Die vorstehende Arbeit hat die Interessenkonflikte zwischen den Wirtschafts-stufen im deutschen Buchhandel Mitte des 19. Jahrhunderts und konkret die Auseinandersetzungen der anderen Branchenteilnehmer mit dem Verlags-buchhandel zum Thema. Als „Mitte des 19. Jahrhunderts“ soll der Zeitraum von 1831 bis 1867 gewählt werden – 1831 als Untergrenze, da in jenem Jahr zu Kantate eine Revision der Statuten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels angenommen wurde , und 1867 als Obergrenze, da zum einen die zugrunde liegende Literatur oftmals bis zu diesem Jahr reicht und da zum anderen im November des Jahres 1867 die urheber- und verlagsrechtliche Schutzfrist für sämtliche Autoren, die mehr als 30 Jahre zuvor verstorben waren, auslief
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Thema der Arbeit
Methode und Literatur/Quellen
Forschungsstand
1 Der deutsche Buchhandel Mitte des 19. Jahrhunderts
2 Der Verlagsbuchhandel Mitte des 19. Jahrhunderts
2.1 Entwicklungen
2.2 Probleme zwischen Verlegern
3 Das Geschäftsverhältnis zwischen Verlags- und Sortimentshandel (und Kommissionär)
3.1 Bestellung und Versendung
3.2 Abrechnung und Zahlung
4 Brancheninterne Auseinandersetzungen mit dem Verlag
4.1 Zwischen Kommissionsbuchhandel und Verlag
4.2 Zwischen Sortimentsbuchhandel und Verlag
5 Maßnahmen und Forderungen
6 Schlussbemerkung
Einleitung
Thema der Arbeit
Die vorstehende Arbeit hat die Interessenkonflikte zwischen den Wirtschaftsstufen im deutschen Buchhandel Mitte des 19. Jahrhunderts und konkret die Auseinandersetzungen der anderen Branchenteilnehmer mit dem Verlagsbuchhandel zum Thema. Als „Mitte des 19. Jahrhunderts“ soll der Zeitraum von 1831 bis 1867 gewählt werden – 1831 als Untergrenze, da in jenem Jahr zu Kantate eine Revision der Statuten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels angenommen wurde[1], und 1867 als Obergrenze, da zum einen die zugrunde liegende Literatur oftmals bis zu diesem Jahr reicht und da zum anderen im November des Jahres 1867 die urheber- und verlagsrechtliche Schutzfrist für sämtliche Autoren, die mehr als 30 Jahre zuvor verstorben waren, auslief[2].
Zunächst sollen in knapper Form die wichtigsten Entwicklungen im deutschen Buchhandel in der Mitte des 19. Jahrhunderts allgemein beschrieben werden, um dann in Form eines kurzen Überblicks speziell auf die Situation des Verlagsbuchhandels und dessen Geschäftsbeziehungen zu den anderen Branchenteilnehmern, insbesondere zum Sortiment, einzugehen, so dass die Auseinandersetzungen jener mit dem Verlag, die schließlich als Schwerpunkt zu behandeln sind, in diesen Zusammenhang gestellt besser verständlich werden mögen. In der Hauptsache soll bei den Auseinandersetzungen die Sicht der Verlage maßgeblich sein.
Methode und Literatur/Quellen
Die anfänglich unstrukturierte Recherche anhand sinnvoll erscheinender Schlagworte auf www.b2i.de ergab keine dienlichen Hinweise zu den zu betrachtenden Auseinandersetzungen. Erst die systematische Durcharbeitung einschlägiger Werke zur Buchhandelsgeschichte und solcher als Literatur für das Seminar angegebenen zeitigte direkt zu verwertende Ergebnisse und/oder Hinweise auf Literatur, die für das Thema relevant war.
Die Sichtung von Quellen im Rahmen dieser Arbeit erfolgte lediglich ausgehend von den in der verwendeten Literatur zahlreich gegebenen Hinweisen.
Forschungsstand
Allgemein ist eingangs festzustellen, dass keines der als Literatur für die vorstehende Arbeit herangezogenen Werke die brancheninternen Konfliktbereiche mit dem Verlagsbuchhandel in umfassender Weise behandelt. Es ist vielmehr oftmals so, dass einzelne relevante Werke, sofern sie keinen allgemein buchhandelsgeschichtlichen Charakter haben, Auseinandersetzungen solcher Art hauptsächlich im Rahmen des jeweils behandelten Themas ansprechen. Insgesamt ist der Forschungsstand zu dem vorstehenden Thema jedoch als gut zu bezeichnen. Für den allgemeinen Teil der Arbeit waren naturgemäß vor allem Werke, die „Buchhandelsgeschichte“ oder ähnlich tituliert sind, von Bedeutung. Die für diese Arbeit wichtigsten Werke werden im Folgenden hinsichtlich der Art ihrer Relevanz kurz dargestellt.
Als sehr ergiebig hat sich der vierte Band der Geschichte des Deutschen Buchhandels von (Friedrich Kapp und) Johann Goldfriedrich[3] erwiesen. Zum einen finden sich darin die Entwicklungen im deutschen Buchhandel, auch mit statistischem Material unterlegt, im für die Arbeit maßgeblichen Zeitraum ausgiebig behandelt, zum anderen werden einige Ursachen und Anlässe für Auseinandersetzungen mit dem Verlag dargestellt.
Kaum auf Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen buchhändlerischen Wirtschaftsstufen geht Reinhard Wittmann in seiner Geschichte des deutschen Buchhandels[4] ein. Hingegen bietet dieses Werk einen guten Überblick über den Buchhandel allgemein und auch über die Lage des Verlagsbuchhandels Mitte des 19. Jahrhunderts.
Volker Titel geht in seinem Artikel Geschäft und Gemeinschaft. Buchhändlerische Vereine im 19. Jahrhundert[5] vor allem auf eine der Konsequenzen für unter anderem brancheninterne Auseinandersetzungen ein, nämlich die Bildung von allgemeinen und speziellen buchhändlerischen Vereinen. Dabei unterbleiben eine Anführung der Gründe sowie darüber hinaus eine Beschreibung von Sachverhalten mehr allgemeiner Art selbstverständlich nicht.
August Schürmanns Die Usancen des deutschen Buchhandels und der ihm verwandten Geschäftszweige[6] stellt das Geschäftsverhältnis und die Usancen insbesondere zwischen Verlag und Sortiment umfassend dar. Gleichermaßen vor allem hinsichtlich der Gepflogenheiten im Buchhandel ist Schürmanns Die Entwickelung des Deutschen Buchhandels zum Stande der Gegenwart[7] von Bedeutung.
Einige Gründe für Auseinandersetzungen zwischen Verlagen und anderen Branchenteilnehmern nennt Thomas Keiderling in Die Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels von 1830 bis 1888[8]. Dabei behandelt er dankenswerterweise nicht nur Probleme zwischen Kommissionären und Verlagen, sondern auch solche zwischen dem Sortiment und dem Verlag.
1 Der deutsche Buchhandel Mitte des 19. Jahrhunderts
Als erste wichtige Entwicklung im deutschen Buchhandel Mitte des 19. Jahrhunderts ist zu nennen, dass die im 19. Jahrhundert lange vorherrschende Verkehrsform des Konditionshandels die weitere Trennung der Buchhändler in Verlags- und Sortimentsbuchhändler sowie Kommissions- oder Kolportagebuchhändler begünstigte.[9]
Vor allem das Beispiel Leipzigs wirft ein Schlaglicht auf die vor sich gehende Zentralisierung jener Zeit. Dort war „der Zwischenbuchhandel konzentriert, war der Stapel- und Umschlagplatz fast aller in Deutschland überregional gehandelten Bücher“ und dort hatten „buchgewerbliche Großbetriebe für die Herstellung“[10] ihren Sitz. Und natürlich war Leipzig damals der Hauptmessort.[11] Daraus folgte: „Das erste und unumgängliche Erfordernis für den Buchhändler ist eine Vertretung […] in Leipzig.“[12]
Der Zentralisierung förderlich war die mit der Gründung des Börsenvereins 1825 begonnene Institutionalisierung, bei der wiederum Leipzig die tragende Rolle spielte. So wurde u.a. das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel – seit 1834[13] – dort herausgegeben, 1836 dort das Börsenhaus eröffnet und 1842 die Leipziger Bestellanstalt gegründet.[14] Darüber hinaus folgte dem Börsenverein die Gründung von lokalen und regionalen buchhändlerischen Vereinen sowie die Entstehung von Spezialvereinen.[15]
Technische Neuerungen wie die Schnellpresse, das Holzpapier, die Stereotypie oder die Typengießmaschine[16] und daneben verbesserte Transportbedingungen durch moderne Verkehrsmittel[17] führten zu einer Industrialisierung des Buchhandels.
Von staatlicher Seite her war der Buchhandel einer Repression durch Zensur unterworfen. Diese wurde zwar 1848 offiziell aufgehoben, allerdings stellte die Quasi-Zensur nach 1848, die sich gegen die an der Veröffentlichung Beteiligten richtete, ein ebensolches wirtschaftliches Hemmnis dar.[18]
Im Folgenden sollen nun die Entwicklungen speziell im Verlagsbuchhandel umrissen werden.
2 Der Verlagsbuchhandel Mitte des 19. Jahrhunderts
2.1 Entwicklungen
Durch die allmähliche Aufspaltung der vormals multifunktionalen Buchhändler entstand der neue Unternehmertyp des Verlegers.[19] Wittmann sieht für die damalige Zeit drei Typen von Verlegern: den konservativen Programmverleger, den Spekulanten und den Verbreiter oppositioneller Schriften.[20] „Manche Verleger können (sogar) zeitweilig ihren Autorenkreis fast wie eine Familie um sich scharen.“[21]
Die Anzahl der Verlage, ja die der buchhändlerischen Firmen allgemein im betrachteten Zeitraum stieg enorm an, was vor allem durch den Konditionsverkehr erleichtert wurde.[22] So stieg die Zahl der reinen Verlage zwischen 1846 und 1865 um 85% und die aller Firmen im deutschen Buchhandel um 71%. Hierbei stellt sich das Problem, dass viele zu den Sortimentern gezählte Firmen zugleich einen zum Teil bedeutenden Verlag betrieben.[23]
Die Zahl der Neuerscheinungen stieg bis 1843 (14.039; gegenüber 7.757 1831) erst rapide an, um dann ebenso rapide vorerst wieder abzufallen (8.326 1851), um hernach in den 1850-ern um 8.700 und in den 1860-ern um etwa 9.700 herum zu stagnieren (mit einem Einbruch um 1.000 Stück im Kriegsjahr 1866).[24] Wittmann sieht den deutschen Buchhandel zwischen 1848 und 1880 in einer schweren Absatzkrise[25], während Rarisch meint, dass man die Situation differenziert betrachten müsse, da keine Auflagenzahlen bekannt seien[26]. Jäger nun sieht für diese Periode steigende Auflagenhöhen[27] und stützt damit die Skepsis Rarischs.
Eine Zentralisierung in einer Anzahl großer Städte war auch im Verlagsbuchhandel zu beobachten.[28] Die Zentren des deutschen Verlagsbuchhandels waren Mitte des 19. Jahrhunderts Berlin, Leipzig, Stuttgart, Hamburg und Frankfurt.[29]
Der „Leipziger Platz“ bot für Verleger allerlei Mengen- und Standortvorteile, weshalb viele Verlage in Leipzig ein eigenes Auslieferungslager unterhielten, das von ihrem dortigen Kommissionär verwaltet wurde.[30] Die Verleger lieferten für gewöhnlich franko Leipzig und erwarteten Remittenden wiederum franko Leipzig zurück.[31]
Vor allem bis 1848 waren Leihbibliotheken ein wichtiger Abnehmer von Verlagsartikeln, insbesondere von belletristischer Literatur.[32] In den Jahren 1815–1848 gingen ca. 75% der Produktion schöner Literatur dorthin.[33] Der Absatz an Leihbibliotheken war aber auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch maßgebend für die Höhe belletristischer Auflagen.[34]
Für die Mitte des 19. Jahrhunderts typische und sehr hochauflagige Verlagsartikel waren im Vormärz bell. Zeitschriften und Pfennigmagazine, nach 1848 Familienblätter wie die Gartenlaube.[35] Daneben etwa Konversationslexika, Realenzyklopädien und die ihrer billigen Produktion und ihrem geringen Preis wegen „Groschenbibliotheken“ genannten belletristischen Bücher.[36] Viele dieser Verlagserzeugnisse wurden damals, vor allem nach dem Vormärz, über den Kolportagehandel vertrieben.[37]
[...]
[1] Goldfriedrich, Johann: Geschichte des Deutschen Buchhandels. Bd. 4. Leipzig 1913, S. 186.
[2] Wittmann, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhandels. Durchges. u. erw. Aufl. München 1999, S. 268.
[3] Goldfriedrich 1913.
[4] Wittmann 1999.
[5] Titel, Volker: Geschäft und Gemeinschaft. Buchhändlerische Vereine im 19. Jahrhundert. (AGB52) Frankfurt/M. 1999. S. 1–227.
[6] Schürmann, August: Die Usancen des deutschen Buchhandels und der ihm verwandten Geschäftszweige. Leipzig 1867.
[7] Schürmann, August: Die Entwickelung des Deutschen Buchhandels zum Stande der Gegenwart. Halle/S. 1880.
[8] Keiderling, Thomas: Die Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels von 1830 bis 1888 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bd. 58). Berlin 2000.
[9] Vgl. Titel 1999, S. 117.
[10] Wittmann 1999, S. 232–233.
[11] Vgl. Titel 1999, S. 56.
[12] Prager, Robert L.: Der deutsche Buchhandel. Seine Geschichte und seine Organisation. Berlin 1907, S. 87.
[13] Vgl. Rautenberg, Ursula (Hrsg.): Reclams Sachlexikon des Buches. 2., verb. Aufl. 2003, S.78.
[14] Vgl. Titel 1999, S. 46.
[15] Vgl. ebd., S. 116–117.
[16] Vgl. Ahlzweig, Claus: Geschichte des Buches. In: Günther, Hartmut / Ludwig, Otto (Hrsg.): Schrift und Schriftlichkeit. Writing and its use. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft. 10.). 1.Halbbd. Berlin / New York 1994, S. 97–98. und Goldfriedrich 1913, S. 285.
[17] Vgl. Schulze, Friedrich: Der deutsche Buchhandel und die geistigen Strömungen der letzten 100 Jahre. Leipzig 1925, S. 118.
[18] Vgl. Jäger, Georg (Hrsg.): Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Teil 1: Das Kaiserreich 1870–1918. Im Auftrag des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels hrsg. von der Historischen Kommission. Frankfurt/M. 2003, S. 19.
[19] Vgl. Rarisch, Ilsedore: Industrialisierung und Literatur. Buchproduktion, Verlagswesen und Buchhandel in Deutschland im 19. Jahrhundert in ihrem statistischen Zusammenhang (Historische und Pädagogische Studien Bd. 6). Berlin 1976, S. 35.
[20] Vgl. Wittmann 1999, S. 240–241.
[21] Schulze 1925, S. 82.
[22] Vgl. Wittmann 1999, S. 220.
[23] Vgl. Goldfriedrich 1913, S. 462.
[24] Vgl. Rarisch 1976, S. 101/104.
[25] Vgl. Wittmann 1999, S. 257.
[26] Vgl. Rarisch 1976, S. 34.
[27] Vgl. Jäger 2003, S. 18.
[28] Vgl. Schulze 1925, S. 165.
[29] Vgl. Wittmann 1999, S. 219–220. und Titel 1999, S. 117.
[30] Vgl. Schulze 1925, S. 43.
[31] Vgl. Prager 1907, S. 94.
[32] Vgl. Wittmann 1999, S. 255.
[33] Vgl. Schön, Erich: Geschichte des Lesens. In: Franzmann, Bodo: Handbuch Lesen. München 1999, S. 42.
[34] Vgl. Wittmann 1999, S. 275.
[35] Vgl. ebd., S. 278. u. Goldfriedrich 1913, S. 210.
[36] Vgl. Wittmann 1999, S. 229–232.
[37] Vgl. ebd., S. 271–273.
- Quote paper
- Magister Artium Björn Kohlhepp (Author), 2008, Strategien des Verlagsbuchhandels: Brancheninterne Auseinandersetzungen mit dem Verlag Mitte des 19. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123851
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