Das Verhältnis zwischen evangelischer Kirche und SED bzw. DDR-Staat war von Beginn an ein konfliktreiches. Zwar bezeugten in der Zeit bis zur Staatsgründung 1949 beide Parteien ihren Kooperationswillen, doch zeichneten sich schon früh Spannungs- und Konfliktherde ab. Unterschiedliche kultur-, sozial- und machtpolitische Maßnahmen der SED sollten der Kirche Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme verwehren und sie mehr und mehr aus dem gesellschaftlichen Leben zurückdrängen.
Besonders im Bereich des Erziehungs- und Schulwesens kam es wiederholt zu Konfrontationen. Hier wehrte sich die Kirche erfolglos gegen die Etablierung eines staatlichen Erziehungsmonopols, das für christlichen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen oder für private Konfessionsschulen keinen Platz vorsah. Die Zurückdrängung der Kirchen aus dem sozialen Leben war gerade in der ersten Dekade nach Staatsgründung ein wichtiger Teil der inneren Wert- und Machtpolitik sowie der erzwungenen Säkularisierung der DDR. Die politische Führung setzte den Atheismus schließlich als alternative Weltanschauung mit Erfolg durch; er ist fast zum gesellschaftlichen Konsens geworden.
Vorliegende Arbeit geht der Frage nach, welche konkreten Maßnahmen die SED gegen die Kirche(n) unternahm und welche Wirkungen diese erzielten. Hierzu wird zunächst das Konfliktpotenzial zwischen Kirche und Staat dargestellt. Die ideologische Unverträglichkeit oder Wesensfremdheit der beiden Systeme ließ eine Konfrontation von Beginn an wahrscheinlich erscheinen. Im Anschluss werden die anti-kirchlichen sozial- und kulturpolitischen Maßnahmen der SED in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre dargestellt. Darunter fallen die Behinderung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen und der offene Kampf gegen die Junge Gemeinde. Der offen-konfrontative Kirchenkampf währte bis 1954, danach ging die SED im Rahmen der so genannten „Differenzierungspolitik“ zu einer Doppelstrategie über, die ‚progressive’ Kräfte innerhalb der Kirche zu fördern und ‚reaktionäre’ Kräfte zu neutralisieren suchte, um auf diese Weise eine Spaltung der Kirche von innen zu bewirken. Kapitel 4 setzt sich mit den längerfristigen Wirkungen dieser Maßnahmen auf Kirche und Gesellschaft auseinander: dem Rückgang kirchlicher Praktiken und der beinahe flächendeckenden Durchsetzung des Atheismus bis Ende der 1960er Jahre.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Konfliktpotenzial zwischen Kirche und DDR-Staat
2.1 Ideologische Unverträglichkeiten
2.2 Bildungs- und sozialpolitische Konfliktherde
3. SED-Kirchenpolitik in den Jahren der Konfrontation 1949-1954
3.1 Bildungspolitische Maßnahmen der SED
3.2 Behinderung kirchlicher Jugendarbeit
3.3 Das Kommuniqué vom 10. Juni 1953
3.4 Einführung der Jugendweihe
4. Auswirkungen auf Kirche und Gesellschaft
4.1 Rückgang kirchlicher Praktiken
4.2 Durchsetzung des Atheismus
5. Abkürzungsverzeichnis
6. Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur
1. Einleitung
Das Verhältnis zwischen evangelischer Kirche und DDR-Staat war von Beginn an ein konfliktreiches. Zwar bezeugten in der Zeit bis zur Staatsgründung 1949 beide Parteien ihren Kooperationswillen, doch zeichneten sich schon früh Spannungen und Konfliktherde ab. Unterschiedliche kultur-, sozial- und machtpolitische Maßnahmen der SED zielten darauf, der Kirche Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme zu verwehren und sie mehr und mehr aus dem gesellschaftlichen Leben zurückzudrängen. Insbesondere im Bereich des Erziehungs- und Schulwesens kam es wiederholt zur Konfrontation. Hier wehrte sich die Kirche erfolglos gegen die Etablierung eines staatlichen Erziehungsmonopols, das für christlichen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen oder für private Konfessionsschulen keinen Platz vorsah. Die Zurückdrängung der Kirchen aus dem sozialen Leben war insbesondere in der ersten Dekade ein wichtiger Teil der inneren Wert- und Machtpolitik, wie auch der erzwungenen Säkularisierung der DDR. Die politische Führung hat den Atheismus schließlich als alternative Weltanschauung mit Erfolg durchgesetzt; er ist fast gesellschaftlicher Konsens geworden.
Die Hausarbeit geht der Frage nach, welche konkreten Maßnahmen die SED gegen die Kirche unternahm und welche Wirkungen diese erzielten. Hierzu wird zunächst unter 2. das Konfliktpotenzial zwischen Kirche und Staat dargestellt. Die ideologische Unverträglichkeit oder Wesensfremdheit der beiden Systeme ließ eine Konfrontation von Beginn an wahrscheinlich erscheinen. Danach werden unter 3. die gegen die Kirche gerichteten sozial- und kulturpolitischen Maßnahmen der SED in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre dargestellt. Hierunter fallen insbesondere die Behinderung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen und der offene Kampf gegen die Junge Gemeinde. Nach dem offen-konfrontativen Kirchenkampf bis 1954 ging die SED über zur so genannten Differenzierungspolitik, einer Doppelstrategie, die ‚progressive’ Kräfte innerhalb der Kirche zu fördern und ‚reaktionäre’ Kräfte zu neutralisieren versuchte, um so eine Spaltung der Kirche von innen zu bewirken. Kapitel 4 setzt sich mit den längerfristigen Wirkungen dieser Maßnahmen auf Kirche und Gesellschaft auseinander: dem Rückgang kirchlicher Praktiken und der beinahe flächendeckenden Durchsetzung des Atheismus bis zum Ende der 60er Jahre.
2. Konfliktpotenzial zwischen Kirche und DDR-Staat
2.1 Ideologische Unverträglichkeiten
Die seit Gründung der DDR bestehende permanente Konfliktsituation zwischen Staat und Kirche gründet insbesondere im prinzipiellen Antagonismus zwischen Marxismus-Leninismus und christlichem Glauben. Zwischen den Grundpositionen der beiden Weltanschauungen liegt, allen Überbrückungsversuchen ‚christlicher Sozialisten’ zum Trotz, eine im Kern unüberwindbare Kluft. Während für den Christen Gott letzter Bezugspunkt seines Handelns bleibt, versteht sich der Marxismus-Leninismus auf Grundlage des dialektischen Materialismus als atheistisch und religionsfeindlich. Neben dem viel zitierten Satz von der Religion als „Opium des Volkes“[1] und „Seufzer der bedrängten Kreatur“[2] heißt es bei Marx:
„Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. […] Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. […] Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“[3] [Hervorhebungen im Original]
Im Marxismus, der die Religions- und Christentumskritik Ludwig Feuerbachs übernimmt, wird Religion als soziale Erscheinung, als Etappe in der Gesellschaftsentwicklung und „ideologische Repräsentation gesellschaftlich-sozialer Verhältnisse und Mächte“[4] gesehen.
Als ‚wissenschaftliche Weltanschauung’ bildete der Marxismus-Leninismus die ideologische Grundlage der gesamten SED-Politik. In der Praxis brachte dies die machtpolitische Unterbindung jeglicher konkurrierender Heilslehren mit sich, obgleich die erste DDR-Verfassung von 1949 in Anlehnung an die Weimarer Reichsverfassung Religionsfreiheit wie auch das Recht auf Religionsunterricht an den Schulen garantierte.
Nach Otto Meier, seinerzeit Mitglied des Zentralsekretariats der SED, wiesen „Christentum und Marxismus wesensmäßig verschiedene normative und ethische Strukturen“ auf.[5] In seinem Referat anlässlich einer Kulturkonferenz der SED im Januar 1947 sprach Meier von der „Verschiedenheit der beiden großen Ideen“[6], obschon die Partei sich zu diesem Zeitpunkt aus pragmatischen Gründen noch darum bemühte, die Kirchen als Bündnispartner beim Aufbau einer neuen, sozialistischen Gesellschaftsordnung zu gewinnen.[7] Der überwiegende Teil der Bevölkerung in der SBZ/DDR war Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre noch konfessionell gebunden. Doch bereits in den Jahren vor der Staatsgründung betonte die SED in ihren programmatischen Aussagen die strikte Trennung von Kirche und Staat, worunter aufgrund des von ihr beanspruchten staatlichen Erziehungsmonopols auch die deutliche Trennung von Kirche und Schule fiel.[8] Mit dem Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus und dem „Entschluss zum planmäßigen Aufbau des Sozialismus“[9] stellte sich die DDR von Beginn an als atheistischer Weltanschauungsstaat dar, der den Kirchen jegliche Bildungsverantwortung aberkannte und sich insbesondere in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre angestrengt bemühte, den religiösen oder kirchlichen Einfluss im zentralen gesellschaftlichen Bereich des Erziehungswesens zu eliminieren. Der Partei ging es darum, der Kirche[10] einen klar abgegrenzten Aufgabenbereich zuzuweisen, eine präzis definierte Rolle, die sie beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung spielen sollte. Der kirchliche Aktionsradius sollte auf den individuell seelsorgerlichen bzw. karitativen und kultischen Bereich beschränkt bleiben. Ziel war es, sie auf den Status einer reinen Kultkirche ohne gesellschaftspolitischen Einfluss wie der russisch-orthodoxen Kirche in der Sowjetunion zurückzudrängen. In weiten Teilen der SED vertrat man die Position, der Atheismus sei eines der unaufgebbaren Prinzipien einer marxistischen Partei[11], weshalb eine friedliche weltanschauliche Koexistenz ausgeschlossen und ein Dauerkonflikt mit zuweilen heftigen Konfrontationen zwischen Staatspartei und Kirche unausweichlich schien. Bereits ein Jahr nach Staatsgründung ließ Otto Dibelius, Bischof von Berlin-Brandenburg und Ratsvorsitzender der EKD, verlauten: „Totaler Staat und christliche Kirche sind unversöhnliche Gegensätze“.[12]
2.2 Bildungs- und sozialpolitische Konfliktherde
Die DDR-Verfassung vom 7.10.1949 verbot in Artikel 41 Abs. 2 den Missbrauch der Religion für „verfassungswidrige oder parteipolitische Zwecke“.[13] Dadurch konnten der Kirche konkrete Versuche zur politischen Mitgestaltung, selbst kirchliche Meinungsäußerungen zu gesellschaftspolitischen Fragen, staatlicherseits untersagt werden.[14] Zwar räumte die Verfassung den Kirchen das Recht ein, „zu den Lebensfragen des Volkes von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen“, doch wurde dieses Recht in der Praxis von der SED ausgehöhlt und jede Stellungnahme als unrechtmäßige Einmischung in staatliche Belange definiert. Insbesondere im Erziehungs- und Bildungswesen bestand ein Grundsatzkonflikt zwischen Kirche und SED, der sich in den ersten Jahren nach Staatsgründung zunehmend verschärfte. Dieses Hauptkonfliktfeld der Schul- und Jugendpolitik hatte sich bereits vor 1949 herauskristallisiert. Aus Sicht der SED war die schulische Erziehung ausschließlich Angelegenheit des Staates. Auf dem
III. SED-Parteitag im Juli 1950 forderte Otto Grotewohl, damaliger Ministerpräsident der DDR, den dialektischen Materialismus im gesamten Bereich von Schule und Hochschule zu propagieren.[15] Die im Verfassungsartikel 41 zugesicherte „volle Glaubens- und Gewissensfreiheit“ wurde so durch die konträre bildungspolitische Zielvorstellung der SED in der Praxis unterlaufen. Kinder und Jugendliche sollten im Sinne der Partei zu ‚sozialistischen Persönlichkeiten’ erzogen werden, wobei der Staat darum bemüht war, nicht nur die Institution Kirche, sondern sogar den „Erziehungsträger ‚Eltern’ aus dem Erziehungsprozeß auszuschalten“.[16] Hiergegen sprachen sich Kirchenführer wie Dibelius öffentlich aus. Der kirchliche Protest richtete sich nicht gegen die Partei oder den Staat als solche, sondern gegen den weltanschaulichen Totalitätsanspruch der SED. Als Alternative zur säkularen, rein politisch bestimmten Einheitsschule forderten die Kirchenführer Konfessions- bzw. christliche Simultanschulen.[17] Allerdings sah die DDR-Gesetzgebung für beide Schultypen keinen Platz vor. Ministerpräsident Grotewohl ließ auf dem schon erwähnten III. SED-Parteitag im Juli 1950 verlauten:
[...]
[1] Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 1, Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung. Berlin 1956, S. 378
[2] Ebd.
[3] Ebd., S. 379, 385-86
[4] Olof Klohr: Religion und Atheismus heute. Ergebnisse und Aufgaben marxistischer Religionssoziologie, Berlin 1966, S. 13
[5] Horst Dähn: Konfrontation oder Kooperation? Das Verhältnis von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945-1980. Opladen 1982 (Studien zur Sozialwissenschaft, Bd. 52), S. 21; vgl. Otto Meier: Partei und Kirche. Berlin 1947, S. 8-9
[6] ebd.
[7] Siehe Dähn, S. 21
[8] Siehe ebd., S. 20
[9] Auf der II. Parteikonferenz der SED vom 9. bis 12. Juli 1952 verkündete der damalige SED-Generalsekretär Walter Ulbricht den Entschluss zum „planmäßigen Aufbau des Sozialismus“ in der DDR. Dies brachte die weitere „Sowjetisierung“ der Gesellschaft und die Verschärfung des Kirchenkampfes mit sich.
[10] Die überwiegende Mehrheit der konfessionell gebundenen Menschen in der DDR gehörte dem Protestantismus an, weshalb sich der Begriff „Kirche“ in erster Linie auf die evangelische Kirche bezieht. Gegen sie waren auch die meisten kultur- und sozialpolitischen Maßnahmen der SED gerichtet. Demgegenüber fristete die katholische Kirche eher ein Nischendasein.
[11] Vgl. Gerhard Besier: Der SED-Staat und die Kirche. Bd. 1. Der Weg in die Anpassung. München 1993, S. 33
[12] Zitiert nach Dähn, S. 29
[13] DDR-Verfassung vom 7.10.1949, Art. 41 Abs. 2: „Einrichtungen von Religionsgemeinschaften, religiöse Handlungen und der Religionsunterricht dürfen nicht für verfassungswidrige oder parteipolitische Zwecke mißbraucht werden. Jedoch bleibt das Recht der Religionsgemeinschaften, zu den Lebensfragen des Volkes von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen, unbestritten.“ Quelle: http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr1949.html Zugriff am 19.03.2008
[14] Vgl. Der Tag X – 17. Juni 1953. Die "Innere Staatsgründung" der DDR als Ergebnis der Krise 1952/54. Hrsg. von Ilko-Sascha Kowalczuk, Armin Mitter und Stefan Wolle. 2. Aufl. Berlin 1996 (Forschungen zur DDR-Geschichte, Bd. 3), S. 312, 313
[15] Siehe auch Detlef Pollack: Kirche in der Organisationsgesellschaft. Zum Wandel der gesellschaftlichen Lage der evangelischen Kirchen in der DDR. Stuttgart 1994,
S. 106
[16] Dähn, S. 29
[17] In Simultanschulen sollten Schüler verschiedener christlicher Konfessionen gemeinsam unterrichtet werden. Im Gegensatz dazu wurden die von den Kirchen geforderten, konfessionell gebundenen Schulen als Konfessions- oder Bekenntnisschulen bezeichnet.
- Arbeit zitieren
- Sascha Papke (Autor:in), 2008, Die SED-Kirchenpolitik 1949-1954, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124251
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