In der Lingustik stellt die Orthographie eine wichtige Forschungsdomäne dar. Und für viele ist das bekannte Wörterbuch heute eine selbstverständliche Sache. Welche Rolle spielte aber sein Namensgeber in der Geschichte der Rechtschreibung? Und wie wurden die Regeln für "richtiges" Deutsch festgelegt?
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Inhalt
Orthographiegeschichte
I. und II. Rechtschreibkonferenz
Richtungen der Orthographietheorie vor der Konferenz
a) Schulgrammatiken und Adelungsche Orthographietradition
b) Historisch – vergleichende Position
c) Phonetische Richtung
I. Rechtschreibkonferenz ( 1876 )
Nach der Rechtschreibkonferenz ( 1876 – 1901 )
II. Rechtschreibkonferenz ( 1901 )
Bibliographie
Orthographiegeschichte
I. und II. Rechtschreibkonferenz
Richtungen der Orthographietheorie vor der Konferenz
a) Schulgrammatiken und Adelungsche Orthographietradition
Die Adelungsche Orthographie wurde nach ihrem Verfasser Johann Christoph Adelung (1732-1806) benannt. In ihr fasst Adelung die orthographischen Prinzipien , welche er als Ergebnisse eines langen sprachlichen Entwicklungsprozesses sieht , sowie die am weitesten verbreitetsten Orthogramme zusammen . Die Adelungsche Rechtschreibung bildete somit ein umfangreiches Nachschlagewerk für die Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung. „Die vollständige Anweisung zur deutschen Orthographie“ erschien 1788.
J. Chr. Aug. Heyse und K. F. Becker , zwei Vertreter der Schulgrammatik[1], griffen die Adelungsche Orthographie für ihre Orthographietheorien auf. Es zeigen sich vielfach Übereinstimmungen zwischen der Theorie Adelungs und der Heyses bzw. Beckers. So sind sich die Sprachwissenschaftler darüber einig, „dass die (...)Sprache entweder gesprochen oder geschrieben“[2] wird , also zwei Existenzweisen besitzt und dass zwischen den zwei Polen Lautung und Schreibung eine enge Beziehung besteht. Für alle drei Wissenschaftler ist die Lautung primär, die Schreibung sekundär. Doch vertreten die drei Sprachforscher durchaus auch unterschiedliche Ansichten oder Herangehensweisen :
1. Für Adelung gilt , dass „die allgemeine und möglichst leichte Verständlichkeit (...) die erste und einige Absicht der Sprache und Schrift ist“[3] und dass es die Absicht der Schrift sei , „...die Töne des Mundes dem Auge sichtbar darzustellen .“[4] Die Sprache hat demzufolge zwei Funktionen : Erfassung und Aufzeichnung. Becker / Heyse vertreten hingegen die Auffassung, dass die Sprache nur über eine Aufzeichnungsfunktion verfüge.
2. Sowohl Adelung als auch Heyse räumen der Lautung eine Vorrangstellung gegenüber der Schreibung ein , verweisen aber darauf , dass sich beide Seiten gegenseitig unterstützen und begründen . „Die Schriftsprache ist ein sehr wichtiges Hülfsmittel zur Verbesserung und Berichtigung der Lautsprache und es wird nicht leicht Jemand seine Sprache vollkommen richtig sprechen, der sie nicht richtig schreiben kann .“[5] (Heyse )
Dem gegenüber vertritt Becker die Position : „Die Aussprache hat ihr Gesetz in der gesprochenen Sprache selbst , und der gemeine Schriftgebrauch ist nicht das Gesetz der Aussprache , sondern nur ein Mittel , an dem man in zweifelhaften Fällen die richtige Aussprache erkennt.“[6]
Trotz unterschiedlicher Auffassungen in den oben genannten Punkten ( u.a. ) stimmen die drei Sprachwissenschaftler in den Prinzipien zur Schreibung überein :
a ) Schreibung nach der Aussprache
b ) Schreibung nach der Abstammung
c ) Schreibung nach dem Schreibgebrauch
Die Schreibung nach der Aussprache soll eine möglichst genaue Abbildung der Lautung durch die Schreibung ermöglichen , wobei sich der Sprecher bzw. Schreiber nach einer „reine(n) und richtige(n) Aussprache des Hochdeutschen“[7] ( Heyse ) richten soll. Phonem und Graphem sollen einander unmittelbar entsprechen . Als Losung gilt :
„Schreib ... wie du sprichst und buchstabirst, keinen Laut mehr , aber auch keinen Laut weniger .“[8] ( Heyse )
Abstammung verstehen alle drei Sprachwissenschaftler als synchronisch. „Als eine dem Schreibenden und Lesenden bekannte Abstammung kann auch nur die Abstammung von einem in dem Wortvorrathe der Sprache noch jetzt vorhandenen Worte angesehen werden.“[9].
Dieses Schreibprinzip soll in Zweifelsfällen angewendet werden , z. B. in Bezug auf lautlich nicht eindeutig getrennte Endsilben ( - lig , - lich ) sowie der Auslautverhärtung (Kin d à Kin d er statt : Kin t er )
Das drittgenannte Prinzip soll nach Möglichkeit nur bei Versagen der zwei vorherigen Prinzipien zur Anwendung kommen , da seine Anwendung problematisch ist . Es wird angewendet zur Kennzeichnung langer Vokalphoneme und der Bedeutungsdifferenzierung , weiterhin zur Überwindung von Zweifelsfällen in der Phonem – Graphem – Zuordnung . Eine Phonem kann verschiedene Grapheme haben ; so kann beispielsweise das Phonem /f/ graphisch sowohl als „v“ als auch als „f“ ausgedrückt werden .
b) Historisch – vergleichende Position
Neben der Schulgrammatik als eine der drei theoretischen Positionen bildete sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine neue Grundposition in der Orthographietheorie heraus. Dieser , der historisch – vergleichenden Methode , gehörten u.a. J. Grimm , k. Weinhold, G. Andersen , K.A.J. Hoffmann, Th. Wackernagel, L. Ruprecht , Müllenhoff und Zacher an . Ihr Ziel war es, die herrschende Meinung im Sprachgebrauch zu verändern und die Orthographie dahingehend zu verändern , dass sie mit der historischen Entwicklung übereinstimmt , einfach und regional unabhängig ist . Grimm wie auch die anderen Vertreter dieser Position sahen die „schwankenden und schimpflichen Unfolgerichtigkeiten“[10] der Schreibung als einen Sprachverfall an , der seit dem Mittelhochdeutschen die deutsche Sprache belastete . Regeln , die sich auf die zeitgenössische Lautung bezogen, wurden abgelehnt.
„Diesen fehlerhaften Circel ( der gegenseitigen Bezugnahme von Lautung und
Schreibung ) lehrt eben die historische Schreibung vermeiden , indem sie die
orthographischen Gesetze aus der schriftlichen Fortentwicklung der hochdeutschen
Sprache ableitet , und dadurch eben das , was über allen Dialekten und jeder
mündlichen Eigentümlichkeit allgemeiner Schriftsprache ist , zur geläuterten
graphischen Erscheinung bringt .“[11]
so Tomaschek , ein weiterer Vertreter der historischen Richtung . K. Weinhold bringt die
Forderung der Richtung auf eine einfache Formulierung:
„Schreib wie es die geschichtliche Fortentwicklung des Neuhochdeutschen
verlangt.“[12]
[...]
[1] Schulgrammatiken = Handbücher , die den allgemeinen Schreibgebrauch unter Einbringung der Kenntnisse der Sprachwissenschaft widerspiegeln
[2] Adelung , J. Chr. : „Auszug aus der Deutschen Sprachlehre für Schulen“, Berlin 1794 , S.3
[3] Adelung , J. Chr. : „Grundgesetz der deutschen Orthographie“ in : Magazin für die Deutsche Sprache, Leipzig 1782
[4] ebenda
[5] Heyse , J. Chr. Aug. : „Theoretisch-praktische Grammatik oder Lehrbuch zum reinen und richtigen Sprechen, Lesen und Schreiben der deutschen Sprache nebst einer kurzen Geschichte und Verslehre derselben“, 5. Auflage , Hannover 1838
[6] Becker , K.F. : Ausführliche detsche Grammatik als Kommentar der Schulgrammatik . Statt einer Zweieten Auflage der deutschen Grammatik“ Frankfurt / Main 1842 / 43
[7] siehe Fußnote 5
[8] siehe Fußnote 5
[9] siehe Fußnote 6
[10] Grimm , J. und W. : „Deutsches Wörterbuch“ , I. , Leipzig 1854
[11] Tomaschek, K. : „Zur neuhochdeutschen Rechtschreibung“ in : Zeitshcrift für die österreichischen Gymnasien, 1853, S. 542 - 56
[12] Weinhold, K. : „Ueber deutsche Rechtschreibung“ in : Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien , 1852
- Quote paper
- Wencke Thiele (Author), 2002, Zur Orthographiegeschichte - Erste und Zweite Rechtschreibkonferenz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124047
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