Hierbei handelt es sich zu einem Thesenpapier für die Zwischenprüfung in der Germanistik. Die Thesen decken die wichtigsten Aspekte der Interpretation der einzelnen Werke ab.
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
- Der Text enthält zwei Ebenen: Kriminalhandlung und Psychogramm der Hauptfigur Bloch.
- Das Psychogramm wird insbesondere durch Blochs Reaktionen auf sprachliche und nichtsprachliche Zeichen und seine besondere Form der Wahrnehmung von Wirklichkeit bestimmt.
- Zentrales Motiv der Kriminalhandlung ist der Mord an einer Kinokassiererin, begangen von der Hauptfigur Bloch. Weitere Motive sind die (angedeutete) Flucht, der vermisste Schüler, die Entdeckung der Leiche des Kindes.
- Blochs besondere Form der Wirklichkeitserfahrung: Infolge eines Ereignisses – des Mordes – versprachlichen sich ihm die Gegenstände zusehends. Sie werden ihm dadurch auch zu Geboten und Verboten. Bloch überlädt die Realität mit Bedeutungen, bezieht alles auf sich, jeder ‚harmlose‘ Gegenstand kann ihm zur Anspielung werden.
- Bloch zeigt Symptome der Schizophrenie. Auch wenn der Text die Form einer Fallstudie hat, wird Blochs Erleben (seine Wirklichkeits- und Selbsterfahrung) nicht als pathologisch beschrieben, sondern „als eine Form des ‚Ganz-bei-sich-selbst-Seins‘ nachvollziehbar und alltäglich erfahrbar gemacht [...]“(Mixner).
- Klaus Conrad beschreibt in seinem Buch „Die beginnende Schizophrenie“, das Peter Handke als das für ihn wichtigste Buch des Jahres 1968 bezeichnete, drei Phasen der Schizophrenie: 1. Druck- oder Spannungszustand, 2. „primäres Wahnerleben“ (apophänes Erleben von Aussen- und Innenwelt) , 3. „apokalyptische Phase“ (trifft als einzige Phase der Schizophrenie nicht auf das Verhaltensmodell Blochs zu).
- Conrad nennt die Vorliebe fürs Kino, Antriebsschwäche und Wahrnehmungsstress als charakteristisch für den ‚Residialzustand‘ der Kranken nach einem überstandenen schizophrenen Schub. Bloch weist diese Symptome der Schizophrenie auf.
- Bloch ist jedoch nicht kontaktscheu. Er sucht soziale Kontakte, wenn auch häufig ohne Erfolg (z.B. durch zahlreiche vergebliche Anrufe).
- Bloch sieht in der Wirklichkeit keinen ‚Sinn‘. Er ordnet Zusammengehöriges einander nicht zu und gleichzeitig Nicht-Zusammengehöriges einander zu.
- Bloch ist empfindlich und aufmerksam gegenüber der sprachlichen Vermittlung von Wirklichkeit (Zeitung).
Der kurze Brief zum langen Abschied
- Handke stellt einen Bezug zum deutschsprachigen Entwicklungs- und Bildungsroman her, insbesondere zu Kellers „Der grüne Heinrich“ und Goethes „Wilhelm Meister“.
- Das Reisemotiv ist wichtig, weil die Reise durch Amerika den Zeitraum des Entwicklungsprozesses des Protagonisten begrenzt. Die Reise steht dabei bildhaft für das Sich-Entfernen von alten Verhaltensmustern und Ängsten.
- Handke lässt seinen Protagonisten nach Amerika reisen, weil er dort die ‚andere Welt‘ sieht, in der sich dieser – befreit von gewohnten Zusammenhängen und Einflüssen – ‚entwickeln‘ kann.
- Handkes ‚Amerika‘ ist in erster Linie ein Konstrukt: Es steht für ein eigenes Zeichensystem, das sich vom vertrauten europäischen Zeichensystem abgrenzt. Es kann nicht für das tatsächliche Amerikabild des Autors gehalten werden. Dennoch gelingt es Handke, Kritik an der realen amerikanischen Politik und Gesellschaft zu üben.
- Zentraler Bestandteil des Romans ist – wie schon im Tormann – die gestörte Wahrnehmungsfähigkeit des Protagonisten.
Häufig gestellte Fragen
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter: Was sind die zentralen Elemente des Textes?
Der Text umfasst zwei Ebenen: eine Kriminalhandlung und ein Psychogramm der Hauptfigur Bloch. Blochs Reaktionen auf sprachliche und nichtsprachliche Zeichen sowie seine Wahrnehmung der Wirklichkeit sind bestimmend für sein Psychogramm. Der Mord an einer Kinokassiererin durch Bloch ist das zentrale Motiv der Kriminalhandlung, ergänzt durch die (angedeutete) Flucht, den vermissten Schüler und die Entdeckung der Kinderleiche.
Wie äußert sich Blochs besondere Wirklichkeitserfahrung?
Nach dem Mord beginnen sich die Gegenstände für Bloch zu versprachlichen, wodurch sie ihm zu Geboten und Verboten werden. Er überlädt die Realität mit Bedeutungen und bezieht alles auf sich, wobei jeder Gegenstand eine Anspielung sein kann.
Welche Symptome zeigt Bloch und welche Theorien werden diesbezüglich erwähnt?
Bloch zeigt Symptome der Schizophrenie, wobei sein Erleben nicht als pathologisch, sondern als eine Form des "Ganz-bei-sich-selbst-Seins" dargestellt wird. Klaus Conrads Buch "Die beginnende Schizophrenie" wird erwähnt, wobei Blochs Zustand hauptsächlich die Druck- oder Spannungszustand und das primäre Wahnerleben (apophänes Erleben) widerspiegelt. Merkmale wie Vorliebe fürs Kino, Antriebsschwäche und Wahrnehmungsstress, die Conrad als charakteristisch für den Residialzustand nennt, treffen auf Bloch zu.
Welche sozialen Interaktionen hat Bloch?
Bloch ist nicht kontaktscheu und sucht soziale Kontakte, oft jedoch ohne Erfolg.
Wie ordnet Bloch die Realität?
Bloch sieht keinen "Sinn" in der Wirklichkeit und ordnet Zusammengehöriges nicht zu, während er Nicht-Zusammengehöriges einander zuordnet. Er ist empfindlich und aufmerksam gegenüber der sprachlichen Vermittlung von Wirklichkeit (Zeitung).
Der kurze Brief zum langen Abschied: Welche Bezüge werden hergestellt?
Handke stellt einen Bezug zum deutschsprachigen Entwicklungs- und Bildungsroman her, insbesondere zu Kellers "Der grüne Heinrich" und Goethes "Wilhelm Meister".
Welche Rolle spielt das Reisemotiv in "Der kurze Brief zum langen Abschied"?
Das Reisemotiv ist wichtig, da die Reise durch Amerika den Zeitraum des Entwicklungsprozesses des Protagonisten begrenzt und das Sich-Entfernen von alten Verhaltensmustern und Ängsten symbolisiert.
Warum lässt Handke seinen Protagonisten nach Amerika reisen?
Handke lässt seinen Protagonisten nach Amerika reisen, um dort die 'andere Welt' zu sehen, in der er sich – befreit von gewohnten Zusammenhängen und Einflüssen – 'entwickeln' kann.
Was ist Handkes 'Amerika'?
Handkes 'Amerika' ist in erster Linie ein Konstrukt, das für ein eigenes Zeichensystem steht, das sich vom vertrauten europäischen Zeichensystem abgrenzt. Es kann nicht für das tatsächliche Amerikabild des Autors gehalten werden. Dennoch gelingt es Handke, Kritik an der realen amerikanischen Politik und Gesellschaft zu üben.
Welche Rolle spielt die Wahrnehmungsfähigkeit im Roman "Der kurze Brief zum langen Abschied"?
Zentraler Bestandteil des Romans ist – wie schon im Tormann – die gestörte Wahrnehmungsfähigkeit des Protagonisten.
Inwiefern unterscheidet sich der Protagonist von "Der kurze Brief zum langen Abschied" von Bloch?
Im Gegensatz zu Bloch gelingen dem Protagonisten, einem österreichischen Schriftsteller, Selbstreflexion und 'Entwicklung'.
- Quote paper
- David Bies (Author), 2004, Thesenpapier zur Zwischenprüfung: Peter Handke, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124332