Im Jahre 1964 sorgte der Schulforscher Georg Picht mit seiner Artikelserie über den »deutschen Bildungsnotstand« und die damit verbundene Bildungskatastrophe für »Alarmstimmung« und brachte die Bildungspolitik ganz oben auf die politische Agenda. Fast vier Jahr-zehnte später stand der nächste »Schrecken« ins Haus: Selten hat eine wissenschaftliche Untersuchung die Öffentlichkeit so erregt, wie die internationale Schulleistungsuntersuchung PISA (Programme for international Student Assessment), welche Ende 2001 erstmalig veröffentlicht wurde. Deutschen Schülerinnen und Schülern wurden in Kernkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen eklatante Defizite bescheinigt. Im internationalen Vergleich landeten Deutschlands Schülerinnen und Schüler allenfalls im unteren Mittelfeld. Sie verstehen Texte schlechter als ihre Altersgenossen in fast allen vergleichbaren Ländern. Auch in Mathematik und Naturwissenschaften liegt ihr Können unter dem internationalen Durchschnitt. Die Medien berichteten wochenlang über das »desaströse« Abschneiden deutscher Schulkinder. Pädagogen, Eltern und Bildungspolitiker blickten erschrocken auf die Ergebnisse der PISA-Studie. Ein Skandal ist auch die Kopfnote, welche die Studie uns in der Kategorie »Chancengleichheit« ausstellte. Unser Schulsystem sei ungerecht, so der Befund von PISA. In fast keinem anderen Industriestaat haben es Schülerinnen und Schüler aus unteren Milieus so schwer, ihre geistigen Fähigkeiten zu entfalten, wie in Deutschland.
Seit der Veröffentlichung der Schulstudie hat sich ein Chor von Kritikern zu Wort gemeldet. Es wurden und werden bis heute Vorschläge unterbreitet, Analysen vorgetragen, Schuldzuweisungen ausgesprochen, Forderungen erhoben und Alternativen vorgestellt. Wenn ein Schuldiger für die Bildungsmisere ausgemacht werden könnte – etwa die Kultusminister, ihre Bürokratie, die Eltern oder die Lehrer – wäre dieser leicht abzuhelfen. Leider ist die Sache nicht so einfach, obwohl sich alle Interessenvertreter inzwischen geäußert haben und im Wesentlichen davon ausgehen, dass unser Schulsystem tatsächlich noch zukunftsträchtig ist, und es lediglich darauf ankomme, einen adäquaten Weg zu finden, der Schule aus der Krise zu verhelfen. Nur auf welche Weise? [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitende Gedanken
- Ideen klassischer und humanistischer Bildung
- Bildung - Was ist das eigentlich?
- Bildung Zustand oder Prozess?
- Hartmut von Hentig und dessen Bildungsvorstellungen
- Bildung als >>Selbst-Bildung<<
- Hartmut von Hentigs Bildungsmaßstäbe
- Von Hentigs Schule als »Lebens- und Erfahrungsraum« oder die »Schule als Polis«
- Das Leben zulassen
- Mit Unterschieden leben
- Leben in der Gemeinschaft
- Ganzheitliches Lernen
- Die Schule – Eine Brücke zwischen der kleinen und der großen Welt
- Schulen bleiben Schulen
- Die Bielefelder Laborschule
- Das pädagogische Konzept der Laborschule
- Das didaktische Prinzip der Laborschule
- Das Stufenkonzept der Laborschule
- Die Stufe I
- Die Stufe II
- Die Stufe III
- Die Stufe IV
- Das Stufenkonzept der Laborschule
- Das ExpertInneninterview
- Methodische Aspekte des ExpertInneninterviews
- Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Interviews
- Annemarie von der Groeben – Portrait einer Expertin der Bielefelder Laborschule
- Die Umsetzung der Schul- und Bildungsvorstellungen Hartmut von Hentigs an der Bielefelder Laborschule
- Die Laborschule als Lebensort
- Umsetzungen des Konzepts einer »Schule für alle«
- Die Laborschule als >>polis<<
- Die Entschulung der Schule: Erfahrungslernen an der Laborschule
- Die Laborschule als Brücke zwischen der kleinen und großen Welt
- Auch die Laborschule ist eine Schule
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Schul- und Bildungsvorstellungen Hartmut von Hentigs und deren praktische Umsetzung an der Bielefelder Laborschule. Ziel ist es, die theoretischen Konzepte von Hentig mit der Realität einer konkreten Schulform zu vergleichen und zu analysieren.
- Hartmut von Hentigs Bildungsverständnis
- Das pädagogische Konzept der Bielefelder Laborschule
- Der Vergleich zwischen Theorie und Praxis
- Die Rolle der Schule als Lebensraum
- Ganzheitliches Lernen und individuelle Förderung
Zusammenfassung der Kapitel
Die einleitenden Gedanken setzen den Kontext durch die Erwähnung des "PISA-Schocks" und des Bildungsnotstands. Kapitel 2 beleuchtet klassische und humanistische Bildungsideen. Kapitel 3 definiert den Bildungsbegriff und präsentiert Hentigs Bildungsvorstellungen. Kapitel 4 beschreibt Hentigs Schulkonzept als Lebens- und Erfahrungsraum. Kapitel 5 stellt die Bielefelder Laborschule und ihr pädagogisches Konzept vor. Kapitel 6 beschreibt ein ExpertInneninterview als Methode. Kapitel 7 porträtiert eine Expertin der Laborschule. Die Kapitel 8.1 - 8.6 untersuchen die praktische Umsetzung von Hentigs Ideen an der Bielefelder Laborschule.
Schlüsselwörter
Hartmut von Hentig, Bielefelder Laborschule, Bildung, Schule, Ganzheitliches Lernen, Lebensraum, Selbstbildung, PISA-Studie, Bildungsnotstand, Chancengleichheit.
- Quote paper
- Sebastian Schmidt (Author), 2008, Hartmut von Hentigs Schul- und Bildungsvorstellungen und deren Umsetzung an der Bielefelder Laborschule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123615