Als Erich Fried 1967 Auschwitz besuchte, tat er es nicht unvorbereitet. Eine seiner Vorlagen
war Peter Weiss' Essay "Meine Ortschaft". Weiss hatte drei Jahre zuvor Auschwitz besucht
und seine Eindrücke in diesem Essay verarbeitet.
Beide Autoren waren Juden, beide ungefähr im selben Alter, beide wurden durch die
Nationalsozialisten in das Exil getrieben und beide entwickelten sich in den 60er Jahren zu
engagierten Autoren. Beide gehörten der Gruppe 47 an und protestierten in Ihren Werken
gegen Ungerechtigkeit in der Dritten Welt und Deutschland und thematisierten das Thema der
Vergangenheitsbewältigung und Beide besuchten Auschwitz.
Wie also erleben zwei Männer, mit ähnlichen Lebenswegen ein und denselben Ort?
Thema dieser Arbeit ist der Vergleich zwischen Erich Frieds Essay "Meine Puppe in Auschwitz"
und Peter Weiss' Essay "Meine Ortschaft". Folgende Fragen sollen hierbei nähere Betrachtung
finden: Welche Erwartungen hat der Autor an den Besuch? Wie erlebt der Autor seinen
Besuch in Auschwitz? Welche Rolle spielen die Vorbereitungen auf den Besuch? Wie erlebt
der Autor die Differenz zwischen Vergangenheit und Gegenwart? Welche Auswirkungen hat
das auf sein Erleben? Was ist Fazit des Besuchs? Was bezweckt der Autor mit dem
Verschriftlichen seines Erlebnisses?
Zur Beantwortung dieser Fragen wird zunächst Frieds Essay ausführlich analysiert, um dann
im zweiten Teil der Arbeit Peter Weiss' Essay mit diesem zu vergleichen. Im Fazit werden die
Ergebnisse der Analyse und des Vergleichs zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Textanalyse: Meine Puppe in Auschwitz
3. Vergleich: Frieds Meine Puppe in Auschwitz und Peter Weiss' Meine Ortschaft
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Als Erich Fried 1967 Auschwitz besuchte, tat er es nicht unvorbereitet. Eine seiner Vorlagen war Peter Weiss' Essay „ Meine Ortschaft“. Weiss hatte drei Jahre zuvor Auschwitz besucht und seine Eindrücke in diesem Essay verarbeitet.
Beide Autoren waren Juden, beide ungefähr im selben Alter, beide wurden durch die Nationalsozialisten in das Exil getrieben und beide entwickelten sich in den 60er Jahren zu engagierten Autoren. Beide gehörten der Gruppe 47 an und protestierten in Ihren Werken gegen Ungerechtigkeit in der Dritten Welt und Deutschland und thematisierten das Thema der Vergangenheitsbewältigung und Beide besuchten Auschwitz.
Wie also erleben zwei Männer, mit ähnlichen Lebenswegen ein und denselben Ort?
Thema dieser Arbeit ist der Vergleich zwischen Erich Frieds Essay Meine Puppe in Auschwitz und Peter Weiss' Essay Meine Ortschaft. Folgende Fragen sollen hierbei nähere Betrachtung finden: Welche Erwartungen hat der Autor an den Besuch?Wie erlebt der Autor seinen Besuch in Auschwitz?Welche Rolle spielen die Vorbereitungen auf den Besuch? Wie erlebt der Autor die Differenz zwischen Vergangenheit und Gegenwart? Welche Auswirkungen hat das auf sein Erleben? Was ist Fazit des Besuchs? Was bezweckt der Autor mit dem Verschriftlichen seines Erlebnisses?
Zur Beantwortung dieser Fragen wird zunächst Frieds Essay ausführlich analysiert, um dann im zweiten Teil der Arbeit Peter Weiss' Essay mit diesem zu vergleichen. Im Fazit werden die Ergebnisse der Analyse und des Vergleichs zusammengefasst.
2. Textanalyse: Meine Puppe in Auschwitz.
Erich Fried wurde am 6. Mai 1921 in Wien geboren, musste aber 1938, nach dem Einmarsch der Deutschen Österreich verlassen. Rechtlich gesehen war der Sohn eines jüdischen Spediteurs und einer jüdischen Grafikerin „Volljude“ und damit seit den „Nürnberger Rassengesetzen“ massiver Diskriminierung und auch der Gefährdung seines Lebens ausgesetzt. Bis dahin hatte er das Gymnasium in der Wasagasse besucht, welches er zwangsweise 1938 verlassen musste, immerhin mit einem Abschlusszeugnis. Schon als Gymnasiast schrieb er und gründete nach dem Einmarsch der deutschen Truppen mit Mitschülern in Wien eine Widerstandsgruppe. Im Mai '38 wurden seine Eltern von der Gestapo verhaftet, sein Vater starb im Mai an den Folgen eines Verhörs[1]. Als aus dem „österreichischen Oberschüler [ein] verfolgte[r] Jude[...]“[2] wurde, floh er nach London, von wo es ihm gelang seiner Mutter und 72 anderen Verfolgten aus Österreich zur Flucht zu verhelfen[3]. Seine Großmutter, zu der er ein enges Verhältnis hatte, wurde nach Theresienstadt deportiert und starb 1942 in Auschwitz. 25 Jahre nach dem Tod seiner Großmutter, im April 1967, besuchte Erich Fried das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz.
„Meine Puppe in Auschwitz“[4] ist der Titel des Textes, in dem Erich Fried seine Gedanken und Erlebnisse seines Auschwitz Besuches festhält. Doch wofür steht dieser Titel?
„Meine Puppe“- seine Puppe, die eigentlich gar nicht seine Puppe ist, ist ein Symbol für den Wandel den Erich Fried in Auschwitz erlebt. Zum einen auf seiner persönlichen Ebene, indem er seine Angst vor der Konfrontation mit Auschwitz bewältigt und sich damit von einer vermeidlichen Passivität befreit. Zum anderen geht es ihm in diesem Prozess nicht nur um seine Erfahrung, sondern er schildert eine Erfahrung, die wünschenswert für die gesamte deutsche Gesellschaft wäre. Auf beiden Ebenen geht es Erich Fried darum zu zeigen, dass die Angst vor dem Unerträglichen überwunden werden muss, um dieses auch in der Gegenwart wahrzunehmen und gegen es vorzugehen. Er bezieht sich hier auf zeitgenössische Konflikte und Kriegsverbrechen, wie zum Beispiel den Vietnam-Krieg, aber auch auf das Erinnern an die NS-Vergangenheit, die durch die Auschwitzprozesse zur Zeit des Besuches sehr präsent war.
Wie die Puppe Moritz diesen Wandel symbolisiert und welche Aspekte seiner Beobachtung Fried in dem Text verarbeitet, um zu diesem Schluss zu leiten, soll im folgenden Kapitel erschlossen werden.
„Meine Puppe in Auschwitz“ wird eingeleitet durch den Kontext des Besuches. Fried schildert die Umstände, die ihn nach Auschwitz führen. Seine Erwartungen an den Besuch, sind auf der Hinfahrt vor allem durch Angst vor der Konfrontation geprägt sind. Obwohl er freiwillig zu diesem Besuch antritt, hofft er doch auf eine Panne oder einen Unfall, der die Reise aufhält[5]. Die Atmosphäre eines schönen Frühlingstags und die friedliche Umgebung der polnischen Dörfer, die von Fried einer sehr genauen Betrachtung unterzogen werden, schaffen einen Gegensatz zu der Angst. Dieser Kontrast zwischen der Angst und der Landschaft spiegelt den Konflikt zwischen Außenwelt und Innenleben Frieds wieder. Durch die genaue Beschreibung der Landschaft wird die Fahrt in die Länge gezogen. Dennoch rückt Auschwitz unaufhaltsam näher, geografisch wie gedanklich, denn Frieds Angst vor der Konfrontation steigt. Auf der einen Seite möchte er das Museum Auschwitz besuchen, er hat sich freiwillig zu dem Besuch entschlossen. Auf der anderen Seite steht die Angst und das Bedürfnis das zu verdrängen, was man nicht sehen will. Der Aspekt der Verdrängung wird somit schon zu Beginn des Textes angedeutet, um am Ende wieder aufgegriffen und bewusst reflektiert zu werden.
Fried geht nicht unvorbereitet in dieses Erlebnis, noch in der Nacht vor dem Besuch, hat er den Text „Meine Ortschaft“ von Peter Weiss gelesen um sich „auf das, was ich sehen mußte vorzubereiten“[6].
Dieser Satz sagt viel über die Motivation Frieds aus, nach Auschwitz zu reisen. Er musste zu diesem Besuch antreten, nicht etwa weil er von außen gezwungen würde, sondern weil der innere Drang, das Bedürfnis nach der Konfrontation mit der Vergangenheit ihn dazu zwang. Dennoch ist ihm auf der Hinfahrt nicht ganz klar, was ihn erwartet. Später bezeichnet er Auschwitz als „das unvorstellbar Andere, das völlig Fremde und Tote“. Um diese abstrakte Angst greifbarer zu machen, ist die Vorbereitung eine wichtige Stütze für diesen Besuch, vor allem um die Angst, die er empfindet, einigermaßen erträglich zu machen. „Verringerung des Grauens“[7] nennt Fried es und erläutert dieses Prinzip:
„ Die Vorbereitung macht es etwas leichter. Gegen die Beklemmung und gegen das Frösteln ... half dieses Sichanklammernkönnen an Wiedererkennbares, an das, was ich schon gelesen hatte, was schwarz auf weiß beschrieben und festgehalten war. Jedes Informiertsein ist zugleich ein Anfang von Gewöhnung ... so wurde das völlig Unerträgliche einige entscheidende Sekunden lang fast erträglich.“[8]
Durch das Errichten einer künstlichen Vertrautheit, versucht Fried die Unerträglichkeit, nicht genau zu wissen welche Gefühle ihn erwarten abzumildern. Nur dass es unangenehm wird, daran hat Fried keinen Zweifel. Er befürchtet sogar von seinen Gefühlen übermannt zu werden und weinen zu müssen.[9]
Im Laufe der Führung durch das Lager klammert er sich zunächst an die Fakten, vor allem an das, was er aus Peter Weiss' Text und von Fotos wiedererkennt. Das Gelesene macht die Angst greifbarer. Das wovor Fried Angst hat, ist dort schon „schwarz auf weiß“[10] beschrieben, der Moment der Überraschung und damit des Schocks, so glaubte Fried zu Anfang des Besuchs, ist damit vorweggenommen, was folgt kann also nur der zweite und damit abgemilderte Eindruck sein.
Frieds Erwartungen und sein Vorwissen hängen unmittelbar zusammen. Das Abweichen von der Vorlage, ist das was Fried nicht erwartet. Der Punkt an dem er nun plötzlich mit dem Unbekannten konfrontiert wird, verändert seine Wahrnehmung von Auschwitz. Das plötzliche Unbekannte in Form eines Haufens von Arm- und Beinprotesen, eines Brillenbergs und zuletzt ein Berg von Kinderspielzeug sorgt zunächst dafür, dass die emotionale Stütze weg bricht. Für kurze Zeit fühlt er sich, angesichts des ungemilderten Grauens einfach nur hilflos[11]. Die Differenz zwischen Vorwissen und dem realen Erleben als Besucher empfindet Erich Fried zunächst also als Schock. Gleich darauf folgt jedoch die nächste Überraschung: Die Puppe Moritz. An dieser Stelle findet ein Dimensionswechsel im Erleben Frieds von Auschwitz statt und liefert ihm damit einen Ersatz für die Funktion des Vorwissens. Dieses wird überflüssig in dem Moment wo er nun aus seinen persönlichen Erinnerungen schöpft. Wie sehr er sich im Laufe des Besuches von dem Vorwissen als Stütze entfernt, zeigt sich, als Erich Fried, wie einst Peter Weiss in den Baracken von Birkenau steht und feststellt: „ Nein, alles war ganz und gar verlassen, und wenn etwas atmete und ein wenig raschelte, war nur ich es. Nichts flüsterte, denn ich war alleine in der Baracke, ohne die anderen, auch ohne unsere Führerin, und ich war stumm.“[12]
[...]
[1] Fried, Erich: Höre Israel. In: Erich Fried. Werke. Gedichte 2. Hrsg von Volker Kaukoreit u.a.2. Auflage.2. Auflage. Berlin: Klaus Wagenbach Verlag1998.S.93.
[2] Fried, Erich: Höre Israel. Ebd.
[3].Woesler, Winfried: Zu Ehren von Erich Fried. In: Versuche, dichtend zu denken. Reden anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Erich Fried durch den Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Osnabrück an 20. Januar 1988. Aachen: Rimbaud Verlag1988.S. 16.
[4] Fried, Erich: Meine Puppe in Auschwitz. In: Erich Fried. Werke. Prosa. Hrsg. von Volker Kaukoreit. 2. Auflage. Berlin: Klaus Wagenbach Verlag1998. S. 418-426.
[5] Fried, Erich: Meine Puppe in Auschwitz. S. 418.
[6] Fried, Erich: Meine Puppe in Auschwitz. S. 419.
[7] Ebd.
[8] Ebd.
[9] Fried, Erich: Meine Puppe in Auschwitz. S. 424.
[10] Ebd.S. 419
[11] Ebd. 420.
[12] Ebd..S. 425.
- Quote paper
- Charlotte Baier (Author), 2008, "Meine Puppe in Auschwitz" und "Meine Ortschaft" - Vergleich der Essays von Erich Fried und Peter Weiss, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123742
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