Im 9. Jahrhundert wurde das Sachsenland durch blutige „Predigt mit eiserner Zunge“ für den christlichen Glauben gewonnen. Dieser Vorgang wird oft als Musterfall der Missionspraxis mittelalterlicher Christenheit hingestellt. An der Missionierung der westslawischen Stämme zwischen Elbe/Saale und Oder waren die Sachsen dann als Nachbarvolk und einige Zeit lang als deutsches Königshaus maßgeblich selbst beteiligt. In dieser Arbeit möchte ich die beiden wichtigsten Missionsformen der Missionierung der heidnischen Stämme im Elbraum vorstellen und deren Umsetzung in der Praxis untersuchen. Zunächst wird im zweiten Kapitel aber erst einmal zu klären sein, wen man sich unter den Slawen zwischen Elbe/Saale und Oder im Hochmittelalter vorzustellen hat, zumal diese, außer den Sorben in der Ober- und Niederlausitz, von der heutigen Landkarte verschwunden sind. In diesem Zusammenhang gehe ich auch auf die Schwierigkeiten ein, denen sich die christlichen Glaubensboten in dieser Region zu stellen hatten. Bevor ich zum Hauptteil dieser Arbeit komme, halte ich es für unverzichtbar, im dritten Kapitel zu klären, was Missionierung aus der Sicht der mittelalterlichen christlichen Kirche überhaupt bedeutet. Dabei beziehe ich mich hauptsächlich auf Arbeiten von Hans-Dietrich Kahl. Die Kapitel vier und fünf bilden den Hauptteil der vorliegenden Arbeit. In ihnen beschäftige ich mich zum einen mit dem indirekten Missionskrieg, der vor allem in der Regierungszeit der Ottonen Anwendung fand und zum anderen mit dem Wendenkreuzzug von 1147, dessen Ausrufung durch Bernhard von Clairvaux in der Sekundärliteratur häufig als Aufruf zu einem direkten Missionskrieg gegen die Elbslawen interpretiert wird.
Die Formulierungen ‚indirekter Missionskrieg‘ und ‚Wendenkreuzzug‘ lassen dem Wortlaut zufolge, ein gewaltsames Vorgehen gegen die heidnischen Slawen vermuten. Das Ziel dieser Arbeit soll es sein, zu klären, in wie weit die Slawenmission eine Gewaltmission nach dem Vorbild der Sachsenmission gewesen ist.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Bedingungen für die Missionierung der Elbslawen
II.1 Wer waren die Elbslawen?
II.2 Universalreligion vs. Gentilreligion
III. Das doppelte Missionsziel
IV. Erste Missionsversuche in der Ottonenzeit
IV.1 Die Ereignisse 919-983
IV.2 Der indirekte Missionskrieg
V. Der Wendenkreuzzug 1147
V.1 Die Vorgeschichte
V.2 Die geistliche Legitimation
V.3 Durchführung und Ergebnis
VI. Resümee
VII. Quellen- und Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Im 9. Jahrhundert wurde das Sachsenland durch blutige „Predigt mit eiserner Zunge"1 für den christlichen Glauben gewonnen. Dieser Vorgang wird oft als Musterfall der Missionspraxis mittelalterlicher Christenheit hingestellt. An der Missionierung der westslawischen Stämme zwischen Elbe/Saale und Oder waren die Sachsen dann als Nachbarvolk und einige Zeit lang als deutsches Königshaus maßgeblich selbst beteiligt. In dieser Arbeit möchte ich die beiden wichtigsten Missionsformen der Missionierung der heidnischen Stämme im Elbraum vorstellen und deren Umsetzung in der Praxis untersuchen.
Zunächst wird im zweiten Kapitel aber erst einmal zu klären sein, wen man sich unter den Slawen zwischen Elbe/Saale und Oder im Hochmittelalter vorzustellen hat, zumal diese, außer den Sorben in der Ober- und Niederlausitz, von der heutigen Landkarte verschwunden sind. In diesem Zusammenhang gehe ich auch auf die Schwierigkeiten ein, denen sich die christlichen Glaubensboten in dieser Region zu stellen hatten. Bevor ich zum Hauptteil dieser Arbeit komme, halte ich es für unverzichtbar, im dritten Kapitel zu klären, was Missionierung aus der Sicht der mittelalterlichen christlichen Kirche überhaupt bedeutet. Dabei beziehe ich mich hauptsächlich auf Arbeiten von Hans-Dietrich Kahl. Die Kapitel vier und fünf bilden den Hauptteil der vorliegenden Arbeit. In ihnen beschäftige ich mich zum einen mit dem indirekten Missionskrieg, der vor allem in der Regierungszeit der Ottonen Anwendung fand und zum anderen mit dem Wendenkreuzzug von 1147, dessen Ausrufung durch Bernhard von Clairvaux in der Sekundärliteratur häufig als Aufruf zu einem direkten Missionskrieg gegen die Elbslawen interpretiert wird.
Die Formulierungen ,indirekter Missions krieg ` und ,Wenden kreuzzug ` lassen dem Wortlaut zufolge, ein gewaltsames Vorgehen gegen die heidnischen Slawen vermuten. Das Ziel dieser Arbeit soll es sein, zu klären, in wie weit die Slawenmission eine Gewaltmission nach dem Vorbild der Sachsenmission gewesen ist.
II. Beding u ngen f u r die Missionier u ng der Elbslawen
II.1. Wer waren die Elbslawen?
Das Aufeinandertreffen von Slawen und Deutschen resultiert aus der epochalen Wanderungsbewegung der Slawen. Vom ausgehenden 6. bis ins 8. Jahrhundert hinein waren slawische Stämme in die Landschaften zwischen Erzgebirge und Ostsee gekommen. Diese Gebiete waren zuvor von germanischen Stämmen weitgehend geräumt worden. Westlich der Flussläufe von Elbe und Saale war die Siedlungsbewegung der slawischen Verbände allmählich zum Stillstand gekommen, weil sie hier auf kompaktere Besiedlung durch Germanen traf. Es hat sich dabei niemals eine exakte Trennungslinie zwischen slawisch und deutsch sprechenden Menschen herausgebildet.2 Östlich der Flüsse Elbe und Saale teilte sich die slawische Bevölkerung in eine Vielzahl von Stämmen, die trotz der zeitweisen Oberherrschaft der Franken, bis ins 10. Jh. hinein ihre Selbstständigkeit gegenüber den westlichen Nachbarn hatten wahren können. Zusammenfassend können wir sie als Elbslawen bezeichnen.3 Skizziert man ihre historische Entwicklung, dann ergibt sich eine ungefähre Dreiteilung in die nordwestlichen Abodriten4, in die südöstlich davon siedelnden Wilzen bzw. Lutizen und die im Süden wohnenden Sorben. Diese vereinten als Stammesverbände jeweils einige Einzelstämme.5
Die Karolinger versuchten um die Wende vom 8. zum 9. Jh. die beiden Flüsse, Elbe und Saale, als östliche Grenze ihres Reiches zu festigen, in weiten Teilen allerdings ohne Erfolg. Östlich von Elbe und Saale, zum Teil aber auch westlich beider Flüsse, gab es politische Einheiten der Slawen, deren Organisationsstrukturen den herrschaftlich und zentral organisierten Franken fremd und unverständlich waren.
Anders als im Südosten, wo die bayerische Kirche mit Unterstützung der weltlichen Autoritäten bei den Karantanen, Böhmen und Mährern aktiv war, gab es im Gebiet an der Elbe auch noch keine Basis für Missionsbemühungen. In der Grenze der Bistümer manifestierte sich daher auch eine Kulturgrenze. Diese war allerdings im Alltagsleben und in der materiellen Kultur nicht besonders stark ausgeprägt.6
II.2. Universalreligion vs. Gentilreligion
Um einen Einblick in die äußerst schwierige Situation der christlichen Missionare im Gebiet zwischen Elbe/Saale und Oder zu gewinnen, ist es zunächst einmal notwendig, sich die grundlegenden Unterschiede zwischen christlichem und heidnischem Glauben zu verdeutlichen.
Das erste Problem dabei liegt schon darin, dass es den einen heidnischen Glauben gar nicht gibt. Die Begriffe ,Heide` und ,Heidentum` haben nur auf dem Gebiet der Theologie, welches sie hervorgebracht hat, eine Ordnungsfunktion. Die Theologie subsumiert unter dem Begriff ,Heidentum` ohne Rücksicht auf alle Differenzierungen alles, was im Gegensatz zu den biblischen Offenbarungsreligionen des Judentums und des Christentums steht.7 Aus theologischer Sichtweise lässt sich die Menschheit nach dem Satz: „Tres sunt in mundo religiones, Iudaeorum, paganorum et Christianorum"8 des Vigilius von Thapus (um 484) in drei Glaubensgemeinschaften unterteilen. Das Heidentum wird also analog zum Christentum und zum Judentum als eine einheitliche Religion angesehen. Vom rein theologischen Standpunkt aus betrachtet, mag diese Dreiteilung legitim sein, da die Differenzierungen innerhalb des Heidentums für den Theologen unerheblich sind. Außerhalb des theologischen Bereiches versagt der Begriff Heidentum aber als Orientierungshilfe. Da er inkompatible Größen umschließt, liegt er auf einer ganz anderen Ebene als das Christentum oder das Judentum. Sowohl das Christentum als auch das Judentum sind klar definierte Religionen mit jeweils gemeinsamen Glaubensvorstellungen. ,Heidentum` dagegen ist ein Sammelbegriff für verschiedenste Denk-, Erlebnis- und Verhaltensweisen. Diese können von primitiven Manavorstellungen über buddhistische Mystik bis hin zum modernen Atheismus reichen.9 Für das konkrete Missionsvorhaben hat diese Tatsache gravierende Konsequenzen. Die Probleme und Schwierigkeiten wandeln sich je nach Eigenart der Religions- und Geisteswelt, in die hinein das Christentum verkündigt werden soll. Allein die Tatsache, dass sich die spezifischen Probleme sowohl auf die Einzelheiten der missionarischen Praxis als auch auf die Bekehrungsmotive auswirken10, zeigt schon, dass Heide nicht gleich Heide ist.
In der Religionstypologie ist das Christentum zweifelsohne eine Universalreligion. Der dreieinige Gott ist der einzige Gott und richtet seine Botschaft an alle Menschen der Erde ohne Rücksicht auf ihre jeweilige Volkszugehörigkeit. Im Gebiet der Elbslawen trafen die christlichen Missionare dagegen auf eine vollkommen andere Denkstruktur. In Übereinstimmung mit Ratschow stellt Kahl fest, dass den in diesen Gebieten ansässigen Völkern nichts ferner liegt als ein Denken in allgemeingiiltigen _Nategorien: „sie kennen nicht einmal den Begriff der einen, universalen Welt, wissen folglich auch nichts von einem allumfassenden Weltengott"11. In der Vorstellung der Elbslawen beschränkt sich der Wirkungskreis eines Gottes auf ein bestimmtes Volk oder Land. Die ethnische, politische und religiöse Ordnung haben im Denken der Elbslawen eine gemeinsame Grenze nach außen und außerhalb dieser Grenze erlischt die Zuständigkeit der eigenen Götter.12 Sie lehnen die Existenz oder die Macht anderer Götter neben ihren eigenen nicht ab, aber sie sprechen den fremden Göttern die Zuständigkeit für ihren Machtbereich ab. In der Religionstypologie spricht man in diesen Fällen von Gentilreligionen. Genau in diesem Punkt liegt meines Erachtens das größte Problem der christlichen Missionare. Da die Elbslawen die Zuständigkeit des christlichen Gottes für ihren Machtbereich ablehnen, steht der christliche Glaubensbote immer wieder vor der Aufgabe, den Nachweis zu führen, dass der von ihm verkündete Gott die Fähigkeit besitzt, auch hier fördernden Schutz zu gewähren oder zornig zu schaden.13 Bestenfalls zeigten die Elbslawen ein Verhalten, welches die Christen bereits vom vorchristlichen Römertum her kannten: die interpretatio Romana.14 Unter der interpretatio Romana versteht die Theologie die Integration fremder Glaubensvorstellungen in die eigene Religion. Das bedeutet, dass die Elbslawen die Zuständigkeit des christlichen Gottes teilweise anerkannten, aber sie stellten Christus in eine Reihe mit ihren eigenen Göttern. Bekanntermaßen liegt dem Christentum hingegen nichts ferner als dies. Folglich tritt das Christentum den Gottheiten fremder Religionen und damit auch den Gottheiten der Elbslawen mit spezifischen Denkkategorien gegenüber. Sie „sind Teufel oder Dämonen, durch die Satan versucht, Menschenseelen in die ewige Verdammnis zu bringen"15. Aus der Sicht des Christentums ist jeder Heidenkult daher Teufelsdienst. Für den christlichen Missionar bedeutet dieser Umstand, dass seine Missionstätigkeit stets ein doppeltes Ziel zu verfolgen hat. Auf das doppelte Missionsziel gehe ich im nächsten Kapitel dieser Arbeit noch einmal explizit ein.
Eine weitere problematische Herausforderung für die christlichen Missionare besteht darin, dass die christliche Universalreligion und die heidnische Gentilreligion unterschiedliche Auffassungen davon haben, was sie unter dem ,Heil` verstehen, dass sie ihren Gläubigen zusichern. Bekanntermaßen geht es dem Christentum um das jenseitige Seelenheil jedes einzelnen Menschen. Ganz anders bei der Gentilreligion: hier handelt es sich um ein ,Heil`, welches erstens diesseitig-irdisch beschaffen ist und zweitens auf das kollektive Ganze des jeweiligen gentilen Verbandes abzielt.16 Das bedeutet, dass der Einzelne nur über seine Zugehörigkeit zum Kollektiv an diesem ,Heil` teilhaben kann. Das konkrete diesseitige Heil äußert sich zum Beispiel in Fruchtbarkeit und Wachstum oder in der Sicherung des politischen Bestandes des eigenen Verbandes nach außen und innen.
Nachdem nun die Bedingungen vorgestellt wurden, welche die Missionare im Gebiet der Elbslawen vorfanden, möchte ich im folgenden Kapitel klären, welche konkreten Ziele die christlichen Glaubensboten mit ihrer Missionstätigkeit verfolgten.
[...]
1 Translatio S. Liborii, hg. v. Alfred Cohausz, (MG SS IV, 151), Hannover 1966, S. 21.
2 Vgl. Lübke, Christian, Konflikte zwischen Sachsen und Slawen vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, in: Politische, soziale und kulturelle Konflikte in der Geschichte von Sachsen-Anhalt, Halle 1999, S. 12-23, S. 13.
3 Zu dieser Bezeichnung finden sich nähere Erläuterungen bei Lübke, Christian, Slaven zwischen Elbe/Saale und Oder: Wenden — Polaben — Elbslaven? Beobachtungen zur Namenwahl, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 41 (1993), S. 17-43.
4 Die Abodriten werden in der Literatur oft als Obodriten bezeichnet.
5 Vgl. Lübke, Christian, Ottonen und Slaven, in: Auf den Spuren der Ottonen. Protokoll des Wissenschaftlichen Kolloquiums anläßlich des 1000. Todestages der Reichsäbtissin Mathilde von Quedlinburg (Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts; 13), Halle 1999, S. 25-36, S. 28.
6 Vgl. Lübke Konflikte zwischen Sachsen und Slawen « a.a.O., S. 14.
7 Vgl. Kahl, Hans-Dietrich, Die ersten Jahrhunderte des missionsgeschichtlichen Mittelalters, in: Knut Schäferdiek (Hg.), Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, Bd. 2: Die Kirche des früheren Mittelalters, München 1978, S. 11-76, S. 26.
8 Vigilius Thapsensis, Dialogus contra Arianos (MPL 62, I/5), Paris 1848, S. 157D.
9 Vgl. Kahl, Die ersten Jahrhunderte..., a.a.O., S. 28.
10 Vgl. _Nahl, Die ersten Jahrhunderte..., a.a.O., S. 28.
11 _Nahl, Die ersten Jahrhunderte..., a.a.O., S. 30
12 Vgl. _Nahl, Die ersten Jahrhunderte..., a.a.O., S. 31.
13 Vgl. ebd.
14 Vgl. _Nahl, Die ersten Jahrhunderte..., a.a.O., S. 39.
15 Ebd.
16 Vgl. _Nahl, Die ersten Jahrhunderte..., a.a.O., S. 33.
- Quote paper
- Matthias Zschieschang (Author), 2009, Formen der Slavenmission im Hochmittelalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123992
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