politischen Partei, und (einem relevanten Teil) der Öffentlichkeit herzustellen, so sind Öffentlichkeitsdefizite regelmäßig auch Kontaktdefizite. Ein Defizit, also ein Mangel, kann nun im absoluten Fehlen von Kontakt liegen oder aber in Mängeln, mit denen der Kontakt im Erleben und Bewusstsein jener sich manifestiert, die Zielgruppe der Öffentlichkeitsarbeit einer politischen Partei sein können oder wollen, also etwa im Erleben und Bewusstsein Jugendlicher.

„Kontaktfähigkeit besteht darin, anderen Menschen mit angemessener Offenheit und Achtung zu begegnen und ihr Verhalten situationsgerecht zu interpretieren. Wird Nähe als bedrohlich erlebt und Kontakt weitgehend vermieden, ohne dass die Sehnsucht nach ihm schwindet, spricht man von einer Kontaktstörung.“ (Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG 2008: Internet-Quelle) Das gilt im Allgemeinem für zwischenmenschliche Kontakte. Aber auch in größeren soziale Zusammenhängen sind Kontakte für das menschliche Zusammenleben unerlässlich, etwa im System Politik. Gerade die Demokratie bedarf, wie im Rahmen dieser Arbeit schon mehrmals unterstrichen, der Beteiligung vieler Akteure und somit deren Kontakt untereinander. Insofern kann man durchaus von einer Störung sprechen, wenn es zu keinen oder nur mangelhaften Kontakten zwischen den Akteuren „politische Parteien“ und „Jugendlichen“ kommt.

Einzelne Problemzusammenhänge – eine Annäherung

Durch den Prozess der Medialisierung von Politik geht Unmittelbarkeit in Kommunikation und Wahrnehmung verloren. Mitunter kommt es zu einer Verkürzung oder Verfremdung politischer Botschaften. In jedem Fall ist es für den einzelnen Bürger immer schwieriger, mit Politikern und somit Vertretern politischer Parteien direkt in Kontakt zu kommen und deren Aussagen aus „erster Hand“ zu erleben. Das ist insofern gerade in Hinblick auf Jugendliche ein Problem, als für diese Authentizität einen sehr hohen Stellenwert hat. Bei vermittelten Bildern und Botschaften ist diese Authentizität aber nur äußerst schwer her- bzw. darzustellen.

Otfried Jarren und Patrick Donges, die politische Parteien als „Schlüsselorganisationen in der politischen Kommunikation“ bezeichnen, halten überdies folgenden Aspekt fest: „Akteure politischer Parteien sind, auf Grund der immer vorhandenen lokalen bzw. regionalen Präsenz, im Vergleich zu anderen politischen Akteuren stark in der Lebenswelt [der Bürger] verankert – wenn auch diese Verankerung durch die geringere Mitgliederzahl bei allen Parteien sinkt.“ (Jarren/Donges 2006: 138) Mit dem Rückgang an aktiven Mitgliedern gehen den politischen Parteien also nicht nur direkte Kommunikationskanäle zu einzelnen Teilöffentlichkeiten verloren. Eine geringere Präsenz der politischen Parteien damit auch in der Lebenswelt Jugendlicher führt somit auch zu weniger Neuanwerbungen von Mitgliedern und weniger Verbindung zur öffentlichen Meinung, beschleunigt damit also den Einflussverlust der Parteien weiter.

Es sei hier noch ein weiterer theoretischer Ansatz eingebracht. Bei der Video-Malaise-Hypothese wird untersucht, ob vor allem jenes Politikbild, das vom Medium Fernsehen konstruiert wird, zu einer Entfremdung bestimmter sozialer Gruppen von Fernsehnutzern – angesichts des Mediennutzungsverhalten ist dies natürlich für Jugendliche besonders relevant – von der Politik als solcher beträgt. (vgl. Jarren/Donges 2006: 369) Winfried Schulz geht hier weiter und konstatiert angesichts diagnostizierter Medieneffekte eine insbesondere vom Fernsehen und der dort immer zynischeren Darstellung von Politik, politischen Akteuren und Inhalten eine „politische Malaise“, die letztlich unterschiedliche Spielarten der Politikverdrossenheit begünstigt. (vgl. Schulz 2008: 196ff) All diese Betrachtungen legen nahe, dass es gerade im Zuge der politischen Sozialisation Jugendlicher problematisch ist, wenn die politische Kultivierung nahezu ausschließlich durch Medien passiert, weil damit die Entwicklung eines eigenen objektiv-subjektiven Blickes auf und Bildes von Politik erschwert, wenn nicht verunmöglicht wird. Einem gerade von Jugendlichen individualisierten Lebensstil würden in diesem Sinne weitestgehend individuelle bzw. zumindest individuell erlebte persönliche Kontakte mit politischen Parteien und deren Vertretern außerdem eher entgegen kommen als quasi „konfektionierte“ Kommunikation über die Medien.

„Partizipation wird mit einiger Berechtigung als Ausdruck der Systemunterstützung interpretiert. Daher gilt z.B. die Höhe der Wahlbeteiligung auch als Gradmesser für die Akzeptanz des politischen Systems.“ (Schulz 2008: 217) Gemäß einer gängigen Einteilung von Partizipationsformen wird neben Wahlbeteiligung, Kampagnenaktivitäten (wie der Teilnahme an einer Wahlkundgebung), dem aktiven Engagement in einer politischen Partei oder im Rahmen von politischer Gemeindearbeit die Kontaktaufnahme mit politisch Verantwortlichem zu einer „konventionellen“ Form der politischen Beteiligung gezählt. (vgl. Schulz 2008: S. 216f) Insofern ließe allein schon eine geringe Anzahl von Kontakten Jugendlicher mit politischen Parteien auf ein niedriges Partizipationsniveau schließen.

b) Motivation

„Das Thema Partizipation Jugendlicher ist aktuell fast in aller Munde. Ins Rampenlicht der Öffentlichkeit trat es durch eine Krise: Junge Leute haben zunehmend Schwierigkeiten, sich mit den Ergebnissen und Formen der konventionellen Politik zu identifizieren.“ (Burdewick 2003: 13)

Diese Aussage Ingrid Burdewicks aus dem Jahr 2003 hat für mich nach wie vor höchste Aktualität und Gültigkeit. In meiner eigenen beruflichen und ehrenamtlichen Praxis und in meinem persönlichen politischen Erleben musste ich in den letzten Jahren feststellen, dass politische Teilhabe in ihren unterschiedlichsten Facetten für die meisten meiner Alterskolleginnen und Alterskollegen keine Rolle in der Gestaltung ihres Lebensalltages spielt.

Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus bin ich der Meinung, dass Gründe für die Entpolitisierung junger Menschen auch in ihrem Verhältnis zu politischen Parteien liegen. Obwohl in den Parteien, nicht zuletzt aufgrund des direkt empfundenen Mitgliederschwundes und der Überalterung des Mitgliederstandes, über Strategien zur Einbindung junger Menschen diskutiert wird, werden diese Bemühungen von den Jugendlichen kaum wahrgenommen. Politische Parteien und Jugendliche kommunizieren weiterhin quasi aneinander vorbei.

Während meines Studiums der Publizistik und Kommunikationswissenschaften in Kombination mit Politik- und Rechtswissenschaften konnte ich viele Aspekte politischen Handelns aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Eine Reihe von theoretischen Ansätzen und Forschungsergebnissen, die ich dabei kennengelernt habe, findet auch Eingang in die vorliegende Arbeit.

Die Kommunikation zwischen Jugendlichen und politischen Parteien und deren Auswirkungen auf die politische Partizipation junger Menschen wurde dabei zwar beleuchtet, aber vor allem für Österreich nicht im Detail untersucht. Indem mir persönlich viel daran gelegen ist, gerade junge Menschen auf eine ihnen Bedürfnissen gerecht werdende Art in politische Prozesse einzubinden, ist es mir ein Anliegen, mich in meiner Abschlussarbeit diesem Thema zu widmen und daraus auch praxisrelevante Erkenntnisse zu gewinnen.

c) Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen

Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit liegt darin, Kontakterfahrungen Jugendlicher mit politischen Parteien und Einflussfaktoren darauf zu beschreiben. Dabei geht es nicht um eine umfassende Betrachtung, sondern darum gerade jene Aspekte zu beleuchten, die kommunikationswissenschaftlich insofern relevant sind, als sie den Zusammenhang direkter und medial vermittelter politischer Kommunikation und politischer Partizipation beleuchten.

Folgende Forschungsfragen werden der Untersuchung somit vorangestellt. Sie gilt es im Rahmen der Arbeit zu beantworten.

Deskriptive Forschungsfragen:

- Welche Kontakte – nach Anzahl und Art – kommen zwischen Jugendlichen und politischen Parteien zustande?
- Wie werden diese Kontakte mit politischen Parteien von den Jugendlichen erlebt?

Verifizierende Forschungsfragen:

- Welche Faktoren beeinflussen auf welche Weise das Zustandekommen der Kontakte Jugendlicher mit politischen Parteien?
- Welche Faktoren haben auf welche Weise Einfluss auf das Erleben dieser Kontakte durch Jugendliche?
- Inwieweit besteht ein Zusammenhang zwischen den Kontakterfahrungen Jungendlicher mit politischen Parteien und ihrer Bereitschaft zu politischer Partizipation?

Letztendlich soll die Schlussfolgerung darlegen, wovon Kontaktprobleme – sofern vorhanden – abhängen und wie, praktisch im Umkehrschluss, diese Kontaktprobleme vermieden werden können. Es wird als wünschenswert angesehen, wenn dadurch auch Handlungsempfehlungen für die kommunikative Praxis politischer Parteien abgegeben werden können.

TEIL I: THEORETISCHER RAHMEN

2) POLITISCHE PARTEIEN UND IHRE AKTUELLEN HERAUSFORDERUNGEN

In Österreich, ebenso wie allgemein in Demokratien westlicher Prägung, sind politische Parteien wesentliche Teile, wenn nicht sogar Träger des politischen Systems. Dies lässt sich von zumindest zwei unterschiedlichen Standpunkten aus begründen: aus einem organisationstheoretischen Blickwinkel einerseits und aus einem system- und funktionsorientierten andererseits.

Für die Beschreibung dieses organisationstheoretischen Zuganges soll auf die Arbeit von Kommunikationswissenschafter Patrick Donges zurückgegriffen werden. Wenn im Rahmen dieser Arbeit mit politischen Parteien in Zusammenhang stehende gesellschaftliche (Veränderungs-)Prozesse untersucht werden, so findet dies laut Donges auf nämlich einer „Meso-Ebene“ statt. In seinem Buch „Medialisierung politischer Organisationen“ bezeichnet er die auch von ihm dort eingenommene Mesoperspektive als „sinnvoll […], weil Organisationen [wie eben politische Parteien] Kristallisationspunkte gesellschaftlicher Veränderungen sind und sich gesellschaftliche Veränderungen in ihnen manifestieren.“ (Donges 2008: 27) Für Patrick Donges stellen die politischen Parteien „Schlüsselorganisationen“ dar im Rahmen der von ihm untersuchten Medialisierung, die zweifelsfrei einen gesellschaftlichen Veränderungsprozess darstellt. Politische Parteien scheinen auch für die vorliegende Arbeit als „Kristallisationspunkte“ einer Entwicklung lohnende Forschungsobjekte zu sein.

Die Bedeutung politischer Parteien lässt, wie eingangs erwähnt, auch auf ihre Funktion im System der demokratischen Politik eines Staates hin erklären. Aus system- bzw. funktionstheoretischer Sicht sagt dazu Uwe Jun: „Politische Parteien sind […] politische Organisationen, die die Selektion und Rekrutierung des politischen Personals vornehmen, Ziele und Programme zur Durchsetzung im politischen Willensbildungsprozess formulieren, Kommunikation zwischen den politischen Akteuren auf der staatlichen Ebene und den Wählern herstellen, an der Meinungsbildung mitwirken und Entscheidungen im staatlichen Bereich möglichst zu steuern und zu koordinieren, meistens aber zu beeinflussen versuchen.“ (Jun 2004: 59) Diese Aufgaben kommen zwar – wie im Folgenden näher ausgeführt wird – politischen Parteien aktuell nicht mehr ausschließlich zu. Dennoch erfüllen die politischen Parteien auf nahezu allen Ebenen und in allen Bereichen wesentliche Funktionen, die für den Erhalt des Systems der demokratischen Politik unerlässlich sind. Elmar Wiesendahl fasst dies folgendermaßen zusammen: „Als politische Willensbildungs- und Entscheidungsinstanzen machen [politische Parteien] die repräsentativ-demokratische Ausübung von politischer Herrschaft unter massendemokratischen Bedingungen möglich.“ (Wiesendahl 2006: 9)

a) Definition Politische Parteien

Beim Studium wissenschaftlicher Literatur über politische Parteien kommt man zu dem Schluss, dass derzeit keine allgemein akzeptierte oder gar verbindliche Definition des Begriffes „Partei“ bzw. „politische Partei“ existiert.

Eine umfassende und gleichzeitig prägnante Definition liefert jedoch Ulrich von

Alemann. Er bezeichnet politische Parteien als „auf Dauer angelegte gesellschaftliche Organisationen, die Interessen ihrer Anhänger mobilisieren, artikulieren und bündeln und diese in politische Macht umsetzen suchen – durch die Übernahme von Ämtern in Parlamenten und Regierungen.“ (Alemann 1995: 9, zit. n. Jun 2004: 58)

So kann mit Elmar Wiesendahl weiters konstatiert werden, dass „Parteien […] ihren Charakter als Zusammenschluss von „like-minded men“[5] und damit als Gesinnungsgemeinschaften beibehalten [haben]“, die u.a. aus Prinzipien und Wertvorstellungen ihre konkreten Zielvorstellungen und Handlungsprogramme ableiten. (Wiesendahl 2006: 7f) Als Aufgaben der politischen Parteien nennt Elmar Wiesendahl die Teilnahme an Wahlen mit dem Ziel des Machterwerbs und das Besetzen öffentlicher Ämter. Gleichzeitig seien diese Parteien „Sprungbretter für politische Karrieren und geben freiwillig engagierten Mitgliedern, die sich mit den Prinzipien und Gesamtkonzeption ihrer Partei identifizieren, Gelegenheit, mitzuarbeiten und für die Verwirklichung der Parteiziele einzutreten.“ (Wiesendahl 2006: 9)

Patrick Donges stellt aus seiner bereits beschriebenen organisationstheoretischen Perspektive fest, dass gerade Parteien sehr komplexe Organisationen seien, da sie sowohl Mitglieder-, Willensbildungs- als auch Machterwerbsorganisationen seien und dadurch nach innen die verschiedenen Logiken dieser Handlungsorientierungen – das vote-, policy-, office- und democracy-seeking[6] – zusammenführen müssen. Nach außen hin ist ihre Rolle als Akteure der Interessensaggregation von Bedeutung.“ (Donges 2008: 218) Interessensaggregation bedeutet dabei, „solche Interessen zusammenzuführen, zu bündeln, auszuwählen und entscheidbare politische Programme auszuhandeln. Parteien [...] müssen [demgemäß] unterschiedliche soziale Bereiche, von der Lebenswelt der Bürgerinnen und Bürger bis hin zum politischen Entscheidungszentrum kommunikativ vernetzen.“ (Donges 2008: 218)

b) Die aktuelle Situation politischer Parteien

Eine Krise des demokratischen Systems ist Gegenstand aktueller medialer und wissenschaftlicher Debatten. Als vielschichtiges Phänomen umfasst sie praktisch alle Teile dieses Systems und ist somit gleichzeitig eine Krise der Akteure und Organisationen, die das politisch-demokratische System ausmachen und in ihm handeln.

Als Manifestation dieser Krise und gleichzeitig als Ausgangspunkt für diesbezügliche Diskussionen wird regelmäßig eine allgemeine Politikverdrossenheit angeführt, die wiederum etwa als Politikerverdrossenheit oder Parteienverdrossenheit beschrieben wird. Letzteres Phänomen hat auf jeden Fall zwei Aspekte: auf der einen Seite die „pauschale, häufig vorurteilsgeladene Verurteilung von Parteien seitens der Bürger“ und „die zunehmende bzw. klar erkennbare Entfernung, Distanz und Distanzierung der Bürger von den Parteien.“ (Lösche 2007: 395)

Parteienverdrossenheit im Speziellen zeigt sich an unterschiedlichen Entwicklungen und deren quasi symptomatischen Resultaten, etwa einem Rückgang des Vertrauens in die Problemlösungskompetenz von Parteien, sinkenden Wählerstimmenanteilen traditioneller Großparteien bei gleichzeitigem Wachstum neuer so genannter „Protestparteien“, dem Nachlassen der persönlichen Identifikation der Bürger mit einer einzigen Partei oder den grundsätzlichen abnehmenden Mitgliederzahlen politischer Parteien. Die Gründe hierfür sind vielfältig und hängen – so kann man der Meinungsforschung entnehmen – nur oberflächlich mit aktuellen Skandalen rund um Parteien zusammen. Vielmehr werden besonders in der Wahrnehmung der Bürger immer stärker Funktionsdefizite der politischen Parteien spürbar, insofern als die Parteien ihre Rolle als Vermittler zwischen Gesellschaft und politischem System immer weniger befriedigend ausüben und es zu einem Mangel an Legitimation der Politik im Allgemeinen kommt. Natürlich sind diese Entwicklungen und Wahrnehmungen eingebettet in gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen, wie etwa einer immer stärkeren Ausdifferenzierung individueller Lebensstile. (vgl. Lösche 2007: 395f)

Darüber hinaus sind auch entsprechende Medien-Effekte nicht auszuschließen. So ist zum Einen ist Politikverdrossenheit nicht nur als Wort, sondern auch als Phänomen mitunter eine Kreation der Medienwelt, ein „journalistisches Wort, das erst in wissenschaftliche Terminologie übersetzt werden muss.“ (Schulz 2008: 198) Zum Anderen werden auch Medieneinflüsse auf das Vertrauensverlust der Politik gegenüber dem Bürger, insbesondere für die US-amerikanische Politik, diagnostiziert. So mag – in der Zusammenschau mehrerer Studien – ein Wechselspiel zwischen negativen Ereignissen in der Politik und Fehlleistungen der Politiker auf der einen Seite und einem veränderten Journalismus, der seinen Blick verstärkt auf Negativismus und durchaus zynische „Antipolitik“ richtet, für die Politik- und insbesondere Parteienverdrossenheit der Bürger sein. (vgl. Schulz 2008: 200f) Parteien stehen hier regelmäßig als sichtbarste Vertreter der institutionellen Politik quasi in der „Schusslinie“.

Bisherige Betrachtungen finden nun eher aus der Perspektive des Wählers, Bürgers oder Konsumenten politischen Handelns statt. Aber auch aus der Perspektive der politischen Parteien gesehen wird deren Rolle über die letzten Jahrzehnte hinweg sowohl von einer internen Öffentlichkeit der einzelnen politischen Parteien als auch von außen, also von Seiten der Bevölkerung und der medialen Öffentlichkeit in Frage gestellt. Man kann dabei durchaus auch von einem Rollenwandel sprechen, in dem sich politische Parteien aktuell befinden.

Dieser Wandel hat zwei hauptsächliche Aspekte: Zum Einen verzeichnen Parteien, was ihre eigene Beschaffenheit betrifft, einen Mitgliederschwund in Form eines Rückgang von Neubeitritten und einer damit verbundenen Überalterung der Mitgliederstruktur. Zum Anderen hat sich die politische Landschaft insofern verändert, als immer mehr und auch neue Akteure auf politische Entscheidungen einwirken. Beide Entwicklungen bringen für politische Parteien einen Verlust an Einfluss und Handlungs- bzw. Durchsetzungsmacht mit sich.

Zum Phänomen des Mitgliederschwundes geführt hat u.a. die beobachtete Tatsache, dass politische Parteien über einen längeren Zeitraum die Akquirierung neuer Mitglieder nicht mehr als zentrales Ziel verfolgt haben. Die Gründe dafür gehen beide mit einem Nutzen- bzw. Funktionsverlust von Parteimitgliedern einher.

Als ersten Grund nennt Elmar Wiesendahl folgende Entwicklung. „Mit [dem] Übergang in die Moderne hätte sich infolgedessen der zuvor noch stark organisationszentrierte und arbeitsintensive Straßenwahlkampf der Parteien zum kapitalintensiven Medienwahlkampf transformiert. Auf diesem Blickwinkel heraus wird geschlussfolgert, dass der organisatorische Nutzen von Parteimitgliedern stark zurückgegangen, wenn nicht sogar hinfällig geworden sei.“ (Wiesendahl 2006: 109) Ein zweiter Grund hängt mit der Finanzierung von politischen Parteien eng zusammen. Denn seit 1950ern wurde für die Parteien durch Staatsfinanzierung eine weitere Finanzquelle erschlossen. Somit konnte auf der seinen Seite der Parteienapparat personell stark ausgebaut werden, was die Bedeutung ehrenamtlichen Engagements einer großen Anzahl von Mitgliedern schmälert und andererseits den Stellenwert von Parteimitgliedern und deren Mitgliedsbeiträgen als „Finanzausstatter“ verringert. (vgl. Wiesendahl 2006: 110)

Schlussfolgernd kann angenommen werden, dass sinkende Mitgliederzahlen den politischen Parteien aufgrund begleitender oder ursächlicher Veränderungen nicht schadeten bzw. sie in der Erreichung ihrer Ziele nicht behinderten. Nun sind aber für die Erfüllung zumindest einiger Aufgaben politischer Parteien Parteimitglieder weiterhin notwendig. So weisen gerade in Europa Wahlkämpfe nach wie vor einen „Methodenmix aus organisations- und medienzentrierten Elementen [auf]“ und so kann auch „[d]ie direktdemokratische Botschafter- und Multiplikatorenrolle von Parteimitgliedern […] durch indirekte Medienkommunikation nicht ersetzt werden.“ (Wiesendahl 2006: 110f)

Je mehr Mitglieder also eine politische Partei hat, desto mehr Bindeglieder hat sie zu ihren Wählern und Anhängern und desto enger ist sie mit der Gesellschaft im Gesamten auch vernetzt. Je weniger Mitglieder der Partei angehören, desto weniger direkten Zugang zur Bevölkerung hat die Partei und desto schwieriger kann sie politische Botschaften und Vorhaben kommunizieren bzw. für deren Umsetzung aktive Unterstützer rekrutieren. Bei Wahlen geht eine sinkende Mitgliederzahl etwa regelmäßig einher mit einer sinkenden Anzahl an Stammwählern und somit mit mehr Aufwand, immer mehr Wechselwähler bei jedem Wahlgang aufs Neue ansprechen und überzeugen zu müssen.

Der Rückgang an Mitgliedern gerade in traditionellen Großparteien ist nicht nur bzw. primär auf eine steigende Anzahl an Parteiaustritten, sondern vielmehr auf eine sinkende Anzahl an Neubeitritten zurückzuführen. Dies bedeutet natürlich, dass den politischen Parteien auch deutlich weniger junge Mitglieder angehören als dies noch vor Jahrzehnten der Fall war, denn für gewöhnlich werden neue Mitglieder am Beginn ihrer politischen Sozialisation und somit des Erwachsenenlebens gewonnen. Somit ist davon auszugehen, dass schon aktuell, auf jeden Fall aber in naher Zukunft ältere Generationen in politischen Parteien als Mitglieder überrepräsentiert sind und die politischen Parteien somit ungleich schwerer Anschluss an aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen halten können. Gerade wo vor allem in Österreich nach einer laufenden Senkung des aktiven Wahlalters immer jüngere Menschen Zielgruppe von Kommunikations- und Werbemaßnahmen politischer Parteien sind, gestaltet sich dies für einen überalterten Funktionärskader umso schwieriger.

Als Gründe für die zunehmend mangelnde Attraktivität der Mitgliedschaft in politischen Parteien nennt Uwe Jun die Folgenden. Politische Parteien verfügen laut Jun nur über sehr eingeschränkte Möglichkeiten direkter materieller Vergütung (von Leistungen der Mitglieder), ebenso erleben die Mitglieder gerade von Großparteien nur wenig Gelegenheiten zur eigenen Partizipation. Zudem sein Parteien regelmäßig geprägt von „traditionellen Organisationsstilen und überkommenen Ritualen, die von partizipationswilligen Bürgern nicht akzeptiert werden“. So führt Jun zusammenfassend und ergänzend an, dass die Parteien „kaum auf unterschiedliche individuelle Bedürfnisse zugeschnittene Aktivitäten“ anbieten. (vgl. Jun 2004: 98) und somit den Ansprüchen einer individualisierten Gesellschaft nicht genügen.

c) Öffentliche Kommunikation politischer Parteien

Unter Öffentlichkeit versteht man mit Jürgen Habermas „ein Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen, also von Meinungen […]; dabei werden die Kommunikationsflüsse so gefiltert und synthetisiert, dass sie sich zu themenspezifisch gebündelten öffentlichen Meinungen verdichten.“ (Habermas 1992: 436, zit. n. Jarren/Donges 2006: 96) Weiters bestehe gerade „politische Öffentlichkeit aus einer Vielzahl von Kommunikationsformen, deren Zugang prinzipiell offen und nicht an Mitgliedschaftsbedingungen gebunden ist und in denen sich individuelle und kollektive Akteure vor einem breiten Publikum zu politischen Themen äußern. Das Produkt der Kommunikationen in der Öffentlichkeit bezeichnet man als öffentliche Meinung, die man von den aggregierten Individualmeinungen der Bürger unterscheiden kann.“ (Gerhards 2002: 694, zit. n. Jarren/Donges 2006: 96)

Öffentliche Kommunikation wird nicht nur zumeist über Medien vermittelt, sie ist vor allem das Ergebnis von Handlungen einzelner Organisationen und deren Vertretern. Politische Parteien gelten im politischen System regelmäßig als Angehörige des intermediären Systems, dem u.a. Verbände, Organisationen aus (Neuen) Sozialen Bewegungen und auch Massenmedien selbst, zuzurechnen sind. Aufgabe dieses intermediären Systems ist es als Bindeglied zu fungieren zwischen der Öffentlichkeit der Bevölkerung und dem System der institutionellen Politik. (vgl. Jarren/Donges 2006: 121)

Politische Parteien, gerade (Massen-)Mitgliederparteien werden sich aufgrund ihrer relativen Größe, Struktur und innerer Verfasstheit ebenso wie aufgrund ihrer grundgelegten Zielrichtung, nämlich des Gewinnes von maximal vielen Wählern, Sympathisanten und Mitgliedern diese Massenmitgliederparteien zur Bewältigung dieser Aufgabe regelmäßig der Instrumente der Massenkommunikation bedienen. Das kann man auch von einer Regel, die Franz Ronneberger und Manfred Rühl schon 1992 aufgestellt haben, ableiten: Sie sagen, „dass jeder, der sich heute öffentlich äußern will und somit an das soziale Substrat Öffentlichkeit herankommen muss, dieser nur noch durch Herstellung von und Arbeit an Medienöffentlichkeit bewirken kann.“ (Kunczik 2002: 380)

Dabei werden nicht die Parteien als solche kommunizieren, sondern es werden regelmäßig Sprecher der politischen Partei als ihre Repräsentanten auftreten. (vgl. Jarren/Donges 2006: 106) In der medial vermittelten Kommunikation sind dies in der Regel bestimmte Personen, die entweder umfassend oder für einzelne Themenbereiche Äußerungen im Namen der Partei treffen können. Im Bereich der interpersonalen, direkten Kommunikation wird jedoch jeder einzelne Vertreter, mitunter jedes einzelne Mitglied, von einer externen Öffentlichkeit als Sprachrohr der politischen Partei wahrgenommen werden.

Politische Parteien „agieren bezogen auf Wähler in Konkurrenz und sind deshalb stark kommunikativ orientiert, und zwar sowohl bezogen auf die Gesellschaft wie auf die Medien.“ Die Öffentlichkeitsarbeit, die sie betreiben wird regelmäßig jedoch besonders stark an den Medien und der diesen innewohnenden Logik ausgerichtet. In einer medialisierten Gesellschaft sind politische Parteien gewissermaßen auf die Vermittlungsleistung von Medien in hohem Maße angewiesen. (vgl. Jarren/Donges 2006: 223 ff)

Politische Öffentlichkeitsarbeit, auch politische PR genannt, ist als solche ein Handlungsfeld im politischen System, das vorrangig der Wahrnehmung von organisationsexternen und nachrangig von organisationsinternen Informations- und Kommunikationsaufgaben der politischen Akteure, die der politischen Elite zuzuordnen sind, dient. Politische PR erfüllt somit für diese Akteure und Eliten eine wichtige Kontroll- und Werbeaufgaben, indem sie u.a. der Absicherung politischer Positionen mittels kommunikativer Maßnahmen dient. Sie unterscheidet sich – gerade bei Parteien – von der Öffentlichkeitsarbeit von Wirtschaftsunternehmen, dadurch, dass sie wesentlich stärker personenbezogen ist und somit etwa auch zeitlich an die Funktionsperioden von Amtsträgern, also wieder Eliten, ausgerichtet wird. (vgl. Jarren/Donges 2006: 230ff)

In ihrem Beitrag über „Politische Öffentlichkeitsarbeit in informationsgesellschaftlichen Demokratien konstatieren die Autoren Fritz Plasser und Franz Sommer in Folge des Bedeutungsgewinnes von elektronischen Medien eine „Verschiebung tradierter Rollenmuster im System der Massenkommunikation“ und führen dabei auch aus, was diese Veränderung für die einzelnen Akteure (professioneller) politischer Kommunikation bedeutet: „Vor allem die Parteien agieren zunehmend wie politische Kommunikationsagenturen. Im wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Mediensystem und dem politischen System wachsen dabei primär die Parteien immer stärke in die Rolle eines aktiven Informationsproduzenten hinein.“ (Plasser/ Sommer 1996: 104)

Die mit professioneller politischer PR einhergehende strategische Planung der Kommunikationsinhalte wird jedoch letztlich auch nur dann greifen, wenn man sich (zentral gesteuert) der Instrumente von massenmedialer Kommunikation bedient. Im Gegensatz dazu ist anzunehmen und zu beobachten, dass die zentrale strategische Planung nicht alle Teil der politischen Partei erfasst und beim entsprechenden Anspruch regelmäßig scheitert. Der direkte persönliche Kontakt findet in der Regel zwischen einzelnen Vertretern der politischen Partei mit relativ kleinen Ausschnitten der Öffentlichkeit, oft nur mit einzelnen Bürgern, statt. Diese Politiker, also Vertreter der politischen Partei, werden sich bei diesen Kontakten regelmäßig – bewusst oder unbewusst – auf ihre Eigenständigkeit berufen und sich den von der „Parteizentrale“ vorgegebenen Zielen in der Öffentlichkeitsarbeit entziehen. Der zentralen Steuerung stehen gerade in Großparteien keine Instrumente zur flächendeckenden Kontrolle solcher Einzelkontakte zur Verfügung.

So sagt auch Patrick Donges: „Parteien sind als Ganzes keine rationalen oder strategiefähigen Organisationen, verfügen aber über rationale, strategisch handelnde Kerne, die lose miteinander verbunden sind. Diese Kerne oder strategische Zentren dürfen jedoch nicht mit der Partei selbst verwechselt werden.“ (Donges 2008: 219) Diese von parteiinternen Kommunikationsstrategen als problematisch empfundene Situation, die es zu ändern gilt, kann gerade ein Vorteil in der Kommunikation mit jungen Bürgern bzw. Wählern sein. Die Authentizität des (politischen) Gesprächspartners hat für junge Menschen einen sehr hohen Stellenwert (vgl. Großegger/Heinzlmaier 2007: 41) und steht somit in deutlicher Konkurrenz zu den vorgefertigten Kommunikationsinhalten und gleichgeschalteten Argumentarien einer der „Statement-Berichterstattung“ (Plasser/ Sommer 1996: 104) entgegenkommenden polischen Kommunikation.

Aufgrund bisheriger Betrachtungen ist also vorläufig anzunehmen, dass der Großteil der Kontakte zwischen politischen Parteien und der Öffentlichkeit nicht im direkten persönlichen Kontakt, etwa im Gespräch zwischen Politiker und Wähler, zustande kommt, sondern vielmehr in indirekten, medial vermittelten Berührungen besteht. Gerade in Österreich, stellt Otfried Jarren und Patrick Donges fest, sind politische Parteien „stark medien- und öffentlichkeitsorientiert und weisen eine überdurchschnittliche Außenorientierung auf.“ (Jarren/Donges 2006: 251)

Politische Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere jene politische Parteien, bedient sich jedoch nicht ausschließlich Instrumente der medial vermittelten Kommunikation, wie sie etwa in den unterschiedlichsten Formen der Presse- und Medienarbeit (Pressefotos, Pressekonferenzen, Pressemitteilungen etc.) bzw. den PR-Medien (Broschüren, Websites, Plakate etc.) zuzurechnen sind. Auch Maßnahmen der unmittelbaren öffentlichen Kommunikation, die im weitesten Sinne persönlichen Kontakt zwischen der politischen Partei, in Form ihres jeweiligen Vertreters, und dem Bürger ermöglichen. Es zählen dazu öffentliche Reden, Vorträge, Wahlwerbung, Feier- und Gedenktage.

Dies hat u.a. folgenden Grund: „Politiker suchen aktiv die Nähe zu Personen und pflegen daher die Formen der direkten, unmittelbaren Kommunikation, weil sie aus den Gespräche relevante Informationen und wichtiges Wissen für ihre Arbeit erhalten können.“ Insbesondere in Hinblick auf die Erwartungen Jugendlicher an die Politik der Gegenwart und Zukunft erscheint dies im Sinne es ihnen innewohnenden Zieles der Systemerhalte politischer Parteien notwendig, den direkten Kontakt mit jungen Menschen verstärkt zu suchen.

d) Das Verhältnis zwischen politischen Parteien und Jugendlichen

Nach der Darstellung der aktuellen Situation politischer Parteien im Allgemeinen wird im Folgenden darauf eingegangen, inwieweit die oben genannten Probleme auch im Verhältnis zwischen politischen Parteien und Jugendlichen manifest werden.

Bernhard Claußen untersuchte in diesem Zusammenhang massenmediale politische Kommunikation und jugendliches Engagement in traditionellen politischen Institutionen: „So wird denn von den entsprechenden Institutionen fast durchwegs […] beklagt, die Mitgliederzahlen Jugendlicher in politischen Parteien, Gewerkschaften und Jugendverbänden seien … dramatisch zurückgegangen. Diese Klagen stützen sich vor allem auf drei Trends: [den] rapiden Schwund von Vertrauen in etablierte politische Akteure, [das Entstehen] zahlreicher neuer Organisationen […], die dem Spektrum der Neuen Sozialen Bewegungen zuzurechnen sind und mit den seit langem etablierten Organisationen konkurrieren, [die] Zunahme der Bereitschaft zu punktuellen politischen Aktivitäten nicht von einer entsprechenden Zunahme der Bereitschaft zur kontinuierlichen Mitarbeit in (politischen) Organisationen […].“ (Claußen 1998b: 78)

Gesellschaftliche Trends werden vor allem von der jüngeren Generation getragen, also zum Teil initiiert und zum überwiegenden Teil gelebt. Das trifft auf der einen Seite für die Individualisierung der Gesellschaft zu, also den (gelebten) Wunsch nach einer individualisierten Gestaltung des eigenen Lebens, und auf einen neuen Pragmatismus, der mit einer Kosten- und Nutzenabwägung nicht nur beruflicher sondern auch gesellschaftlicher und politischer Handlungen einhergeht.

Gerade die Anforderung politischer der Parteien an ihre Mitglieder nach umfassender und langfristiger Zugehörigkeit und Beteiligung und überkommene Rituale der Kommunikation und Meinungsbildung innerhalb der politischen Parteien stehen im Widerspruch zu den Bedürfnissen und Erwartungen der individualisierten und pragmatischen Jugendlichen. Insofern bieten jene Gruppierungen, die kurzfristige und minimal formalisierte Partizipation ermöglichen, Jugendlichen ideale oder zumindest bessere Orte zur Verwirklichung ihrer Bedürfnisse nach politischer und gesellschaftlicher Teilhabe und Mitwirkung. So sieht das auch Elmar Wiesendahl, wenn er sagt, dass die „innerparteilichen Organisationsroutinen und überholten Versammlungsrituale nicht zeitgerecht an die gewandelten Bedürfnisse partizipationswilliger Neumitglieder (vgl. Wiesendahl 1998a: 19 zit. n. Jun 2004: 97) angepasst worden.

Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch, dass sinkende Neu- und Jung-Mitgliederzahlen politischer Parteien nicht unbedingt einhergehen mit einer geringeren Anzahl an jungen Wählern. Auf der einen Seite wurde in westlichen Demokratien und gerade in Österreich vor allem das Wahlalter in der jüngeren Vergangenheit sukzessive gesenkt, nämlich von 21 Jahren noch zu Mitte des 20. Jahrhunderts bis auf heute 16 Jahre gesenkt. Somit gibt es nun jüngere Wahlberechtigte und eine geringeren Rückgang des Anteils an jungen, etwa unter 30-jährigen, Wahlberechtigten. Auf der anderen Seite ist die Wahlbeteiligung jugendlicher und junger Wähler nicht deutlich geringer als jene anderer, älterer Generationen.

Wahlentscheidungen treffen junge Menschen ähnlich pragmatisch wie Konsumentscheidungen. Es geht ihnen also jeweils eine Kosten-/Nutzen-Überlegung voraus und mit unterschiedlichen Anforderungen ändert sich je nach Lebenssituation auch die Parteipräferenz. Jugendliche sind jedoch in jedem Fall kritische Konsumenten. Nicht nur, aber vor allem im politischen Bereich rangiert dabei auf ihrer Werteskala Glaubwürdigkeit und Authentizität gemäß aktueller Studien und Umfragen auf den vordersten Rängen. (vgl. Großegger/Heinzlmaier 2007: 37ff) Insofern gestaltet es sich für politische Parteien umso schwieriger, angesichts der vor allem auch medial unterstützten Glaubwürdigkeitsverluste, das Vertrauen junger Menschen und diese jungen Menschen als Wähler und aktive Unterstützer zu gewinnen. Die Konkurrenz neuer politischer und sozialer Bewegungen ist für die Parteien in der Zielgruppe der Jugendlichen ebenfalls eine deutlich größere.

3) JUGENDLICHE UND IHR POLITISCHES ERLEBEN

Die Jugendforschung, ein mittlerweile anerkannter eigener Zweig der Sozialforschung, liefert laufend neue Daten über Jugendliche, ihre Einstellung und ihr Verhalten, dabei vor allem ihr Konsumverhalten. Denn gerade Jugendliche sind als aktuelle, zum größten Teil jedoch zukünftige Konsumenten eine höchst interessante Zielgruppe vor allem für die Konsumgüterindustrie. Ergebnisse der Markt- und Meinungsforschung, gerade unter Jugendlichen, ermöglichen zielgruppengerechtes Produktdesign, wirksame mediale Kommunikation und fundierte Weiterentwicklung, welche wiederum Erfolgsfaktoren im wirtschaftlichen Wettbewerb sind.

Ähnlich wie in der Wirtschaft verhält es sich in der Politik. Auch für die politischen Parteien, die auf dem Wählermarkt untereinander im Wettbewerb stehen, ist es entscheidend über die Einstellungen, Erwartungen und Bedürfnissen Jugendlicher Bescheid zu wissen, da diese ebenso wie zukünftige Konsumenten auch die potentiellen Wähler bzw. Parteimitglieder der Zukunft sind.

Im Folgenden wird – als Grundlage für die weiteren Betrachtungen – darauf eingegangen, was für die vorliegenden Arbeit unter dem Begriff „Jugendliche“ zu verstehen ist, mit welcher gesellschaftlicher und politischer Lebenswelt diese Jugendlichen sich heute konfrontiert sehen und wie sie sich in ihr verhalten.

a) Definition Jugendliche

In der österreichischen Jugendforschung werden als Jugendliche zumeist junge Menschen zwischen 14 und 19 Jahren bezeichnet. Dieser Altersbereich wird je nach Forschungsgegenstand und Erkenntnisinteresse in Einzelfällen auch nach unten und nach oben hin ausgedehnt.

So werden oft bereits 10-Jährige als Jugendliche bezeichnet, weil man den Wechsel in die fünfte Schulstufe als wesentliche Veränderung im Leben eines Kindes bzw. somit Jugendlichen ansehen kann. Ebenso wir in der heutigen Sozialwissenschaft bzw. Trendforschung eine Ausdehnung der Jugendphase hin zu einer Post-Adoleszenz konstatiert, weshalb zum Teil auch bis zu 30-Jährige unter dem Begriff „Jugendliche“ erfasst werden. Wer nun noch als „jugendlich“ gilt, hängt in der Forschung gerade bei den älteren jungen Menschen davon ab, in welcher beruflichen bzw. familiären Situation sie sich befinden, also ob sie etwa noch in ihrer Ursprungsfamilie leben oder bereits einen eigenen Haushalt bzw. eine eigene Familie gegründet haben.

„Auch wenn die Grenzen zwischen Kindheit und Jugend bzw. zwischen Jugend- und Erwachsenenstatus vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels immer mehr zerfließen, arbeitet die empirische Jugendforschung dennoch mit klar umrissenen, vorab definierten Altersgruppen. [Diese sind] im wesentlichen nichts anderes als Forschungskonventionen, die dazu dienen, jugendspezifische Forschungsdaten vergleichen und Entwicklungsverläufe nachzeichnen zu können.“ (Großegger/Zentner 2005: 5) In der Regel wird in der Jugendforschung daher folgende Unterscheidung in einzelne Altersgruppen getroffen:

- die Gruppe der 10- bis 14-Jährigen
- das klassische Jugendsegment der 14- bis 19-Jährigen;
- die jungen Erwachsenen, das sind die 20- bis 24- (bzw. 30-)Jährigen

Die erste Gruppe der 10- bis 14- Jährigen steht somit noch „an der Schwelle vom Kind zum Jugendlichen steht und [wird] häufig auch als ‚Kids’ bezeichnet […]“. (Großegger/Zentner 2005: 5) Bei der letzten Gruppe werden unterschiedliche Abgrenzungen nach oben vorgenommen, üblicher ist es die Altersgrenze bei 24 Jahren zu ziehen.

Für die Auswahl der Probanden zur Befragung im Rahmend dieser Arbeit wurde der Begriff „Jugendliche“ restriktiv interpretiert. So wurden für diese Befragung – aufgrund entsprechend eingeschränkter Möglichkeiten des Feldzuganges – nur in Ausbildung befindliche junge Menschen zwischen 15 und 19 Jahren ausgewählt. Was den Altersbereicht betrifft, in dem sich die Probanden befinden, so entspricht dieser in etwa dem oben dargestellten „klassischen Jugendsegment“.

b) Jugendliche Lebenswelten

Hinsichtlich der aktuellen Lebenssituation junger Menschen stellt Ingrid Burdewick fest: „[N]icht nur das Verhältnis junger Leute zur Politik, sondern auch die Lebenssituation Jugendlicher hat sich in den letzten vier Jahrzehnten vor dem Hintergrund zunehmender Pluralisierung und Individualisierung der Lebensverhältnisse stark verändert.“ (Burdewick 2003: 22)

Zurückgreifend auf zahlreiche Untersuchungen kann man feststellen, dass es heute zwei hauptsächliche Strömungen, die im Verhalten und den Einstellungen junger Menschen am Beginn des 21. Jahrhunderts festgestellt werden können: die Individualisierung der Gesellschaft auf der einen Seite und der neue Pragmatismus, insbesondere der Jugendlichen, auf der anderen Seite. Erstere geht einher mit einer allgemeinen Pluralisierung der Gesellschaft. Letzterer zeigt sich etwa an einer höheren Leistungsorientierung und einer regelmäßigen Kosten-/Nutzen-Abwägung jugendlichen Handelns in nahezu allen Lebensbereichen.

Daneben attestieren Jugendforscher den Jugendlichen, dass diese sich stärker als etwa in den ersten Nachkriegsjahrzehnte am politischen und gesellschaftlichen Mainstream orientieren. „Unter Mainstream verstehen wir [dabei] die jeweils vorherrschenden politischen Stimmungen und Einstellungen in der Bevölkerung. Diese ‚politische Mitte’ ist nicht inhaltlich und politisch definiert, sondern sie wird durch die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung zu jedem Zeitpunkt festgelegt.“ (Abold/ Juhász 2006: 77) Dies mag jedoch letztlich in direktem Zusammenhang mit dem Hang der Jugendlichen zum Pragmatismus stehen. Im Mainstream zu leben bedeutet in der Regel weniger Aufwand als bewusst ausweichen oder ausscheren zu müssen.

Jugendliche in der individualisierten Gesellschaft

Individualisieren bedeutet – im Gegensatz zu: generalisieren – „Allgemeines in Einzelnes [zu] sondern bzw. den Menschen als Einzelwesen [zu] betrachten oder einer Sache als Einzelfall gerecht [zu] werden.“ (Wahrig-Burfeind 2008: 765) Eine individualisierte Gesellschaft stellt somit den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen und sieht das Einzelschicksal als Referenz für politische und gesellschaftliche Entscheidungen. Der Individualismus, der damit zu Tage tritt, meint, dass die Interessen des Einzelnen, des „Individuums“, betont werden und dieser seine eigenen Interessen entsprechend vertritt. (vgl. Wahrig-Burfeind 2008: 765)

Neben der Tatsache, dass in einer individualisierten Gesellschaft der Einzelne und nicht traditionelle Gruppen oder Kollektive im Mittelpunkt stehen, gewinnt in dieser Gesellschaft das Individuum neue Freiheit, verliert dabei aber gleichzeitig traditionelle Sicherheiten.

Individualisierung bedeutet für die Jugendlichen jedoch nicht, dass sie ihr Leben allein, isoliert und frei von den Einflüssen anderer verbringen. Vielmehr spielen peer groups[7] eine entscheidende Rolle in der persönlichen Entwicklung und Sozialisation heutiger junger Menschen. „Die Ablösung der Jugendlichen von der Herkunftsfamilie beginnt häufig schon im Alter von zwölf und dreizehn Jahren. (vgl. Hurrelmann 1995: 142). Etwa im gleichen Maße wie die Familienablösung voranschreitet, steigt der Einfluss der Gleichaltrigengruppe.“ (Burdewick 2003: 22)

Öffentliche Institutionen und traditionelle gesellschaftliche Organisationen sind gemeinhin Orte der Interessensaggregation und dies zumeist für eine gewisse Anzahl von Beteiligten, Betreuten bzw. Mitgliedern. Dafür stellen sie regelmäßig die Interessen des Gemeinsamen vor die des Einzelnen und bedienen sich für ihre Aktivitäten zum Großteil fester Regeln und Riten. Somit verlieren auch diese Institutionen und Organisationen, wie Parteien, Verbände und Religionsgemeinschaften, an Deutungsmacht und Einfluss, wobei neue Gemeinschaftsformen wie Freundeskreise, Szenen und andere informelle Gruppen entstehen, die vor allem im privaten Bereich angesiedelt sind und für die Jugendlichen zum zentralen Bezugspunkt ihres Lebens werden.

Die Individualisierung hat auf der einen Seite zur Folge, dass ein Primat des Privaten im Vergleich zum Öffentlichen festgestellt werden kann. Im Zweifelsfall sind die „eigenen vier Wände“ – im engeren und übertragen Sinn – wichtiger als die eigene Rolle und das eigene Mitwirken in der Gesellschaft. Auf der anderen Seite begünstigt gesellschaftlicher Individualismus auch persönliche Egozentrik verwandt: Betrachtet man die Welt nur aus dem eigenen Blickwinkel, so entsteht daraus mitunter ein ich-bezogenes Anspruchsdenken. Zahlreiche Ansprüche, die junge Menschen an sich und die Welt um sie stellen, berücksichtigen Rahmenbedingungen und die Bedürfnisse bzw. Möglichkeiten von Gemeinschaften und Gesellschaft nicht oder nur wenig und scheitern somit in der Umsetzung.

Die Individualisierung geht wie oben beschrieben auch mit weiteren Phänomene einher: Pluralisierung und Entstrukturierung werden im Leben des Einzelnen genauso spürbar wie in der Gesellschaft insgesamt sichtbar.

Pluralisierung meint im Grunde, dass eine Gesellschaft sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Komponenten, hier etwa Lebensstile zusammensetzt. Sie findet Ihren Niederschlag z.B. in einer wachsenden Vielfalt an kommerziellen Angeboten, in immer mehr möglichen Formen, das eigene Leben zu gestalten und in der grundsätzlichen Offenheit gegenüber unterschiedlichen Lebensformen. (vgl. Großegger/Heinzlmaier 2007: 6ff).

In einer Gesellschaft der Individuen, in der eine Vielfalt von Lebensformen anstelle von Einheitlichkeit oder sogar Uniformität Platz greift, gewinnen persönliche Lebensstile und Moden immer mehr an Bedeutung. Eine solch individualisierte Lebensweise, die eine hohe Flexibilität erfordert, ist schwer bis gar nicht in Einklang zu bringen mit Organisationen und Institutionen, die nur traditionelle, oft sehr starre Muster der Kommunikation und Zusammenarbeit anbieten. Um junge Menschen in Freizeit und Politik daher zur Partizipation zu motivieren, bedarf es daher in diesen Bereiche einer Öffnung und mehr Beweglichkeit.

Entstrukturierung bezeichnet die Auflösung vorhandener Strukturen. Bestehende Institutionen, politische Parteien und traditionelle Verbände verlieren an Einfluss, wobei neue Formen von Gemeinschaft, im Kleinen wie im Großen, entstehen. (vgl. Großegger/Heinzlmaier 2007: 6ff) Anders als in früheren Jahrzehnten passiert diese Entstrukturierung aber nicht durch lautstarke und in aller Öffentlichkeit ausgetragene Rebellion der Jugendlichen, sondern ergibt sich aus deren individuellen und pragmatischen Handeln praktisch als „stille“ Folge.

Für Jugendliche bedeutet die Individualisierung, dass es aufgrund des sinkenden Einflusses traditioneller Institutionen und Organisationen und des damit verbundenen Schwindens sozialer Kontrolle notwendig wird, das Leben zunehmend und zunehmend früher selber in die Hand zu nehmen. (vgl. Großegger/Heinzlmaier 2008: S. 8) Der Übergang vom Kind zum Jugendlichen ist genauso durch das eigene Tun bestimmt wie die Tatsache, dass sich die Jugendphase heute praktisch beliebig verlängern und die Erwachsenenrolle genauso so lang verweigern lässt.

Die Sozialforschung hat für diese neue Lebensphase, die mitunter auch über ein Alter von 30 Jahren hinausgehen kann, den Begriff Postadoleszenz entworfen. Wohl auch aus diesen Anforderungen an den einzelnen jungen Menschen lässt sich der neue Pragmatismus der Jugendlichen erklären.

Jugendliche und ihr (neuer) Pragmatismus

Pragmatisch bedeutet „sachlich, den Tatsachen, Erfahrungen, der Praxis des Lebens entsprechend, dem praktischen Nutzen dienend.“ (Wahrig-Burfeind 2008: 1161) Pragmatismus bezeichnet also ein dieser Definition entsprechendes Handeln.

„Die fetten Jahre sind vorbei: ‚Spaßgesellschaft’ trifft ‚Ernst des Lebens“, titeln Beate Großegger und Bernhard Heinzlmaier in ihrem Buch „Die neuen vorBilder der Jugend“ (Großegger/Heinzlmaier 2007: 18). In der Tat wachsen Kinder und Jugendliche heute in einer Leistungsgesellschaft auf. Deutlich über 50 Prozent der 11- bis 30-Jährigen geben in einer Befragung der T-Factory von 2007 an, dass sie sich in Arbeit, Schule oder Studium stark unter Druck fühlen und dass dieser Druck von Jahr zu Jahr größer wird. (vgl. Großegger/Heinzlmaier 2007: 19f)

Und auch die deutsche Shell Jugendstudie von 2006 charakterisiert die Jugendlichen ähnlich: „Die heutige junge Generation stellt sich mit einem ausgesprochen pragmatischen Zugang den Herausforderungen in unserer Gesellschaft. […] Leistungsbereitschaft, Engagement und eine Orientierung an den konkreten und naheliegenden Problemen prägen die Grundhaltung dieser Generation.“ (Shell Deutschland Holding 2006: 15) Gleichzeitig sieht auch die Shell Jugendstudie 2006 diese „pragmatische Generation“ hohen und wachsenden Anforderungsdruck unterworfen, der seinen Ursprung in tief greifenden gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen hat. (vgl. Shell Deutschland Holding 2006: 443)

Es hat offenbar eine Art „stille Revolution“ stattgefunden, was das Leben jugendliche betrifft. Anstelle von Selbstverwirklichung und idealistischen Utopien geht es ihnen stärker um Einkommen, Konsum, Karriere und Sicherheit, die auch zum Bezugsrahmen für die persönliche Wertigkeit des einzelnen Jugendlichen im Freundeskreis werden. Themen wie die unsichere Finanzierung des Sozialstaates, der prekäre Arbeitsmarkt, zunehmende Migration, wachsende Globalisierung und internationaler Terrorismus verändern die Wertepräferenzen gerade junger Menschen. Sicherheit wird zum zentralen Wunsch der Jugendlichen – im Beruf und in der Öffentlichkeit ebenso wie in der Familie, Partnerschaft und Freundschaftsbeziehungen.

Im Sinne obiger Definition geht es jungen Menschen bei ihrem Handeln regelmäßig um dessen praktischen Nutzen. Also führt der neue Pragmatismus der Jugendlichen dazu, dass diese ihren Entscheidungen weniger moralisch-ethische Überlegungen zugrunde liegen als vielmehr sachlich-nüchterne, aber durchaus subjektive Kosten-/Nutzen-Abwägungen.

Der neue Pragmatismus hat somit auch Auswirkungen auf das Sozial- und Freizeitverhalten junger Menschen. Zum Einen ist ein Primat des Berufslebens festzustellen bei gleichzeitig abnehmender Bedeutung von Vereinsaktivität und regelmäßiger kultureller bzw. sportlicher Tätigkeit. Imperative des Marktes werden insofern verallgemeinert, als Effizienz, Nützlichkeit, Funktionsfähigkeit und Rentabilität zu allgemeinen Gradmessern menschlichen Denkens und Handelns werden. Somit wird nicht nur Bildung den Anforderungen des Arbeitsmarktes, sondern auch Familien- und Freizeitleben der Erwerbsarbeit untergeordnet. (vgl. Großegger/Heinzlmaier: 18ff)

Zum Anderen wird ehrenamtliches und freiwilliges Engagement genauso wie andere Lebensbereiche einer Kosten-/Nutzen-Analyse unterzogen, bevor es zu einer entsprechenden Zusage bzw. Verpflichtung kommt. In der Zeit eines „posttraditionellen Materialismus“ werden alle Lebensbereiche einem „moralisch dekontextualisierten Nützlichkeitsdenken“ unterworfen. (vgl. Heitmeyer 2007: 20f).

Das heißt jedoch nicht, dass dem Handeln junger Menschen nicht trotzdem ein Werteraster zugrunde liegt. Dieses erwächst aus und manifestiert sich aber weniger in größeren gesamtgesellschaftlichen Konzepten und Zielen, sondern im praktischen Alltagshandeln. Am Gemeinwohl orientierte moralische Normen werden durch ökonomisch motivierte, praktisch kalkulierende Orientierungen verändert oder ersetzt. „Die Zunahme leistungs-, macht- und anpassungsbezogener Wertorientierungen setzt sich fort, die engagementbezogenen nehmen ab.“ (Shell Deutschland Holding 2006: 445)

Weder jedoch sind Kreativität und Leistung ein Widerspruch für die heutigen Jugendlichen, noch handelt es sich um eine Generation egoistischer Eremiten. Im Gegenteil: Der Wunsch nach befriedigenden sozialen Beziehungen ist vorhanden und wächst. (vgl. Shell Deutschland Holding 2006: 15 und 445)

Die Bedeutung von Authentizität

Die Lebenswelt der heutigen Jugendlichen wurde nun als eine charakterisiert, die das Schicksal des Einzelnen vor das Wohl der Gemeinschaft stellt und die nüchternen Kosten-/Nutzen-Abwägungen mehr Raum gibt als visionären Ideologien und Ideen. So eine Welt könnte folglich als werte(!)los und amoralisch verstanden werden. Diese Schlussfolgerung scheint – so zeigen die Ergebnisse der Jugendforschung – nicht zulässig zu sein. Die Jugendlichen greifen auf ein in mehrerlei Hinsicht anspruchsvolles Wertegerüst zurück und stellen demnach hohe Anforderung an sich selbst und an ihre Umwelt.

Authentizität, in anderen Worten: Echtheit, Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit (vgl. Wahrig-Burfeind 2008: 214), stellt einen ganz zentralen Wert für die jungen Menschen dar. Gerade also, weil das Bildungs- und Berufsleben den jungen Menschen viel abverlangt und weil damit die Erwartungen an ein selbständiges individuelles Leben hoch sind, gewinnen authentische, „echte“, und damit stabile zwischenmenschliche Beziehungen deutlich an Bedeutung.

Authentizität ist aber nicht nur eine Eigenschaft, die sich junge Menschen von ihren privaten Bezugspersonen erwarten, sie bewerten auch Personen des öffentlichen Lebens nach denselben Kriterien. Der Wunsch nach glaubwürdigen politischen Vertretern wird immer wieder geäußert, bedeutet jedoch nicht, dass sich junge Menschen aus diesem Grund unbedingt gleichaltrige Politiker wünschen. Nicht das Alter oder andere Merkmale stehen für die Wahlentscheidung Jugendlicher im Vordergrund, sondern eben die die Authentizität der betreffenden Person und die Kongruenz deren Aussagen und Handlungen.

Aus Ihrer Erfahrung in der Jugendforschung formulieren Beate Großegger und Bernhard Heinzlmaier dies folgendermaßen: „Authentisch ist positiv besetzt und bedeutet ‚in sich stimmig sein’. Dieses in sich Stimmige heißt nichts anderes, als dass man sich selbst, mit dem ,was man tut, gut fühlt. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man selbstbestimmt handeln und das, was einem selber wichtig ist, umsetzen kann. Ist das der Fall, macht einen das nach außen hin glaubwürdig und echt.“ (Großegger/Heinzlmaier 2007: 41).

Das Gegenteil verkörpern „Poser“[8] und „Fakes“[9], die die Lebensstile anderer lediglich nachahmen. Ebenso nicht authentisch sind so genannte „entfremdete Menschen“, die gleichermaßen als „Opfer des Systems […] nicht in der Lage sind, das was sie selber tun wollen und wobei sie sich gut fühlen, mit dem, was ihnen von außen abverlangt wird, in ein stimmiges Verhältnis zu bringen.“ (Großegger/Heinzlmaier 2007: 41f) Gerade Politikern wird dies ja oft zugeschrieben.

Jugendliche Mediennutzung

Massenkommunikation gilt in der Wissenschaft als Vermittlerin, Bedingung oder Determinante politischen Bürgerhandelns. Insofern können Massenmedien als intermediäres System beschrieben werden, das die Bedürfnisse und Forderungen unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Akteure aufgreift, aggregiert und sie in Input für politische Entscheidungsprozess umgestaltet. Gleichzeitig gelten Massenmedien selber als politische Akteure mit eigenen Interessen und Ansprüchen, die dem Bereich der Systemunterstützung zuzurechen sind, sowie als Instrumente zur Mobilisierung der Bürger auch in Richtung politischer Aktivität. Zusammenhänge zwischen Mediennutzung und unterschiedlichen Formen politischer Beteiligung lassen sich regelmäßig nachweisen. (vgl. Schulz 2008: 218ff)

Jürgen Grimm hat im Rahmen seiner empirischen Untersuchung „Jugend, Medien, Politik“ das Mediennutzungsverhalten von 546 Jugendlichen zwischen 11 und 19 Jahren erhoben. Dabei stellt er fest: „Das quantitativ dominierende Massenmedium ist bei Jugendlichen nach wie vor das Fernsehen (über 13 Stunden) pro Woche, gefolgt vom Radio (knapp 7 Stunden pro Woche).“ (Grimm 2003: 8) Eine deutlich geringere Rolle spielen Tageszeitungen und Buchkonsum, eine relativ größere allerdings Computer und Internet, die zusammen fast 12 Stunden pro Woche genutzt werden. (vgl. Grimm 2003: 8) Mit ihrer Mediennutzung verfolgen Jugendliche zwar mehrheitlich Unterhaltungsinteressen, dennoch ist auch das Informationsinteresse durchaus vorhanden (vgl. Grimm 2003: 8f).

Medien erbringen im Rahmen der politischen Sozialisation Jugendlicher die wichtige Leistung der politsicher Information. (vgl. Schulz 2008: 165) Mediennutzung ist jedoch nicht gleichbedeutend mit politischer Informationsbeschaffung: „So werden in Kreisen apathisiert-desorientierter Jugendlicher Informationstechnologien und Massenmedien vorwiegend für Zwecke der Rekreation und Ablenkung oder Bekräftigung rudimentalisierter Selbstwertgefühle, aber auch als Objekte der Erst- und Weiterqualifizierung für die Sicherung oder Verbesserung der materiellen Reproduktion genutzt.“ (Claußen 1998b: 77) So ist für das Massenmedium Fernsehen auch folgender Schluss zulässig: „Je länger jemand fernsieht, desto geringer sein Wissen. Das gilt durchgängig für alle Wissensgebiete, außer für Sport.“ (Schulz 2008: 165)

Im Rahmen der dieser Diplomarbeit zugrunde liegenden Untersuchungen wurden Jugendliche ebenfalls zu ihrem Medienkonsum befragt. Insofern werden folgende Kapitel darüber noch mehr Auskunft über jugendliche Mediennutzung geben, zumindest hinsichtlich der für die Befragung gewählten Stichprobe.

Eine allgemeine Bemerkung von Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier sei hier noch nachfolgenden Betrachtungen vorangestellt: „Die heute unter 30-Jährigen sind unter dem Einfluss von Bildmedien sozialisiert worden. Fernsehen rund um die Uhr, Internetkommunikation mit Text, Bild, Ton, Bilddominanz in Printmedien, das sind die Rahmenbedingungen, unter denen (Medien-)Sozialisation heute stattfindet. Und dies hat Konsequenzen für die politische Kommunikation.“ (Heinzlmaier 2008: 4)

c) Politisches Erleben junger Menschen

„Ganz allgemein muss bei der Auseinandersetzung mit politischem Verhalten von Jugendlichen beachtet werden, dass diese spezifische Lebensphase – unabhängig von den Lebensumständen im Einzelfall – generell eine Phase der eigenverantworteten Identitätssuche darstellt. Der Jugendliche muss nicht nur zu sich selbst, sondern vor allem zum anderen Geschlecht sowie zu den Werten seiner Kultur und Gesellschaft einen Standpunkt gewinnen“, schreibt Christian Böhmer einleitend in seiner Diplomarbeit über „Politikverdrossenheit in Österreich“ (Böhmer 2002: 33).

Politikverdrossenheit ist ein aktuell häufiger verwendeter Begriff, wenn es darum geht, das Verhältnis junger Menschen zu Politik zu beschreiben. Tatsächlich hat dieses Verhältnis vielerlei Aspekte genauso wie etwa unter den Begriff „Politik“ eine Vielzahl von Bedeutungen subsumiert werden können. Im Folgenden wird auf die jene Aspekte des politisches Erlebens junger Menschen daher näher eingegangen, die für den Themenbereich der vorliegenden Arbeit und die hierin durchgeführte Untersuchung von Relevanz sind.

Dem vorangestellt sei noch ein Auszug aus der 15. Shell Jugendstudie, die aufgrund der ihr zugrunde liegenden Erhebungen Jugendliche in Bezug auf deren Verhältnis zu und Umgang mit Politik in vier Gruppen einteilen kann. Demnach sind 28% der Jugendlichen, ebenfalls etwas mehr als 2002, als „politik-kritische“ Jugendliche zu bezeichnen, indem sie nicht nur eine große Distanz zur Politik haben, sondern sich aus selbst am stärksten als „politikverdrossen“ bezeichnen (vgl. Shell Deutschland Holding 2006: 19). Im genauen Gegensatz dazu gehören „knapp ein Viertel [der Jugendlichen], und mit 24% damit etwas mehr als bei der letzten Shell Studie von 2002, […] zu den ‚mitwirkungsbezogenen’ Jugendlichen, die in ihrer Grundhaltung im weiteren Sinne als ‚politisiert’ bezeichnet werden können.“ (Shell Deutschland Holding 2006: 19) Im genauen Gegensatz dazu. Die beiden weiteren Gruppen bilden mit 28% die sich selber so definierenden „politisch desinteressierten“ Jugendlichen und mit 19% die als „ordnungsorientiert“ zu bezeichnenden Jugendlichen. Letztere Gruppe zeichnet sich etwa durch ein Bekenntnis zur Demokratie aus, gleichzeitig aber auch durch den Wunsch einer straffen Abwicklung politischer Entscheidung ohne langwierige Debatten. (vgl. Shell Deutschland Holding 2006: 19f) Diese Jugendlichen sind wohl im engeren Sinne des im vorangegangenen Kapitels beschriebenen Begriffes auch pragmatisch.

Stellenwert und Image von Politik: Zwischen politischem Interesse und Politikverdrossenheit

„Ein gewisses Maß an politischem Interesse gilt als Voraussetzung für die in Demokratien als zentral erachtete Teilhabe am politischen Willensbildungsprozess. […] Ein[e] Abkehr Jugendlicher [vom politischen System] könnte sich durch den Austausch von Kohorten langfristig zu einem allgemeinen Legitimationsproblem des politischen Systems ausweiten (Kroh 2006: 186)“, stellt Martin Kroh einleitend zu seiner Untersuchung über den angeblichen Wandel des politischen Interesses Jugendlicher in Deutschland fest. Die Ergebnisse seiner Forschung sind aufgrund der in Deutschland vorliegenden Spezifika (deutsche Einheit und damit verbundene unterschiedliche Entwicklung in Ost- und Westdeutschland; geänderte Immigrationsgeschichte) auf Österreich kaum umzulegen. Kroh konstatiert jedoch, dass im Großen und Ganzen das Interesse junger Menschen an Politik seit Beginn der 1990er-Jahre auf einem niedrigen Niveau stabil geblieben sei. (vgl. Kroh 2006: 203ff)

Die Shell Jugendstudie 2006 hat – ebenfalls für den deutschen „Markt“ – das Interesse Jugendlicher an Politik untersucht. Dabei wird festgestellt, dass dieses Interesse insofern weiterhin relativ gering ist, als „der Anteil der politisch Interessierten von 55% im Jahre 1984 bzw. 57% im Jahre 1991 auf inzwischen 39% gesunken ist.“ (Shell Deutschland Holding 2006: 18). Das Bildungsniveau der Jugendlichen spielt insofern eine bemerkenswerte Rolle, als „mehr als zwei Drittel der Studierenden sowie ebenfalls ein signifikant höherer Anteil der Schüler aus der gymnasialen Oberstufe für sich ein Interesse an der Politik [reklamieren].“ (Shell Deutschland Holding 2006: 18)

Für das Magazin facts fasst Reinhard Zuba einen Vortrag von Wolfgang Gaiser im Rahmen des 4. internationalen Symposiums des Österreichischen Instituts für Jugendforschung am 23. November 2007 zusammen, der sich dem Spannungsverhältnis zwischen politischen Orientierungen und politischem Verhalten Jugendlicher widmet. Dabei hält Zuba fest: „Das politische Interesse der Burschen und Mädchen in Österreich ist im Ländervergleich (Quelle: EUYOUPART) überdurchschnittlich ausgeprägt.“ Was die Motive für freiwilligen politischen Engagements betrifft, wo Österreichs Jugendliche innerhalb Europas ebenfalls einen Spitzenrang einnehmen, geht aus dem Text hervor, dass „dabei eine Verschiebung […] gegeben hat. Das ‚geselligkeitsorientierte’ Motivbündel verliert innerhalb von fünf Jahren (1999-2004) dramatisch an Bedeutung. Das Motivbündel ‚Interessensorientierung’ wird in dieser Zeitspanne zur dominierenden Motivations- und Erwartungsstruktur, wobei die Berufsorientierung nicht im Vordergrund steht. […] Insbesondere wenn es um politisches Engagement geht, gilt diese Aktivität als mögliches Feld zur Selbstprofilierung in der Jugendphase.“ (Zuba 2008: 11)

Dass Politik für junge Menschen einen verhältnismäßig geringen Stellenwert hat belegt auch die Pilotstudie von Peter Filzmaier zum Thema „Jugend und Politische Bildung“, demzufolge nur einer von 10 Jugendlichen Politik als wichtigen Lebensbereich bezeichnet, wobei zum Vergleich 80 Prozent der Jugendlichen Familie, 74 Prozent Freunde und noch immer 59 Prozent Schule bzw. Universität als einen wichtigen Lebensbereich für sich in Anspruch nehmen. (vgl. Filzmaier 2007: 9)

Der Stellenwert von Politik im Leben von Jugendlichen kann auch daran gemessen werden, wie viel Zeit junge Menschen der Beschäftigung mit Politik widmen. Das Institut für Jugendkulturforschung etwa hat im Jahr 2007 für die Jugendstudie „elf/18“ österreichische Jugendliche im Alter zwischen 11 und 18 Jahren über deren Gesprächsstoff im Freundeskreis gefragt. Über „das, was sich in der Politik tut“ sprechen im Freundeskreis nur 18,4 Prozent der 11- bis 18-Jährigen hauptsächlich, wobei die Planung von Freizeitaktivitäten bei knapp 70 Prozent dieser Jugendlichen ein häufiges Gesprächsthema ist, die berufliche Zukunft noch bei fast einem Drittel. Politik kommt in den Gesprächen der Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren deutlich öfter vor als bei den jüngeren Jugendlichen. Burschen sprechen mit 20,4 Prozent häufiger als Mädchen (16,3 Prozent) über politisches Geschehen. (vgl. Großegger/Heinzlmaier 2007: 131) Allein schon diese Zahlen belegen die relativ geringe Bedeutung, die Politik als Gesprächs- und somit wohl auch Handlungsthema für junge Menschen hat, gerade im Vergleich zu anderen Lebensbereichen.

„Studien, die sich mit Jugendlichen auseinandersetzen (wie zum Beispiel die Shell-Studie 2002) ist zu entnehmen, dass sich unter den Jugendlichen in Deutschland eine gewisse Politikverdrossenheit verbreitet hat. Dies ist allerdings nicht auf ein generelles politisches Desinteresse der Burschen und Mädchen zurückzuführen, sondern eher auf eine Distanzierung gegenüber Parteien und PolitikerInnen. Die Jugendlichen erleben seitens der konventionellen Politik wenig Anerkennung und reagieren [darauf] ihrerseits mit Desinteresse. Der Demokratie als politisches System stehen die Jugendlichen jedoch positiv gegenüber und haben durchaus das Bedürfnis sich in ihrem Umfeld sozial und politisch zu engagieren.“ (Stagl 2008a: 7)

In Medien und Wissenschaft ist regelmäßig davon die Rede, dass gerade junge Menschen zunehmend politikverdrossen sind oder zumindest zu sein scheinen. Dafür bedarf es vorweg einer Klärung des entsprechenden Begriffes „Politikverdrossenheit“, um hernach dessen Ausprägungen in der Praxis darstellen zu können. „Eine der zielführendsten Definitionen […] ist jene von Gordon Smith. Er definierte Politikverdrossenheit als ‚schleichendes Unbehagen, […] das sich in etablierten politischen Institutionen ausbreitet und mit eine diffusen allgemeinen Unzufriedenheit mit der Funktionsweise der Parteiendemokratie gekoppelt ist.“ (Smith 1996: 160, zit. n. Böhmer 2002: 24)

Mit den Ergebnissen der Shell Jugendstudie 2006 kann dieser Gedanke weitergeführt werden. Denn es wird dieser Studie gemäß von den Jugendlichen gerade jenen staatlichen Institutionen das meiste Vertrauen entgegengebracht, die gleichzeitig als parteiunabhängig angesehen werden, also etwa der Polizei und Justiz, ebenso aber auch „überparteilichen“ Menschenrechts- oder Umweltschutzorganisationen. Am wenigsten vertrauenswürdig sind für die Jugendlichen jedoch politische Parteien. (vgl. Shell Deutschland Holding 2006: 19) Wie neben der Shell Jugendstudie u.a. auch Peter Filzmaier belegt, sind die jungen Menschen mehrheitlich nämlich mit der Demokratie als Staatsform und ihren grundlegenden Spielregeln prinzipiell zufrieden, wobei sie mit 62% in ebenso hohem Ausmaß eine kritische Einstellung gegenüber Politikern haben. (vgl. Filzmaier 2007: 8ff)

Wolfgang Gaiser und seine KollegInnen richten ihre Aufmerksamkeit auch auf „Demokratiezufriedenheit, Institutionenvertrauen und Vertrauen in Politiker“ bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Der von Gaiser u.a. zitierte DIJ-Jugendsurvey 1997]verdeutlicht im Überblick die Unterschiede des Vertrauens, das den einzelnen Institutionengruppen von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen entgegengebracht wird. „Das geringste Maß an Vertrauen genießen die Institutionen der etablierten Politik. Demgegenüber erhalten diejenigen Institutionen das höchste Maß an Vertrauen, die alternativ dazu Politikinhalte und auch Verfahrensweisen repräsentieren, die im etablierten Politikbereich aus Sicht der 16- bis 29-Jährigen keine oder ungenügende Berücksichtigung finden.“ (Gaiser/Gille/ Krüger/de Rijke 2003: 74f)

Folgendermaßen fassen Christian Palentien und Klaus Hurrelmann ihre Betrachtungen zusammen und ziehen Konsequenzen für die Beurteilung des Verhältnisses Jugendlicher zur Politik: „Ingesamt wird deutlich, dass es heute weniger eine Politikverdrossenheit ist, die die politische Situation von Kindern und Jugendlichen beschreibt, als vielmehr eine Politikerverdrossenheit. Schon seit längerer Zeit findet eine Ablösung der Parteien von den Diskussionsprozessen der Bürgerinnen und Bürger statt. Politikerinnen und Politiker werden dementsprechend nicht mehr als ‚Sprachrohr’ für die Belange und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger verstanden, sondern als Funktionäre eines abgehobenen Kartells von Parteien und Regierungsapparaten wahrgenommen. Die Folge ist eine immer weiter voranschreitende Entfremdung aller Bevölkerungsgruppen von dem derzeit politischen System, insbesondere aber der Gruppe der Kinder und Jugendlichen.“ (Palentien/Hurrelmann 1998: 19)

Politische Information, politische Bildung und Wissen um Politik

Gemäß dem bereits im vorangegangen Kapitel „Jugendliche Lebenswelten“ gesagten stellt Bernhard Heinzlmaier fest: „Auch für politische Kommunikation gilt heute: Was sich nicht über das Bild symbolisch-emotional vermitteln lässt, kommt bei einem großen Teil der jungen WählerInnen nicht an. […] Das Wort, geschrieben oder gesprochen, hat für die in medialen Bilderwelten sozialisierten Jugendlichen vielfach nur sekundäre Bedeutung.“ (Heinzlmaier 2008: 4)

In einer von den österreichischen Bundesministerien für Wissenschaft und Forschung einerseits sowie für Unterricht, Kunst und Kultur andererseits in Auftrag gegebenen Studie stellte Autor Peter Filzmaier u.a. ebenso fest, dass das, was junge Menschen über Politik wissen bzw. zu wissen glauben, zum überwiegenden Teil – nämlich bei 75 Prozent der Jugendlichen – aus Massenmedien stammt. Dazu zählen nun natürlich auch Zeitungen, Zeitschriften und Radio, jedoch werden Fernsehen und Internet am häufigsten genannt, wobei die Massenmedien von den Jugendlichen auch für die deutlich glaubwürdigste Informationsquelle gehalten werden. (vgl. Filzmaier 2007: 17f) „Gespräche mit den Eltern sowie im FreundInnenkreis nehmen demgegenüber mit erstplatzierten Nennungen von 10 Prozent bzw. im einstelligen Prozentbereich hinsichtlich der Wichtigkeit einen sehr untergeordneten Stellenwert ein. Nur fünf Prozent nennen Schule und Universität als primäre Orte bzw. Quellen der politischen Information, Jugendorganisationen und Vereine sind völlig unbedeutend.“ (Filzmaier 2007: 18)

Dies legt einen Zusammenhang mit der vom amerikanischen Politikwissenschaftler Michael J. Robinson im Jahr 1976 postulierten „Video-Malaise-These“ nahe. Es wird dabei angenommen, dass das medial – insbesondere vom Fernsehen – konstruierte Politikbild zur Entfremdung einzelner sozialer Gruppen von Fernsehnutzern von der Politik beiträgt. (vgl. Jarren/Donges 2006: 369) Die als Resultat daraus angenommen „politische Malaise steht dabei für eine Einstellungssyndrom, das neben dem sinkenden Vertrauen in die Effektivität und Integrität von Politikern und Regierung auch noch durch den Eindruck gekennzeichnet ist, das politische Geschehen werde immer komplizierter und undurchschaubarer, sowie durch das subjektive Gefühl, als Einzelner keine Einflussmöglichkeiten auf politische Entscheidungen zu haben.“ (Burkart 2002: 360)

Daraus kann auch geschlossen werden, dass Erwerb politischer Eindrücke und politischen Wissens sogar eher kontraproduktiv ist im Sinne der Steigerung gerade jugendlicher Partizipation. Persönliche Kontakte mit politischen Akteuren hingegen können eine diesbezüglich positive Wirkung erwarten lassen, was im Laufe dieser Arbeit noch näher beleuchtet wird.

Nach Schulz sind die Zusammenhänge zwischen Mediennutzung und politischer Beteiligung mehrdeutig. So kann auf der einen Seite Mediennutzung als Ursache größerer oder geringerer politischer Aktivität gesehen werden. Wahrscheinlicher ist aufgrund diverser Forschungsergebnisse jedoch, dass die stärker oder schwächer ausgeprägte Disposition zum politischen Engagement Ursache sowohl der politischen Beteiligung als auch der (politischen) Mediennutzung ist. Am wahrscheinlichsten kann eine Wechselwirkung zwischen beiden angenommen werden. (vgl. Schulz 2008: 226f)

Persönliches Wissen kann durchaus als eine, wenn auch nicht die einzige Voraussetzung für politisches Handeln gesehen werden. So geben in eine Wahltagsbefragung zu den österreichischen Nationalratswahlen 2006 knapp 30 Prozent der 18- bis 24-jährigen Nichtwähler an, dass sie deshalb nicht an der Wahl teilgenommen hatten, weil sie „zu wenig Informationen über diese Wahl und worum es geht“ hatten. (vgl. Filzmaier 2007: 21)

In Österreich findet aktuell, nicht zuletzt ausgelöst durch die Debatte über die Senkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre, eine Diskussion über die politische Bildung an den Schulen statt. Jugendliche sind sich einer entsprechenden Bildungslücke in diesem Bereich insofern bewusst, als zwei Drittel von ihnen meinen, „dass im Bereich Politische Bildung zu wenig getan wird.“ (Filzmaier 2007: 12) Noch mehr, nämlich beinahe drei Viertel der von Peter Filzmaier befragten Jugendlichen wünschen sich demnach ein eigenes Unterrichtsfach zur politischen Bildung, dessen inhaltliches und methodisches Spektrum sie unter dem Namen „Demokratie lernen“ zusammenfassen. (vgl. Filzmaier 2007: 16f)

Politische Partizipation

„Kaum ein Thema wird in der letzten Zeit so intensiv diskutiert wie die Frage, welche politischen Beteiligungsmöglichkeiten Jugendlichen heute eingeräumt werden sollen [...] Vorherrschend ist noch immer, Jugendliche nicht an politischen Entscheidungen zu beteiligen.“ (Palentien/Hurrelmann 1998: 11)

„Unter Partizipation wird gemeinhin das Mitwirken an Entscheidungen verstanden. Im Bezug auf Partizipation im Jugendalter wird dieser Begriff jedoch weiter ausdifferenziert und als ‚Recht auf frei, gleichberechtigte und öffentliche Teilhabe der BürgerInnen an gemeinsamen Diskussions- und Entscheidungsprozessen in Gesellschaft, Staat und Institutionen, in institutionalisierter oder offener Form’ definiert. Partizipation stellt also die aktive Praxis von Demokratie durch Subjekte dar.“ (Stagl 2008a: 7)

Winfried Schulz identifiziert gestützt auf eine Untersuchung von Verba und Nie folgende hauptsächliche und konventionelle Partizipationsformen: Wählen, das aktive Engagement in politischen Parteien und im Wahlkampf, politische Aktivitäten in der Gemeinde und die Kontaktaufnahme mit politisch Verantwortlichen. Letzterer wird als zentralem Forschungsgegenstand dieser Arbeit an anderer Stelle ausreichend Raum gegeben.

Die potentielle Wahlteilnahme Jugendlicher wurden im Rahmen der empirischen Untersuchung zu dieser Arbeit auch abgefragt. Jugendliche sind in Österreich erst seit einer jüngsten Wahlrechtsreform ab dem 16. Geburtstag wahlberechtigt. Zum Befragungszeitpunkt galt diese Gesetzesänderung noch nicht und waren somit die an der Untersuchung Beteiligten Jugendlichen jedoch zum überwiegend Teil. Diese Form der politischen Partizipation soll daher aus den Betrachtungen vorläufig ausgeklammert werden.

Was die Mitgliedschaft Jugendlicher in politischen Parteien betrifft kann mit Hofmann-Lange Folgendes festgehalten werden: „Meinungsumfragen ergeben regelmäßig, dass sich unter den Jugendlichen ein deutlich geringer Anteil von Personen mit fester Parteibindung befindet als in der Gesamtbevölkerung.“ (Hofmann-Lange 1998: 178)

In Umfrage gehen Beate Großegger und Bernhard Heinzlmaier der Frage auf den Grund, welche politischen Beteiligungsmöglichkeiten von (österreichischen) Jugendlichen überhaupt wahrgenommen werden: Demnach nehmen Burschen zwischen 14 und 19 Jahren zu 16% Beteiligungsmöglichkeiten in politische Parteien wahr – das ist die letzte Stelle aller Möglichkeiten, zu 25 Prozent in Jugendorganisationen. Auf den vordersten Rängen der Orte, an denen sich die Burschen politisch beteiligen, nennen diese Schule und Verein. Auch bei Mädchen zwischen 14 und 19 Jahren rangiert die politische Beteiligung innerhalb von Parteien mit 20 Prozent ganz hinten – das ist der vorletzte Platz vor Gewerkschaften. Wiederum sind Schule und Beruf auch beiden Mädchen die beliebtesten Orte der gesellschaftlichen Partizipation. (vgl. Großegger/Zentner 2005. 5f)

Auch die Aktivität Jugendlicher für politische und gesellschaftliche Ziele während ihre Freizeit wurde im Rahmen der empirischen Untersuchung zu dieser Arbeit erhoben und als Bezugsgröße für nachfolgende Betrachtungen verwendet. Zum Thema des konkreten Engagements Jugendlicher seien noch diese Betrachtungen vorangestellt: „Der Engagementbegriff ist im Umbruch – das hat bereits die 14. Shell Studie „Jugend 2002“ gezeigt. Jugendliche und junge Erwachsene verorten gesellschaftliches Engagement immer weniger in einem Bezugsrahmen, der Engagement mit Freiwilligenarbeit, altem und neuem Ehrenamt in traditionellen Institutionen oder auch im engeren Sinne mit Ideologie(n) verbindet. Was das gesellschaftliche Engagement betrifft, steht die Jugendarbeit und Jugendpolitik damit zweifelsohne vor einer neuen Situation. Vielleicht sollte man auch besser sagen: Sie steht vor einer neuen Herausforderung.“ (Großegger/Zentner 2005: 11)

Es lässt sich hier auch ein Zusammenhang zwischen den im vorigen Kapitel beschriebenen Trends in jugendlichen Lebenswelten herstellen: „Die gesellschaftliche Individualisierung macht offenbar auch vor dem Engagementbegriff nicht halt; der Allgemeinkonsens, was gesellschaftliches Engagement bedeutet, beginnt sich aufzulösen. Neben dem traditionellen Verständnis von Engagement, das großteils weltanschaulich motiviert ist und in Institutionen stattfindet, hat sich ein a-traditioneller Engagementbegriff in den Köpfen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen eingenistet, der in nahen sozialen Lebenswelten und nichtorganisierten individualisierten Handlungsbereichen seinen Ort findet.“ (Großegger/Zentner 2005: 11f )

Letztlich stellt sich die Frage nach Sinn bzw. Notwendigkeit jugendlichen politischen Engagements, auch im Hinblick auf dahingehende systemunterstützende Effekte auf die Politik. Für das Österreichische Institut für Jugendforschung hat Josepha Stagl das Buch „Kinder- und Jugendpartizipation. Im Spannungsfeld von Interessen und Akteuren“ von Benno Hafenger u.a. rezensiert. Dabei stellt sie fest: „Zusammenfassend betonen die Autorinnen, dass ‚je früher und nachhaltiger Jugendliche Partizipation als mitverantwortete Selbstbestimmung erfahren, desto größer werden ihre Ressourcen für demokratisches Handeln und desto größer ist ihre Chance, in Auseinandersetzungen über ihre zukünftige Gestaltung von Gesellschaft eine Stimme zu haben.“ (Stagl 2008a: 8) Geht man von obiger Definition von Partizipation aus, die Partizipation als tragende Säule unserer Demokratie darstellt, so kann man davon ausgehen, dass es ein gesamtgesellschaftliches Anliegen ist, Jugendlichen möglichst früh und viel Möglichkeit zu geben, an politischen Prozessen teilzuhaben. Insofern ist es im Rahmen dieser Arbeit auch eine Aufgabe, die Wechselwirkungen von Kontakterleben bzw. Kontaktverhalten mit politischen Parteien und dem Partizipationsverhalten Jugendlicher zu untersuchen.

Politische Sozialisation

Unter Sozialisation versteht man das „langsame Hineinwachsen des Menschen in die Gesellschaft“. (Wahrig-Burfeind 2008: 1377) „Der Soziologe Klaus Hurrelmann ortet [u.a. eine von vier wesentlichen] großen Entwicklungsaufgaben, [der] sich ein Jugendlicher – wieder unabhängig von der im Einzelfall bestehenden Situation – stellen muss: […] Die Herausbildung eines Werte- und Normensystems sowie eines ethnischen (!) und politischen Bewusststeins, das mit dem eigenen Verhalten und Handeln in Übereinstimmung steht, so dass die verantwortliche Übernahme von gesellschaftlichen Partizipationsrollen im kulturellen und politischen Raum möglich wird.“ (Böhmer 2002: 34)

In Analogie zu obiger Definition bedeutet politische Sozialisation das Hineinwachsen junger Menschen in das politische System innerhalb der Gesellschaft, indem sie sich etwa entsprechendes Wissen und Handlungsmuster aneignen. Die politische Sozialisation „umfasst dabei einen wesentlichen Teilbereich [eines] lebenslangen Lernprozesses: nämlich die Interaktion zwischen Individuum und dem Politischen des sozialen Lebens, wozu neben der politischen Organisation und Struktur des Staates […] auch politische Einstellungs- und Verhaltensmuster der nächsten Bezugspersonen und -gruppen gehören.“ (Wasmuht 2007: 439)

Bei der politischen Sozialisation spielt wie auch in anderen Lebensbereichen das soziale Umfeld junger Menschen eine große Rolle. Dazu hält Ursula Hofmann-Lange schon 1998 fest: „Die heutigen Jugendlichen wachsen also weit weniger als früher in sozial-strukturell vorgegebene politische Loyalitäten hinein.“ (Hofmann-Lange 1998: 180) Das Verhalten von Bezugspersonen hat durch die Möglichkeit des „Lernens am Modell“ dennoch Auswirkungen auf die politischen Prägungen und das politische Verhalten junger Menschen.

Neben peer groups, also gleichgesinnten und meist gleichaltrigen Kollegen und Freunden, kommt den Eltern oder vielmehr den Familien eine entscheidende Bedeutung zu. Die Shell Jugendstudie 2006 konstatiert allgemein einen Bedeutungszuwachs der Familie im Leben der jungen Menschen. „Jugendliche schreiben heute der Familie eine besonders hohe Bedeutung zu und bleiben lange in den Strukturen der Herkunftsfamilie. So leben 73% der Jugendlichen im Alter von 18 bis 21 Jahren noch bi ihren Eltern, [ebenso] 34% der 22- bis 25-Jährigen. Entgegen der These von der Auflösung von Ehe und Familie lässt sich bei den heutigen Jugendlichen eine starke Familienorientierung feststellen.“ (Shell Deutschland Holding 2006: 16f)

Bernhard Claußen untersuchte u.a. Medieneinflüsse und politisches Handeln von Jugendlichen in der Informationsgesellschaft und stellt fest, dass politische Sozialisation Ergebnis vieler Lernorte und Lebensumstände sei, dabei jedoch der Einfluss der Informations- und Mediengesellschaft von zentraler Bedeutung gesehen werden müsse. (vgl. Claußen 1998b: 73)

Aber auch der Erwerb politischen Wissens über andere Kanäle hat einen bedeutenden Einfluss. So hält Winfried Schulz fest: „Entscheidend für die Entwicklung politischer Kompetenz ist die politische Sozialisation. Wer längere Zeit im Bildungssystem verbringt, entwickelt einen breiteren Interessenshorizont und auch ein Interesse an Politik.“ (Schulz 2008: 179f)

Der Prozess und das Ergebnis politischer Sozialisation wird von vielen Einflüssen, die auch in vorangegangenen Kapiteln beschrieben wurden, geprägt. Letztlich kommt der Interaktion zwischen dem Einzelnen und der Politik bzw. deren Vertretern in ihrer unterschiedlichsten Form eine wichtige Aufgabe zu. Die Kontakte Jugendlicher mit politischen Parteien sind damit nicht nur als eine konventionelle Form der politischen Partizipation sondern als Grundlage für jegliche politische Sozialisation von zentraler Bedeutung.

4) KONTAKTE JUGENDLICHER MIT POLITISCHEN PARTEIEN

Basierend auf obigen Ausführungen zu den beiden Akteuren, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen, den politischen Parteien und den Jugendlichen soll im folgenden das Phänomen „Kontakt“ inklusive seiner Begrifflichkeit und Erscheinungsformen dargestellt werden. Diese theoretische Annäherung bildet wiederum die Grundlage für die Formulieren von Hypothesen und somit den Forschungsablauf im Gesamten, die Inhalt der darauffolgenden Kapitel sind.

a) Definition Kontakt

Kontakt bedeutet ganz allgemein „Berührung, Verbindung oder innere Beziehung“ (Wahrig-Burfeind 2008: 872). In der Psychologie bezeichnet Kontakt „das gegenseitige In-Beziehung-Treten zweier oder mehrerer Individuen, ihre Interaktion.“ (Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG 2008; Internet-Quelle) Sozialer Kontakt ist ein wesentliches Bedürfnis des Menschen, das auch die Identifikation mit und die Integration in einer Gruppe umfasst.

Kontaktieren bedeutet demgemäß nicht nur „mit jemandem Kontakt zu knüpfen“, sondern auch „sich mit jemandem zu unterhalten“. (Wahrig-Burfeind 2008: 872) Hier wird eine Parallele zum Begriff Kommunikation angesprochen, weshalb es sinnvoll erscheint, das Verhältnis dieser beiden Phänomene entsprechend zu beleuchten.

Dazu wird auf eine Definition aus dem Standardwerk „Publizistik Massenkommunikation“ von Elisabeth Noelle-Neumann u.a. zurückgegriffen: „Als Kommunikation bezeichnet man einen Vorgang, der auf bestimmten Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Subjekten beruht. Gemeinsam haben Kommunizierende: erstens eine (z.B. materielle oder energetische) Verbindung zur Übertragung von Signalen; zweitens eine durch Erwartungen gekennzeichnete Beziehung, aus der Information entsteht; drittens bestimmte übereinstimmende Kognitionen, d.h. Wissen, Erfahrungen, Bewertungen usw., aus denen sich die Erwartungen ableiten und den Signalen Bedeutung verleihen; und viertens bestimmte Absichten oder Folgen in Bezug auf ihren Zustand oder ihr Verhalten.“ (Noelle-Neumann/Schulz/Wilke 2003: 153)

Sowohl bei Kontakt als auch bei Kommunikation geht es also um eine Verbindung zwischen zwei (oder mehreren) Menschen. Nun kann man annehmen, dass entweder der Kontakt eine Voraussetzung für funktionierende Kommunikation ist, also dass er bereits gegeben sein muss, bevor Kommunikation beginnen kann. Gleichzeitig kann also ebenso plausibel angesehen werden, dass Kontakt erst durch Kommunikation entsteht, also dass man durch die Aufnahme von Kommunikation miteinander in Kontakt tritt.

Legt man diesen Betrachtungen zugrunde dass Kommunikation als Prozess beschrieben wird, der „in der Regel die vorhandene Gemeinsamkeit bestärkt oder neue Gemeinsamkeiten stiftet“ (Noelle-Neumann/Schulz/Wilke 2003: 153), so können beide oben genannte Schlüsse als zulässig gesehen werden. Entscheidend ist, dass sowohl für Kontakt als auch Kommunikation eine Verbindung bestehen muss und dass Kontakt und Kommunikation – gerade im sozial- wie kommunikationswissenschaftlichen Kontext – miteinander in enger Beziehung stehen. Sie bedingen einander jedoch wohl stärker in eine Richtung, nämlich insofern als Kontakt – entweder direkt oder vermittelt – bestehen muss, damit zwischen Menschen kommuniziert werden kann, dass jedoch auch ohne aufrechte bzw. ständige Kommunikation ein Kontakt zwischen Menschen aufrecht sein kann.

Dazu ein Beispiel aus dem Forschungskontext dieser Arbeit: Damit eine politische Partei, in Person eines ihrer Vertreter oder Mitarbeiter, mit einem Menschen kommunizieren kann, muss sie erst mit diesem Menschen einen Kontakt herstellen. Gleichzeitig kann grundsätzlich ein Kontakt, also eine Verbindung zwischen einem Menschen und einer Partei bestehen, der auch von beiden Seiten als solcher gesehen wird, z.B. in Form einer aufrechten Mitgliedschaft, ohne dass dieses Mitglied bzw. der Vertreter der politischen Partei aktuell oder regelmäßig miteinander kommunizieren.

Denn auch „[d]er engere Kommunikationsbegriff bezieht sich auf die Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Menschen, auf einen sozialen Prozess.“ (Noelle-Neumann/Schulz/Wilke 2003: 153)

Letztendlich ist zu sagen, dass für die gegebene Arbeit angenommen werden kann, dass Kontakt gewissermaßen als Vorbedingung für Kommunikation gesehen werden kann. Jedoch erscheint eine andere Deutung wesentlich sinnvoller, nämlich jene, die Kontakte als abgegrenzte Ereignisse der Interaktion sieht, die auch Kommunikation im engeren Sinn beinhaltet. Interaktion bedeutet zwar prinzipiell, dass mindestens zwei Individuen sich daran beteiligen. Dabei ist es jedoch nicht zwingend, dass es sich um klare Zwei-Weg-Kommunikation handelt.

b) Arten von Kontakt

„Nimmt man das politische Weltwissen der Bürger zum Ausgangspunkt, so lässt es sich zum großen Teil auf die mediale Politikvermittlung zurückführen. Politische Vorstellungen ‚aus erster Hand’ – also aus unmittelbarer Anschauung- beschränken sich auf seltene Gelegenheiten […]“, hält Winfried Schulz fest, wenn er beschreibt dass die politischen Vorstellungen heute weitestgehend medialisiert sind. Schulz 2008: 190)

Demgemäß kann auch was die Kommunikation zwischen Jugendlichen und politischen Parteien betrifft zwischen zwei Arten von Kontakten unterschieden werden: dem direkten oder persönlichen Kontakt und dem indirekten oder vermittelten Kontakt.

Direkter Kontakt

Der direkte Kontakt kann unmittelbar, also ohne die Notwendigkeit einer Einwirkung von Medien hergestellt, werden kann. Dieser Kontakt besteht direkt zwischen zwei oder mehreren Personen, somit kann er als persönlicher Kontakt bezeichnet werden.

Als Beispiele für solche Möglichkeiten, „aus unmittelbarer Anschauung“ politische Vorstellungen zu gewinnen, nennt Winfried Schulz etwa folgende Gelegenheiten im sozialen Umfeld: die Augenzeugenschaft einer politischen Demonstration, die Beobachtung einer Politikerrede bei einer Kundgebung oder ein Gespräch mit dem Wahlkreiskandidaten in der Fußgängerzone. (vgl. Schulz 2008: 190)

Indirekter Kontakt

Auf der anderen Seite steht der indirekte Kontakt, der nur unmittelbar zwischen zwei oder mehreren Personen besteht. In der Regel wird ein solcher Kontakt durch ein Medium, in den meisten Fällen ein Massenmedium aber auch durch andere Menschen vermittelt. Er kann damit auch medial vermittelter Kontakt genannt werden.

Winfried Schulz hält dazu fest: „Über das was in der Landeshauptstadt, in der Bundeshauptstadt […], in Brüssel, Washington und Islamabad an Politik stattfindet, erhalten wir tagtäglich Berichte aus den Medien, also Anschauung ‚aus zweiter Hand’, und darüber hinaus noch einiges ‚aus dritter Hand’, nämlich über persönliche Gespräche vermittelte Medieninformation.“ (Schulz 2008: 190)

„Medien bilden […] zugleich technische Kommunikationskanäle, Akteure mit eigenen Zielen und Interessen, Institutionen im Sinne kollektiver Regelungsmuster sowie Sozialsysteme.“ (Donges 2008: 217) Für die vorliegende Arbeit werden wir uns darauf beschränken, für das Verständnis von „medial vermitteltem“ Kontakt Medien als „technische Kommunikationskanäle“ zu verstehen, derer sich die in Kontakt tretenden Subjekte bedienen. Die weiteren Deutungsarten von Medien führen zwangsläufig zur Überlegung hinsichtlich etwa der Filterwirkung von Medien (Stichwort „Gatekeeper Funktion[10] “) oder aber der Rolle von Medien im politischen Meinungsbildungsprozess. Die Arbeit widmet sich jedoch – analog zu obiger Definition des Forschungsgegenstandes – nicht der Medienwirkungsforschung und lässt somit bewusst diese Fragen offen.

An dieser Stelle soll nun auch eine zweite Kategorisierung vorgenommen werden. Von einer der am Kontakt beteiligten Person aus gesehen kann ein Kontakt selber hergestellt werden, in dem diese Person z.B. eine andere anspricht, anruft, anschreibt bzw. auf andere Weise den (nicht zwangsläufig direkten) Kontakt sucht. Insofern kann man von einem aktiven Kontakt sprechen und in diesem Zusammenhang – da ja eine Aktivität der betreffenden Person vonnöten ist – dem Kontaktverhalten dieser Person. Genauso wie ein Kontakt aktiv hergestellt werden kann, kann eine an einem Kontakt beteiligte Person auch ohne vorhergehendes eigenes Zutun von einer anderen Person kontaktiert werden. In diesem Fall kann von einem passiven Kontakt gesprochen werden und – insofern als für die Herstellung des Kontaktes kein aktives Verhalten der kontaktierten Person notwendig ist, außer die Akzeptanz des Kontaktversuches einer bzw. eines Anderen – dabei also vom Kontakterleben der betreffenden Person.

c) Kontaktformen jugendlicher mit politischen Parteien

Hier sollen nun obige Betrachtungen in den Kontext jugendlicher Lebenswelten gebracht werden und dabei erläutert werden, wie sich gemäß der getroffener Einteilung direkte persönliche Kontakte bzw. indirekte medial vermittelte Kontakte sowie aktive und passive Kontakte im Erleben Jugendlicher konkretisieren lassen.

Direkte, persönliche Kontakte politischer Parteien mit Jugendlichen

Wie bereits oben ausgeführt finden direkte, persönliche Kontakte stets zwischen Menschen statt. Insofern tritt dabei die politische Partei in Person eines bzw. mehrerer ihrer Vertreter mit – in diesem Fall – Jugendlichen in Kontakt. Im Rahmen der Darstellung methodischer Möglichkeiten für politische Bildung an Schulen) geht Peter Menacher auf die „personale Begegnung“ ein: „Begegnung sei dabei nicht in einem existenziellen Sinn gefordert, sondern meist ein persönliches Hearing von Politikern. [Es] handelt sich nicht nur um eine willkommene Variation des Schulalltags, sondern um eine Art von Verifikation der vorausgegangenen Unterrichtsarbeit. So wird etwa eine Podiumsdiskussion von Parteienvertretern […] nur ergiebig sein, wenn eine genügende Informationsbasis grundgelegt ist […].“ (Menacher 1972: 156)

Neben vereinbarten Begegnungen in einer Gruppe, also wie beschrieben im Verband einer Schulklasse oder Schülergruppe, sind ja auch individuell vereinbarte Termine im kleineren Kreis denkbar. So halten politische Mandatare regelmäßig Sprechstunden ab bzw. sind bereit, individuelle Gesprächstermine zu vereinbaren, in denen allgemein politische Fragen oder viel eher persönliche Anliegen des Gesprächspartners erörtert werden können. Derartige Termine sind eindeutig als direkte persönliche Kontakte zu werten. Allerdings kann hier nicht mehr ebenso eindeutig von einem Kontakt mit einer politischen Partei gesprochen werden, da gerade bei derartigen Einzelgesprächen, der jeweilige Politiker stärker für sich als für seine Partei sprechen und handeln wird. Im Großen und Ganzen kann davon ausgegangen werden, dass angesichts der noch wenig ausgeprägten politischen Sozialisation junger Menschen und einer damit einhergehenden stärkeren „Schwellenangst“ derartige face-to-face-Gespräche[11] gerade mit jungen Menschen wohl äußerst selten vorkommen.

Bei den beiden oben beschriebenen direkten, persönlichen Kontaktformen – Schulbegegnungen und persönlichen Gesprächen – handelt es sich in der Regel um vereinbarte Kontakte. Nun kann es aber auch zu einem direkten, persönlichen Kontakt zwischen politischen Parteien und Jugendlichen kommen, der zwar – zumindest von einer der beiden Seiten – intendiert ist, jedoch nicht einer konkreten Terminvereinbarung bedarf.

Es sind diese z.B. an die Öffentlichkeit gerichtete Kundgebungen oder gesellschaftliche Veranstaltungen von politischen Parteien (Gerade lokale und regionale Organisationseinheiten veranstalten immer wieder Events, die mehr mit Brauchtumspflege oder Unterhaltung als mit Politikvermittlung im engeren Sinn zu tun haben, wie etwa Bälle oder Ausflüge) ebenso wie Informations- und Werbeveranstaltungen, insbesondere im Vorfeld von Wahlen. Ebenso kann es auch auf prinzipiell parteiinternen Veranstaltungen wie Parteitagen, Konferenzen oder Kongressen zum direkten, persönlichen Kontakt zwischen politischen Parteien und Jugendlichen kommen, sei es dass die Jugendlichen selber Mitglieder der jeweiligen Partei oder einer assoziierten bzw. sogenannten Vorfeldorganisation sind oder aber dass die politische Partei bewusst externe Gäste, insbesondere Jugendliche, zur Beobachtung bzw. Begleitung dieser internen Veranstaltungen einlädt, etwa mit dem Ziel diese künftig an die Partei zu binden.

Indirekte medial vermittelte Kontakte

Zu politischen Informationsquellen sagt Peter Filzmaier im Rahmen eines Kurzberichts zur Pilotstudie „Jugend und Politische Bildung. Einstellungen und Erwartungen von 14- bis 24-Jährigen“ folgendes: „Was Jugendliche über Politik wissen bzw. zu wissen glauben, haben sie vor allem aus Massenmedien. Exakt drei Viertel (75 Prozent) nennen diese unter den politischen Informationsquellen an erster Stelle.“ (Filzmaier 2007: 17) Und dabei ist es offenbar so, dass politische Information von Jugendlichen während der Zeit von Wahlkämpfen bzw. im Umfeld von Wahlen besonders stark wahrgenommen wird. Denn im Rahmen von focus groups[12], die im Zuge der zitierten Studie durchgeführt wurden, wurde deutlich, dass „politische Inhalte in den Medien vor allem im Wahlzusammenhang (Fernsehdiskussionen der Spitzenkandidaten usw.) gesehen werden.“ (Filzmaier 2007: 17)

„Die Fernseh- und Internetgeneration der Jugendlichen jedenfalls sieht Massenmedien auch mit Abstand als am glaubwürdigsten für Informationen über Politik. […] Knapp die Hälfte, der Jugendlichen bezeichnen Medien als jene Quelle, der sie inhaltlich am meisten vertrauen.“(Filzmaier 2007: 17)

Nicht immer sind es zwingend Massenmedien im engeren Sinn, die zur Vermittlung von Kontakten eingesetzt werden. Gerade im Rahmen der politischen Werbung, also im Zuge von Wahlkämpfen oder aber von thematisch jugendspezifischen Kampagnen, nutzen politische Parteien nicht nur klassische massenmediale Werbeformen wie Inserate oder TV- bzw. Radiospots, sondern treten mitunter auch mit personalisierten Briefen oder Mailings in Kontakt mit den Jugendlichen. Derartige Kontaktaufnahmen sind, obwohl für den einzelnen als individualisiert empfunden – Brief bzw. E-Mail werden zumeist allein empfangen und gelesen – als Massensendung konzipiert und daher auch einer massenmedialen Kommunikation im weiteren Sinne zuzuordnen.

Auch wenn den medialen Inhalten hohe Glaubwürdigkeit von Seiten der Jugendlichen zukommt, so zeigt sich laut Bernhard Claußen, dass diese Inhalte nicht unreflektiert und nicht gänzlich übernommen werden. Claußen beschäftigte sich nämlich auch mit dem politischen Handeln Jugendlicher und den Medien der Informationsgesellschaft in Hinblick auf die Nutzung neuer Technologien und die Repräsentanz in der Massenkommunikation: „Die Einflussnahme von Informationstechnologien und Massenmedien erfolgt bekanntermaßen nicht unmittelbar und bruchlos. [Es gilt,] dass sich ihre direkten wie indirekten und bei aller Gesamttendenz im Detail disparaten Botschaften […] nicht mechanisch niederschlagen.“ (Claußen 1998b: 90)

Aktive Kontakte aus Sicht der Jugendlichen:

Beispiele dafür: Junge Menschen treten an Politiker heran. Beispiele: Terminvereinbarung für ein persönliches Gespräch, Besuch in der „Sprechstunde“ des Politikers wegen eines persönlichen privaten und politischen Anliegens, Anfrage (telefonisch, persönlich, schriftlich) für einen Termin des Politikers in der Schule (werden regelmäßig opinion leader[13] oder Schülervertreter machen), nicht länger intendiertes Gespräch z.B. im Rahmen einer Kundgebung wird Politiker von Jugendlichem angesprochen

Junge Menschen treten an politische Partei heran (und nicht direkt an eine ihnen vorher bekannte bzw. namentlich bekannte Person): E-Mail-Anfrage zu einem Thema (in der Regel im Rahmen von Schulprojekten und – aufgaben)

[...]


[1] PR: Public Relations, also Öffentlichkeitsarbeit

[2] PR: steht für Public Relations, also Öffentlichkeitsarbeit

[3] res publica (lat.): das Öffentliche, der Staat

[4] siehe oben 1

[5] like-minded men (engl.): wörtlich „gleichgesinnte Männer oder Menschen“; Menschen mit gemeinsamen Wertorientierungen und Zielvorstellungen

[6] vote-, policy-, office- und democracy-seeking (engl.): das Streben (politischer Parteien) nach Wählerstimmen(-maximierung), Einfluss auf politisch-thematische Entscheidungen und Besetzung öffentlicher Ämter

[7] peer groups (engl.): Gruppe von Gleichaltrigen, im Übertragenen Sinn auch von „Gleichartigen“ und „Gleichgesinnten“

[8] Poser: Darsteller, Selbstdarsteller; im Zusammenhang: eine abwertende Bezeichnung für eine Person, die sich einer bestimmten (Sub-)Kultur zugehörig machen möchte, um Ansehen zu gewinnen

[9] Fakes: wörtlich Fälschungen; im Zusammenhang: unglaubwürdige Nachahmer

[10] Unter Gatekeeper werden in der Sozialforschung Personen und in weiterer Folge Organisationen verstanden, die aufgrund ihrer Fähigkeiten, Positionen und Aufgaben in der Lage sind, die faktische, hier aber vor allem soziale, insofern auch politische Mobilität zu beeinflussen. (vgl. Burkart 2002: 276ff)

[11] Face-to-face-Gespräche: Gespräche von Angesicht zu Angesicht, persönliche Gespräche

[12] focus groups (engl.): Unter einer Fokusgruppe (aus dem englischen: "focus group") versteht man eine Form der Gruppendiskussion, die in der qualitativen Markt- und Meinungsforschung eingesetzt wird. (vgl. Atteslander 2003)“

[13] opinion leader (engl.): „Meinungsführer“, gesellschaftliche und politische Multiplikatoren

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Titel
Kontakte Jugendlicher mit politischen Parteien
Untertitel
Eine Bestandsaufnahme am Beispiel niederösterreichischer Schülerinnen und Schüler
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften)
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2008
Seiten
273
Katalognummer
V124479
ISBN (eBook)
9783640297214
ISBN (Buch)
9783640302659
Dateigröße
2583 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kontakte, Jugendlicher, Parteien
Arbeit zitieren
Mag. Bettina Rausch (Autor:in), 2008, Kontakte Jugendlicher mit politischen Parteien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124479

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