Das System der GKV ist mit dem Gesundheits-Strukturgesetz vom 1.1.1993 in eine solidarische Wettbewerbsordnung überführt worden. Um Wirtschaftlichkeit, Wettbewerb und Solidarität in Einklang zu bringen, hat der Gesetzgeber beschlossen, im Jahre 1994 einen RSA als festen Bestandteil in das System zu integrieren und so ein Instrument für den Ausgleich der Unterschiede zwischen Finanzkraft und Beitragsbedarf der Krankenkassen zu schaffen.
Seit seiner Einführung wird der RSA jedoch kontrovers diskutiert. Bis zum heutigen Tage scheint es herrschende Meinung zu sein, dass das bestehende Modell nicht ausreichend zielgenau ist und der RSA die ihm angedachte Aufgabe der Wettbewerbssicherung nicht hinreichend gut wahrnehmen kann. Doch auch seine solidaritätssichernde Funktion ist einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Während Beitragssatzunterschiede im Zuge des Kassenwettbewerbs ausdrücklich erwünscht sind, sollen unterschiedliche Beitragssätze aufgrund unterschiedlicher Risikostrukturen vermieden werden. Interregionale Solidarität soll insofern gewährleistet werden, als eine größtmögliche Kongruenz zwischen regionalen Nutzer- und Kostenträgerkreisen geschaffen wird.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, nach welchen Prinzipien eine qualitativ hochwertige Versorgungslandschaft überhaupt ausgestaltet werden sollte, bzw. welche wesentlichen Denkstrukturen den Grundstein für ein qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem legen. In der Literatur werden mit den Modellen der Pathogenese und der Salutogenese zwei kontroverse Ansätze diskutiert. Während das pathogenetische Modell die Frage nach den Möglichkeiten zur Bekämpfung von Krankheit stellt, fragt das salutogenetische Modell nach den Faktoren die den Menschen gesund halten.
An dieser Stelle hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, durch Implementierung fest vorgegebener Rahmenbedingungen die Aktivitäten der Akteure im Gesundheitswesen entsprechend zu beeinflussen und somit richtungsweisend tätig zu werden. Mit dem GKV-WSG vom 1.4.2007 werden mit dem Ziel einer qualitativ besseren Gesundheitsversorgung ebensolche Rahmenbedingungen neu geschaffen. Ein wichtiger Bestandteil dieser jüngsten Gesundheitsreform ist die Weiterentwicklung des RSA um direkte Morbiditätsfaktoren. Die Einführung des neuen Morbi-RSA wird voraussichtlich zum 1.1.2009 erfolgen.
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, welchen Beitrag der neue Morbi-RSA für die Entwicklung eines hochwertigen Versorgungsgeschehen leistet.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1. Fragestellung der Arbeit
- 1.2. Aufbau und Struktur
- 2. Die GKV im Mehr-Ebenen-Modell
- 2.1. Makro-, Meso- und Mikro Ebene
- 2.2. Ausgewählte Wechselbeziehungen der Mikroebene
- 2.2.1. Grundlagen der Prinzipal-Agent-Theorie
- 2.2.2. Prinzipal-Agent-theoretische Analyse der Wechselbeziehungen der Mikroebene
- 2.2.2.1. Die Beziehung zwischen Krankenkasse und Versicherungsnehmer
- 2.2.2.2. Die Arzt-Patient-Beziehung
- 2.2.2.3. Die Beziehung zwischen Arzt und Versicherung
- 2.2.3. Risikoselektion im Gesundheitswesen
- 2.3. Zwischenfazit
- 3. Die GKV als solidarische Wettbewerbsordnung
- 3.1. Sozialstaatliche Entstehungsgeschichte der GKV
- 3.2. Die GKV im Geflecht von Staat, Markt und Moralökonomie
- 3.2.1. Solidarität, Reziprozität und Moralökonomie
- 3.2.2. Veränderte Werthaltungen im Gesundheitswesen
- 3.2.3. Staatliche Einflussnahme im GKV-System
- 3.2.3.1. Allgemeine Problemfelder im Gesundheitswesen
- 3.2.3.2. Geschichte der GKV-Reformen
- 3.3. Hypothesenbildung
- 4. Leitbilder und Werte im Gesundheitswesen
- 4.1. Das Modell der Pathogenese
- 4.2. Das Modell der Salutogenese
- 4.2.1. Salutogenetische Fragestellung und Grundannahmen
- 4.2.2. Bestandteile des salutogenetischen Modells
- 4.2.3. Wirkungsweise des salutogenetischen Modells
- 4.3. Wandel der Denkstrukturen
- 4.3.1. Pathogenetische Orientierung im Gesundheitswesen
- 4.3.2. Unzulänglichkeiten des pathogenetischen Modells
- 4.3.3. Notwendigkeit einer salutogenetischen Orientierung
- 4.4. Zwischenfazit
- 5. Grundlagen und Funktionsweise des RSA
- 5.1. Anforderungen an ein wettbewerbskonformes Modell
- 5.2. Funktionen des RSA
- 5.2.1. Wettbewerbssichernde Funktion
- 5.2.2. Solidaritätssichernde Funktion
- 5.3. Das Grundkonzept des heutigen RSA
- 5.3.1. Ausgleichsfähige Risikofaktoren
- 5.3.1.1. Morbiditätsrisiken
- 5.3.1.2. Einkommensrisiken
- 5.3.2. Die Technische Ausgestaltung des RSA
- 5.3.2.1. Berechnung des Beitragsbedarfs
- 5.3.2.2. Berechnung der Finanzkraft
- 5.4. Kritische Betrachtung des RSA
- 6. Der neue Morbi-RSA
- 6.1. Grundidee des neuen Modells
- 6.2. Funktionsweise des neuen Modells
- 6.3. Kritische Betrachtung des Morbi-RSA
- 6.3.1. Das Problem der Risikoselektion
- 6.3.2. Der Weg zum verfehlten Leitbild
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit einer vergleichenden Analyse des heutigen Risikostrukturausgleichs (RSA) und des geplanten morbiditätsorientierten RSA nach dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz. Ziel ist es, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Modelle zu beleuchten und deren Auswirkungen auf die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu bewerten.
- Der heutige RSA und seine Funktionsweise
- Der morbiditätsorientierte RSA und seine Neuerungen
- Die Prinzipal-Agent-Theorie im Kontext der GKV
- Solidarität und Wettbewerb in der GKV
- Risikoselektion im Gesundheitswesen
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 führt in die Thematik ein und beschreibt die Fragestellung und den Aufbau der Arbeit. Kapitel 2 analysiert die GKV anhand eines Mehr-Ebenen-Modells und beleuchtet die Wechselbeziehungen zwischen Krankenkassen, Versicherten und Ärzten unter Berücksichtigung der Prinzipal-Agent-Theorie. Kapitel 3 diskutiert die GKV als solidarische Wettbewerbsordnung, ihre Entstehungsgeschichte und die Herausforderungen durch veränderte Werthaltungen. Kapitel 4 behandelt Leitbilder und Werte im Gesundheitswesen, insbesondere den Wandel von pathogenetischen zu salutogenetischen Denkstrukturen. Kapitel 5 erläutert die Grundlagen und Funktionsweise des heutigen RSA, inklusive seiner kritischen Betrachtung. Kapitel 6 beschreibt das neue morbiditätsorientierte RSA-Modell.
Schlüsselwörter
Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), Risikostrukturausgleich (RSA), Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA), Prinzipal-Agent-Theorie, Solidarität, Wettbewerb, Risikoselektion, Gesundheitswesen, Salutogenese, Pathogenese, GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz.
- Quote paper
- Karin Friedrich (Author), 2008, Der heutige und geplante morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich nach dem GKV-WSG vom 01.04.2007, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123563