Das Ziel dieser Arbeit ist es, zu zeigen, welches Potenzial Gamification (dt. Gamifikation), also das Einbinden von Spielmechaniken in spielfremde Prozesse, in Bezug auf den Unterricht hat. Hierzu wird folgende Forschungsfrage gestellt: Inwiefern kann Gamification die Motivation und damit den Lernzuwachs der Lernenden steigern und wie realistisch ist ein solcher Einsatz in deutschen Klassenzimmern? Dazu werden zunächst die theoretischen Grundlagen bezüglich der Motivationspsychologie und anschließend von Gamification untersucht. Anhand der Plattform Classcraft wird gezeigt, wie eine Implementierung von Spielmechaniken in den Unterricht konkret aussehen könnte.
Dabei wird deutlich werden, dass Grundlagen der Motivationspsychologie mit Gamification Hand in Hand gehen. Weiter wurde bezüglich der Beantwortung der Forschungsfrage eine Online-Befragung durchgeführt. Diese richtete sich an Schüler*innen der Sekundarstufe I und II. Die Befragten sollten zunächst Fragen bezüglich ihrer digitalen Ausstattung und ihres Medienkonsums beantworten. Ebenfalls sollten sie ihre Einschätzung zu einem Einsatz von Classcraft in deutschen Klassenzimmern abgeben. Die Antworten der befragten Schüler*innen zeigen, dass Gamification in deutschen Klassenzimmern aus Sicht der Lernenden möglich und erwünscht ist. Anhand dieser Ausführungen wird deutlich, dass theoretische Voraussetzungen für eine Einbindung von Gamification in den Bildungskontext gegeben sind.
Weiterführende Forschung könnte sich damit beschäftigen, wie man Lehrpersonen dazu bringt, Gamification in den Unterricht zu implementieren und damit, ob theoretische Grundlagen sich auch in der Praxis belegen lassen. Digitale Spiele hegen ein großes Potential im Bildungskontext. Dennoch werden Videospiele meist als digitale Droge abgestempelt. Dadurch wurde ihnen in der Vergangenheit häufig nicht die faire Chance gegeben, sich in einem professionellen Umfeld zu beweisen. Dadurch entgeht dem Bildungswesen ein vielversprechendes Mittel zur Steigerung des Lehr- und Lernerfolges.
Inhaltsverzeichnis
1. Persönliches Vorwort
2. Motivation - wissenschaftliche Begriffsbestimmung
2.1 Begriffsklärung Motivation & Motiv
2.2 Arten von Lernmotivation
2.2.1 Extrinsische Lernmotivation
2.2.2 Intrinsische Lernmotivation
2.2.3 Verhältnis von extrinsischer- und intrinsischer Lernmotivation
2.3 Interindividuelle Unterschiede der Motivation
2.4 Folgen von Motivation
2.5 Möglichkeiten der Beeinflussung von Motivation
3. Gamification
4. Classcraft
4.1 Funktionen von Classcraft
4.2 Classcraft an deutschen Schulen
5. Classcraft, Gamification und Motivation
5.1 Grundvoraussetzungen für den motivierten Unterricht
5.2 Unterschiede der Entwicklung
5.3 Emotionen
5.4 Benotung
6. Empirie
7. Fazit
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Fragebogen der Empirie
VerbindlicheVersicherung
Abstract
Digitale Spiele hegen ein großes Potential im Bildungskontext. Dennoch werden Videospiele meist als digitale Droge abgestempelt. Dadurch wurde ihnen in der Vergangenheit häufig nicht die faire Chance gegeben, sich in einem professionellen Umfeld zu beweisen. Dadurch entgeht dem Bildungswesen ein vielversprechendes Mittel zur Steigerung des Lehr- und Lernerfolges.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, zu zeigen, welches Potenzial Gamification (dt. Gamifikation), also das Einbinden von Spielmechaniken in spielfremde Prozesse, in Bezug auf den Unterricht hat. Hierzu wird folgende Forschungsfrage gestellt: Inwiefern kann Gamification die Motivation und damit den Lernzuwachs der Lernenden steigern und wie realistisch ist ein solcher Einsatz in deutschen Klassenzimmern? Dazu werden zunächst die theoretischen Grundlagen bezüglich der Motivationspsychologie und anschließend von Gamification untersucht. Anhand der Plattform Classcraft wird gezeigt, wie eine Implementierung von Spielmechaniken in den Unterricht konkret aussehen könnte. Dabei wird deutlich werden, dass Grundlagen der Motivationspsychologie mit Gamification Hand in Hand gehen.
Weiter wurde bezüglich der Beantwortung der Forschungsfrage eine Online-Befragung durchgeführt. Diese richtete sich an Schüler*innen der Sekundarstufe I und II. Die Befragten sollten zunächst Fragen bezüglich ihrer digitalen Ausstattung und ihres Medienkonsums beantworten. Ebenfalls sollten sie ihre Einschätzung zu einem Einsatz von Classcraft in deutschen Klassenzimmern abgeben. Die Antworten der befragten Schüler*innen zeigen, dass Gamification in deutschen Klassenzimmern aus Sicht der Lernenden möglich und erwünscht ist.
Anhand dieser Ausführungen wird deutlich, dass theoretische Voraussetzungen für eine Einbindung von Gamification in den Bildungskontext gegeben sind. Weiterführende Forschung könnte sich damit beschäftigen, wie man Lehrpersonen dazu bringt, Gamification in den Unterricht zu implementieren und damit, ob theoretische Grundlagen sich auch in der Praxis belegen lassen.
1. Persönliches Vorwort
Seit der Kommerzialisierung von Videospielen im Jahr 1972 erfuhr die Videospieleindustrie ein sehr konstantes und seit 2000 ein geradezu explosives Wachstum (vgl. Naramura 2019). Daher ist es nicht verwunderlich, dass Videospiele mittlerweile eine signifikante Rolle in der Lebenswelt der Schüler*innen spielen. Aus den JIM Studien aus dem Jahr 2019 geht hervor, dass 85% der 12- bis 13-Jährigen und 90% der 16- bis 17-Jährigen zumindest gelegentlich digitale Spiele nutzen (vgl. JIM 2019: 44). Bei der Betrachtung der 12- bis 19-Jährigen im Ganzen ergab sich in der Studie, dass 87% der Jugendlichen Videospiele konsumieren. Das bedeutet, dass heutzutage nahezu alle Jugendlichen selbst Videospiele spielen. Es handelt sich demnach nicht länger um eine Randerscheinung wie noch 1972 (vgl. Naramura 2019). In zahlreichen Populärmedien wie dem Privatsender RTL Television (vgl. RTL Online 2019), der Süddeutschen Zeitung (vgl. Süddeutsche Zeitung 2019) und dem Deutschlandfunk (vgl. Hannebohn 2018) wird vor den negativen Auswirkungen von digitalen Spielen gewarnt. Ich sehe in ihnen jedoch auch großes Potenzial für die Unterrichtsqualität an Schulen. Videospiele sind schon lange ein Hobby von mir. Nicht selten musste ich mich dafür vor Personen rechtfertigen, die keinerlei eigene Erfahrung mit digitalen Spielen haben und sie daher kategorisch ablehnen. Aufgrund von Erfahrungen im persönlichen Umfeld, der Betrachtung zahlreicher empirischen Studien und dem Besuch des SeminarsDigitale Spiele im Bildungskontextan meiner Hochschule bin ich allerdings davon überzeugt, dass sich im Bereich der Gamification, also der Einbindung von Spieltypischen Elementen in den Unterricht, ein großes positives Potential in zahlreichen Dimensionen finden lässt. Besondere Möglichkeiten sehe ich in Bezug auf den Schulunterricht. Jedoch muss dabei differenziert vorgegangen werden. Nicht jedes Spiel und nicht jede Plattform ist geeignet für den Einsatz im Unterricht und es kommt ebenfalls auf die Art und Weise an, wie ein digitales Spiel oder eine Plattform implementiert wird. Ich behaupte nicht, dass Gamification die Antwort auf alle pädagogischen Problemfragen ist. Dennoch denke ich, dass sie, richtig angewandt, eine sehr positive Auswirkung auf Motivation, Leistung und aktive Teilnahme am Unterricht haben können. Wird die Forschungslage bezüglich Gamification berücksichtigt so kann diese Annahme allein aufgrund der zahlreichen Publikationen gestützt werden. Gleichwohl ist, so scheint es, die Umsetzung in den meisten deutschen Klassenzimmern noch unbekannt. Doch warum ist dies so? Sind die Schulen nicht hinreichend ausgestattet? Besitzen Schüler*innen nicht das nötige Equipment, um Gamification zu nutzen? Ist Gamification vielleicht noch nicht ausgereift genug und gibt es daher keine Angebote, die einen realen Mehrwert für den Unterricht darstellen könnten?
Meine These lautet hierzu klar: nein. Die Schulen und Schüler*innen Deutschlands sind ausreichend ausgestattet. Es sind bereits realisierbare Angebote auf dem Markt, welche einen großen Mehrwert für den Unterricht, speziell im Hinblick auf die Motivationssteigerung, darstellen. Um diese These zu stützen, werde ich im Folgenden zunächst die theoretischen Grundlagen klären. Dabei möchte ich erst auf Motivation zu sprechen kommen. Ich möchte diesbezüglich zeigen, welche gängigen Motivationsarten es gibt, warum ein hohes Maß an Motivation im Allgemeinen erstrebenswert ist und wie dieses gefördert werden kann. Im nächsten Schritt möchte ich zeigen, was Gamification ist und welche spieltypischen Elemente hierzu gängiger Weise Anwendung finden. Der theoretische Teil wird abgeschlossen durch das KapitelClasscraft. In diesem werde ich auf die Plattform, die zugehörigen Funktionen und die technischen sowie finanziellen Anforderungen eingehen. Danach sollen die theoretischen Aufbereitungen der Motivation und Gamification zusammengeführt werden. Anhand der Plattform Classcraft werde ich zudem zeigen, wie diese Zusammenkunft aus motivationspsychologischer Theorie und Gamification konkret in Form einer Plattform für den Schulunterricht aussehen kann. Mit der anschließenden Empirie intendiere ich zu zeigen, dass auch die Schüler*innen, zumindest oberflächlich, einer Implementierung von Gamification positiv gegenüberstehen.
2. Motivation - wissenschaftliche Begriffsbestimmung
Motivation ist ein, vor allem im Bildungskontext, weit verbreitetes Konzept. Dieser Umstand äußert sich beispielsweiße in der konstanten Frequentierung des Konzeptes in den alten und gegenwärtig gültigen deutschen Bildungsplänen. In dem baden-württembergischen Bildungsplan für die Sekundarstufe I von 2016 wird für das Fach Deutsch beispielsweise auf die Wichtigkeit der Beachtung der motivationalen Dispositionen hingewiesen (vgl. 2016: 10). Im Rahmen des Faches Englisch wird motiviertes Handeln als vorbeugend in Bezug auf Überforderung angesehen (vgl. 2016: 7) und im Bereich Geschichte werden Motive als Auslöser für den Prozess des historischen Denkens beschrieben (vgl. 2016: 6). Motivation scheint somit auf dem ersten Blick sehr bedeutsam für den Bildungskontext. Doch so gängig der Begriff Motivation auch sein mag, so schwierig ist es, ihn eindeutig zu definieren. Dieser Umstand offenbarte sich mir bei meinen ersten Literaturrecherchen. In diesem Kapiteln sollen daher zunächst die BegrifflichkeitenMotivationundMotivenäher beleuchtet werden. Anschließend werden die zwei gängigsten Arten der Lernmotivation unterschieden. Abschließend wird beleuchtet, welche Folgen speziell die Lernmotivation haben kann und wie diese Motivation beeinflusst werden kann.
2.1 Begriffsklärung Motivation & Motiv
Bezüglich der Definition von Motivation kann zunächst festgehalten werden, dass sich die Bedeutung des Begriffes im Alltagsgespräch von der Bedeutung des Begriffes in den Fachwelten unterscheidet. Für diese Arbeit soll der Fokus auf die wissenschaftliche Definition von Motivation gerichtet werden. Die Psychologen Rheinberg & Vollmeyer (2012: 16) beschreiben „Motivation [als]die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen positiv bewerteten Zielzustand.“ Mit anderen Worten: Motivation ist jene unsichtbare Kraft, welche eine Person dazu bewegt, einer bestimmten Sache in der Gegenwart nachzugehen, um ein als positiv bewertetes Ziel zu erreichen. Wild & Möller (vgl. 2015: 154) beschreiben Motivation nicht nur im Hinblick auf die Zielrichtung (warum eine Person etwas tut) als determinierenden Faktor, sondern auch in Bezug auf die Ausdauer (wie lange eine Person einer Tätigkeit nachgeht) und die Intensität (wie intensiv und nachhaltig sich eine Person mit einer Sache auseinandersetzt). Aufgrund dessen fassen Wild & Möller (2015: 154) die Motivation „als zentrales Konstrukt der Verhaltensklärung“ zusammen. Eine weitere Charakteristik der Motivation ist nach Rheinberg & Vollmeyer (vgl. 2012: 16), dass diese meist nur vorübergehend anhält. Das bedeutet allerdings nicht, dass eine Person nicht über einen längeren Zeitraum hinweg Motivation verspüren kann. Dieses langfristige Verspüren ist jedoch nicht als eine einzige lange Periode der Motivation, sondern als hochfrequentiertes sequenzielles Auftreten von Motivation zu sehen. Tritt Motivation gewohnheitsmäßig und hochfrequentiert auf, so wird von habitueller Motivation gesprochen (vgl. Wild & Möller 2015: 154).
Vor allem in Punkto Dauer unterscheiden sich die Motive maßgeblich von der Motivation. Diese zeichnen sich durch ihre Langfristigkeit und dispositionelle Art aus (vgl. Heckhausen: 5). Nach Rheinberg & Vollmeyer (vgl. 2012: 20) sind Motive zeitlich stabile verhaltenslenkende Bewertungsvorlieben, d.h. interindividuelle Präferenzen für das Erleben spezifischer Zustände. Auch Schiefele (vgl. 1996: 10) betont ihre überdauernde dispositionelle Eigenschaft. Motive sind demnach nichts anderes als die Grundlage, auf welcher Individuen bewerten. Daher ist es schwierig, die Motivation verschiedener Schüler*innen zu vergleichen. Verschiedene Motive führen zu unterscheidbaren Motivationen. Selbst wenn diese in einem ähnlichen Kontext auftreten können, kann es zu einer Abweichung der Art, des Aufkommens und der Ausprägung von Motivation kommen.
2.2 Arten von Lernmotivation
Motivation kann in zahlreichen Bereichen und Facetten des Lebens erfolgen. Mit Hinblick auf diese Arbeit möchte ich den Fokus speziell auf die Lernmotivation richten. Lernmotivation ist grundlegend als jene Motivation zu verstehen, die uns zum Lernen von Inhalten und Erlernen von Fähigkeiten bewegt (vgl. Schiefele 1996: 50 f.). Nun soll zwischen den zwei grundlegendsten Arten der Lernmotivation unterschieden werden. Der extrinsischen- und der intrinsischen Lernmotivation.
2.2.1 Extrinsische Lernmotivation
„Unter extrinsische Lernmotivation versteht man die Absicht, eine Lernhandlung durchzuführen, weil damit positive Konsequenzen herbeigeführt oder negative Konsequenzen vermieden werden.” (Wild/Möller 2015: 155) Die Unterscheidung zwischen der Herbeiführung von positiven und der Vermeidung von negativen Konsequenzen ist dabei von Bedeutung, da diese verschiedene Arten der extrinsischen Motivation darstellen, welche andere Folgen haben können. Nun sollen beide Arten anhand von Beispielen illustriert werden.
Tom ist 12 Jahre alt, interessiert sich nicht wirklich für die Schule und es steht eine bedeutende Klausur an. Seine Eltern drohen ihm damit, sein Taschengeld einzubehalten, sollte er in der Klausur schlecht abschneiden. Daraufhin legt sich Tom mit dem Lernen ins Zeug, um sein Taschengeld weiterhin zu erhalten. Jana geht in die gleiche Klasse wie Tom und auch Sie erledigt Schulaufgaben nur, wenn es sein muss. Ihre Eltern bevorzugen allerdings eine andere Methode, um Sie zu motivieren. Sie geben ihr das Versprechen, das Taschengeld zu erhöhen, sollte Sie eine gute Note nach Hause bringen. Auch Jana lernt nun viel motivierter.
In beiden Fällen haben die Handlungen der Eltern zu einer leistungsbezogenen extrinsischen Lernmotivation geführt, aber auf verschiedenen Weisen. Tom wollte negative Folgen (Einbehalt des Taschengeldes) vermeiden, während Jana eine positive Folge (Erhöhung des Taschengeldes) herbeiführen wollte. Aber auch an dieser Stelle muss weiter unterschieden werden. Denn nicht nur Eltern, sondern zahlreiche verschiedenen Parteien können diese Motivation hervorrufen (vgl. Wild/Möller 2015: 155). Ebenfalls zielt nicht jede extrinsische Motivation auf Leistung ab. Weitere Ziele können ebenfalls auf die „Selbstbewertung, Fremdbewertung und die Annäherung an Oberziele gerichtet sein.” (Wild/Möller 2015: 160)
Tom, aus unserem Beispiel zuvor, hätte sich auch durch eine dieser Zielsetzungen motivieren lassen können. Er hätte ebenfalls eine höhere Lernleistungen erbringen können, um seine Eltern stolz zu machen (Fremdbewertung) oder um zufrieden/stolz auf sich selbst zu sein (Selbstbewertung). Hätte er intensiv auf die Klausur gelernt, weil er deren Inhalt als wichtig für sein späteres Leben erachtet, hätte er Oberziele verfolgt. Speziell auch an dieser Stelle sind die Motive von Bedeutung. Denn diese beeinflussen, wie erstrebenswert für Tom Dinge wie Zufriedenheit, Stolz und das Aneignen von Wissen ist. Womöglich empfindet es Tom als zufriedenstellend, wenn er eine ausreichende Note erzielt. Jeder Mehraufwand könnte ihn in Summe unglücklicher machen. Obwohl es uns als Individuen schwierig fällt oder es für uns gar unmöglich ist,diese eigenen Motive zu verbalisieren, so stellen sie doch unsere ganz persönliche und individuelle Bewertungsmatrix dar.
Zusammenfassend kann die extrinsische Motivation als das Mittel zum Zweck bezeichnet werden. Sie liegt außerhalb der Handlung selbst, beeinflusst die Handlung aber dennoch auf verschiedene Weisen (vgl. Wild/Möller 2015: 155 f.). Speziell in diesem Punkt unterscheidet sich die intrinsische Motivation maßgeblich.
2.2.2 Intrinsische Lernmotivation
Die Ziele intrinsisch motivierten Handelns sind „die Erlebenszustände, die bereits während der Handlungsausführung eintreten.” (Wild/Möller 2015: 155) Die Zielzustände liegen somit nicht länger außerhalb der Handlung, sondern innerhalb der Handlung selbst (vgl. Wild/Möller 2015: 155). Mit anderen Worten: Der Weg gilt als das primäre Ziel der Motivation. Doch was bewegt Individuen dazu, intrinsische Motivation zu verspüren? Deci und Ryan (1985: 110 - 132) widmeten sich dieser Frage und entwarfen dieSelf-determination theory(Selbstbestimmungstheorie). Innerhalb dieser identifizieren Sie drei grundlegende Bedürfnisse und Verlangen des menschlichen Handelns, welche für eine intrinsisch Motivation verantwortlich sein sollen.
1. (Kompetenz):„Menschen [verfügen] über ein angeborenes Bedürfnis [...], sich effektiv und kompetent mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen.“ (Wild/Möller 2015: 157).
2. (Selbstbestimmung):„Eine Person muss sich frei von äußerem Druck bzw. als selbstbestimmt handelnd erleben.“ (Wild/Möller 2015: 157)
3. (Soziale Bezogenheit):„[Soziale Bezogenheit] manifestiert sich u.a. in dem Ziel, vertrauensvolle und unterstützende Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen.“ (Wild/Möller 2015: 157)
Diese Bedürfnisse sind nach Wild und Möller (vgl. 2015: 157) keine Garanten für intrinsische Motivation, sie erhöhen aber signifikant die Wahrscheinlichkeit des Auftretens. Des Weiteren ist festzuhalten, dass eine Befriedigung dieser Grundbedürfnisse nicht nur hinsichtlich der Motivationssteigerung erstrebenswert ist, sondern auch aufgrund der positiven Auswirkung auf die psychische Gesundheit (vgl. Wild/Möller 2015: 157). „Die intrinsische Lernmotivation richtet sich also auf positive Erlebenszustände, die während der Ausführung einer Handlung eintreten.“ (Wild/Möller 2015: 158)
Diese positiven Erlebenszustände können sowohl in Bezug auf die Art des Lernens (tätigkeitszentrierte intrinsische Lernmotivation) als auch auf den Gegenstand der Lernleistung (gegenstandzentrierte intrinsische Lernmotivation) auftreten. Diese Erkenntnis ist für die Pädagogik äußert relevant, da durch dieses Wissen auch bei unbeliebten fachlichen Gegenständen im Unterricht durch eine von den Schüler*innen präferierte Arbeitsmethode die intrinsische Motivation der Klasse gefördert werden kann. Ähnliches gilt für besondere Arbeitsmethoden, die womöglich auf Abneigung seitens der Schüler*innen stoßen. Hier kann ein für die Klasse interessantes Thema dennoch für intrinsische Motivation sorgen. Direkt verbunden mit der Intrinsischen Motivation ist das Interesse. Dieses wird, ähnlich wie die Motive, „als relativ dauerhaftes, dispositionales Merkmal einer Person verstanden“ (Wild/Möller 2015: 162). Das Interesse stellt einen maßgeblichen Motor der intrinsischen Motivation dar. Denn es ist nicht nur im Hinblick auf die Frage mit welchem Gegenstand sich beschäftigt wird, sondern auch auf die Frage, wie sich mit einem Gegenstand beschäftigt wird, der determinierende Faktor (vgl. Rheinberg/Vollmeyer 2012: 19). Mehr zu den Auswirkungen von Interesse im Kapitel 2.4Folgen von Motivation.
2.2.3 Verhältnis von extrinsischer- und intrinsischer Lernmotivation
Trotz der Unterscheidung zwischen diesen beiden grundlegenden Arten der Motivation soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass beide, vor allem im Schulkontext, koexistieren : „Die bisherige Forschung gibt Hinweis darauf, dass sich extrinsische und intrinsische Lernmotivation nicht ausschließen, sondern z.B. gleichermaßen hoch ausgeprägt sein können.“ (z.B. Amabile et al., 1994; Buff, 2001) (Wild/Möller 2015: 155). Dieser Zustand ist nicht überraschend. Häufig geht ein intrinsisch motiviertes Handeln (z.B. Lernen um des Themas Willen) mit außerhalb der Handlung liegend Konsequenzen (z.B. Der Stolz der Eltern aufgrund der guten Schulleistungen) einher, welche ebenfalls extrinsisch motivierend wirken können (vgl. Wild/Möller 2015: 155). Dennoch kann das Zusammenspiel dieser beiden Motivationsarten nicht als gänzlich positiv bewertet werden. Es kann vereinzelt dazu kommen, dass die Verstärkung extrinsischer Motivation zu einer Abnahme der intrinsischen Motivation führt. Dieser Umstand ist darauf zurückzuführen, dass ein Individuum im Kontext von extrinsischen Motivationsfaktoren (z.B. Belohnung der Eltern) die zuvor vorhandene intrinsische Motivation alsÜberveranlassungwahrnehmen kann. Das führe laut Hasselhorn & Gold (2009: 105 f.) zu Zweifeln, Unsicherheit und dem Hinterfragen der Selbstständigkeit des eigenen Handelns. Eine Abnahme der intrinsischen Motivation kann die Folge daraus sein.
2.3 Interindividuelle Unterschiede der Motivation
Wie sich durch meine Ausführungen bereits gezeigt hat, ist Motivation sehr vielschichtig und es kann nie die Rede von der einen Motivation sein. Wie schon zuvor erwähnt, können interindividuelle unterschiede der Motive (Bewertungsvorlieben) zu verschiedenen Motivationen führen. Dieses Wissen und die damit verbundene Möglichkeit der Identifizierung von gängigen Motivationstypen und folglich auch der Anpassung der Lehrvorgänge auf diese Dispositionen ist für die gezielte Motivationsförderung unerlässlich. Nun soll in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Zielorientierung gerichtet werden. Nach Wild und Möller (2015: 160) handelt es sich dabei um „dauerhaft im Gedächtnis repräsentierte Zielüberzeugungen [.], die somit dispositionalen Charakter besitzen.“ Nun lassen sich innerhalb der Zielüberzeugungen zwei grundsätzliche Kategorien identifizieren. Das Annäherungsleistungsziel und Vermeidungsleistungsziel. Unter einem Annäherungsleistungsziel ist zu verstehen, dass sich die Schüler*innen vorrangig nach einer positiven Zurschaustellung ihrer Kompetenzen sehnen. Im Idealfall soll also die Überlegenheit der Kompetenzen im Vergleich zu den Mitschüler*innen demonstriert werden. Schüler*innen mit Vermeidungsleistungsziel hingegen versuchen, negative Ereignisse zu vermeiden. Sie fürchten, dass ihre vermeidlich unterlegenen Kompetenzen demonstriert werden könnten und verhalten sich im Unterricht daher eher zurückhaltend (vgl. Wild/Möller 2015: 162).
2.4 Folgen von Motivation
Motivation ist im Bildungskontext aus verschiedenen Gründen erstrebenswert. Schiefele (1996: 196) konnte mit seinen Untersuchungen der Auswirkungen von Interesse zeigen, dass „Interesse mit allen drei Lernindikatoren positiv korreliert.“ Bei diesen drei untersuchten Lernindikatoren handelt es sich um einfache und komplexe Wissensfragen sowie um Verständnisfragen. Es zeigte sich insbesondere, dass Schüler*innen mit einer hohen dispositionellen Interesse am entsprechenden Gegenstand in den Verständnisfragen besonders gut abschnitten. Damit sieht sich Schiefele (vgl. 1996: 196) in der Annahme bestätigt, dass das Interesse vor allem tiefgehendes Lernen begünstigt. Des Weiteren sollen motivierte Schüler*innen für den Unterricht deswegen von großer Bedeutung sein, da sie dazu beitragen, dass der Unterricht „konfliktfreier, reibungsloser und effizienter abläuft“ (Wild/Möller 2015: 154). Daraus soll die Erhöhung von Lernzeit und Erlebensqualität folgen, was wiederum den Lernerfolg der gesamten Klasse begünstigt (vgl. Wild/Möller 2015: 154). Dies bedeutet, dass motivierte Schüler*innen auch eine positive Auswirkung auf jene Schüler*innen haben, die als nicht motiviert gelten. Mit der Motivation erhöht sich ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, dass die Schüler*innen auch außerhalb des Unterrichts für die Schule lernen. Zudem wirkt sich die individuelle Motivation der Schüler*innen nicht nur in Bezug auf den Unterrichtskontext positiv aus, sondern auch langfristig auf deren persönliche Lebenswelt. Motivation im Klassenkontext kann dazu führen, dass die Schüler*innen sich auch in Ihrer Freizeit und auch in der Zeit nach der Schule, womöglich sogar im späteren Beruf, mit einem bestimmten Gegenstand auseinandersetzen (vgl. Wild/Möller 2015: 154).
2.5 Möglichkeiten der Beeinflussung von Motivation
So viele verschiedene Kategorien, Unterscheidungen und Facetten die Motivationspsychologie auch hat, so viele Ansätze für die Beeinflussung dieser gibt es. Zunächst soll festgehalten werden, dass Schüler*innen während der Schulzeit verschiedene Entwicklungsstufen durchlaufen. Diese Stufen sind für die Motivationsförderung äußert bedeutend, da mit den einzelnen Stufen ein Wandel in Bezug auf die Selbstwahrnehmung, die Wertüberzeugung und der Bewertung von Rückmeldung einhergehen. So konnte beispielsweise beobachtet werden, dass Schüler*innen unterer Klassenstufen eher dazu neigen, die eigenen Fähigkeiten und die damit verbundenen Erfolgserwartungen zu überschätzen. Dies scheint, aufgrund der eingeschränkten Fähigkeit zur Selbstreflektion und aufgrund der unangemessenen Interpretation und Verarbeitung von extrinsischen Rückmeldungen, so zu sein (vgl. Wild/Möller 2015: 167). Ebenfalls lässt sich bei jungen Schüler*innen feststellen, dass diese verstärkt aufgrund von extrinsischen Motivationsfaktoren handeln. Daher können beispielsweise häufige schriftliche Tests und häufige Rückmeldung der Eltern zu einer Erhöhung der Motivation führen. Im Laufe der Schulzeit ändert sich dieser Umstand jedoch. Schüler*innen scheinen sich mit fortschreitendem Alter verstärkt in soziale Vergleiche zu begeben, Feedback angemessener zu verarbeiten und im Allgemeinen reflektierter zu sein als noch in jüngeren Jahren. Die sozialen Vergleiche lassen die Schüler*innen ihre eigenen Leistungen in einem größeren Kontext sehen. Womöglich erscheinen zuvor als gut bewertete Leistungen nun lediglich als durchschnittliche Leistungen. Ein weiterer Grund, der für die negative Beeinflussung der Selbsteinschätzung herhalten kann, ist die Tatsache, „dass die schulische Lernumgebung mit steigender Klassenstufe Leistungsbewertungen immer stärker betont und somit auch den Wettbewerb zwischen den Schülern anregt.“ (Wild/Möller 2015: 167) Nach Wild & Möller (2015: 167) mag ein Wettbewerb einige wenige Schüler*innen zu höheren Leistungen beflügeln, jedoch führt es bei der Mehrzahl der Schüler*innen zu einem niedrigeren Selbstkonzept. Besagte Schüler*innen können dadurch zur Nutzung von Ausweichstrategien tendieren (vgl. Hasselhorn/Gold 2013: 395). Das bedeutet, dass im Unterricht alles getan wird, um Misserfolg zu vermeiden. Diese Misserfolgsangst kann dazu führen, dass diese Schüler*innen bevorzugt jene Aufgaben wählen, die entweder ein möglichst geringes oder ein deutlich zu hohes Anforderungsniveau haben.Bei diesen einfachen Aufgabensind die Chancen für einenMisserfolg und die damit verbundene Demütigung sehr gering. Die sehr anspruchsvollen Aufgaben hingegen stellen eine solch große Herausforderung dar, dass ein Erfolg so unwahrscheinlich ist, dass auch in diesem Fall eine Demütigung ausbleibt (vgl. Hasselhorn/Gold 2013: 109). Jedoch ist bei der Bearbeitung von Aufgaben, welche die Schüler*innen chronisch unter- oder überfordern, im Schnittkein besonders hoher Lernzuwachs zu erwarten.
Weiterer wichtiger Aspekte der Lernbeeinflussung sind die Emotionen. Diese sind für die Motivation und die daraus resultierende Lernleistung äußerst relevant, denn sie „befördern (...) die kognitiven Funktionen” (Hasselhorn/Gold 2013: 157). Dabei gilt es, negative Emotionen zu meiden da beispielsweise bei „Zustände[n] von Angst und Ärger mit einer Reduktion der intrinsischen Motivation zu rechnen [ist].” (Hasselhorn/Gold 2013: 117) Positive Emotionen wie Lernfreude, Hoffnung und Stolz hingegen können der Lernmotivation zuträglich sein und sollten daher gefördert werden. Die wohl wichtigste Emotion im Zusammenhang mit Lernen ist jedoch der Spaß, denn „Spaß an einer Sache zu haben, gehört zu den intrinsisch motivierten Zuständen, [...], die die Investition von Anstrengung nicht als belastend, sondern sie als beglückend empfinden lassen.“ (Hasselhorn/Gold 2013: 393) Wobei Spaß im Unterricht sehr förderlich sein kann, kann das allgemeine Ziel jedoch nicht sein, dass alle Schüler*innen Spaß im Unterricht haben. Dieser Zustand wäre zwar äußerst wünschenswert, ist aber aufgrund von dispositionell bedingten subjektiven Wahrnehmungen der einzelnen Individuen nur selten möglich. Glücklicherweise gibt es noch weitere für den Schulkontext hilfreiche Emotionale Zustände. „Eine weitere Strategie kann man als Wecken von Neugier bezeichnen.” (Hasselhorn/Gold 2013: 393) Neugierde kann nach Hasselhorn & Gold (2013: 393) ebenfalls die intrinsische Motivation fördern. Diese Neugierde kann beispielsweise durch angemessene kognitive Dissonanzen erschaffen werden. Mit angemessen ist gemeint, dass die Dissonanz nicht zu groß sein darf. Bietet sich den Schüler*innen ein Problem, dessen Lösung so weit entfernt scheint, könnte das dazu führen, dass die Schüler*innen es erst gar nicht versuchen, da die Erfolgschancen auf sie klein wirken mögen. Daraus ergibt sich, dass Aufgaben mit angemessener Schwierigkeit das Aufkommen von intrinsischer Motivation anregen können.
Des Weiteren sind nicht nur die gegenwärtig vorherrschenden Emotionen der Schüler*innen relevant für eine steigende Lernmotivation, sondern auch wenn mit der bevorstehenden Tätigkeit der Schüler*innen positive Erwartungen verbunden sind (vgl. Hasselhorn/Gold 2013: 391). Diese positiven Erwartungen unterteilten Hasselhorn & Gold (2013: 392) in vier Grundvoraussetzungen für den motivierenden Unterricht. Ohne diese soll grundsätzlichkeine Motivationsstrategie greifen können (vgl. Hasselhorn/Gold 2013: 392). „Die erste Grundvoraussetzung besteht darin, dass ein geordneter und angemessener Lernkontext geschaffen wird“ (Hasselhorn/Gold 2013: 391). Das bedeutet, dass das Klassenzimmer nach Möglichkeit von Unordnung und Unruhen befreit werden soll. Häufige Unterbrechungen und Störungen führen zu einem unangemessenen Lernkontext. Die zweite Voraussetzung ist das unterstützende Verhalten der Lehrperson. Dabei gilt es zu beachten, dass dabei die Perspektive der Lernenden entscheidend ist. Wenn die Lehrperson nach eigenem Urteil unterstützend handelt, kann dies anders bei den Lernenden ankommen. Daher ist Empathie gefordert. Höheres Ziel dabei soll es sein, dass die Lehrperson als geduldig und unterstützend verstanden wird, so dass eine Atmosphäre entsteht, in welcher die Schüler*innen sich trauen, Fehler zu machen. Diese Voraussetzung kann direkt dem zuvor erwähnten Faktor der Misserfolgsangst und dessen negativen Folgen vorbeugen. „Die dritte Voraussetzung hat etwas mit dem Schwierigkeitsniveau von Lernanforderungen zu tun“ (Hasselhorn/Gold 2013: 392). Aufgaben sollen demnach herausfordernd, aber nicht überfordernd sein. Als vierte Grundvoraussetzung nennen Hasselhorn und Gold (vgl. 2013: 392), dass die Lernanforderungen als sinnvoll und lohnend wahrgenommen werden müssen. Dieser Punkt unterscheidet sich zu dem vorherigen maßgeblich, wenn auch nicht augenscheinlich. Neben der passenden Herausforderung muss der Inhalt eben auch als sinnvoll und lohnend erachtet werden. Falls dem nicht so ist, könnte Resignation die Folge sein. Ein als sinnvoll erachteter Gegenstand des Unterrichts könnte eine Aufgabe sein, die Inhalte aus der Lebenswelt der Schüler*innen einbindet und ihnen somit authentisch eine Relevanz aufweisen kann (vgl. Hasselhorn/Gold 2013: 392).
Auch trotz dieser Grundvoraussetzungen kann es laut Hasselhorn & Gold (2013: 394) dazu kommen, dass die aufgekommene Motivation nicht den erforderlichen Arbeitsaufwand einer Aufgabe überdauert. Eine Maßnahme, die unternommen werden kann, ist es, den Schüler*innen kontinuierlich kleine Erfolgserlebnisse zu bescheren. Dies kann beispielsweise durch kleine Aufgaben bezüglich des Gelernten, Lob oder Belohnung geschehen. Dadurch erhalten die Schüler*innen wichtiges Feedback über ihren Lernzuwachs und werden dadurch ermutigt, weiterzumachen. Des Weiteren sollte die Lehrperson Sorge tragen, dass am Ende der Lernleistung ein fertiges Produkt entstanden ist. Dies signalisiert den Schüler*innen, dass die Handlung abgeschlossen und die Herausforderung somit erfolgreich überwurden wurde. Ebenfalls ermöglicht es den Schüler*innen, zukünftig auf diese Leistung zurückzugreifen. Auch meinen Hasselhorn & Gold (2013: 394), dass es förderlich ist, wenn das Risikopotential zu scheitern minimiert wird. Auch an dieser Stelle erneut der Verweis auf die zuvor angesprochene Misserfolgsängstlichkeit einiger Schüler*innen. Durch realistische Erfolgsaussichten können womöglich auch diese Schüler*innen dazu bewegt werden, eine Aufgabe zu bearbeiten, die ein großes Potential für einen Lernzuwachs vorweisen kann. Um das Risikopotential weiter zu senken, wird ebenfalls empfohlen, die Benotung nicht in den Vordergrund zu stellen. Der ständig vorherrschende Gedanke der Schüler*innen an die Benotung könnte unnötigen Druck und Stress aufbauen. Ebenfalls soll sich positiv auf die Motivation der Schüler*innen auswirken können, wenn die Lehrperson die eigene Begeisterung für die Thematik verbalisiert. Das kann Schüler*innen im Zweifelsfall helfen, einen Sinn in der Bearbeitung der Aufgabe zu sehen.Diese Aufzählung ist nicht komplett. Jedoch möchte ich mich in dem Rahmen dieser Arbeit auf die genannten Facetten der Motivationsbeeinflussung beschränken.
Nachdem die verschiedenen Facetten der Motivation im schulischen Kontext ausführlich dargestellt wurden, soll im folgenden Kapitel eine Annäherung an den Begriff Gamification vorgenommen werden.
3. Gamification
Mit Gamification wird die Einbindung spieltypische Mechaniken in einer spielfremden Umgebung bezeichnet (vgl. Stieglitz/ Lattemann/ Robra- Bissantz/ Zarnekow/ Brockmann 2017: Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt.
3). Dadurch sollen sich herkömmliche Prozesse mehr wie Spiele anfühlen.
Weiter beschreiben die Autoren, dass es sich dabei um einen interdisziplinärenAnsatz handle, der die Nutzer durch die Spielelemente dazu motivieren soll, bestimmte verhaltensbezogene oder psychologische Ergebnisse zu erzielen, wie zum Beispiel schnelleres
Lernen oder eine regelmäßige Nutzung einer bestimmten Plattform. Dies soll explizit nicht durch extrinsische Faktoren wie monetäre Vorteile oder Bestrafung geschehen, sondern mittels intrinsisch motivierender Faktoren (vgl. Stieglitz/ Lattemann/ Robra-Bissantz/ Zarnekow/ Brockmann 2017: 4). Gamification ist ein noch junges Konzept, welches allerdings rapide an Relevanz gewinnt. Während sich im Jahr 2010 lediglich 81 Ergebnisse bei der Eingabe des Begriffes in Google Scholar boten, so werden heute über 15.000 Ergebnisse geboten (vgl. Abbildung 1). Das mag an sich nicht überraschen, zeigt jedoch, dass sich die Forschung noch in den Kinderschuhen befindet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Google Scholar Suchergebnisse für 'gamification' von 2005 bis 2020
Gamification ist nicht Gaming. Diese Unterscheidung empfinde ich vor allem in Bezug auf den angeschlagenen Ruf von Computerspielen als recht bedeutsam (vgl. Süddeutsche.de 2019/ rtl.de 2019/ Hannebohn 2019).Gamingoder auchZockenbeschreibt neben anderen Aspekten eine Form des Spielens, die losgelöst ist von der realen Welt. Populäre Beispiele für Gaming im herkömmlichen Sinne sind World of Warcraft, Counter-Strike und League of Legends. Das Spielen dieser Spiele soll sich vor allem in der Unproduktivität auszeichnen, da die Tätigkeit keine Erzeugnissevon externem Wert produziere (vgl. Stieglitz/ Lattemann/ Robra-Bissantz/ Zarnekow/ Brockmann 2017: 6). Dahingegen soll durch Gamifizierung genau das erreicht werden: Erzeugnisse, die einen Wert in der realen Welt haben. Das soll dadurch erreicht werden, dass lediglich kleine Teile desGamings übernommen werden.
Vier dieser fundamentalen Aspekte sind die klar definierten Ziele, die den Spielern einen Spielzweck vorgeben; einheitlich festgelegte Regeln, welche vorgeben wie das Ziel zu erreichen ist; ein ständiges Feedbacksystem, das den Spielern garantiert, dass die Ziele erreicht werden können, wenn die Spielregeln eingehalten werden; der freie WillezurTeilnahme am Spiel und die damit verbundene Akzeptanz der Spielregeln, um die Ziele zu erreichen (vgl. Stieglitz/ Lattemann/ Robra-Bissantz/ Zarnekow/ Brockmann 2017: 6). Aus diesen Aspekten ergeben sich für Tom Chatfield (vgl.2010)sieben konkretere Prinzipien für die Umsetzung von Gamification, um diesen fundamentalen Aspekten Genüge zu tun.
-Das erste dieser Prinzipien beinhaltet die transparente Zurschaustellung des Spielfortschrittes. Populäre Spiele wie World of Warcraft verwenden hierzu unteranderem eine Erfahrungsleiste. Diese ist für die Spieler jederzeit einzusehen und dient als Zeugnis dafür, dass die Bemühungen der Spieler klare Folgen haben: die Spielfigur steigt durch Erfahrungspunkte im Level auf und wird stärker.
-Die Spieler sollten konsequent und unmittelbar Feedback erhalten. Dazu gehört beispielsweise auch, dass sich die Erfahrungsleiste sofort mit Erfahrung füllt, sollte eine Aufgabe im Spiel abgeschlossen werden oder ein starker Gegner besiegt werden. Auch das Aufsammeln der fallengelassenen Gegenstände der Gegner ist als sofortiges Feedback zu werten. Dadurch kann jeder einzelnen Tätigkeit ein unmittelbarer Sinn zugeordnet werden. Ein Umstand der so manchen Schüler*innen bei der Bearbeitung von abstrakten Schulaufgaben schwerfallen mag.
-Punkt drei sieht vor, dass Spieler allgegenwärtig sowohl kurzfristige- als auch langfristige Ziele im Spiel haben sollten. Langfristige Ziele sorgen dafür, dass die Spieler das Spiel lange spielen. Allerdings kann es dazu kommen, sollte das Ziel zu weit entfernt sein, dass die Spieler schon zuvor aufgeben, da das Erreichen des Ziels unwahrscheinlich scheint. Daher sollten auch kurzfristige Ziele möglich sein. Diese Ziele werden besonders verlockend, wenn mit dem Erreichen derer Belohnungen einhergehen.
-Daher sieht Punkt vier eine in der Intensivität steigende Belohnungsstruktur vor. Zur Illustration ist es den Spielern zu Beginn des Spiels lediglich möglich, schwache Gegner zu besiegen. Der Sieg über diese geht mit einer kleinen Menge Gold einher. Davon kann Ausrüstung erworben werden, mit welcher stärkere Gegner bezwungen werden können. Diese winken mit noch mehr Gold, um noch mehr Ausrüstung zu erwerben, um noch stärkere Gegner zu bezwingen.
-Fünftens soll auch das Element des Zufalls Teil des Spiels sein. Dadurch können sich erinnerungswürdige Momente ergeben und auch die Zeit zwischen zwei Zielen lässt ständig darauf hoffen, dass etwas Besonderes passieren könnte. Durch dieses Zusammenspiel ist jede Spielminute eine Bereicherung, da alle Spielinhalte auf Ziele hinarbeiten, welche mit immer besseren Belohnungen verbunden werden und auch zwischen den Zielen könnte jederzeit etwas interessantes passieren.
-Sechstens und abschließend erachtet Chatfield (vgl. 2010) die Integration eines Multiplayers als wichtig. Der dadurch ermöglichte soziale Vergleich beflügelt zu noch höherer Bereitschaft, das Spiel zu spielen. Auch die Zusammenarbeit und Kooperation mit anderen Spieler*innen trägt dazu bei. Durch den Faktor der Kooperation wird zudem eine Spezialisierung des Einzelnen ermöglicht. Dadurch können Spieler*innen sich selbst verwirklichen und sich als relevantes und benötigtes Teil des Spiels erleben.
Diese Punkte stellen die Grundlagen für Spielmechaniken dar. Dabei haben sich einzelne Mechaniken durch ihre hochfrequentierte Verwendung hervorgetan. Nachfolgend soll ein Blick auf die wohl bekanntesten Spielmechaniken gerichtet werden. Denn genau dieser bedient sich Gamification zumeist. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Arbeit von Scheiner und Witt (vgl. 2013). Dies sind die spieltypischen Elemente, die ich zu Beginn dieses Kapitels ansprach:
- Game points(Spielpunkte): Spielpunkte finden auf verschiedene Arten in einer Vielzahl an Spielen, wenn nicht allen, Verwendung. Darunter gehören populäre Spiele wie World of Warcraft, League of Legends, Fifa und Minecraft. Diese Punkte werden zumeist hochfrequentiert durch Aktivitäten im Spiel vergeben und bringen die Spielfigur in irgendeiner Weise voran. Das Sammeln der Punkte stellt nicht nur einen stetigen Fortschritt dar, sondern dient auch als sofortiges Feedback. Diese Spielpunkte stellen nach Scheiner und Witt (vgl. 2013: 2377) den Ausgangspunkt für das Wettbewerbsverhalten dar. Aufgrund der Tatsache, dass alle Teilnehmer*innen für die gleichen Aufgaben die gleichen Mengen an Erfahrungspunkten sammeln, lässt sich der Spielfortschritt einfach vergleichen: wer ein höheres Level erreicht hat und/oder stärkere Ausrüstung besitzt, hat eben auch mehr geleistet. Ein möglichst transparentes System, in welchem die Punkte aller Spieler einfach, schnell und unmittelbar eingesehen werden können, fördert diesen Wettbewerb.
- Social points(Sozialpunkte): Damit sind jene Punkte gemeint, die von den Spielern untereinander vergeben werden. Dies kann in Form von einer Bewertung geschehen. Ein Beispiel hierfür ist das Ehrungssystem aus League of Legends. Dadurch können sich Spieler untereinander nach einer Partie per Klick ein Lobschicken. Erhält ein Spieler viel Lob, so können das die anderen Mitspieler sehen. Sozialpunkte fördern, nach Scheiner und Witt (vgl. 2013: 2377 f.), sowohl das Gefühl der sozialen Zugehörigkeit als auch als Wettbewerbsfaktor, was wichtige Voraussetzungen für ein effektives Spiel sind.
- Redeemable points(Einlösbare Punkte): Dies sind jene Punkte, die nicht unmittelbar zu einer Verstärkung der Spielfigur führen, jedoch von den Spielern gegen Spielgegenstände eingetauscht werden können. Auf diese Weise ermöglicht es ein Wirtschaftssystem, das den Nutzern ein gewisses Maß an Autonomie zur individuellen Entwicklung und Differenzierung gewährt (vgl. Scheiner/ Witt 2013: 2378).
- Level: Die Spieler können auf ein neues Level aufsteigen, indem sie bestimmte Ziele erreichen. Diese Level zeigen die Leistung einer Benutzer*in in der Vergangenheit an und ermöglichen so Vergleiche zwischen den Benutzer*innen. Somit erhöhen Level den Wettbewerbscharakter eines Spiels. Diese Level können auf verschiedene Arten in Spiele integriert werden. Als Abschnitte, in denen ein Spiel in kleinere Teilaufgaben unterteilt wird, während der Schwierigkeitsgrad gleichbleibt, oder als Stufen, in denen der Schwierigkeitsgrad kontinuierlich ansteigt (vgl. Scheiner/ Witt 2013: 2378).
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- Yanick Knodel (Author), 2021, Gamification im Unterricht. Steigerung der Motivation und Implementierung am Beispiel Classcraft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1239738
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