Eine, wenn nicht gar die zentrale Rolle in der Philosophie Foucaults spielt der Diskurs. Die Bedeutung des Diskurses liegt für ihn darin, dass er „nicht bloß das [ist], was die Kämpfe oder die Systeme der Beherrschung in Sprache übersetzt: er ist dasjenige, worum und womit man kämpft; er ist die Macht, deren man sich zu bemächtigen sucht“.
Diskurse sind geregelte Formationen von Aussagen. Aussagen wiederum sind nichts anderes als die „anonyme Materialität des wirklich Gesagten“ 3 , womit wohl die bloße Äußerung gemeint ist, ohne ihre Platzierung in übergreifende Regel- und Sinnzusammenhänge. Die Beschaffenheit der so definierten Diskurse zu einem bestimmten Zeitpunkt ergibt sich daraus, wie in einer Gesellschaft gerade „die Produktion des Diskurses zugleich kontrolliert, selektiert, organisiert und kanalisiert wird – und zwar durch gewisse Prozeduren, deren Aufgabe es ist, die Kräfte und die Gefahren des Diskurses zu bändigen, sein unberechenbar Ereignishaftes zu bannen, seine schwere und bedrohliche Materialität zu umgehen“ 4 . Auf diese Prozeduren der Kontrolle von Aussagen werde ich unten (1. 1.) noch näher eingehen.
Die so eingeschränkten Diskurse zusammengenommen formieren ihrerseits das „allgemeine System der Formation und der Transformation von Aussagen“ 5 : das Archiv. Das Archiv, in das die kontrollierenden Prozeduren eingelassen sind, ist einerseits konstitutiv für die einzelnen Diskurse, indem es als gemeinsame Geltungsgrundlage die Kompatibilität isolierter, an sich bedeutungsloser Aussagen und damit die intersubjektive Verständigung erst ermöglicht, andererseits ist es auch selbst wiederum durch die Diskurse konstituiert, die zusammengenommen ja erst das Archiv bilden. Als „System des Funktionierens der Aussage“ 6 , wird das Archiv von Foucault auch als „historisches Apriori“ bezeichnet, weil es zu jeder Zeit die unhintergehbare diskursive Ausgangssituation, nämlich die Bedingung der Möglichkeit sprachlicher Kommunikation und des sprachvermittelten Denkens überhaupt ist.
Obwohl also ein Archiv als solches notwendig ist, ist es nicht notwendig so, wie es ist, denn die mit dem Archiv vorgegebenen Fundamente, auf die sich vernünftige Diskurse stützen, sind historisch kontingent: „Die veränderlichen Ordnungen des Wissens und der Macht sind die historischen Bedingungen, deren Unbewusstheit uns dazu verleitet, unsere Existenzweise jeweils für den Inbegriff des Menschseins zu halten“ 7 [...]
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- DIE GRUNDZÜGE DER MACHTTHEORIE FOUCAULTS
- Die Archäologie
- Beispiel: Der Wille zum Wissen und zur Wahrheit im wissenschaftlichen Diskurs der Moderne
- Die Genealogie
- Was ist Macht?
- Dispositive der Macht
- Beispiel: Das Wahrheitsdispositiv der Moderne
- Die Archäologie
- PROBLEME DER MACHTTHEORIE
- Habermas Kritik an Foucault
- Das Problem der Anwendbarkeit am Beispiel Paul Veynes
- GESCHICHTSSCHREIBUNG MIT FOUCAULT? – EIN FAZIT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit zielt darauf ab, die wichtigsten Grundzüge der Machttheorie Michel Foucaults aufzuzeigen und deren Bedeutung für die Geschichtsschreibung zu beleuchten. Foucault untersucht die Funktionsweise von Macht im Diskurs und zeigt, wie dieser die Entstehung und Stabilisierung von Wissen und Wahrheit beeinflusst. Der Fokus liegt dabei auf der Analyse von Dispositiven und der Frage, wie sich die historischen Bedingungen für die Entstehung von Wissen auf die „richtige“ Beschäftigung mit Geschichte auswirken.
- Die Rolle des Diskurses in der Konstruktion von Wissen und Macht
- Die Analyse von Dispositiven und deren Einfluss auf den historischen Prozess
- Die Kritik an der "großen Erzählung" der Moderne und der Suche nach neuen Ansätzen für die Geschichtsschreibung
- Die Frage nach der Anwendbarkeit der Machttheorie Foucaults auf konkrete historische Fragestellungen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Der Text stellt Foucaults Machttheorie als ein Werkzeug zur Analyse historischer Prozesse vor, das sich mit den Regeln und Kräften auseinandersetzt, die unser Denken, Sprechen und Handeln bestimmen. Die Arbeit konzentriert sich auf die zentralen theoretischen Grundlagen der Machttheorie Foucaults und zeigt auf, wie diese für die Geschichtsschreibung relevant sein können.
- Die Grundzüge der Machttheorie Foucaults: Dieses Kapitel beleuchtet die Bedeutung des Diskurses in der Konstruktion von Wissen und Macht. Foucault argumentiert, dass Diskurse nicht nur die Ergebnisse von Machtverhältnissen widerspiegeln, sondern selbst Macht ausüben. Es werden die Archäologie und die Genealogie als zwei zentrale Werkzeuge Foucaults vorgestellt. Die Archäologie untersucht die Regeln und Praktiken, die den Diskurs strukturieren, während die Genealogie die Entstehung und Entwicklung dieser Regeln und Praktiken im historischen Kontext analysiert.
- Probleme der Machttheorie: Dieser Abschnitt diskutiert kritische Positionen gegenüber Foucaults Machttheorie, insbesondere die Kritik von Jürgen Habermas. Außerdem wird das Problem der Anwendbarkeit der Machttheorie auf konkrete historische Fragestellungen am Beispiel von Paul Veyne erläutert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Konzepten der Machttheorie Foucaults, darunter Diskurs, Wissen, Wahrheit, Macht, Dispositive, Archäologie, Genealogie und die Kritik an der "großen Erzählung" der Moderne. Die Arbeit zeigt die Bedeutung der Machttheorie Foucaults für die Analyse historischer Prozesse auf und diskutiert deren Relevanz für die Geschichtsschreibung.
- Quote paper
- Jens Henning Fischer (Author), 1996, Die Machttheorie Foucaults, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12443