Obwohl sich die Fachdisziplinen generell einig sind, dass ein gewisser Prozentsatz der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Wald umgewandelt werden soll – die Angaben reichen von etwa 1 bis 3 Prozent – herrschen am konkreten Einzelfall unterschiedliche Meinungen vor.
Verschiedene Gespräche mit den für die Aufforstungsgenehmigung zuständigen Behörden führten immer wieder zu den gleichen Schlussfolgerungen: die Forstwirtschaft propagiert Aufforstungen in den meisten Fällen. Nimmt die Landwirtschaft eine ablehnende Haltung ein, so erfolgt dies meist mit einem Hinweis auf die regionalen Strukturen und die ökonomischen Zwänge in der Bewirtschaftung. Spricht sich aber der Naturschutz gegen eine Aufforstung aus, so können unterschiedliche Gründe vorliegen. Häufig geht es um den Schutz einer besonderen, gefährdeten Art. Manchmal ist es das Landschaftsbild, manchmal auch ein angrenzendes Biotop, das vor negativen Auswirkungen der Aufforstung bewahrt werden soll. Insgesamt betrachtet, führt die wechselnde Argumentation dazu, dass die Entscheidung des Naturschutzes schwer kalkulierbar ist und so – vor allem auf Seiten der Grundbesitzer – Misstrauen entsteht. Es wird beklagt, dass der Naturschutz kein klares, allgemein gültiges Konzept zur Beurteilung von Erstaufforstungen besitzt.
Tatsächlich ist es so, dass der Naturschutz verschiedene Leitbilder besitzt, die nicht immer miteinander harmonieren. Eine Prioritätensetzung ist kaum möglich. Die räumliche Konkretisierung durch die Definition regionaler Entwicklungsziele ist schwierig. Selbst ein Konsens im innerfachlichen Diskurs bringt noch keine Garantie für die Implementierung der Planungsergebnisse, da letztere nur über den Grundeigentümer erfolgen kann (Ausnahme: Schutzgebiete).
In diesem Zusammenhang soll mit der vorliegenden Arbeit ein Versuch unternommen werden, entscheidende Kriterien für die ökologische Bewertung einer Fläche zu definieren und in einem Verfahren zusammenzuführen. Dies dient der Darstellung naturschutzfachlicher Ansprüche an den Landnutzungswandel im Rahmen der Agrarstrukturreform. Darüber hinaus bietet es eine Chance, durch die Entwicklung eines transparenten Verfahrens Anstöße zu geben für eine Planung ökologisch wertvoller Aufforstungen.
Inhalt
1 Einleitung
1.1 Arbeitshypothesen
2 Hintergrund
2.1 Erstaufforstung in der Diskussion
2.2 Naturschutzfachliche Bewertung zwischen Soll und Ist
2.3 Regionales Konzept als Grundlage für Einzelfallentscheidungen
3 Theoretischer Rahmen und Methodik
3.1 Planungsmethoden für den Naturschutz
3.2 Leitbilder des Arten- und Biotopschutzes
3.3 Die Wirkungsanalyse
3.3.1 Waldbauliche Prämissen
3.4 Bewertungskriterien
3.5 Indikatoren
3.5.1 Baumartenvielfalt
3.5.2 Naturnähe
3.5.3 Seltenheit des Biotops
3.5.4 Strukturpotential
3.5.5 Waldrandausprägung
3.5.6 Biotopverbund
3.5.7 Landnutzungsverhältnis
3.5.8 Randlinien-Vorkommen
4 Ergebnisse im USG 1 – Region Apolda
4.1 Planungsgrundlagen
4.2 Teilergebnisse
4.2.1 Flächenspezifische Ergebnisse – Aufforstungsvarianten und Erstaufforstungszieltypen
4.2.2 Flächenspezifische Ergebnisse – Raumbezug
4.3 Gesamtergebnisse für die Untersuchungsflächen in der Region Apolda
5 Ergebnisse im USG 2 – Region Dassel
5.1 Planungsgrundlagen
5.2 Teilergebnisse
5.2.1 Flächenspezifische Ergebnisse – Aufforstungsvarianten und Waldentwicklungstypen
5.2.2 Flächenspezifische Ergebnisse – Raumbezug
5.3 Gesamtergebnisse für die Untersuchungsflächen in der Region Dassel
6 Diskussion
6.1 Instrumentalisierung der naturschutzfachlichen Bewertung
6.2 Indikatoren
6.3 Planungsvoraussetzungen
6.4 Transferierbarkeit des Verfahrens
6.5 Entwicklungsempfehlungen
7 Zusammenfassung
8 Literaturverzeichnis
9 Anhang.
Tabellenverzeichnis
2.1-1 Kostenzuschuss bei der Erstaufforstung, gestaffelt nach Baumarten, nach der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft zur Förderung der ökologischen Waldmehrung im Freistaat Sachsen (RL-Nr. 93/2000)
3.1-1 Die Beiträge des Naturschutzes zur Landschaftsplanung auf verschiedenen Ebenen
3.3-1 Verflechtungsmatrix - Elemente der 1. Systemebene (Aufforstungsfläche)
3.3-2 Verflechtungsmatrix - Elemente der 2. und 3. Systemebene (Ökologisches Umfeld und erweiterter Planungsraum)
3.4-1 Synoptischer Überblick zu Bewertungskriterien im Naturschutz – nach unterschiedlichen Autoren
3.5-1 Vergleich der geplanten Baumartenmischung mit der potentiell natürlichen des angesprochenen Standortes; Auszug aus dem Erhebungsbogen
3.5-2 Synopse der festgestellten Biotoptypen in den Kartierungsverfahren Thüringen sowie der Biotoptypen der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen der Bundesrepublik Deutschland
3.5-3 Auswirkung der Mischung von Baumarten unterschiedlicher sukzessionaler Stellung (nach OTTO 1994)
3.5-4 Strukturpotential der Baumarten nach artspezifischen Charakteristika
3.5-5 Checkliste zum Indikator Waldrandausprägung; Bewertung nach der Summe der festgestellten Merkmale bei Waldrandbegründung
4.1-1 Übersicht zu den vorkommenden Bodentypen im Untersuchungsgebiet und den zugehörigen natürlichenWaldgesellschaften
4.1-2 Flächennutzungsanteile in der Region Apolda / Niedertreba
4.1-3 Regionales Leitbild für das Innerthüringer Ackerhügelland
4.1-4 Baumarten potentiell natürlicher Wälder im forstlichen Wuchsgebiet Thüringer Becken (Auszug)
4.2-1 Aktuelle und angestrebte Flächennutzungsanteile in der Region Apolda / Niedertreba
4.2-2 Daten zum Bezugsraum Apolda-1 und zur Aufforstungsfläche AP-1
4.2-3 Daten zum Bezugsraum Apolda-2 und zur Aufforstungsfläche AP-2
4.2-4 Daten zum Beuzgsraum Apolda-3 und zur Aufforstungsfläche AP-3
4.2-5 Daten zum Bezugsraum Apolda-4 und zur Aufforstungsfläche AP-4
4.2-6 Daten zum Bezugsraum Apolda-5 und zur Aufforstungsfläche AP-5
5.1-1 Die potentiell natürliche Vegetation (PNV) im Untersuchungsraum Dassel und ihre forstlichen Ersatzgesellschaften
5.1-2 Die den Aufforstungsflächen zuzuordnenden natürlichen Waldgesellschaften mit Haupt- und Nebenbaumarten
5.1-3 Landwirtschaftliche Nutzungsfläche in Relation zur Gesamtfläche der Verwaltungseinheiten
5.2-1 Daten zum Bezugsraum Dassel-1 und zur Aufforstungsfläche DA-1
5.2-2 Daten zum Bezugsraum Dassel-2 und zur Aufforstungsfläche DA-2
5.2-3 Daten zum Bezugsraum Dassel-3 und zur Aufforstungsfläche DA-3
5.2-4 Daten zum Bezugsraum Dassel-4 und zur Aufforstungsfläche DA-4
5.2-5 Daten zum Bezugsraum Dassel-5 und zur Aufforstungsfläche DA-5
Abbildungsverzeichnis
2.1-I Zusammensetzung der Erstaufforstungsförderung im Freistaat Thüringen (LAWUF 1999)
3.1-I Flächennutzungsevaluation als operationalisiertes Planungsinstrument auf der Grundlage einer ökologischen Wirkungsanalyse. verändert; nach BECHMANN (1977) verändert in BUCHWALD/ENGELHARDT (1980)
3.3-I Der Transformationsprozess in einem System
3.3-II Das Transformationsmodell der 1. Systemebene (Aufforstungsfläche)
3.3-III Das Transformationsmodell der 2. Systemebene (Ökologisches Umfeld)
3.4-I Übersicht zu den Kriterien, Indikatoren, Leitbildern und Datenquellen des Evaluationsverfahrens
3.5-I Bewertungsschema des Indikators Baumartenvielfalt; Vergleich der realen Vielfalt mit der potentiellen Vielfalt der natürlichen Waldgesellschaft
3.5-II Bewertungsstufen zum Indikator Baumartenvielfalt
3.5-III Die Einordnung des potentiellen Waldbiotops in die Liste der gefährdeten und schützenswerten Biotope; Auszug aus dem Erhebungsbogen
3.5-IV Bewertungsstufen zu den Strukturpotential-Klassen im Indikator Struktur
3.5-V Feststellung der Biotopverbundwirkung und Habitatergänzung durch die Aufforstung; Auszug aus dem Erhebungsbogen
3.5-VI Die Nutzung des Waldrandes als Lebensraum durch Tierarten des Waldes, des Offenlandes und der Übergangsbereiche
3.5-VII Bewertung der Veränderung des Randlinienvorkommens unter Berücksichtigung der Randlinien-Dichte (lfm/ha) und der effektiven Waldrandverlängerung; Auszug aus dem Erhebungsbogen
4.2-I Die Beziehung zwischen der Baumartenzahl und dem Indikatorwert Baumartenvielfalt
4.2-II Indikatorsummen in Abhängigkeit vom Pflanzplan (EAZT und AV für Apolda)
4.2-III Raumbezogene Indikatorenwerte für den Bezugsraum Apolda-1
4.2-IV Raumbezogene Indikatorenwerte für den Bezugsraum Apolda-2
4.2-V Raumbezogene Indikatorenwerte für den Bezugsraum Apolda-3
4.2-VI Raumbezogene Indikatorenwerte für den Bezugsraum Apolda-4
4.2-VII Raumbezogene Indikatorenwerte für den Bezugsraum Apolda-5
4.3-I Mindest- und Maximalpunktzahl auf verschiedenen Flächen (USG Apolda)
4.3-II Waldrandsummen mit und ohne Doppelbewertung der Süd- und West-Exposition
5.2-I Flächenbezogene Indikatorwerte für die PNV-optimierten Erstaufforstungsvarianten (USG Dassel)
5.2-II Flächenbezogene Indikatorwerte für die Erstaufforstung nach Waldentwicklungstypen (USG Dassel)
5.2-III Raumbezogene Indikatorenwerte für den Bezugsraum Dassel-1
5.2-IV Raumbezogene Indikatorenwerte für den Bezugsraum Dassel-2
5.2-V Raumbezogene Indikatorenwerte für den Bezugsraum Dassel-3
5.2-VI Raumbezogene Indikatorenwerte für den Bezugsraum Dassel-4
5.2-VII Raumbezogene Indikatorenwerte für den Bezugsraum Dassel-5
5.3-I Mindest- und Maximalpunktzahl auf verschiedenen Flächen (USG Dassel)
1 Einleitung
Die Idee zu der vorliegenden Arbeit entstand im Rahmen eines internationalen Projektes, das vom Institut für Forstpolitik, Forstgeschichte und Naturschutz koordiniert wurde. Das Projekt befasste sich mit unterschiedlichen Fragestellungen zur Erstaufforstung in unterbewaldeten Regionen. In verschiedenen Landstrichen Europas ist die Aufforstung landwirtschaftlicher Flächen ein wichtiges Thema. Nicht zuletzt aufgrund der Bedeutung, die der Erstaufforstung als flankierende Maßnahme in der Gemeinsamen Agrarpolitik der E.U. zugedacht wird. Internationale Richtlinien und nationale Förderprogramme sollen die Neustrukturierung des landwirtschaftlich geprägten Raumes ordnen. Meist erfordert die Aufforstungsmaßnahme aber eine vorhergehende, interdisziplinär abgestimmte Genehmigung. Und obwohl sich die Fachdisziplinen generell einig sind, dass ein gewisser Prozentsatz der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Wald umgewandelt werden soll – die Angaben reichen von etwa 1 bis 3 Prozent – herrschen am konkreten Einzelfall unterschiedliche Meinungen vor.
Verschiedene Gespräche mit den für die Aufforstungsgenehmigung zuständigen Behörden führten immer wieder zu den gleichen Schlussfolgerungen: die Forstwirtschaft propagiert Aufforstungen in den meisten Fällen. Nimmt die Landwirtschaft eine ablehnende Haltung ein, so erfolgt dies meist mit einem Hinweis auf die regionalen Strukturen und die ökonomischen Zwänge in der Bewirtschaftung. Spricht sich aber der Naturschutz gegen eine Aufforstung aus, so können unterschiedliche Gründe vorliegen. Häufig geht es um den Schutz einer besonderen, gefährdeten Art. Manchmal ist es das Landschaftsbild, manchmal auch ein angrenzendes Biotop, das vor negativen Auswirkungen der Aufforstung bewahrt werden soll. Insgesamt betrachtet, führt die wechselnde Argumentation dazu, dass die Entscheidung des Naturschutzes schwer kalkulierbar ist und so – vor allem auf Seiten der Grundbesitzer – Misstrauen entsteht. Es wird beklagt, dass der Naturschutz kein klares, allgemein gültiges Konzept zur Beurteilung von Erstaufforstungen besitzt.
Tatsächlich ist es so, dass der Naturschutz verschiedene Leitbilder besitzt, die nicht immer miteinander harmonieren. Eine Prioritätensetzung ist kaum möglich. Die räumliche Konkretisierung durch die Definition regionaler Entwicklungsziele ist schwierig. Selbst ein Konsens im innerfachlichen Diskurs bringt noch keine Garantie für die Implementierung der Planungsergebnisse, da letztere nur über den Grundeigentümer erfolgen kann (Ausnahme: Schutzgebiete).
In diesem Zusammenhang soll mit der vorliegenden Arbeit ein Versuch unternommen werden, entscheidende Kriterien für die ökologische Bewertung einer Fläche zu definieren und in einem Verfahren zusammenzuführen. Dies dient der Darstellung naturschutzfachlicher Ansprüche an den Landnutzungswandel im Rahmen der Agrarstrukturreform. Darüber hinaus bietet es eine Chance, durch die Entwicklung eines transparenten Verfahrens Anstöße zu geben für eine Planung ökologisch wertvoller Aufforstungen.
1.1 Arbeitshypothesen
- Der Transfer von Leitbildern der regionalen Planung in ein allgemeines methodisches Verfahren mit regionalem Maßstab ermöglicht die gleichzeitige Berücksichtigung überregionaler Interessen sowie regionaler Entwicklungsziele und Bedingungen.
Der Naturschutz hat längst eine nationale und internationale Dimension erreicht, die in Initiativen und Förderprogrammen zum Ausdruck kommen. Bei der Umsetzung der überregionalen Ziele müssen auch die regionalen Bedürfnisse und lokalen Bedingungen berücksichtigt werden. Ein Bewertungsverfahren muss daher den Ansprüchen der verschiedenen Verwaltungsebenen gerecht werden.
- Ökologische Auswirkungen von Erstaufforstungen können anhand einer ordinalen Skala bewertet werden.
Durch die Verwendung von ordinalen Skalen im Rahmen der Bewertung, kann das Verfahren Hinweise für eine Befürwortung oder Förderung beantragter Maßnahmen liefern, wodurch den Entscheidungsträgern im Genehmigungsverfahren ein neues Hilfsmittel entsteht.
- Unterschiedliche Ziele können in einem einheitlichen Verfahren berücksichtigt und bewertet werden.
Innerhalb des Naturschutzes bestehen eine Reihe unterschiedlicher, teilweise konkurrierender Zielsetzungen. Die Durchsetzung eines Zieles auf Kosten anderer, ebenfalls berechtigter Interessen ist zu vermeiden. Daher soll aufgezeigt werden, dass die Bewertung eines Nutzungswandels dessen Beitrag zur Erreichung verschiedener Ziele nebeneinander berücksichtigen kann.
- Generelle Ansprüche des Naturschutzes sind in unterschiedliche Landschaften transferierbar.
Es soll gezeigt werden, dass in unterschiedlich stark bewaldeten Landesteilen ein einheitliches Verfahren zur Anwendung kommen kann, welches auf die wichtigsten Kriterien und Indikatoren des wissenschaftlichen Diskurses Rücksicht nimmt.
- Ein transparentes Bewertungsverfahren fördert nicht nur die Nachvollziehbarkeit, sondern erhöht auch die Möglichkeit der Einflussnahme durch den Grundeigentümer.
Der Antragsteller kann die Chancen einer Genehmigung selbst abschätzen und durch gezielte Flächenwahl sowie einen an ökologischen Kriterien orientierten Aufforstungsplan beeinflussen.
- Ein Verfahren mit externen Bewertungsschlüsseln schafft eine hohe Flexibilität gegenüber variablen Anwendungsbedingungen.
Landschaftspläne und andere Entwicklungspläne formulieren die Entwicklungsziele anhand der Interessenlage zum Zeitpunkt der Planerstellung. Veränderungen der relevanten Bedingungen, z.B. Eigentümerinteressen durch Generationenwechsel, Landschaftsbild durch fortgeschrittene Einflussnahmen, machen eine Revision der Ziele und Überarbeitung des Planes notwendig. Ein hinsichtlich der Umgebungsbedingungen flexibles Verfahren kann dagegen unabhängig von detaillierten Plänen agieren, wenn die regionalen Leitbilder feststehen.
2 Hintergrund
2.1 Erstaufforstung in der Diskussion
Biodiversität ist ein aktuelles und modernes Thema. Aktuell, weil viel davon gesprochen wird
– modern, weil kaum eine Veranstaltung, eine Vereinbarung oder ein Abkommen zu Umwelt- und Naturschutz heute ohne dieses Thema auszukommen scheint. Spätestens seit der Biodiversitäts-Konvention (Rio de Janeiro, 1992) sind Schutz und Nutzen der Biodiversität in aller Munde. Dabei lässt die Vielschichtigkeit des Begriffes viel Raum für politische Interpretationen. Unbestritten ist, dass sich die Biodiversität auf verschiedenen ökologischen Ebenen, von den Genen bis zu Ökosystemen beschreiben lässt. Weitgehend unbestritten ist auch, dass der umfassende Charakter der Biodiversität eine Vielzahl von Ressourcen einschließt. Sie stellt eine Generalressource dar, deren nachhaltiges Management zu einer zentralen Aufgabe der globalen Politik und Kooperation wird (SPELLERBERG/SAWYER 1996). Somit müssen sich alle landverbrauchenden oder ökosystemverändernden Entwicklungen an deren Auswirkungen auf die Biodiversität messen lassen.
Die Erstaufforstung landwirtschaftlich genutzter Flächen kann ebenfalls als aktuelles Thema bezeichnet werden. Modern ist es deshalb nicht. Seit den großen Heideaufforstungen im späten 18. Jahrhundert spielte die Waldvermehrung immer wieder eine mehr oder weniger große, doch immer landschaftsprägende Rolle. Auch eine Begrenzung des Betrachtungszeitraumes auf das 20. Jahrhundert zeigt, dass es mehrere Aufforstungswellen gab, die zumindest regional bedeutende Ausmaße annahmen. In diesem Zusammenhang sei nur an die großflächigen Rekultivierungsprojekte der Bergbaufolgelandschaften oder an die Großflächenaufforstungen entwässerter , abgetorfter Moorgebiete in Norddeutschland erinnert. Das aktuellste Beispiel für eine flächig landschaftsprägende Aufforstungswelle ist wohl Irland, welches in Bezug auf das Verhältnis zwischen Aufforstung und existierender Waldfläche in Europa eine Spitzenreiter-Rolle übernimmt (IDF 2001). In den vergangenen Jahrzehnten spielten aber zunehmend auch gesetzliche Bestimmungen und öffentliche Förderprogramme eine wichtige Rolle als Motor für die Waldvermehrung. Damit wandelten sich auch die gesellschaftlichen Ansprüche an die Umwandlungsmaßnahmen. Neue Wälder müssen heute in Planung, Anlage und Entwicklungsmöglichkeiten den Zielen der Agenda 21 entsprechen und neben ökonomischen und ökologischen vor allem auch gesellschaftspolitischen Zielen verpflichtet sein (FRIEDRICHSDORF 1999).
Noch in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sah es die Europäische Gemeinschaft als eine ihrer vordringlichsten Aufgaben an, den Stand der Nahrungsmittelproduzenten als Garant für die Versorgung der Bürger vor den Unbilden der freien Marktwirtschaft zu schützen. Anfang der 1990er Jahre bestand der EG-Haushalt zu 75 % aus Agrarausgaben. Die verfehlte Agrarpolitik der 1970er und 1980er Jahre führte zu einer gemeinschaftsweiten Überproduktion an landwirtschaftlichen Erzeugnissen. 1992 startete eine EG-Agrarreform (Gemeinsame Agrarpolitik - GAP) mit den Zielen, die staatlich gestützten Erzeugerpreise auf Weltmarktniveau abzusenken und die Überproduktion zu verringern. Durch eine Verringerung der Stützpreise und Interventionsmengen für Getreide, Ölsaaten und Hülsenfrüchte wurde zunächst Druck auf die Landwirte ausgeübt. Gleichzeitig wurden aber direkte Beihilfen als Ausgleich für Einkommensverluste bei bestimmten Fruchtarten (Getreide, Hülsenfrüchte, Ölsaaten) in Aussicht gestellt. Den Anspruch auf diese Beihilfen erwarb der Agrarbetrieb durch das Einrichten von Rotations- oder Dauerbrachflächen.
Zusätzliche Möglichkeiten zur Verringerung der Überproduktion erhoffte sich die Gemeinschaft von einer Förderung der Erstaufforstungen (VO EWG 2080/92, später VO EG 1257/99). Diese sollten den Landwirten langfristige Perspektiven bieten. Zur Verringerung des Einkommensverlustes in den ersten Jahren, wurden Aufforstungs- und Pflegeprämien eingeführt. In der Folge wurde ein Großteil der in Deutschland ausgeführten
Erstaufforstungen über dieses Förderprogramm im Rahmen einer Kofinanzierung zwischen Bundesländern und EU gefördert.
Bei den aus der Produktion ausscheidenden Flächen handelte (und handelt es sich noch immer) in erster Linie um jene, die unter den Bedingungen des EU-Binnenmarktes keine hohe landwirtschaftlichen Erträge mehr versprechen. Diese bilden keineswegs einen repräsentativen Querschnitt durch die verschiedenen Standortbedingungen (FINCK/SCHRÖDER 1997), sondern können mit dem Begriff Grenzertragsböden umschrieben werden. Sie zeichnen sich durch besondere Nährstoffarmut, Feuchtigkeit oder Trockenheit, bzw. durch eine Kombination dieser Merkmale aus. Gerade auf diesen Flächen sind aber für den Artenschutz besonders wertvolle Biotope und Lebensgemeinschaften zu finden, weshalb eine Umwandlung in eine andere Nutzungsart aus Naturschutzgründen zu vermeiden wäre.
Die Verordnung EWG 2080/92 war so konzipiert, dass sie vor allem die klassische Aufforstung nach forstökonomischer Planung förderte. Neben einer Kostenbeihilfe für die Initialphase gab es weitere Finanzmittel für die zugehörigen Pflege- und Bewirtschaftungsmaßnahmen sowie eine Erstaufforstungsprämie als Ausgleich für Einkommensverluste aus bisher landwirtschaftlicher Nutzung (vgl. Abb. 2.1-I). Die Förderung erfolgte im Rahmen der Kofinanzierung aus Mitteln der EU, des Bundes und der Länder.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2.1-I: Zusammensetzung der Erstaufforstungsförderung im Freistaat Thüringen (LAWUF 1999)
Investitionsförderung und Pflegezuschuss wurden in Abhängigkeit vom Bestandestyp gezahlt. Die Finanzhilfe sollte die Pflegemaßnahmen der ersten fünf Jahre abdecken. Zusätzlich konnten Grundeigentümer eine Prämie erhalten, die den Einkommensverlust aus dem Übergang von der landwirtschaftlichen zur forstlichen Nutzung in den ersten Jahren ausgleichen sollte. Für diese Prämie erfolgte eine Bemessung des Zahlungszeitraumes am gewählten Bestandestyp. Die Höhe der Zahlungen wurde dagegen über die Qualität des Bodens errechnet.
Obwohl der gewählte Bestandestyp bei der Bemessung der Fördermittel berücksichtigt wurde, kann nicht ernsthaft von einer Berücksichtigung naturschutzfachlicher Aspekte gesprochen werden. Es wurden weder Anreize für besonders vielfältige Bestände geschaffen, noch schlug sich eine naturschutzorientierte Gestaltung, beispielweise durch einen strauchreichen, breiten Waldrand, in der Fördersumme nieder.
Auch die Orientierung der Aufforstungsprämie an den Bodenwerten führten zu einer ökologischen Fehlentwicklung. In Verbindung mit einer maximalen Prämie von DM 1400 pro ha führte diese Bemessungsweise nämlich dazu, dass die Grundeigentümer in aller Regel nur zur Aufforstung von Grenzertragsstandorten bereit waren.
Unter Hinweis auf das Missverhältnis zwischen den Aufforstungsprämien und den potentiell möglichen landwirtschaftlichen Erträgen zieht KLEIN (1997) daher ein negatives Fazit aus der Entwicklung: Auf schlechten Standorten liegen die Aufforstungsförderungen über den Erträgen einer extensiven Bewirtschaftung der Fläche. Sie verdrängen somit eine ökologisch sinnvolle Nutzung. Auf den guten Standorten reichen die Fördergelder dagegen nicht aus, den Einkommensverlust gegenüber einer landwirtschaftlichen Nutzung auszugleichen, weswegen die produktiven Standorte kaum in Wald umgewandelt werden.
Diese Einschätzungen werden auch von MIRZA (2001) bestätigt, wonach eine Expertenbefragung an Forstbehörden ergab, dass die aufgeforsteten landwirtschaftlichen Flächen eine durchschnittliche Bodenpunktzahl von 33 Punkten besitzen (Skala von 1 bis 100 BP). Dabei wird erst einem Boden mit mindestens 35 Punkten eine Qualität zugesprochen, die einen durchschnittlichen landwirtschaftlichen Ertrag erwarten lässt (ARBEITSAUSSCHUSS RICHTZAHLEN 2000).
Fehlende Anreize für naturgemäße Baumartenzusammensetzungen, keine Berücksichtigung der Waldrandsituationen und passive Förderung der Aufforstung von Grenzertragsböden - der Naturschutz stand bei der Formulierung der Verordnung EWG 2080/92 offensichtlich nicht Pate. Im Gegenteil beklagt zum Beispiel der DEUTSCHE RAT FÜR LANDSCHAFTSPFLEGE (DRL, 1997; S.19), dass „die Umsetzung dieser Verordnung vor Ort oft entgegengesetzt zu Naturschutzzielen erfolgt“.
Verschiedene Auswege aus diesem Dilemma sind denkbar. Einer davon könnte in der Orientierung der Fördermittelhöhe an der ökologischen Qualität der Aufforstungsmaßnahme bestehen. Einen Versuch hierzu unternimmt beispielsweise der Freistaat Sachsen durch die Richtlinie zur „Förderung der ökologischen Waldmehrung“ (RL-Nr. 93/2000). Sie staffelt den finanziellen Kostenzuschuss zur Erstaufforstung nach den gepflanzten Baumarten. Die Förderrichtlinie kann aber nur in sehr begrenztem Umfang auf die ökologischen Anforderungen an eine Aufforstung eingehen. Schon der große Geltungsbereich, ein ganzes Bundesland, verhindert eine Klassifizierung nach regionalen Kriterien. Die Einteilung der Aufforstungsbestände in sechs Förderklassen (siehe Tab. 2.1-1) kann den naturschutzfachlichen Anspruch an die Bildung naturgemäßer Waldgesellschaften nicht wiedergeben. Weitere Aspekte des Arten- und Biotopschutzes, etwa der Biotopverbund oder die Waldrandgestaltung bleiben völlig außer Acht.
Der Deutsche Rat für Landespflege (DRL 1997) schlägt als verbessernde Passi im europäischen Verordnungstext die Förderung standortheimischer Waldbestände, die Untersagung der Aufforstung auf bereits in Sukzession befindlichen Flächen, die finanzielle Besserstellung von Sukzession gegenüber Aufforstungen auf „Intensivflächen“ und die Modifizierung der Bewaldungstechniken vor. Nähere Ausführungen zur Bestimmung der förderungswürdigen standortheimischen Waldbestände werden allerdings nicht gemacht. Die Abwägung einer Aufforstung gegenüber der Sukzession wird auch von anderen Autoren gelegentlich gefordert (ZUNDEL 2000, REIF 1997, STURM 1993). Dabei sind allerdings verschiedene Einschränkungen zu machen, wann eine Sukzession tatsächlich das bessere Ergebnis erwarten lässt. In isolierten Lagen dauert es sehr lange, bis sich über eine ungelenkte Sukzession tatsächlich eine Waldgesellschaft entwickelt, die als repräsentativ hinsichtlich ihrer Artenzusammensetzung gelten wird. Die ökologische Wirksamkeit von Wald kann indes durch eine Aufforstung wesentlich schneller erreicht werden (SCHÖLMERICH 1999), zumal durch Platz für begleitende Sukzession und durch eine an der natürlichen Waldgesellschaft orientierte Baumartenwahl ökologische Akzente bewusst gesetzt werden können.
Die Bestimmung des Beitrages einer Aufforstung zur Biodiversität erfordert zunächst die Definition des Terminus. Das Konzept der Biodiversität „bezieht sich auf die Gesamtheit aller Formen von Leben in einem System und bewegt sich damit in einer Bandbreite von organischen Molekülen bis hin zu Pflanzen- und Tierarten, Pflanzengesellschaften, Landschaften und Lebensräumen. Wird Biodiversität nicht nur als statisches sondern auch als dynamisches Konzept aufgefasst, muss ebenfalls die genetische Variabilität der Arten berücksichtigt werden.“ (KÖHL/ZINGG 1995, S. 77). Es geht also um ganz unterschiedliche
Betrachtungsebenen und -objekte, die in ein gemeinsames Bewertungsverfahren zu integrieren sind. Die Biodiversität lässt sich nicht auf die Merkmale des Gen-Pools, des Arten- oder des Lebensraumspektrums reduzieren. Alle drei Kategorien werden durch einen Landnutzungswandel lokal, meist auch im weiteren räumlichen Zusammenhang beeinflusst. Daher muss eine adäquate Beurteilung von Nutzungsänderungen klar zwischen den funktionalen Betrachtungsebenen differenzieren. Eine Reduktion der betrachteten Zusammenhänge, beispielsweise auf die Artenzahl einer festgelegten Fläche, würde zwar die Erfassbarkeit deutlich verbessern, andererseits aber eine immense Beschränkung in der Aussagekraft der Evaluation bedeuten. Genetik, Artenvielfalt und lebensraumtypische Systemzusammenhänge ergeben somit die Grundbausteine einer umfassenden, prognostischen Bewertung von Erstaufforstungsmaßnahmen aus Sicht des Naturschutzes.
Tab. 2.1-1: Kostenzuschuss bei der Erstaufforstung, gestaffelt nach Baumarten; nach der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft zur Förderung der ökologischen Waldmehrung im Freistaat Sachsen (RL-Nr. 93/2000)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Aufforstung landwirtschaftlicher Flächen wird häufig auch als Maßnahme zur Bindung von Kohlenstoff, und damit im Zusammenhang mit dem globalen Klimaschutz genannt. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der Nutzungswandel zu einer Verringerung des Stickstoffeintrages führt, da im Wald keine Stickstoff-Düngung erfolgt. Ein entscheidender Beitrag zur Kohlenstoffbindung durch die aufgeforstete Fläche muss – zumindest für die aktuelle Aufforstungsrate in Deutschland - wohl verneint werden (PRIES 1997, DOHRENBUSCH 1996). Die im Zeitraum 1992 bis 1999 über die VO 2080/92 geförderten Erstaufforstungen bewirkten gerade einmal eine Verringerung der Kohlendioxid-Belastung um 0,02 % der im Kyoto-Protokoll für die Bundesrepublik festgesetzten Reduktionsquote (MIRZA 2001).
In Bezug auf den Strukturwandel können Erstaufforstungen auf landwirtschaftlichen Flächen dennoch als gesamtökologisch positiver Beitrag gesehen werden. Die Umwandlung bewirkt
– in noch stärkerem Maße als die Extensivierung – einen Verzicht auf den Einsatz von Mineraldünger und vor allem von Pflanzenschutzmitteln bei der Produktion (AMMER/PRÖBSTL 1988). Auch KEDING (1999) bewertet Aufforstungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik generell als „für den Naturschutz überwiegend positiv“. Er stellt weiter fest, dass eine ökologische Waldmehrung im öffentlichen Interesse liegt, dies aber nicht ohne gleichsinnige Ziele des Grundeigentümers umsetzbar sei. Daher muss der Gesetzgeber durch die Anwendung politischer Instrumente einen entsprechenden Anreiz schaffen. Insbesondere die mancherorts langwierigen Genehmigungsverfahren beeinträchtigen allerdings die Aufforstungswilligkeit der Landwirte. Eine Verringerung des restriktiv wirkenden bürokratischen Aufwands könnte dem Wunsch der Landes- und Bundesregierungen zur Vermehrung des Waldanteils deutlich unterstützen. Folgerichtig weist auch das Nationale Forstprogramm Deutschland (BMELF 2000) auf eine notwendige Beschleunigung und Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens hin. Es fordert darüber hinaus, dass die Förderung der Erstaufforstung nicht weniger attraktiv sein darf, als die Stillegung landwirtschaftlicher Flächen.
Die von den Landeswaldprogrammen angestrebten Aufforstungsraten könnten eine neue, landschaftsgestaltende Phase einläuten. In Niedersachsen beispielsweise, soll der
Waldanteil langfristig (innerhalb von 50 Jahren) von 23 % auf 25 % gesteigert werden (KEDING 1994). Dies bedeutet für den angegebenen Zeitraum eine Erstaufforstungsfläche von ca. 2000 ha jährlich. In Thüringen, dem ebenfalls in dieser Arbeit behandelten Bundesland, bestehen seit 1992 Bestrebungen der Landesregierung, den Waldbestand jährlich um ca. 1000 ha Aufforstungen zu mehren. Das Ziel konnte bisher noch nicht erreicht werden. Auch wenn in den ersten Jahren bedeutende Waldflächenzunahmen zu verzeichnen waren, sank die Aufforstungsrate danach wieder kontinuierlich ab. Im Jahre 1999 war sogar ein realer Waldflächenverlust zu bilanzieren (TRIEBEL 2000). Das Land Sachsen strebt mit einer Erhöhung des Waldanteils von derzeit 27 % auf künftig 30 % ebenfalls einen bemerkenswerten Waldzuwachs an, der sich in einer Aufforstungsfläche von immerhin
50.000 ha ausdrückt (KÖPF 2002). Da die politischen Erfolge allerdings noch zu Wünschen übrig lassen, sind Durchhaltewille und neue Konzepte gefragt.
Der politische Wille sucht generell, also auch in den behandelten Bundesländern, vor allem die unterbewaldeten Landesteile mit neuen Waldflächen anzureichern. In den dicht bewaldeten Gebieten ist eine Waldzunahme dagegen zu vermeiden (LAWUF 1999, KEDING 1994). Folglich ist von landschaftsprägenden Einflüssen dieser Maßnahmen auszugehen.
Bei der Neuanlage von Wald sind neben seiner visuellen Eingliederung in die Landschaft auch seine zukünftigen Funktionen zu berücksichtigen. Das Management bestehender Wälder orientiert sich am Leitbild der ökosystemgerechten Waldnutzung. Dieses umfasst eine standortsgerechte, nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung. Dabei sind die Regelungs-, Lebensraum-, Nutzungs- sowie Kultur- und Sozialfunktionen im Rahmen einer Mehrzweckforstwirtschaft gleichberechtigt zu erfüllen (BEESE 1996). Aufforstungen sind so anzulegen, dass der entstehende Wald die vielen Aufgaben im Sinne der ökosystemgerechten Waldnutzung erfüllen kann.
Ein Genehmigungsverfahren, wie es durch die Forst- und Waldgesetze vorgesehen ist, dient der Abwägung sozialer, ökologischer und sozioökonomischer Interessen. Es erfolgt nach landesspezifischen Verfahren, wobei in den meisten Bundesländern die Forstbehörden schriftführend sind. Gleichzeitig fungieren sie häufig als Antragsbehörde für Fördermittel.
Die Genehmigungsverfahren zeichnen sich einheitlich durch einen großen Ermessensspielraum aller beteiligten Behörden aus. Klare Vorgaben für den Vollzug fehlen. Die Ämter können die Genehmigung mit mehr oder minder tragfähigen Argumenten ablehnen oder befürworten (THOROE 1997). Eine Identifikation des politischen Willens hinter einer derartigen Amtsentscheidung ist schwierig. Die Entscheidungsfindung ist für den Bürger weder transparent noch prognostizierbar.
Der Staat versucht mit drei verschiedenen politischen Instrumenten die Aufforstungstätigkeiten zu lenken. Zunächst durch die Beratung des Grundeigentümers bei der Planung und Durchführung der Umwandlungsmaßnahme. Dieser Teil der Tätigkeit ist in seiner Qualität von der betreuenden Forstsachverständigen vor Ort abhängig und kann deshalb nicht generell beurteilt werden. Das zweite Instrument ist das beschriebene Genehmigungsverfahren, in dem Eigentümerinteressen und öffentliches Interesse gegeneinander abgewogen werden sollen. Das dritte Instrument ist schließlich die finanzielle Aufforstungsförderung. Die diesbezüglichen Programme verfolgen die Umsetzung öffentlicher Interessen durch die Bezuschussung bestimmter Maßnahmen. Sie können allerdings nur dann Wirkung zeigen, wenn die darin enthaltenen Anreize auch die persönlichen Interessen der Grundeigentümer treffen. Der aufforstungswillige Landwirt muss sprichwörtlich dort abgeholt werden, wo er steht.
Wie schwierig allerdings die Einschätzung der tatsächlichen Beweggründe für eine Nutzungsänderung ist, zeigt die Arbeit von MIRZA (2001). Sie vergleicht die Ergebnisse einer Umfrage unter Grundeigentümern, die eine Aufforstungsförderung nach VO 2080/92 beantragten, mit den Ergebnissen einer Expertenbefragung unter den für die Bewilligung zuständigen Forstbehörden. Letztere schätzten zu 56 %, dass finanzielle Gründe sehr wichtig für den Entscheidungsprozess des Grundeigentümers waren. Dagegen gaben lediglich 6 % der Aufforstungswilligen an, dass finanzielle Gründe tatsächlich einen derart hohen Stellenwert besitzen. Auch hohe Fördersummen stellen keine Garantie für den Erfolg einer Richtlinie dar. Die Reduktion der Eigentümerinteressen auf monetäre Beweggründe ist eine unzulässige Simplifizierung, die nicht selten zu einer Fehleinschätzung der tatsächlichen Lage führt. Dies kann im Nachhinein auch für die Feststellung von ERLBECK (1993, S.232) gelten, der nach Inkrafttreten der Verordnung EWG 2080/92 mutmaßte: „Die Bereitschaft zur Aufforstung wird also aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen steigen, weil jeder, der rechnen kann, sich für die Aufforstung entscheiden wird, auch wenn die Prämien für die Freihaltung gleich hoch wären.“
Komplementär zur Überbewertung der finanziellen Beweggründe wurden die ökologischen Ambitionen der Eigentümer unterschätzt. Mehr als zwei Drittel der befragten Behörden (MIRZA 2001) gingen davon aus, dass sich Flächeneigentümer nicht von ökologischen Gründen (Boden-, Arten-, Wasser- und Klimaschutz) leiten ließen. Demgegenüber bezeichneten jeweils deutlich mehr als 50 % der Grundeigentümer solche ökologischen Überlegungen als sehr wichtig bei der persönlichen Entscheidungsfindung.
Diese Beispiele zeigen, dass es für Behörden häufig schwierig ist, die Beweggründe der Grundeigentümer zu prognostizieren. Wenn solche Prognosen dann aber als Grundlage für die Erstellung räumlicher Entwicklungskonzepte dienen, verhindern die Fehleinschätzungen der sogenannten Experten eine optimale Effektivität der Maßnahmen.
Neben der Integration der Grundeigentümer bei der Planerstellung besteht die zweite Möglichkeit zur Lösung des Problems in der Entwicklung flexibler, planunabhängiger Instrumente für die Raumplanung. Diese könnten beispielsweise bei den Interessen der Eigentümer ansetzen und dann im Einzelfall die aktuelle und die neu zu schaffende Situation erörtern. Wenn das Verfahren dann die Leitbilder der regionalen Raumplanung und des Naturschutzes berücksichtigt, kann auf die Zonierung im Sinne von Aufforstungsgewannen verzichtet werden.
Zur Einschätzung der ökologischen Wertigkeit gegenüber anderen Landnutzungen fehlen bisher detaillierte Konzepte. Bundesweite Konzepte (Bundeswaldgesetz, Nationales Forstprogramm) bleiben zu diesem Themenbereich unkonkret und geben zu wenig Anhaltspunkte für die Umsetzung. Auch von Seiten des Verbandsnaturschutzes wird wenig Konkretes angeboten. Positions- und Hintergrundpapiere zur Aufforstungsthematik liegen nur im Einzelfall vor und sind kaum aussagekräftig bezüglich Flächenauswahl oder Bewaldungstechnik (vgl. z.B. NABU 1997).
Untersuchungen, wie etwa diejenige von KORNECK/SUKOPP (1988), welche von einer bedeutenden Beteiligung der Forstwirtschaft am Rückgang der Artenvielfalt sprechen, werden in ihren Ergebnissen von den forstwirtschaftlichen Praktiken zurückliegender Jahrzehnte stark beeinflusst. Nadelbaum-Monokulturen und Aufforstungen von Sonderstandorten oder entwässerten Flächen sind heute sehr selten geworden. Deshalb kann aus derartigen Beschuldigungen keine generell negative Einschätzung von Aufforstungen abgeleitet werden. Das in dieser Arbeit entwickelte Verfahren kann im Gegenteil Hinweise geben, unter welchen Voraussetzungen eine Aufforstung positive Auswirkungen auf die Artenvielfalt erwarten lässt.
Eine objektive Abwägung der ökologischen Folgen einer Aufforstung kann nicht allein aufgrund eines vorhandenen Raumplanes erfolgen. Es muss die Möglichkeit bestehen, einen Nutzungswandel anhand der aktuellen Situation zu erörtern. Zu diesem Zwecke bedarf es einer systematischen Evaluation der Erstaufforstung anhand einheitlicher Kriterien mit regionalisiertem Bewertungsmaßstab.
Unter den für die Genehmigung von Erstaufforstungen zuständigen Behörden (Forstbehörden, Landwirtschaftskammern) ist die Meinung weit verbreitet, dass Erstaufforstungen landwirtschaftlicher Flächen einen positiven Beitrag zur Biodiversität leisten (HERREN/BAUR 1993, MIRZA 2001). Diese Wirkungen sollten dann aber bereits in einem Genehmigungsverfahren systematisch betrachtet und prognostiziert werden. Dabei kann es nicht nur darum gehen, eine Für-oder-Wider-Entscheidung zu treffen, sondern darüber hinaus auch eine Abwägung zwischen unterschiedlichen Varianten zu ermöglichen.
Ist das Verfahren schließlich noch transparent und plausibel, so dient es auch dem Grundeigentümer zur Einschätzung der Genehmigungsfähigkeit, bzw. zur Gestaltung der Aufforstungspläne nach ökologischen Kriterien.
2.2 Naturschutzfachliche Bewertung zwischen Soll und Ist
Planung hat immer den Sinn zielorientierten Handelns, d.h. ein gegebenes Ziel von einem aktuellen Standpunkt aus anzustreben. Die dafür notwendigen Pfeiler sind einerseits die Zielvorgabe, bzw. das Leitbild und andererseits die Erfassung der augenblicklichen Situation, die Beschreibung des Zustandes. Aus diesen beiden Strängen, Zielentwicklung und Situationsanalyse, ergeben sich die Pole „Soll“ und „Ist“. Ein Vergleich der beiden führt zu einer Bewertung der augenblicklichen Situation in Relation zum avisierten Zustand. Grundbedingung dabei ist, dass für Zielbeschreibung und Datenerfassung die gleiche Sprache verwendet wird. Dies drückt sich beispielsweise in gleichen Messgrößen und einheitlicher, räumlicher Bezugsskala aus. Liegen sektorale Ziele vor, so ergibt sich aus den Bewertungen unmittelbar der Handlungsbedarf als Differenz zwischen Soll und Ist (WIEGLEB 1998). Bei komplexen Zielen (unterschiedliche Leitbilder) ist dagegen zwingend ein formales Bewertungsverfahren zur Entscheidungsunterstützung zu erarbeiten.
Im Naturschutz existieren gleich mehrere Leitbilder mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander (Kap. 3.2), weshalb eine Bewertung ohne Berücksichtigung dieser Zielvorgaben nicht möglich oder zumindest nicht sinnvoll ist. Zu diesem Schluss kommt auch WIEGLEB (1998), der weiter folgert, dass eine Hierarchie der Leitbilder seitens der Planungsträger vorgegeben sein muss, die dann in das Bewertungsverfahren zu übernehmen wäre. Ist die Hierarchie nicht vorgegeben, so kann es zu Widersprüchen zwischen verschiedenen Werten kommen. Die Leitbildentwicklung löst zwar nicht das Bewertungsproblem, strukturiert es aber wesentlich vor. Kommt sie dieser Aufgabe nicht nach, so sind die Kriterien als gleichberechtigt nebeneinander stehend zu betrachten. Einer weiteren Unterteilung in Merkmale oder Indikatoren muss dann eine ebenfalls gleichberechtigte Wertung folgen.
Die Frage, ob nun in der Naturschutzplanung zunächst das Ist festzustellen und dann das Soll zu formulieren ist, oder umgekehrt, kann nicht abschließend geklärt werden. Ziel und Situationsbeschreibung müssen jedenfalls die gleiche Sprache und Struktur verwenden. Es ist folglich ein langwieriger, sich ständig verändernder Prozess, in dem Situationen beschrieben, Ziele formuliert, die Wirklichkeit neu erfasst, Ziele revidiert werden, und so weiter. Die Leitbilder müssen auf den aktuellen Kenntnisstand zur Ist-Situation aufbauen. Kommen neue Zielvorstellungen hinzu, so müssen eventuell fehlende Daten nachträglich erhoben werden.
Bei der Erfassung und Bewertung von Wäldern im Sinne des Naturschutzes wird häufig auf pflanzensoziologische Einheiten zurückgegriffen. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Ansprache von Waldbiotopen. Auf der Grundlage erfasster Biotope erfolgt dann die Planung zur Erhaltung des Zustandes und eventuell einer bestimmten Entwicklung. Hier können weiterhin zwei Vorgehensweisen unterschieden werden. Erstens der Schutz einzelner Arten und Ökosysteme (Waldtypen). Ein Beispiel für diesen Typ sind die Biotopkartierungen, die mittlerweile in ganz Deutschland durchgeführt werden (DRACHENFELS 1994). Zweitens die Kartierung von Wirtschaftsweisen und Merkmalen forstlicher Produktionssysteme, die flächendeckend stattfindet, aber auch nur bestimmte Parameter von Ökosystemen abbildet (LAWUF 1996).
Ein methodisches Problem der Beschreibung von Wäldern, insbesondere hinsichtlich deren ökologischer Bedeutung, tritt in Mosaik-Landschaften auf. Inwieweit können Gehölzgruppen und kleine Wäldchen zu Einheiten zusammengefasst werden? Und welche Rolle spielen dabei unterschiedliche Baumartenzusammensetzungen, Wirtschaftsweisen, Altersstrukturen oder Vegetationsschichten? Es liegt auf der Hand, dass diese Fragen nicht generell, sondern nur in Abhängigkeit vom zentralen Interesse der jeweiligen Biotoperfassung oder -bewertung erfolgen kann. Aus diesen Sachverhalten ergibt sich für natürlich entstehende oder neu angelegte Wälder die Frage: Welche Rolle können neue Waldflächen spielen in der Erweiterung und Verknüpfung bestehender Wälder und welche Merkmale müssen sie hierzu aufweisen?
Offensichtlich nimmt ein Bestand im Jungwuchs- und Dickungsalter andere Funktionen wahr als ein reifer oder überalterter Bestand gleichartiger Baumartenzusammensetzung. Andererseits dauert die Jungwuchsphase nicht ausreichend lange, um eine gesonderte Bewertung im Rahmen einer langfristigen Planung zu rechtfertigen. Ein ökologisch orientierter Waldbau, wie er von den meisten Forstverwaltungen propagiert und auch von vielen Privatwaldbesitzern betrieben wird, setzt auf lange Umtriebszeiten unter Ausnutzung von Naturverjüngung. Ein Bestandesalter von mehr als 100 Jahren ist also zu erwarten. Damit nähme aber die Jungwuchsphase lediglich 10-20 % der Entwicklungszeit ein. Eine Bewertung von Aufforstungen muss daher vor allem die längerfristige Entwicklung prognostizieren und in die Urteilsfindung einfließen lassen.
Wie bereits erwähnt, spielt die Art und Detailliertheit der Datenerfassung eine wichtige Rolle für die Möglichkeit, adäquate und umsetzungsfähige Zielvorstellungen zu formulieren. Bei der Bewertung in reich strukturierten Landschaften spielt die Verwendung von Lebensraumkartierungen, Fernerkundungsdaten und verschiedenen thematischen Karten eine wichtige Rolle (KIRBY 1994). Studien zur Veränderung der Situation durch Aufforstungen in strukturreichen Landschaftstypen gibt es bereits, allerdings beschäftigen sich diese nicht mit der Frage der Biodiversität im betrachteten Raum, sondern lediglich mit der Auswirkung der Maßnahme auf einzelne Tierarten des Offenlandes, deren Habitat durch eine neue Waldfläche beeinflusst oder zerschnitten werden könnte (z.B. GRUTTKE/WILLECKE 1993, ZENKER 1982).
Je komplizierter ein Bewertungsschema ist, desto schwieriger sind dessen Ergebnisse zu interpretieren. Klare Strukturen bei der Wertermittlung mit möglichst reduziertem Ermessensspielraum für den Gutachter vereinfachen den Bewertungsgang zu Gunsten von Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Ein praxistaugliches Bewertungsverfahren sollte in seiner Komplexität der Planungsaufgabe angepasst sein. Eine logische Struktur und die Befreiung von erfahrungsbezogenen, gutachtlichen Einschätzungen ermöglicht die Durchführung der Bewertung auch durch Personen, die nur über Grundkenntnisse des Naturschutzes verfügen. Wird der Interpretations- und Ermessensspielraum des Gutachters beschnitten, so kommt dies der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse unbedingt zu Gute. Liegt kein hierarchisches Leitbild-Konstrukt vor, so sind die verwendeten Bewertungskriterien einheitlich zu gewichten. Auch die Skalen für die erfassten Merkmale sollten einheitliche Größen aufweisen. Innerhalb einer Elementbewertung (z.B. Arteninventar) sollten alle Elemente (Arten) gleich bewertet werden. Im Falle einer Punktebewertung würde dies bedeuten, dass eine vorhandene Art mit einer fixen Punktzahl in die Berechnung einfließt und keine Unterscheidung in mehr oder weniger bedeutend getroffen wird (KIRBY 1994). Ein wesentlicher Beitrag zur objektiven Wertfindung ist auch die Ermittlung des Wertes anhand von Idealzuständen, also beispielsweise der Vergleich der Artenvielfalt mit der Vielfalt in der potentiell natürlichen Vegetation des Standortes, statt mit der Artenvielfalt eines anderen Bestandes.
Die Landschaftsplanung verlangt nach einfachen, gut handhabbaren und gleichzeitig hinreichend komplexen Informationen über den Planungsgegenstand. Daher rührt die Tendenz, mehrere Eigenschaften eines Ökosystems zu erfassen, zu beurteilen und zu einem Gesamtwert zu aggregieren. Die Verknüpfung unterschiedlicher Parameter folgt subjektiven Erwägungen und ist dabei naturwissenschaftlich kaum begründbar (BASTIAN 1999). Andererseits versetzt es den Planer in die Lage, einen wesentlichen Teil des Systems abzubilden, zu abstrahieren und für die weitere Planung zu analysieren. Abstriche in der wissenschaftlichen Aussagetiefe und -schärfe sind dabei meist unvermeidbar. Nur auf diese Weise ist es aber möglich, trotz der häufig schmalen Datenbasis für größere Gebiete eine ausreichend detaillierte Planungsgrundlage zu erhalten. Schließlich kann die
Landschaftsplanung keinen jahrelangen Vorlauf der Grundlagenforschung abwarten. In der Literatur findet sich ein weites Spektrum von Biotopansprachen von der einfachen, verbalen Beschreibung der Biotoptypen bis zur komplizierten mathematischen Berechnung (vgl. BASTIAN 1999). Gegenwärtig sind in der landschaftsplanerischen Praxis einige additive Modelle in breiter Variation gebräuchlich. Die Einzelmerkmale werden über Verflechtungsmatrizen hergeleitet und miteinander verknüpft. Unter Umständen werden die Bewertungskriterien dann noch in höherrangigen Matrizen nutzwertanalytisch zum Gesamtwert aggregiert. Mit zunehmender Größe und höherem Rang der Matrize steigt auch der Grad der Komplexität. Gleichzeitig geht die Überschaubarkeit des Verfahrens verloren. Zusätzlich ist die Art der Verknüpfung von Bedeutung. Komplizierte Formeln sind zu vermeiden, die Grundrechenarten sollten als mathematische Hilfsmittel ausreichen.
Darüber hinaus weist BASTIAN (1999) darauf hin, dass die Problematik bei der Bestimmung komplexer Biotopwerte in der Schwierigkeit besteht, dass mehrere Sachverhalte (Einzelkriterien) nur verbal zu beschreiben sind, zudem teilweise miteinander korrelieren und sich demzufolge einer sinnvollen mathematischen Behandlung weitgehend entziehen. Als Alternative schlägt er eine Wertermittlung vor, die auf einem komplexen und vielarmigen Entscheidungsbaum beruht, bei dem der Bearbeiter aufgrund vieler Abwägungen, bzw. auf dem Hintergrund seiner fundierten, landschaftsökologischen Vorkenntnisse einen Biotopwert erarbeitet. Die Wertfindung erfolgt unter inhaltlichen Gesichtspunkten. Der entscheidende Nachteil liegt dann erneut in der fehlenden Transparenz und Nachvollziehbarkeit für Außenstehende (s.o.). Des weiteren ist zu beachten, dass eine Aggregation numerischer Bewertungen verschiedener Merkmale nur dann statthaft ist, wenn diese untereinander unabhängig sind (KIRBY 1994). Bei Flächengröße und Artenzahl wäre dies beispielsweise nicht der Fall.
Die Aggregation und Vereinfachung von Indikatoren ist generell vorsichtig zu behandeln. Nach KIRBY (1994) und PLACHTER (1990) kann die sogenannte Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts nicht mit Hilfe eines oder weniger Indikatoren bestimmt werden. Auch die Verwendung aggregierter Parameter bringt für generelle Fragestellungen nur zweifelhafte Vorteile, da Primärdaten und Detailinformationen verloren gehen. Stattdessen ist ein möglichst breites Spektrum unterschiedlicher Parameter einzusetzen. Allerdings muss auch gesagt werden, dass eine Aggregation umso eher möglich erscheint, je spezieller die Fragestellung ist.
Da Landschaften einander ähneln können, sich aber praktisch nie gleichen, ist es von Bedeutung, dass bei der Bewertung von Flächen nach einem neuen Verfahren zunächst eine repräsentative Auswahl an Flächen gewählt wird, um das gesamte Bewertungsspektrum darzustellen. Es ist einerseits notwendig um die Funktionsfähigkeit des Verfahrens von beiden Bewertungsextremen her zu erläutern. Andererseits liefert es einen ersten Referenzrahmen zur Einschätzung einzelner Fallbeispiele. Je komplizierter das Bewertungsschema ist, desto mehr Fallbeispiele müssen zur Erläuterung untersucht werden.
Bei allen Bemühungen um Ausgewogenheit und Objektivität können „subjektive Entscheidungen und Urteile [...] nicht völlig ausgeschlossen werden, doch lässt sich die Bewertung von Wäldern dadurch bis zu einem gewissen Grade objektivieren, dass die Bewertung – soweit möglich – systematisch und vorzugsweise quantitativ durchgeführt wird“ (KIRBY 1994, S. 185). Eine Kombination quantitativer und qualitativer Elemente ist also durchaus möglich. Wo qualitative Beschreibungen und gutachtliche Einschätzungen notwendig sind, können formale Vorgaben gemacht werden, die dem Außenstehenden den Entscheidungsgang erläutern und diesen somit nachvollziehbar machen.
Die genannten Eigenschaften einer naturschutzfachlichen Bewertung werden im Hinblick auf die Fragestellung, welchen Beitrag eine Erstaufforstung zur Biodiversität der Fläche an sich und der Umgebung leisten kann, in der hier vorliegenden Arbeit aufgegriffen. Da gutachtliche Feststellungen im Zusammenhang mit der Situationsanalyse nicht ausgeklammert werden können, ist ein subjektives Moment im Ergebnis nicht immer zu vermeiden. Andererseits ist durch die Übernahme von Wertermittlungsverfahren und Idealwerten aus anderen Planungsvorlagen (z.B. Standort- und Biotopkartierung) sowie gleichberechtigte Leitbilder ein Höchstmaß an Flexibilität und Objektivität zu erreichen (vgl. Kap. 3.4).
2.3 Regionales Konzept als Grundlage für Einzelfallentscheidungen
Diverse internationale Abkommen und Vereinbarungen befürworten eine generelle Steigerung des Waldanteils (vgl. Kap. 2.1). Auf europäischer Ebene wird diesem politischen Willen durch finanzielle Förderprogramme Ausdruck verliehen. Die Bundesregierung gibt die Aufgabe der Programmbildung an die Länder weiter. Da Aufforstungen einen eher lokalen bis regionalen Bezug besitzen, könnten nationale Programme auch nur generelle Aussagen machen. Folgerichtig regeln die Bundesländer durch eigene Programme und Richtlinien den Sachverhalt der Genehmigung und Förderung von Erstaufforstungen. Die Länder versuchen ihrerseits, die Bemühungen auf einzelne Regionen zu konzentrieren. Zum einen, da finanzielle Mittel zur Aufforstung nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Zum anderen, da politische Erfolge schneller zu erreichen und eindrucksvoller zu demonstrieren sind, wenn der Aktionsschauplatz geographisch eingeschränkt wird.
In Deutschland besitzen Aufforstungen landwirtschaftlicher Flächen regionale Schwerpunkte. Eine Aufforstungswelle, die bundesweit zu einer signifikanten Änderung der Bewaldung führt, ist nicht gegeben. Daher besteht seitens des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch keine Notwendigkeit zur Entwicklung eines nationalen Konzeptes oder eines Programms zur Steuerung von Erstaufforstungen. Anders wäre die Situation beispielsweise für Irland anzusprechen, wo die Erhöhung des Waldanteils um fast zwanzig Prozent in den 1990er Jahren eine nationale Steuerung durchaus sinnvoll erscheinen lässt. Die politische Situation sowie die geographische und naturräumliche Gliederung Deutschlands legen dagegen eine regionale Steuerung der Aufforstungsaktivitäten nahe. Die Landschaftsplanung kann hier als Fachplanung des Naturschutzes durch die Entwicklung von regionalen Naturschutz- Leitbildern einen Beitrag zur Steuerung leisten (FINCK/SCHRÖDER 1997). Solche Leitbilder werden allerdings meist für das gesamte thematische Spektrum der Landschaftsplanung definiert. Die Waldvermehrung spielt häufig eine untergeordnete Rolle (vgl. Kap 3.2 und Tab. 4.1-3), weshalb die Entwicklungsziele nicht immer konkrete Hinweise auf einen möglichen Landnutzungswandel geben.
Eine weitere, ebenfalls häufig vorgeschlagene Methode der regionalen Konzeptionierung, ist die Ausweisung von Aufforstungsgewannen (AMMER 1997). Anträgen zur Aufforstung ist eine Genehmigung in diesen Landschaftsteilen sicher, weil landschaftliche Verträglichkeit bereits a priori festgestellt wurde. Das Gegenstück zum Aufforstungsgewann sind die Ausschlussflächen oder „Tabu-Bereiche“, in denen eine Neuanlage von Wald zu untersagen ist. Die Ausweisung derartiger Vorrang- oder Vermeidungsgebiete ist ein beliebtes Mittel zur Steuerung der Waldvermehrung in der Forstlichen Rahmenplanung. Dieses Planungsinstrument ist in Deutschland allerdings nicht flächendeckend vorhanden. Regionale Forstliche Rahmenpläne sind derzeit lediglich für 41,2 % der Bundesfläche vorhanden oder in Bearbeitung. Gleichzeitig werden damit nur 34,1 % der bislang unbewaldeten Flächen von diesem Planungsinstrument erfasst (BMELF 1999).
Außerhalb von Aufforstungsgewannen sind Erstaufforstungen prinzipiell genehmigungspflichtig (§ 10 BWaldG). Die zuständige Behörde hat öffentliches und privates Interesse gegeneinander abzuwägen. Der Blick sollte jedoch nicht nur auf die Fläche selbst gerichtet sein, sondern weit darüber hinaus greifen. Die Bewertung soll sich an der Förderung des Allgemeinguts Natur und Landschaft orientieren (KLEIN 1997a).
Die gesellschaftlichen Ansprüche, soweit sie den Raum betreffen, können durch Leitbilder dargestellt werden. Diese sind aus mehreren Gründen für einen begrenzten, regionalen
Raum zu formulieren. Zunächst liegen in einer Region verhältnismäßig homogene Bedingungen vor. Die naturräumliche Einheit zeichnet sich durch ein bestimmtes Landschaftsbild, ein gemeinsames Klima, Geländerelief und Ähnliches aus. Die sozialen Strukturen der Landnutzer sind sich innerhalb dieses Raumes ähnlicher als im Vergleich zu anderen Räumen. Auch die Menschen, ihre Mentalität und ihr Heimatempfinden ähneln sich
– zumindest soweit es sich um hier gebürtige Personen handelt. Neben der naturräumlichen Homogenität ist daher auch von einer regionalen Wertestruktur auszugehen. Deren langfristige Entwicklung spiegelt sich in der Landschaftsgeschichte, bzw. der historischen Entwicklung der Kulturlandschaft wieder. Natur, Kultur und Gesellschaft stehen in engen wechselseitigen Beziehungen und verändern sich miteinander.
Ein Nutzungswandel wirkt sich direkt auf das Landschaftsbild aus. Diese Auswirkung ist dort erfahrbar, wo die Landschaft „überschaubar“ ist – also im lokalen Bereich. Die Bewertung der Aufforstung durch den Menschen und die Gesellschaft hat indes einen über den lokalen Horizont hinausgehenden, meist regionalen Bezugsraum. Der ortsansässige Beobachter im Thüringer Becken wird die landschaftliche Veränderung durch eine Aufforstung nicht an jenem Landschaftsbild messen, welches er vielleicht bei einem Ausflug in den Hochharz kennen lernte. Ein Vergleich mit der Landschaft der umliegenden Gemarkungen wird dagegen automatisch stattfinden, da das persönliche Landschaftsbild durch diesen größeren Radius bestimmt wird.
Auch unter den Gesichtspunkten des Arten- und Biotopschutzes ist die Entwicklung regionaler Leitbilder naheliegend. Die Region ist der Bezugsraum, in welchem ein bestimmtes Set an Arten und Biotopen als Inventar feststellbar ist. Hier können Bemühungen um Biotopverbund und –pflege Erfolge erzielen, die den einzelnen Populationen zugute kommen. Der genetische Austausch zwischen diesen Populationen ist auf regionaler Ebene möglich und notwendig, um den langfristigen Erhalt der Arten zu sichern. Der regionale Maßstab ermöglicht darüber hinaus ein Monitoring der Arten und somit eine Erfolgskontrolle für den Naturschutz. Auf lokaler Ebene würde die Bezugsgröße zur Einordnung der Ergebnisse fehlen. Ein landesweiter Erfassungsraum würde dagegen die Bedeutung der Einzelvorkommen relativieren und die regionalen Besonderheiten (zumindest im unteren bis mittleren Bereich der Gefährdungskategorien) vernachlässigen. Außerdem gilt auch für den Naturschutz, dass eine regionale Konzentration und Abstimmung der Aktivitäten besonders schnell zu vorzeigbaren Ergebnissen führt.
Schließlich spricht auch die Planungspraxis für die Entwicklung von Leitbildern auf regionaler Ebene, da hier bereits flächengenaue Aussagen gemacht werden können und da für alle von der Landnutzung betroffenen Fachbereiche Planungskompetenzen oder Behörden angesiedelt sind. Somit können Zielkonflikte angesprochen und gelöst, komplementäre Entwicklungen gefördert und interdisziplinäre Zielvorstellungen entwickelt werden. Die Integration der Bevölkerung in die Leitbildentwicklung ist auf dieser Ebene bereits möglich, wodurch Akzeptanzproblemen schon früh begegnet werden kann.
Der Landschaftsplan dient unter anderem der Implementierung des regionalen naturschutzfachlichen Leitbildes und kann als solcher Vorschläge für aufzuforstende Flächen oder Aufforstungsgewanne machen. Dieser Fachplan der Naturschutz- oder Landespflegebehörde ist vergleichbar mit dem Forstlichen Rahmenplan. Landschaftspläne liegen für große Bereiche des Bundesgebietes, allerdings noch nicht flächendeckend vor (AMMER 1997). Leider sind sie in ihren Zielaussagen hinsichtlich der Aufforstungsbereiche nicht immer deckungsgleich mit den forstlichen Rahmenplänen.
Das entscheidende Manko von Fachplänen und regionalen Konzepten ist deren Statik, die eine schnelle Reaktion auf wechselnde Zielsetzungen und Eigentümerinteressen verhindert (BROGGI 1999). Selbst wenn es gelingt, die augenblicklichen Interessen der Bevölkerung über ein partizipatives Verfahren zu berücksichtigen, entsteht daraus mit der Festlegung von Gewannen oder Tabubereichen eine statische Vorgabe. Wechseln die Interessen der Eigentümer, etwa durch Restrukturierung des Betriebes oder durch Eigentumsübergang, so kann eine Aufforstung plötzlich dort gewollt sein, wo der Plan keine vorsieht - und umgekehrt. Eine Revision der Pläne in regelmäßigen Abständen, etwa alle zehn Jahre, wäre zwar theoretisch möglich, würde jedoch in der Praxis einen enormen Aufwand bedeuten, da die Diskussionen mit den Grundeigentümern und zwischen den beteiligten Fachdisziplinen stets neu zu führen wären. Dies entspricht dem Ansatz der „offenen Planung“, bei der eine Festlegung von Details vermieden wird.
Zu den Aufgaben der Raumplanung gehört es, die Interessen der Raumnutzer und die Auswirkungen der Flächennutzungen zu prüfen, Interessenkonflikte aufzuzeigen und Lösungen vorzuschlagen. Die Landschaftsplanung beschäftigt sich als Fachplanung des Naturschutzes in diesem Zusammenhang insbesondere mit den ökologischen Auswirkungen der unterschiedlichen Flächennutzungen. Sie entwickelt landschaftliche Leitbilder und schlägt dingliche Maßnahmen vor, beispielsweise die Neuanlage von Biotopen und Strukturelementen. Auch die Forstliche Rahmenplanung kann Vorschläge zur Landschaftsentwicklung machen, soweit diese in Zusammenhang mit der forstlichen Bewirtschaftung stehen. Statt regionaler Leitbilder verwendet die forstliche Fachplanung eher die Ausweisung besagter Aufforstungsgewanne und Ausschlussflächen als Instrument. Eine Übernahme der Bereiche in die Landschaftsplanung ist möglich. Noch sinnvoller ist allerdings eine gemeinsame Festlegung dieser Bereiche durch die betroffenen Fachdisziplinen.
In der Planungspraxis stoßen Aufforstungsgewanne und Ausschlussflächen häufig auf Akzeptanzprobleme seitens der Grundeigentümer, die aus mangelnder Partizipation in der Planungsphase resultieren. Versteht sich die Raumplanung jedoch als Prozess der interdisziplinären Lösungsfindung, so scheint es folgerichtig, dass auch für den speziellen Bereich der Erstaufforstungsplanung nach einer gemeinsamen Zielformulierung gesucht wird (PREEN 1996, AMMER 1997). Das Handicap besteht dabei in der vergleichbar geringen Bedeutung der Erstaufforstung gegenüber anderen Aufgabenstellungen in der Raumplanung (Siedlungsentwicklung, Infrastruktur, u.a.) bei gleichzeitig hohem Diskussionsbedarf und Planungsaufwand. Beteiligte Fachbereiche bringen bereits eigene Vorstellungen für die räumliche Entwicklung in Form von fachlichen Entwicklungsplänen mit. Die fachspezifischen Leitbilder setzen dabei ganz unterschiedliche Schwerpunkte. Gegenüber der bisher üblichen, monodisziplinären Formulierung eines Erstaufforstungsleitbildes durch den Forstbereich, steigt die Bedeutung des Leitbildes mit jeder zusätzlich beteiligten Fachdisziplin. Ein interdisziplinäres Erstaufforstungsleitbild würde allerdings nur einen Kompromiss aus den sektoralen Zielformulierungen von Land-, Forst-, Wasserwirtschaft, Naturschutz, Siedlungsplanung, Tourismus und anderen Raumnutzern darstellen. Gleichzeitig müssten Bedingungen formuliert werden, unter denen dieses Erstaufforstungsleitbild Vorrang gegenüber anderen Interessen erhält, wenn Zielkonflikte auftreten.
Es ist fraglich, wie viele Fachdisziplinen sich mit dem Gedanken eines interdisziplinär festgesetzten, allgemeingültigen Leitbildes anfreunden könnten. Allein im Naturschutz bestehen oft mehrere, teilweise konkurrierende Leitbilder nebeneinander (vgl. Kap. 3.2). Für andere Landnutzergruppen, wie z.B. die Forstwirtschaft und die Landwirtschaft, sieht es ähnlich aus. Besser wäre es daher, die unterschiedlichen Leitbilder und Zielvorstellungen der beteiligten Raumnutzer in einem Verfahren zu berücksichtigen, auf welches man sich im interdisziplinären Austausch verständigt. Dieses Verfahren sollte dann anhand einer Einzelfallentscheidung die Bedingungen und Entwicklungspotentiale abfragen und innerhalb eines vorgegebenen Bewertungsrahmens einordnen. Bei der Entwicklung eines derartigen Instrumentes müssten Grundsatzdiskussionen nur einmal geführt werden. Einzelfallentscheidungen würden transparenter, kalkulierbarer und könnten mit geringerem Aufwand durchgeführt werden.
Grundsätzlich können in Naturschutz und Landschaftspflege zwei verschiedene Planungsweisen unterschieden werden. Die deduktive Methode der Planentwicklung führt über verschiedene politische Ebenen, von der internationalen Gemeinschaft bis zur Gemeindeebene. Dagegen befasst sich die Einzelfallplanung mit einer speziellen Problematik lokalen Ausmaßes. Sie nimmt ebenfalls Rücksicht auf die gesetzlichen Reglementierungen und verbindlichen Festlegungen übergeordneter Ebenen, kann jedoch ein anderes Leitbild als diese verfolgen.
Die top-down-Entwicklung von Plänen aus dem Bereich der Landschaftsplanung, verlangt auch eine deduktive Entwicklung der Leitbilder. Sie schließt eine stetige Verfeinerung und Präzisierung der Ziele ein. Sind die Leitbilder der oberen Planungsebenen wenig aussagekräftig oder fehlt diesen Plänen die Verbindlichkeit, so kommt es zu mangelhafter Stringenz der Zielaussagen. Andererseits dürfen die Vorgaben nicht zu eng gefasst sein, da die regionalen und lokalen Besonderheiten geschützt werden müssen. Nichts liegt dem Naturschutz ferner, als eine Nivellierung der Verhältnisse auf großer Fläche.
Eine konsistente Erstellung von Leitbildern, Konzepten und Programmen im Sinne einer deduktiven Hierarchie ermöglicht hingegen eine Steigerung der politischen Umsetzungsfähigkeit. Der landwirtschaftliche Strukturwandel in der EU führt – in welchem Umfang sei momentan dahingestellt – zur Umwandlung einer sehr großen Fläche. Der Naturschutz hat mit den Schwerpunktfeldern standörtlicher Ressourcenschutz, biotischer Ressourcenschutz und Landschaftsästhetik drei unterschiedliche Ansprüche zu vertreten. Gelingt es ihm, Leitbilder und Konzepte zu erstellen, die diese Ansprüche verdeutlichen, so kann er dadurch effektiv auf die Entwicklung jener Flächen Einfluss nehmen, die außerhalb von Schutzgebieten liegen und daher nicht per se dem Naturschutz gewidmet sind.
Bei der Umsetzung theoretischer Naturschutzideen in konkrete Vorhaben stellt sich häufig die Frage, ob der Arten- oder der Biotopschutz das grundsätzliche Vorgehen leiten soll. Gerade bei Einzelfallentscheidungen, wie sie auch im Rahmen von Genehmigungsverfahren vorkommen, greift die Argumentation gerne auf grundsätzliche Leitbilder zurück. Der Artenschutz, der sich im Einzelfall auf bestimmte, meist besonders gefährdete oder mit positiven Bildern besetzte Arten konzentriert, bringt trotz seiner Praxistauglichkeit eine gewisse Beschränkung mit sich. Er berücksichtigt eben nur einen kleinen Teil der Fauna und Flora. Von den Insekten werden beispielweise gerade einmal 4000 bis 5000 Arten in solchen Konzepten berücksichtigt, was maximal 10 % der heimischen Insektenfauna repräsentiert (JEDICKE 1994). Eine Möglichkeit, den Kreis der profitierenden Arten zu vergrößern, besteht in der Identifikation und dem Schutz von Leitarten. Stehen diese für ein bestimmtes Set an Biotopmerkmalen und eine besondere Zustandsqualität, so können vergesellschaftete Arten von den Schutzbemühungen um diese Leitart profitieren. Dieses Vorgehen leitet über zum Biotopschutz, der bestimmte Biotope als typische und/oder gefährdete Elemente der Kulturlandschaft aus Gründen der Landschaftspflege, aber auch wegen ihrer Bedeutung für die darin vorkommenden Tier- und Pflanzenarten in Qualität und Umfang fördern möchte. Für die Landschaftsplanung ist der Biotopschutz außerdem umsetzungsfreundlicher. Zum einen sind die Biotope ganzjährig und mit geringerem Aufwand erfassbar als einzelne Arten, was sich im Monitoring und in der Zielkontrolle positiv auswirkt. Zum anderen ist deren Präsenz auch für den Laien augenscheinlich, wodurch der Naturschutz an Plastizität gewinnt.
Zur Erreichung prinzipieller Ziele der Landschaftsplanung ist eine Standardisierung der Verfahren und Entscheidungsfindungen unumgänglich. An diesen Prozess sind allerdings bestimmte Ansprüche zu richten (KNICKREHM et al. 2000), damit die Planung einen hohen Effizienzgrad in der Umsetzung erreichen kann. Dazu gehört eine möglichst pragmatische Ausrichtung der Standardisierung an den gegebenen Bedingungen. Vorhandene Datenquellen (z.B. Biotopkartierungen, Standortkartierungen, Arterfassungsprotokolle) sind zu erschließen und zu integrieren, damit zusätzliche Aufnahmen minimiert und Doppelerfassungen vermieden werden. Der Formalisierungsgrad des Vorgehens soll sich an der Komplexität der Fragestellung orientieren. Die Bewertung der Umwandlung geschützter Landschaftsbestandteile kann beispielsweise unterbleiben, da sie nicht genehmigungsfähig scheint und daher nicht praxisrelevant ist. Ein problemadäquates Vorgehen spiegelt sich in der Strukturierung des Vorgehens unter gleichzeitiger Belassung von Spielräumen zur Adaption an die regionalen Verhältnisse wieder. Schließlich ist an die Instrumente der Landschaftsplanung die Forderung nach einem hohen Maß an Flexibilität zu stellen (KNICKREHM et al. 2000), damit auf lokale Prozesse und Umsetzungsbedingungen eingegangen werden kann. Der Ruf nach Ermessensspielraum für den Planer wird laut. All diese Anforderungen sprechen für die Entwicklung von Verfahren und Vorgehensweisen, die grundsätzliche Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Rahmen ihrer methodischen Struktur integrieren, gleichzeitig aber die Flexibilität zur Berücksichtigung regionaler Bedingungen und spezieller Interessen gewährleisten.
Gemäß ihrer bestimmenden Elemente - Umwelteinflüsse, Standortbedingungen, Ausstattung und Nutzung - muss die Landschaftsplanung alle Einflussgrößen berücksichtigen. Auf lokaler Ebene (Gemeinde oder Gemeindeverbund) kann eine Integration der ökologischen, ökonomischen und sozialen Ansprüche an die Nutzung der Ressourcen mit ausreichender Flächengenauigkeit angegangen werden, um auch Grundeigentümer ausreichend zu berücksichtigen. Letzteres erfordert aber die Partizipation des Eigentümers am Planungsprozess, damit seine Ziele berücksichtigt werden können.
Eine andere Möglichkeit, eine entsprechende Planungsverbindlichkeit bis auf die Ebene der Einzelparzellen zu erreichen, besteht in der Kombination von regionalen Plänen mit transparenten Entscheidungsmodellen für die Landnutzung. Dazu gehört beispielsweise die Definition von Entscheidungskriterien für Genehmigungsverfahren bei Landnutzungsumwandlungen. Dabei tritt die langfristige Festlegung auf regionale Ziele in den Hintergrund, zugunsten einer gesteigerten Operationalität. BROGGI (1999, S. 23) formuliert: „Im Sinne des Naturschutzes sind (darum) Überlegungen vorrangig, wie die Naturschutz-Anliegen effizient integriert werden könnten. Sie stützen sich auf eine generelle Vorsorgepolitik im Bereich der Nutzungen wie in der konkreten Integration des Naturschutzes in Prozesse der Planung.“
Ein transparentes Entscheidungsmodell für die planerische Praxis soll mit der vorliegenden Arbeit zur naturschutzfachlichen Evaluation von Erstaufforstungen vorgeschlagen werden. Es bietet eine Möglichkeit, die Folgen eines beabsichtigen Nutzungswandels für den Arten- und Biotopschutz sowie die Landschaftsveränderung zu prognostizieren und zu bewerten. Dabei werden einerseits politische Willenserklärungen der nationalen und internationalen Ebene berücksichtigt. Andererseits beinhaltet das Vorgehen eine regionalisierte Bewertung der Erstaufforstungsmaßnahme, wie sie von verschiedenen Autoren (z.B. REIF 1997, KLEIN 1997a, AMMER 1997) gefordert wird. Das Verfahren zeigt darüber hinaus, wie der Entscheidungsprozess innerhalb von Aufforstungs-Genehmigungsverfahren systematisiert und transparent gestaltet werden kann.
Schließlich ist das neue Verfahren der Aufforstungsevaluation richtungsweisend in der Flexibilität, mit der auf wechselnde Gesellschafts- aber vor allem auch Eigentümerinteressen eingegangen werden kann. Ersteres wird durch veränderbare Bewertungsmaßstäbe und -klassen erreicht, letzteres durch die Loslösung von starren Planvorgaben. Es zeigt dem Grundeigentümer darüber hinaus, welche Faktoren des Genehmigungsverfahrens er durch entsprechende Gestaltung und Zusammensetzung der Anpflanzung oder durch die Flächenwahl beeinflussen kann.
Eisenbeiß: Biodiversität und Waldvermehrung
3 Theoretischer Rahmen und Methodik
3.1 Planungsmethoden für den Naturschutz
Die gesetzlichen Bestimmungen des Bundes und der Länder statten den Naturschutz, genauer gesagt die Fachdisziplin Landespflege mit dem Instrument der Landschaftsplanung aus. Dieses Instrument kann unterschiedliche Formen annehmen und auf verschiedenen Ebenen wirken. Zentrales Anliegen ist es dabei, auf eine Sicherung und Entwicklung der Landschaft als Lebensraum der Gesellschaft derart hinzuwirken, dass die ökologischen Werte erhalten bleiben und der Naturhaushalt gleichzeitig optimal im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit genutzt werden kann. Darüber hinaus gilt ein besonderes Augenmerk der Landschaft als Erholungsraum für den Menschen. Die Landschaftsstruktur als visuell erfassbarer Teil der Umgebung ist daher ebenfalls Bestandteil der Landschaftsplanung. Der gesetzgeberische Auftrag zur Landschaftsplanung erging erstmals durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) von 1976 und wurde in den folgenden Jahren durch die Naturschutz- und Landespflegegesetze der Länder näher ausgeführt. Mit diesem Schritt löste sich die Gesellschaft vom bis dato praktizierten konservierenden Flächenschutz. Fortan wurde die Vorsorge zum zentralen Handlungsziel der Fachdisziplin.
Die Landschaftsplanung versteht die menschliche Umwelt als ökologisch-strukturelles Wirkungsgefüge und sucht dieses hinsichtlich der nachhaltigen und optimalen Nutzung durch die Gesellschaft zu erfassen, bewerten und beplanen. Dabei stellen Formen der Oberfläche, Nutzungstypen oder die Art der Ressourcen keine Abgrenzungskriterien dar. Die Landschaftsplanung muss im Gegenteil nicht nur die unterschiedliche Strukturen in sich vereinen, sondern auch die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen diesen Strukturen deuten und integrieren.
Das Feld der Landschaftsplanung
Die Planungsaktivitäten der Landespflege können anhand der Zielgruppen in querschnittsorientierte und sektorale Planungen unterschieden werden (Tab. 3.1-1)
Als querschnittsorientierte Planungen sind jene zu verstehen, welche unter den verschiedenen Gesichtspunkten der Ökologie, Ökonomie und der Sozialwissenschaft die Verträglichkeit unterschiedlicher Nutzungsansprüche untersuchen und bewerten. Als Ziel kann eine unter ökologischen Aspekten optimale Nutzungskombination angesehen werden. Diese Resultate ergeben, in einem Planungsbericht zusammengefasst, schließlich den Fachbeitrag der Landespflege zur räumlichen Entwicklung auf der jeweiligen politischen Ebene (Gesamtplanung auf Bundes-, Landes-, regionaler oder kommunaler Ebene).
In den sektoralen Planungen zum Naturschutz und der Erholung soll die Landespflege nicht nur eine schnelle Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse des Fachbereiches verfolgen, sondern sie muss auch die eigenen fachlichen Zielsetzungen in die Pläne einarbeiten. Andere Fachverwaltungen und Fachplanungsbehörden sind anschließend gehalten, die auf diese Weise postulierten und im Rahmen der Planung konkretisierten Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege zu berücksichtigen , zu unterstützen und gegebenenfalls umzusetzen, wobei allerdings keine Verpflichtung hierzu besteht.
Zur Fachplanung des Naturschutzes ist auch die Biotopverbundplanung zu rechnen. NITSCHE und NITSCHE (1994) beschreiben diese als wichtigstes Planungsinstrument des Naturschutzes neben der Landschaftsplanung. Bemerkenswert ist, dass die Biotopverbundplanung diese hohe Wertschätzung trotz ihres verhältnismäßig jungen Alters erlangen konnte. Erst seit den 1980er Jahren kennen wir derartige Planungen und in vielen Regionen besteht in dieser Hinsicht noch hoher Nachholbedarf. Die hohe Wertschätzung begründet sich weniger auf der großen Verbreitung dieser Planungsart als vielmehr auf der guten Übertragbarkeit der Planungsergebnisse in nachfolgende und fachfremde Planungen.
Auch die Bedeutung, die dem Biotopschutz heute von der Gesellschaft beigemessen wird, trägt zur Anerkennung der Naturschutzplanung bei.
Tab. 3.1-1 : Die Beiträge des Naturschutzes zur Landschaftsplanung auf verschiedenen Ebenen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Biotopverbundplanung ergänzt das Konzept der differenzierten Bodennutzung in vier Ansätzen (JEDICKE 1994, S. 85), die unterschiedliche Adressaten ansprechen:
1) großflächiges Schutzgebietssystem als Dauerhabitat stabiler Populationen
2) Netz mit Trittsteinbiotopen als Ausgangsbiotope und Zwischenstationen für den genetischen Austausch zwischen benachbarten Populationen
3) Verbund punktförmiger Lebensräume durch lineare Landschaftselemente (z.B. Hecken, Bäche) als Korridorbiotope für die Ausbreitung der Populationen
4) flächendeckende Extensivierung der Flächennutzung
Diese mehrfache Zielkonzeption spricht gleichzeitig verschiedene Ebenen der Landschaftsplanung an, vom Landschaftsprogramm auf Landesebene bis zur großmaßstäblichen Grünordnungs- und Bauleitplanung. Eine Konkretisierung auf wenige Leitarten und -biotope einer Region scheint aus strategischen Gründen angeraten. Sie erleichtert die Integration der Biotopverbundplanung in andere Pläne. Darüber hinaus bleibt das Konzept durch die Konzentration auf bestimmte Arten und Biotope übersichtlich, was wiederum die Akzeptanz durch Fachbehörden und Gesellschaft zu fördern vermag.
Eine Sonderform der sektoralen Planung stellt das landschaftsplanerischen Gutachten dar. Es ist zu erstellen, wenn sich bestimmte Vorhaben im Bereich von Nutzungsumwandlungen, Siedlungstätigkeiten oder Infrastrukturmaßnahmen ankündigen, die zum Zeitpunkt der Erstellung eines übergeordneten Landschaftsplanes noch nicht, oder nicht in vollem Umfang absehbar waren und folglich nicht mitbehandelt wurden. Derartige Gutachten oder Stellungnahmen behandeln in erster Linie gestalterische Elemente des Landschaftsbildes sowie Fragestellungen nach ökologischen Zusammenhängen und Auswirkungen auf andere Nutzungen, bzw. den Naturhaushalt. Aus dieser Form der landschaftsplanerischen Gutachten und Stellungnahmen entwickelte sich auch die Umweltverträglichkeitsprüfung, welche nach einem entsprechenden Gesetz (UVPG) für alle dort aufgeführten privaten und öffentlichen Maßnahmen durchgeführt werden muss.
Schließlich kann der sektoralen Planung auch die Erstellung von Unterlagen für außersektorale Planungen zugeordnet werden. Hier findet quasi im Rahmen einer Informationsbereitstellung eine Vermittlung eigener Daten und Einschätzungen statt, die dann von anderen Fachdisziplinen aufgegriffen werden sollen. Diese Form der Zielvermittlung ist sicherlich die unverbindlichste, kann sich aber dennoch als sehr fruchtbar erweisen, wenn die Kooperation mit anderen Fachbehörden gut entwickelt ist.
Einordnung des dargestellten Verfahrens
Aus der Komplexität der landschaftsplanerischen Ansprüche ergibt sich die Notwendigkeit zur Betrachtung von Wechselwirkungen zwischen Medien und Schutzgütern, also zwischen Boden, Wasser, Luft, Klima, Pflanzen- und Tierwelt, aber auch der Betrachtung von Landschaftsbild und Erlebniswert einer Landschaft nach gesellschaftlicher Wertschätzung. Natur und Landschaft müssen als ein System betrachtet und behandelt werden, in welchem unterschiedliche Komponenten in Abhängigkeiten und Beziehungen zueinander stehen.
Es sollen die augenblicklichen, aber insbesondere auch alle geplanten Nutzungen und Beeinflussungen dieses Systems erfasst und hinsichtlich ihrer Rückwirkungen auf das System beurteilt werden. Die Landschaftsplanung findet dabei schutzgutübergreifend und querschnittsorientiert statt. Dadurch wird allerdings eine Abgrenzung von Untersuchungseinheiten wesentlich erschwert. Nur im Ausnahmefall oder mit Bezug auf bestimmte Untersuchungsfragen können Abgrenzungen aus Teildisziplinen übernommen werden.
Die Betrachtung von Natur und Landschaft als System findet sich in allen oben beschriebenen Planungsarten der Landespflege wieder. Dennoch kann nicht auf eine allgemeingültige Systemdefinition als Grundlage für sämtliche Planungen zurückgegriffen werden. Vielmehr ist das jeweils zu betrachtende System genau zu beschreiben und in dieser Beschreibung auf die Ziele der jeweiligen Planungsart abzustimmen.
Für alle querschnittsorientierten und für jene sektoralen Planungen, die in nachfolgenden Planungen anderer Fachdisziplinen berücksichtigt werden sollen, erfolgt die Vermittlung der landespflegerischen Ziele auch unter der Vorstellung von Leitbildern und Entwicklungskonzepten. Diese können eine deduktive Hierarchie bilden, in welcher bei einem Ebenenwechsel jeweils die Unterziele aus den Oberzielen abgeleitet werden (näheres in Kap. 3.2). Gleichzeitig findet eine Konkretisierung in Bezug auf den geographischen Raum und den fachlichen Inhalt statt.
Fachgutachten und Stellungnahmen – zu denen auch die Beurteilung eines Erstaufforstungsantrages durch die Naturschutzbehörde zu zählen ist - greifen Leitbilder der eigenen und gegebenenfalls auch anderer Fachplanungen auf, um dann anhand des Einzelfalles zu einer Empfehlung zu kommen. Im Idealfall repräsentiert die Landschaftsplanung sämtliche Belange von Naturschutz und Landschaftspflege im Sinne einer Zusammenfassung und mit einer situationsabgestimmten Prioritätensetzung. Dadurch wären die Ergebnisse unmittelbar in die anfallenden Planungsentscheidungen und Genehmigungen einzubringen. Beispielsweise könnte ein Forstbeamter, der im Rahmen seiner Tätigkeit einen Aufforstungsantrag bescheiden soll, die Ziele aus dem zugehörigen Landschaftsplan übernehmen und bei seiner Beurteilung ausreichend berücksichtigen. Hier zeigt die Planungspraxis allerdings, dass dies in der Regel nicht möglich ist. Immer wieder stoßen Anträge auf nicht vorhergesehene Einwände seitens des Naturschutzes. Diese Einwände stammen in den meisten Fällen aus dem Bereich des Biotop- und Artenschutzes, obwohl dem Naturschutz doch gerade in diesen Bereichen an allgemeinverständlichen, übergreifenden und regionalisierten Schutzkonzepten sehr gelegen sein müsste. Da diese Konzepte aber häufig fehlen, sind Probleme vorprogrammiert.
Bewertungsmaßstäbe
Fachgutachten und Stellungnahmen greifen die Umweltqualitätsziele aus den Landschaftsplänen und –programmen auf und entwickeln daraus Maßstäbe zur Beurteilung von Folgewirkungen zu bewertender Vorhaben. Selbstverständlich gilt auch in diesem Falle, dass die Maßstäbe den jeweiligen Bedingungen angepasst sein sollen. Andererseits kann verlangt werden, dass die Maßstäbe für ähnliche Sachverhalte innerhalb des Geltungsraumes desselben Landschaftsplanes übertragbar sind.
Das in dieser Arbeit vorgestellte Verfahren zur naturschutzfachlichen Bewertung von Erstaufforstungen stellt in diesem Zusammenhang ein Instrument dar, welches dem
Naturschutz im engeren Sinne, aber auch dem entsprechend geschulten Bearbeiter einer verwandten Fachdisziplin die Bewertung einer Nutzungsumwandlung von landwirtschaftlich genutzter Fläche in Wald nach naturschutzrelevanten Gesichtspunkten ermöglicht. Zur Anwendbarkeit des Verfahrens wird in Kapitel 3.2 Stellung genommen. Das Verfahren selbst reiht sich in den oben beschriebenen Planungsarten des Naturschutzes ein zwischen dem landschaftsplanerischen Gutachten und der Erstellung von Unterlagen für außersektorale Planungen. Es gelten für dieses Verfahren weitgehend die gleichen Grundzüge, die BUCHWALD für die Wirkungs- und Risikoanalyse als Bestandteile der Landschaftsplanung beschreibt (BUCHWALD/ENGELHARDT 1980). Als Grundlage der Verfahrensanwendung erfolgt zunächst eine Zustandserfassung, in der die wesentlichen Merkmale des zu betrachtenden Systems erfasst werden. Als ökologisch-gestalterische Planung geht die Landschaftsplanung von den aktuellen Flächennutzungen aus und projiziert die geplanten Änderungen in das entstandene Bild hinein. Sie erfasst und analysiert sodann die ökologischen Auswirkungen auf den Standort sowie die umgebenden Nutzungsflächen/Ökosysteme. Schließlich gibt sie eine Einschätzung der Entwicklung wieder. Das hier behandelte Verfahren greift die zentralen Aspekte der Landschaftsplanung auf, wenn auch der Ressourcenschutz nur indirekt mitbehandelt wird. Ökonomische Fragestellungen bleiben ebenso außen vor wie beispielsweise Fragen der Betriebsstruktur oder der technischen Erschließung des Grundstückes. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die Biodiversität der betrachteten, potentiellen Aufforstungsfläche und deren Beitrag zur Biodiversität der umgebenden Ökosysteme. Außerdem geht es in diesem Schritt nicht um die Bewertung der augenblicklichen Flächennutzung, sondern um die Bewertung einer geplanten, künstlichen Bewaldung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3.1-I: Flächennutzungsevaluation als operationalisiertes Planungsinstrument auf der Grundlage einer ökologischen Wirkungsanalyse; verändert; nach BECHMANN (1977) verändert in BUCHWALD/ENGELHARDT (1980)
Daraus ergibt sich eine Modifizierung des bei BUCHWALD beschriebenen Verfahrens der ökologischen Wirkungsanalyse nach folgendem Muster: Das Verfahren beginnt mit der Erstellung einer Verflechtungsmatrix. Diese soll die Wirkungskette Verursacher → Folgewirkung → Betroffener wiedergeben und die wichtigsten Einzel- oder Komplexbeziehungen hervorheben (Abb. 3.1-1). Die Matrix gilt gleichzeitig als Hilfsmittel zur
Definition von Indikatoren für die gefundenen Wechselwirkungen (Kap. 3.5). Auf diesen aufbauend werden sodann Transformationsfunktionen beschrieben zur Abbildung der physisch messbaren Parameter in dimensionslose Wertziffern. Mit Hilfe dieser Transformationsfunktionen können die Veränderungen im Ökosystem in das abstrakte Beziehungsgefüge des Modells übertragen und nachvollziehbar gemacht werden.
Die dimensionslosen Wertziffern können sodann für jede geplante Aufforstung und nach regionalen Kriterien nachvollziehbar ermittelt werden. Der regionale Bezug besteht in der Ableitung der Teilziele (=Kriterien) aus den jeweiligen Planungsgrundlagen, z.B. ein im Regionalplan angegebenes Flächenutzungsprozent als Entwicklungsziel, an dem die Veränderung durch den Nutzungswandel gemessen wird. Eine gutachtliche Stellungnahme könnte allein auf dieser Grundlage bereits Aussagen machen zur erwarteten Entwicklung der Biodiversität, bzw. den Auswirkungen auf den Arten- und Biotopschutz. Eine konkrete Befürwortung oder Ablehnung der geplanten Maßnahme bedingt aber die Einordnung in einen fundierten Bezugsrahmen. Dieser wird geschaffen durch die mehrfache Durchführung des Verfahrens anhand von geplanten und durchgeführten Erstaufforstungen in unterschiedlichsten Verhältnissen der Region. Hierbei kommt es insbesondere auf die unterschiedlichen Grade und Arten der Verflechtungen mit anderen Biotoptypen an. Die Anzahl der notwendigen Untersuchungen ist stark von der Heterogenität des Planungsgebietes abhängig. Da sich die zur Erstaufforstung anstehenden landwirtschaftlichen Flächen aber in der Regel sehr ähneln, dürften schon wenige Untersuchungen ein Ergebnis liefern, welches eine Befürwortung oder Ablehnung der Maßnahme auf dieser Datengrundlage ermöglicht.
3.2 Leitbilder des Arten- und Biotopschutzes
In der Raumplanung werden Leitbilder im Allgemeinen eingesetzt, um Entwicklungsziele zu illustrieren. Sie haben immer etwas Visionäres und Ideales in sich. Die Aussagen eines Leitbildes zielen auf die Zukunft und beziehen sich nicht unmittelbar auf die augenblickliche Situation. Leitbilder sollen langfristig geltende Vorstellungen über den erwünschten Zustand eines Raumes beschreiben. Die Landschaft kann sich diesen Vorstellungen unter bestimmten Voraussetzungen annähern. Von der Vision zur Realität ist es aber gemeinhin ein langer Weg. Dieser zieht sich von den überregionalen (international, national) Planungsebenen, über die regionalen bis zur lokalen Ebene. Dabei werden jeweils Unterziele aus Oberzielen abgeleitet und es entsteht eine deduktive Hierarchie. Es erfolgt in diesem Rahmen eine zunehmende Konkretisierung der Ideen und Ziele. In der Literatur wird der Begriff Leitbild mit einer enormen Bandbreite von der Vision bis zum raumkonkreten Pflegeziel verwendet (HAAREN 1999). Eine nähere Betrachtung der deduktiven Leitbildentwicklung scheint daher angebracht.
Auf überregionaler Ebene werden Ideen/Visionen sowie Leitprinzipien/Leitlinien ausformuliert. Sie beschreiben die grundlegenden Ziele des Naturschutzes und zeigen besonderen Handlungsbedarf auf (HAAREN 1999). Für die lokale Naturschutzpraxis sind die überregionalen Leitlinien schwer umsetzbar, da diese in der Regel keine raumkonkreten Angaben machen. Im Zuge der Leitlinienentwicklung werden außerdem Umweltqualitätsstandards und Umweltqualitätsziele vorgeschlagen, die sich dann schon deutlich von einer Vision abgrenzen und in überschaubaren Zeiträumen erreichbar sein müssen. Auf überregionaler Ebene sind die Ziele noch nicht mit den Belangen anderer Fachbereiche abgewogen.
Auf regionaler und kommunaler Ebene erfolgt zunächst die Datenerhebung (Status quo, Potentiale, Beeinträchtigungen) zur Situation des Naturschutzes. Auf dieser Basis und unter Berücksichtigung der übergeordneten Leitlinien, Umweltqualitätsstandards und –ziele werden anschließend Entwicklungsziele formuliert. Nun erfordert eine realitätsangepasste Naturschutzkonzeption die Integration bzw. Berücksichtigung der Ziele anderer Raumnutzer, beispielsweise im Rahmen eines partizipativen Prozesses. Rechtliche und administrative Bedingungen sind zusätzlich zu beachten. In diesem Sinne erfolgt eine Adaption der visionären, landschaftlichen Leitbilder an die reale Situation durch die Ableitung realisierbarer, naturschutzfachlicher Entwicklungsziele.
Eine vollständige Befreiung vom visionären Charakter ist jedoch auch bei deduktiver Herleitung von Entwicklungszielen aus Leitbildern selten möglich. Im Rahmen der Raumplanung wird dem Leitbild deshalb ein Konzept nachgeordnet. Ein solches Konzept verfeinert die Oberziele nochmals und definiert ein vernünftiges Ziel-Maßnahmen-Bündel. Es schlägt sozusagen die Brücke zwischen Ideal und Realität. Das Konzept wird schließlich umsetzbar durch die Erstellung eines Programms. Dieses wiederum ordnet die Teilziele nach Prioritäten und setzt eine Reihenfolge für die durchzuführenden Maßnahmen fest.
Aus planungsmethodischer Sicht ist es daher nicht notwendig, dass ein Leitbild auch tatsächlich erreichbar sein muss. Es gilt eher als Ideal, dem man sich weitmöglichst annähern sollte. Diese Annäherung findet jedoch unter diversen Sachzwängen statt und ist damit verschiedenen Rahmenbedingungen unterworfen, z.B. gegensätzlicher Interessen oder der Existenz mehrerer fachspezifischer Leitbilder für den gleichen Raum.
Neben der Präsentation der naturschutzfachlichen Ziele im Rahmen der interdisziplinären Raumplanung besitzen die Leitbilder auch eine wichtige Aufgabe für den ideologischen Ordnungsprozess des eigenen Fachbereiches: Als Hilfsmittel stehen die besagten Konzepte und Programme zur Verfügung (BROGGI 1999), die übergeordnete Ziele für die Naturschutzpraxis konkretisieren. Adressaten sind somit die Beschäftigten und Aktiven innerhalb des Fachbereiches. Gleichzeitig liefern die Konzepte für den Landeigentümer eine Hilfe zur ökologisch orientierten Entscheidungsfindung.
Die Bezugseinheit eines Leitbildes oder nachgeordneten Programms bietet bereits erste Anhaltspunkte für dessen Umsetzbarkeit. Zum Schutze der Vielfalt an Arten und Biotopen sowie der landschaftlichen Besonderheiten, bietet die Kulturlandschaft die wohl zweckmäßigste Einteilung der Erdoberfläche. Eine naturräumliche Einheit grenzt sich durch verschiedene Elemente und Faktoren (Makroklima, Relief, u.a.) gegenüber der Umwelt ab. Bei der Kulturlandschaft kommen Einflüsse der anthropogenen Nutzung hinzu, die das Erscheinungsbild des Naturraumes und dessen Standortbedingungen überprägen. Die Kulturlandschaft selbst ist mehr als ein bestimmtes Arrangement von Flächennutzungen, Strukturelementen und geologischen Formen. Sie ist eine wichtige Grundlage für den Biotop- und Artenschutz, gleichzeitig aber auch eine „identifikationsfördernde und heimatstiftende Kraft“ (BURGGRAF/HEIN 1999) für die Bevölkerung. Egal wie schwierig eine detaillierte Beschreibung erscheinen mag, ihre Bedeutung als plastisches Leitbild in der Landschaftsplanung fordert die Benennung ihrer Elemente und Charaktermerkmale. Für den Arten- und Biotopschutz ist es dabei besonders wichtig, dass die aktuelle und die angestrebte Rolle der jeweiligen Flächennutzungen und Strukturelemente geklärt werden.
Leitbilder finden sich auf allen unterschiedlichen Planungsebenen. Für den Naturschutz gilt, dass er einerseits eigene Leitbilder entwirft und im Rahmen der Planungsaktivitäten stärker detailliert. Andererseits muss er sich als Fachdisziplin auch jener Leitbilder annehmen, die von übergeordneten Planungsträgern vorgegeben werden oder die im fachübergreifenden Diskurs festgelegt wurden. Abhängig von der Art der betrachteten naturschutzfachlichen Planung, können die peripheren Leitbilder eine mehr oder weniger wichtige Rolle spielen. Welche Leitbilder im Rahmen einer Aufforstungsplanung zu berücksichtigen sind, soll im Folgenden geklärt werden.
Raumordnerische Leitbilder
Die Bundesraumordnung wartet mit einem Set eigener Leitbilder auf, welche vom Naturschutz als nachgeordnete Disziplin angemessen berücksichtigt werden sollen. Die Aussagekraft dieser Leitbilder für den Arten- und Biotopschutz ist jedoch eher gering. BUCHWALD (1980) unterscheidet vier hauptsächliche Leitbilder der Bundesraumordnung. Diese geben Ordnungsvorstellungen für den nationalen Raum wieder, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben.
Ein erstes Leitbild wird durch das Bundesraumordnungsprogramm selbst definiert und zielt auf gleichwertige Lebensbedingungen aller Bundesbürger ab. Zu den Lebensbedingungen gehört eine Lebensqualität im Sinne von Erholungsmöglichkeiten, sauberer und nachhaltig gesicherter Umwelt und entsprechender Zugänglichkeit für alle. Diese Qualitätsmerkmale besitzen räumlich betrachtet eine graduelle Ausprägung, wobei die Raumordnung versucht, sie anhand von Achsen und Zentren zu gliedern. Nach der Situationsanalyse folgt die Planung, mit dem Ziel, allen Räumen einen Mindeststandard, besser noch eine ausgeglichene Wertigkeit zu verschaffen. Aus der fachspezifischen Perspektive des Naturschutzes betrachtet, würde das raumordnerische Prinzip – konsequent durchgehalten – zu einer großflächigen strukturellen und ökologischen Nivellierung der Landschaftsräume, aber auch der Lebensqualität führen. Da es nicht möglich ist, den Grad an Lebensqualität beliebig zu steigern, beispielsweise die Artenvielfalt überall auf einen bestimmten Level anzuheben, würde aus diesem Prinzip letztlich auch eine Verringerung der Lebensqualität in den Gebieten, wo sie heute besonders hoch ist, auf ein geringeres, wenn auch einheitlich niedriges Niveau folgen (BUCHWALD 1980).
Das zweite Leitbild der Bundesraumordnung steht für einen Ausgleich zwischen den Funktionsräumen. Vereinfacht gesagt, basiert dieses Bild auf der dinglichen Trennung aber räumlichen Verknüpfung von Arbeits- und Erholungsräumen. Dadurch kommt es zu lokalen Konzentrationen unterschiedlichen Ausmaßes und zur Ausbildung von Vorranggebieten. Die Vielfalt der Arbeits- und Erholungsgebiete kann durchaus erhalten oder gar gestärkt werden. Darüber hinaus liefert dieses zweite Leitbild aber ebenfalls keine richtungsweisenden Vorgaben für den Arten- und Biotopschutz.
Das dritte Leitbild der Bundesraumordnung lässt sich als jenes der passiven Sanierung bezeichnen. Es beinhaltet die Möglichkeit, die Bevölkerung in wenigen Räumen zu konzentrieren und dafür andere Räume zu „entleeren“, damit sie sich selbst regenerieren können. Dieses Leitbild würde einen Naturschutz der Enthaltung, bzw. die Entwicklung der „Urwälder von morgen“ durch großflächigen Prozessschutz stützen. Allerdings scheint dieses Leitbild eher theoretisch und nicht umsetzbar. Allein aus politischen Gründen wäre eine derartige Umsiedlung großer Teile der Bevölkerung niemals durchführbar.
Das vierte Leitbild bringt schließlich den Gedanken einer großräumigen funktionalen Arbeitsteilung auf. Darunter ist ein Mosaik von großräumigen Vorranggebieten mit unterschiedlichen Nutzungskombinationen zu verstehen, die sich gegenseitig ergänzen. Dabei können großräumige Vorranggebiete, mit regionaler Bedeutung und entsprechender Ausdehnung, von kleinräumigen, auf Gemeindeebene ausgewiesenen Vorranggebieten unterschieden werden. In diesem Sinne wurden bislang vor allem Landschaftsräume mit Freiraumfunktionen als ökologische Vorranggebiete ausgewiesen. Ihnen gegenüber stehen die landwirtschaftlichen und die industriellen Vorranggebiete, die Großflugplätze und Gewerbeparks, die Wohngebiete und ähnliche bauliche Agglomerationen. Für den Biotop- und Artenschutz spielen ökologische Vorranggebiete eine besondere Rolle. In ihnen sollte es generell einfacher sein, die Ziele des Naturschutzes durchzusetzen. Dennoch bedeutet dies natürlich nicht, dass seine Ziele in anderen Vorranggebieten nicht relevant wären. Sie werden dort nur nicht mit Vordringlichkeit verfolgt, sondern stehen in der zweiten Reihe.
Innerhalb der groß- und kleinräumigen ökologischen Vorranggebiete soll ein ökologisch günstiges Verteilungsmuster der Landschaftsformen Feld, Wald und Wiese angestrebt werden. Damit wird das Ziel einer optimalen Vielfalt der Landschaftsräume im Sinne der ökologisch-biologischen und der strukturell-visuellen Vielfalt verfolgt. BUCHWALD (a.g.O.) spricht von einer ökologisch-optimalen Feinstruktur bzw. „Korngröße“, die in diesen Vorranggebieten angestrebt wird. Damit gibt aber auch dieses Leitbild aus der Bundesraumordnung nur einen Strukturierungshinweis für die ökologische Flächenordnung im Raum. Konkrete Hinweise für die Flächenplanung sind daraus nicht zu entnehmen, noch nicht einmal abzuleiten.
Der Naturschutz bleibt demnach weitgehend frei in der Erstellung und Ausformulierung eigener Leitbilder. Dies gilt insbesondere für den Bereich des Arten- und Biotopschutzes. Die Leitbilder der Bundesraumordnung, insbesondere das der ausgeglichenen Funktionsräume und das der großräumigen funktionalen Arbeitsteilung, unterstützen den naturschützerischen Anspruch zur Gestaltung der Flächennutzungsstruktur in der Landschaft nur mit Blick auf eine Optimierung der ökologischen und strukturellen Vielfalt.
Erstaufforstungsleitbilder
Für das Ziel der Waldvermehrung können für größere Gebiet auch spezielle Erstaufforstungsleitbilder entworfen werden (PREEN 1996). Diese sollen den Aufforstungswilligen eine Hilfestellung bei der Auswahl geeigneter Flächen bieten. VON PREEN fordert dabei eine Erstellung der Leitbilder unter Berücksichtigung von natürlichen Voraussetzungen, landschaftlichen Gegebenheiten sowie allen betroffenen Interessengruppen. Die Grenze zwischen Leitbild und Entwicklungsziel wird damit aufgeweicht. Der Schutz der vorhandenen Ressourcen ist ebenso zu integrieren wie die zukunftsweisende Gestaltung der Landschaft entsprechend der wirtschaftlich-strukturellen Entwicklung in der Region. Da das Leitbild unmittelbar für die Praxis entworfen wird, also auch den Grundstückseigentümer anspricht, ist besonders auf eine realitätsnahe Ausrichtung zu achten. Dies bedeutet, dass neben den visionären Überlegungen der Fachdisziplin Naturschutz auch die verschiedenen Interessen anderer Nutzergruppen vorausschauend zu bedenken sind. Das Leitbild soll nicht auf historische Landschaftsbilder zurückgreifen, sondern muss vom aktuellen Landschaftsbild ausgehend eine Zielperspektive für einen mittelfristigen Planungszeitraum (fünf bis zehn Jahre) aufzeigen. VON PREEN (1996) fordert aus gutem Grunde eine Flexibilität des Leitbildes gegenüber politischen Vorgaben. Nur wenn das Leitbild unter geänderten politischen Voraussetzungen, einschließlich veränderter Förderungsbedingungen für Erstaufforstungen, anwendbar bleibt, lohnt sich die Erstellung. Darüber hinaus muss aber auch eine Flexibilität gegenüber den veränderten Eigentümer- und Nutzerinteressen gefordert werden. Der aktuell stattfindende Strukturwandel in der Landwirtschaft und der latente, aber stets präsente Wechsel von Eigentümerverhältnissen in der Landschaft (insbesondere durch Erbfolge) bringen häufig auch einen Wandel der Eigentümerinteressen mit sich. Deshalb darf das Erstaufforstungsleitbild keine zu starren Vorgaben machen, an welchen Orten aufgeforstet werden darf und an welchen nicht.
Gegen ein Erstaufforstungsleitbild spricht außerdem, dass dieses auch dann noch Bestand haben müsste, wenn sich gegen Ende des Planungszeitraumes die Landschaftsverhältnisse durch verschiedene Aufforstungen bereits verändert haben. Da die tatsächliche Entwicklung aber nicht absehbar ist, ist dieser Anspruch nicht realisierbar.
Naturschutzfachliche Leitbilder
Der Naturschutz besitzt eine Reihe von Leitbildern, die sehr unterschiedliche Bereiche abdecken (s.u.). Sie können kaum kompromisslos nebeneinander verfolgt werden. Tendenziell sieht die Mehrheit der Betroffenen wohl die Lösung in einem „sowohl-als-auch“ (WOLF 1992). Dies erleichtert es dem Außenstehenden allerdings nicht, herauszufinden, was „der Naturschutz“ nun eigentlich will. Deshalb sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es – auch mit Bezug auf das oben Ausgeführte – nicht bei der Definition von Leitbildern bleiben darf. Konzepte, Programme und Entwicklungsziele gehören zur Verdeutlichung der disziplinären Ideen und Ansprüche dazu.
Zur inhaltlich-strategischen Diskussion tragen verschiedene Grundmotive, auch
„Protoleitbilder“ bei. Diese sind in der öffentlichen Diskussion vorhanden und dienen als Ansatzpunkt für die weitere Präzisierung der Ziele, in Richtung spezifischer Leitbilder (WIEGLEB et al. 1998). Die wichtigsten Protoleitbilder – sie entsprechen den „sektoralen Leitbildern“ bei PLACHTER und REICH (1994) - werden hier im Anhalt an BROGGI (1999) erläutert: Sie begründen sich aus dem vielgestaltigen Naturschutzauftrag mit ganz unterschiedlichen, nicht konvergenten, teilweise sogar widersprüchlichen Teilzielen.
Das historische Leitbild
Die Erhebung eines Landschaftsbildes, wie es vor einer längeren Zeit einmal existent war, zum Ziel der Naturschutzbemühungen entspricht einer rückwärtsgerichteten Betrachtung bei der Prioritätensetzung für die Zukunft. Dabei scheiden sich die Geister schon sehr schnell an der Frage, wo der Referenzzeitpunkt zu setzen ist. Die höchste Artenvielfalt war vermutlich irgendwann zwischen 1800 und 1900 erreicht (LFU 1992) und ist sowohl auf die Vielfalt der Landnutzungsarten und die weichen Übergänge zwischen diesen zurückzuführen, als auch auf die Kleinparzellierung der Nutzflächen und die schadstoffarmen Umweltbedingungen. Andere Autoren (BROGGI / SCHLEGEL 1989) schlagen hingegen die Situation um 1960 als Umweltqualitätsziel vor. Selbst dieses vermeintlich realistischere Ziel würde bereits bedeuten, dass der als naturnah zu bezeichnende Flächenanteil (von BROGGI und SCHLEGEL untersucht am Beispiel des Schweizer Mittellandes), gegenüber der derzeitigen Situation in den intensiv landwirtschaftlich genutzten Regionen, auf das Dreifache ansteigen müsste.
Unabhängig vom Referenzzeitpunkt des historischen Leitbildes ist festzustellen, dass dieses Ziel nach einer Verringerung der Landwirtschaftsintensität auf einen Bruchteil des heutigen Niveaus verlangt. Zusätzlich ist eine Verkleinerung der Nutzflächen, eine Steigerung der Anbauvielfalt und eine Schaffung sanfterer Übergänge zu fordern. Dadurch wirkt dieses Leitbild als atavistisch und kaum umsetzbar.
Das ästhetische Leitbild
Es zielt ab auf ein allgemeines Schönheits- und Geborgenheitsempfinden des Menschen beim Anblick bestimmter landschaftlicher Strukturen und Konstellationen. Inwieweit das subjektive Schönheitsideal verallgemeinerbar ist, ob seine Merkmale nur regional oder auch überregional einheitlich sind, bleibt eine offene Frage. Auch ist die Ästhetik einem gesellschaftlichen Wertewandel unterworfen, welcher die Landschaftselemente nicht ausnimmt. Von Tacitus über Fontane bis Berndorf zeigt die Literatur das sich verändernde Gefühl des Menschen gegenüber dem Wald. Einst Wildnis und gesetzloser Raum, in der Romantik dann verklärtes Sinnbild der Freiheit und Raum der Erhabenheit, heute ein Rückzugsraum für den Menschen und verkörperte Heimat. Die Werbung bringt das populärste Bild der Landschaft und damit das am ehesten verallgemeinerbare Landschaftsideal zum Vorschein. Es ist geprägt durch freie Räume, fein strukturiert, nicht bedrohlich, jedoch mit Entdeckungsräumen in Form von Gehölzen, Wäldern und Gewässern. Doch wenn der Mensch das Heimatgefühl in die Wagschale wirft, welches er im Laufe seiner Jugend und seines Lebens entwickelte, so wird das ästhetische Empfinden wohl regionale Schattierungen kaum verhehlen können.
Das biotische Leitbild
Das biotische Leitbild umfasst das Streben nach einer höchstmöglichen Vielfalt allen Lebens. Die Umsetzung des Zieles bedingt, dass der Mensch zunächst alles Leben erkennen und erfassen lernt, um es anschließend auch schützen zu können. Angesichts der großen Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten, sie dürfte in Mitteleuropa bereits mehr als 20.000 Arten umfassen, wäre ein auf alle Arten abgestimmter Schutz nicht praktikabel. Stattdessen stützt sich der Naturschutz auf das integrierende Indikationspotential einzelner Organismengruppen. Zu vielfältig sind allerdings die Strukturen und Zusammenhänge in verschiedenen Ökosystemen um Gewissheit zu erlangen, dass tatsächlich alle dort potentiell vorkommenden Spezies von den Schutzbemühungen um die Indikatorarten profitieren.
Ein weiteres, grundlegendes Problem dieses Ansatzes ist die darin implizierte Statik des Arteninventars. Ein Fortschreibung der Evolution ist im Ansatz nicht inbegriffen. Arten, deren natürlich Verbreitung durch den Landschaftswandel gefährdet ist, sollen durch Pflegeeingriffe und Abwehrmaßnahmen gesichert werden. Die Roten Listen der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten demonstrieren eindrucksvoll, dass dies auf eine Vielzahl der Arten zutrifft. Die Landschaft wird damit zu einem gesamtheitlichen Pflegefall.
Das Naturleitbild
Das Naturleitbild stellt den Gegenpol zum biotischen Leitbild dar. Es beinhaltet die Forderung nach Raum für ungestörte natürliche Prozesse und Dynamiken. Als eine Grundlage dieses Ansatzes kann die von REMMERT formulierte „Mosaik-Zyklus-Theorie“ gelten (BAYER.
AKADEMIE F. NATURSCHUTZ U. LANDSCHAFTSPFLEGE 1991). Es ist das Prinzip des Werdens und Vergehens im Rahmen eines großen, nie endenden Kreislaufes, in dem alles seine Zeit und seinen Platz besitzt. Großflächige Naturlandschaften gibt es in Mitteleuropa heute nicht mehr. Die Landschaft wurde durch die menschliche Nutzung überprägt. Im Sinne des Naturleitbildes würde es allerdings auch ausreichen, den menschlichen Einfluss heute auf möglichst großen Flächen zu eliminieren. Trotz Agrarreform wird dies aber nur in Einzelfällen, beispielsweise in bestimmten Nationalparks, möglich sein. So fordern die Verfechter dieses Leitbildes zumindest eine repräsentative Schaffung von Freiräumen für ungelenkte Entwicklungen in allen Landschaftsteilen. Als Referenzflächen sollen diese Räume schließlich Hinweise geben, die in einer integrierten und naturgemäßen Nutzung der übrigen Landesteile zu berücksichtigen sind.
Das abiotische (standörtliche) Leitbild
Es berücksichtigt vorrangig den Schutz primärer Lebensgüter im Bereich Boden-Wasser- Luft. Die standörtlichen Bedingungen bilden die Rahmenbedingungen für die Entwicklung bestimmter Ökosysteme und der damit zusammenhängenden Artvorkommen. Ihnen muss deshalb, gerade im Zuge der Extensivierung oder Restrukturierung in der Landwirtschaft, entsprechendes Gewicht beigemessen werden. Wieder geht es um einen repräsentativen Schutz. Alle vorkommenden Standortseinheiten, unabhängig vom System der Klassifizierung, sind zu erhalten. Eine Nivellierung ist ebenso zu vermeiden wie eine fallweise Melioration bestimmter Standorte durch Entwässerung oder Düngung, welche dem Leitbild entgegen liefe.
Regionale Leitbilder
Im Rahmen der Landschaftsplanung kommen heute sehr häufig regionale Leitbilder zur Anwendung. Sie stellen eine naturraumspezifische Konkretisierung dar. Hier fließen mehrere der sektoralen Leitbilder oder Protoleitbilder ein. Ihr Charakter kann jedoch durchweg als konservativ oder konservierend beschrieben werden (DRL 1997). Diese regionalen, Status- quo-orientierten Leitbilder versinnbildlichen im Regelfalle einen Schutz der augenblicklichen Biotopsituation nach Qualität und Quantität, insbesondere mit Bezug auf die Biotope langer Genese, eingebettet in Bemühungen um eine mit Strukturelementen angereicherte und mehr oder weniger extensiv genutzte Kulturlandschaft. Da die Praxis der Landschaftsplanung dabei zunehmend die aktuelle Situation bei der Erstellung der Leitbilder berücksichtigt und auch die Beteiligung von Grundeigentümern und Interessengruppen praktiziert wird, wird eine begriffliche und inhaltliche Trennung bei regionalen Leitbildern und Entwicklungszielen schwieriger.
Praxisrelevanz von Leitbildern
Leitbilder dienen wie beschrieben der Verdeutlichung der Anliegen und Ansprüche des Naturschutzes. Sie müssen, damit sie die betroffenen Landnutzer und die Öffentlichkeit ansprechen können, nicht nur verbal präzise formuliert sein, sondern sollten zur Unterstützung auch visuell illustriert werden. Die Akzeptanz der Leitbilder hängt allerdings von weiteren Faktoren ab. Eine Grundvoraussetzung ist dabei, dass sich die Naturschützer zunächst in den eigenen Reihen auf ein oder mehrere Leitbilder verständigen. Wenn „der Naturschutz“, welcher von Außenstehenden mal in einem Verbandsmitglied, mal in einer Zeitschrift und mal in einem staatlichen Vertreter erkannt wird, nach außen hin eine einheitliche Stellung einnimmt, stärkt er dadurch nicht nur die eigene Position, sondern macht es den Verhandlungspartnern auch einfacher, ihm zu folgen und seine Ansprüche zu akzeptieren.
Wie bereits im Zusammenhang mit den Erstaufforstungsleitbildern erwähnt, muss ein Leitbild im Sinne der Praxistauglichkeit auch stets ein gewisses Maß an Flexibilität aufweisen (DRL 1997). Es sind immer verschiedene Szenarien der Entwicklung, ausgehend vom Status Quo zu berücksichtigen. Ein Leitbild ist dann besonders gut anwendbar, wenn zumindest die wahrscheinlichsten Entwicklungen der Landschaft bei seiner Erstellung bedacht und integriert wurden. Damit hängt seine Qualität auch eng mit jener der Situationsanalyse im betroffenen Gebiet zusammen. Eine sorgfältige Vorarbeit ist Voraussetzung für eine zielsichere Planung.
Zur Anwendungsfreundlichkeit der Leitbilder gehört außerdem, dass eine Koexistenz mehrerer sektoraler Leitbilder für den gleichen Planungsraum nur akzeptiert werden kann, wenn diese sich nicht widersprechen oder zumindest flächenmäßig nebeneinander realisiert werden können. Bei derartiger Sachlage bedarf es auch einer einzelfallweisen, wiederum internen Abwägung, welche Ziele an welcher Stelle verwirklicht werden sollen. Eine Zusammenfassung verschiedener, sektoraler Leitbilder zu einem einzelnen, regionalen (Landschafts-)Leitbild für den Naturschutz ist nur in einheitlich strukturierten Landschaften möglich. Wo mehrere Landschaftstypen (vgl. Kap. 3.5.6) nebeneinander vorkommen, ist die Reduktion auf ein einzelnen Landschaftsleitbild nicht sinnvoll. Dabei ist zu beachten, dass die notwendige naturschutzinterne Diskussion über die Konflikte, bzw. Widersprüche zwischen sektoralen Leitbildern vor der Publikation des regionalen Leitbildes erfolgen muss. Es darf in diesem Zusammenhang nicht nur um den kleinsten gemeinsamen Nenner gehen, weil sonst eine Reduktion der Aussagen auf eine mehr oder weniger vom Planungsraum losgelöste Grundausrichtung des Naturschutzes droht, wodurch der Sache wenig gedient wäre (MENGEL 1999).
Schließlich darf sich der Naturschutz auch nicht scheuen, konkret zu werden. Verschiedene Autoren beklagen gerade im Zusammenhang mit Leitbildern und Zielsetzungen die Konzeptionslosigkeit des Naturschutzes für große Räume (KRAHL 1999; BROGGI 1999). In diesem Sinne ist die oben beschriebene Informationshierarchie mit Leitbild, Konzept und Programm nur ein erster Schritt zur Manifestierung der eigenen Ansprüche. Umweltqualitätsziele und Umweltqualitätsstandards ergänzen diese Instrumente. Die Aussagen für einen Planungsraum bleiben dadurch aber dennoch allgemeingültig (Leitbilder, Standards, Qualitätsziele) oder beruhen auf einem bestimmten Szenario (Konzepte und Programme, teilweise auch Leitbilder). Sie geben keine oder nur unzureichende Hinweise, welche Leitbilder oder Zielvorgaben anzuwenden sind, wenn die Entwicklung dem Szenario nicht entspricht. Dem Außenstehenden ist kaum zuzumuten, die Leitbilder anhand der vorhandenen Pläne zu analysieren und theoretisch auf die neue Situation zu übertragen. Selbst wenn die Diskussion in einen Zirkel von Naturschützern zurückgegeben würde, müsste eine neue Feststellung der Zielhierarchie stattfinden. Um diesen zeit- und arbeitsaufwendigen Prozess zu vermeiden, sollten neue Instrumente geschaffen werden, die eine Übertragung der Kernideen festgestellter Leitbilder auf eine neue Situation ermöglichen. „Wenn der Naturschutz etwas für die „Natur“ erreichen will, dann ist es nicht nur wichtig, dass er mit einer Zunge spricht, sondern auch, dass er seine Zielvorstellungen und Bewertungsmaßstäbe darlegt“ (KRAHL, 1999; S. 30).
Aus regionalen/raumspezifischen Zielvorstellungen und Bewertungsmaßstäben ließe sich ein entsprechendes Instrument konstruieren, welches zum Beispiel bei geänderten Landnutzer- Interessen angewandt werden könnte, um der neuen Situation und gleichzeitig den festgestellten Leitbildern gleichermaßen zu entsprechen. Selbstverständlich bedingt ein solches Instrument wiederum den innerfachlichen Konsens der Naturschützer, damit es auch für andere Landnutzer verlässlich wird. Ein solches Instrument könnte beispielsweise eine Bewertung von Landnutzungsumwandlungen nach regionalen Maßstäben (abgeleitet aus der Regionalplanung) ermöglichen. Bezüglich der Kooperation mit anderen Fachbereichen im Rahmen der Raumplanung ist darüber hinaus zu beachten, dass in der großräumigen Landschaftsplanung auch fachfremde Leitbilder zu berücksichtigen sind. Eine interdisziplinäre Leitbildentwicklung ist allerdings ein langwieriger, häufig auch sehr konfliktträchtiger Prozess. Er erfordert nicht selten die Aufgabe bestimmter Forderungen oder eine andere Prioritätensetzung. Beides wird von einer Fachbehörde aber vermieden. Einen Ausweg aus der Misere kann in bestimmten Fällen die Loslösung vom starren Großkonzept ideologischer Prägung sein. Stattdessen bietet sich die Entwicklung eines flexibel anwendbaren Verfahrens der Entscheidungsfindung auf der Grundlage eine multikriteriellen Leitbildes (WIEGLEB et al. 1999) an. Ein derartiges Vorgehen verfolgt die hier vorgeschlagene Methode der Evaluierung von Erstaufforstungen unter Berücksichtigung verschiedener Einzelparameter oder Indikatoren, die jeweils integriert und miteinander verrechnet werden.
3.3 Die Wirkungsanalyse
Wirkungsanalysen stellen ein verbreitetes und häufig erprobtes Instrumentarium der Landschaftsplanung dar. Ihre Aufgabe ist es, die zu erwartenden Folgen einer Planung aufzuzeigen, beziehungsweise zu beschreiben, welche Entwicklungen durch eine gezielte Planung beeinflusst oder verhindert werden können. Es kommt darauf an, zunächst die Ausgangssituation zu erfassen und die wissenschaftstheoretische Problemstellung zu definieren. Aufgrund dieser Problemstellung lässt sich ein System abgrenzen und beschreiben, in welchem die zu erwartenden Auswirkungen der geplanten Handlung stattfinden werden. Verschiedene Szenarien können anhand der Wirkungsanalyse durchgespielt und miteinander verglichen werden. Dazu bedarf es der Feststellung der Systemstruktur und der Beschreibung des Systemverhaltens. Anschließend wird dieses theoretische System durch die Daten der augenblicklichen Systemsituation (IST-Zustand) konkretisiert. Die definierten Systemstrukturen werden mit virtuellen Inputs konfrontiert und die Veränderung des Systems wird als Wirkungsprognose beschrieben. Schließlich erfolgt eine Bewertung der simulierten Entwicklung anhand der zuvor festgesetzten Planungsziele (BECHMANN 1981).[1]
Für die Praxis der Aufforstungsplanung ist eine prognostische Wirkungsanalyse anzusetzen, da die Maßnahme ex-ante bewertet werden soll, also noch vor ihrer Durchführung. Es bedarf der Feststellung der im betrachteten System wirkenden Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten, damit die Wertbildung im neu entstehenden Waldbiotop nachvollzogen werden kann. Daraus wird ein Szenario aufgebaut, das die geplante Aufforstung unter den gegebenen Umweltbedingungen betrachtet. Zur Entwicklung der Bestandesmerkmale ist ein längerer Zeitraum notwendig. Der Entwicklungsgang wird bis zu einem Bestandesalter von
50 Jahren prognostiziert. Dieser Zeitraum ist ausreichend zur Entwicklung eines Bestandesklimas, einer weitgehenden Differenzierung der Baumschicht sowie der Entwicklung der Randstrukturen. Auch eine Besiedelung mit Waldtieren und –pflanzen sollte erkennbar sein. Lediglich die typischen Elemente eines reifen und überreifen Bestandes, v.a. Totholz und starke Baumdimensionen, fehlen in diesem Stadium noch. Die im Bestandesalter von 50 Jahren zu erwartenden Biotopmerkmale werden also im hier behandelten Fall anhand der durch den Naturschutz vorgegebenen Idealvorstellungen bewertet. Wie die Biotopmerkmale und die Idealvorstellungen aussehen, wird in den folgenden Kapiteln erläutert.
Die Systembeschreibung konzentriert sich auf jene Merkmale und Zusammenhänge, die für die Fragestellung der Wirkungsanalyse entscheidend sind. Es handelt sich also um ein abstraktes, dabei modellartiges Bild der Wirklichkeit. Eine besonders gute Abbildung des realen Systems wird als Wirklichkeitstreue bezeichnet und stellt ein Qualitätsmerkmal der Wirkungsanalyse dar. Ihr steht die Systemrationalität gegenüber, also die korrekte Wiedergabe von Zusammenhängen und Beziehungen innerhalb des betrachteten Systems.
Eine ausgeprägte Systemrationalität gilt als Garant für Praxisnähe und ist somit Voraussetzung für die Umsetzung der Untersuchungsergebnisse. KRAUSE beschreibt drei Qualitätsmerkmale (in KRAUSE/HENKE 1980, S. 29/30), die stellvertretend für den Theorie- Praxis-Bezug stehen, also den Wert einer systemtheoretischen Betrachtung für die Landschaftsplanung verdeutlichen:
1) Das systemtheoretische Verständnis des Untersuchungsobjektes ist eine wertvolle Hilfe zur geordneten Betrachtungsweise. Die Entwicklung von Gestaltungs- und Konstruktionsmodellen, die Abstraktion der Zusammenhänge und die Definition der entscheidenden Komponenten schaffen eine hohe Ordnungsqualität. Als Grundvoraussetzung für eine interdisziplinäre Koordination und Kooperation, in welche die Landschaftsplanung beispielsweise als Teil der Regionalplanung eingebunden ist, gilt dabei, dass der abstrakte Bezugsrahmen für alle Fachdisziplinen und für die gesamte Betrachtungsdauer unverändert bleibt.
2) Die systemtheoretische Vorstellung erleichtert die ganzheitliche Betrachtungsweise, da der Planer gezwungen wird, alle auftretenden Zusammenhänge plastisch darzustellen und Verknüpfungen zu analysieren. Gleichzeitig erfolgt eine Kontrolle der Vollständigkeit an Elementen. Die Nachzeichnung des Beziehungsgefüges ist ein wichtiger Schritt zur Entwicklung der Integrations- und Koordinierungsqualität.
3) Auf der Grundlage ganzheitsbezogener Systemvorstellungen können die darin eingebundenen Elemente und Funktionen bei Bedarf partiell untersucht werden, ohne dabei den Gesamtzusammenhang aus den Augen zu verlieren. Aus der systemtheoretischen Betrachtung ergibt sich damit eine Legitimation zur Konzentration auf bestimmte Schlüsselelemente des Systems bei der Umsetzung in die Praxis.
Systemebenen
Bei der Abgrenzung des Systems gegenüber der Umgebung können die Untersuchungseinheiten nicht losgelöst von dieser betrachtet werden, wenn Wechselbeziehungen vorhanden sind. Eine Wirkungsanalyse muss daher sowohl die internen als auch die nach außen führenden Wirkungsketten des Systemausschnittes erkennen und interpretieren. Die Identifikation der Zusammenhänge geht einher mit der Offenlegung von Prämissen und Prinzipien, welche für das betrachtete System eine allgemeine Gültigkeit besitzen (Kap. 3.3.1).
Der Systembegriff bleibt in der Landschaftsplanung nur grob umrissen, da die vielfältigen Beziehungen auf unterschiedlichen geographischen, physikalischen und biologischen Ebenen eine genaue und in sich konsistente Abgrenzung in der Praxis unmöglich machen. Dies wird besonders deutlich, wenn als Komponenten eines Systems auch Tierarten betrachtet werden, die nicht an dieses System gebunden sind, sondern immer oder auch nur gelegentlich unterschiedliche Systeme neben- oder nacheinander nutzen. Die Systemelemente können folglich Beziehungen nach außen besitzen und sind nicht zwingend auf die betrachtete Fläche fixiert. Ein komplexes Gebilde, bei dem einzelne Teile mit der Umgebung interagieren, wird in der Theorie als offenes System bezeichnet. Ein weiteres Merkmal sind die nach außen praktisch undeterminierbaren Grenzen. Das System selbst strebt einem Fließgleichgewicht zu, dessen Stabilität aber von der Umwelt abhängig ist (KRAUSE/HENKE 1980, S. 20-29).[2]
Die Landschaftsplanung tut sich schwer, ein offenes System als Grundlage für ihre Aktivitäten zu beschreiben. Die Beziehungsdichte zwischen den einzelnen Elementen einer Landschaft lässt sich häufig nur erahnen, nur selten aber qualitativ oder gar quantitativ beschreiben. Je größer der Landschaftsausschnitt gewählt wird, desto komplexer zeigt sich dessen Struktur. Auch die Vielfalt der Elemente wächst - wenn auch nicht unbedingt linear – mit der Flächengröße. Je kleiner die Fläche aber wird, desto häufiger muss mit den oben genannten Beziehungen zwischen Elementen und Systemumwelt gerechnet werden.
Der Idealfall für alle Planungsvorhaben wäre demnach ein geschlossenes System, in welchem die Elemente nur untereinander gekoppelt sind. Hier bestehen keine Wechselwirkungen mit der Umgebung. Die Komplexität innerhalb des Systems muss deshalb nicht weniger groß sein. Allein die Tatsache, dass keine unvorhersehbaren Störfaktoren oder Veränderungen der Umwelt beachtet werden müssten, würde allerdings einen klaren Gewinn an Planungssicherheit bedeuten.
Der Landschaftsplaner sieht sich mit dem Problem konfrontiert, eine Planung für einen mehr oder weniger gut umrissenen Teilbereich eines stets offenen Systems zu erstellen. Er neigt dennoch dazu, den betrachteten Systembereich im Sinne eines halbgeschlossen Systems zu behandeln. Dies bedeutet, im Mittelpunkt steht ein quasi offenes System, dessen Umwelt nur nach ihrem Störpotential für die innere Sicherheit des Systems, sprich für die Erhaltung des Fließgleichgewichts beurteilt wird. Sämtliche Elemente außerhalb des beplanten Landschaftsausschnittes, welche zwar mit den Elementen innerhalb des Systems in Wechselbeziehung stehen, die Sicherheit desselben aber nicht gefährden, werden ignoriert oder zumindest als zufällig / systemunabhängig betrachtet. KRAUSE (in KRAUSE/HENKE 1980,
S. 20-29) erklärt diese Reduktion des Betrachtungsobjektes mit der Angst vor unüberschaubaren Zusammenhängen und mangelnden Handlungsmöglichkeiten zur Einordnung des Systems in eine übergeordnete Systemkonstellation.
Für das vorliegende Verfahren zur naturschutzfachlichen Bewertung von Erstaufforstungen wird ein System als Betrachtungsobjekt auf verschiedenen Ebenen abgegrenzt. Dieses Vorgehen respektiert die Umwelteinflüsse auf das Systeminnere nach unterschiedlichen Intensitäten und Verbindlichkeiten. Auf einer ersten, „introvertierten“ Ebene werden die Beziehungen der einzelnen Elemente einer Aufforstung (Pflanzenarten, Strukturmerkmale, Naturnähe, etc.) untereinander als geschlossenes System betrachtet: die Aufforstungsfläche. Die Prämisse dieser Abgrenzung ist, dass eine Bewirtschaftung der Fläche derart erfolgt, dass Umwelteinwirkungen ausgeschlossen oder minimiert werden können. Die Aufforstung würde demnach durch geeignete Pflegemaßnahmen so modelliert, dass der Charakter der Fläche sich entsprechend der Zielsetzung zum Zeitpunkt der Pflanzung entwickelt. Diese Prämisse erscheint im Hinblick auf die aktuelle Förderungspraxis gerechtfertigt, wonach nicht nur die Pflanzung selbst, sondern auch die Pflegemaßnahmen der ersten Jahre bezuschusst werden. Eine zielgerichtete Pflege wird also vorausgesetzt. Die flächenbezogene Begrenzung dieser Systemebene ergibt sich aus der Größe der Aufforstungsfläche.
Auf einer zweiten, „extrovertierten“ Systemebene werden die Beziehungen des Aufforstungs- Biotops zu gleichartigen oder ähnlichen Biotopen im Sinne eines Biotopverbundes betrachtet: das Aufforstungsumfeld. Der Betrachtungsraum wird hier so weit vergrößert, dass die Aktionsräume der Tiere in den umliegenden Lebensräumen zumindest mit Teilflächen integriert werden (siehe Kap. 3.5.6). Von besonderem Interesse ist die Distanz zwischen gleichartigen Biotopen, die von diesen Tierarten im Rahmen der individuellen Aktivitäten und der Populationsausbreitung über biotopfremde Strukturen hinweg überquert werden kann. Die Landschafts- und Biotopverbundplanung geht von einer für die meisten Tierarten überbrückbaren Distanz von 200 – 300 m aus (TLL 1997, RIESS 1986, HEYDEMANN 1986, ZENKER 1982). Daher wird eine Untersuchungsfläche für die zweite Systemebene bestimmt, die eine quadratische Grundform mit zwei Kilometern Kantenlänge besitzt und deren Zentrum im mathematischen Zentrum der Aufforstung liegt. Somit ist die Berücksichtigung der erreichbaren Biotope sichergestellt.
Eine dritte, ebenfalls „extrovertierte“ Systemebene ergibt sich schließlich aus dem erweiterten Planungsraum. Dieser wird vorgegeben durch bereits vorhandene Planungen mit konkreten, nutzungstypen- und naturschutzbezogenen Aussagen zum Untersuchungsgebiet (Bsp.: Landschaftsplan, Regionalplan, Arten- und Biotopschutzprogramm).
[...]
[1] Für die im vorliegenden Fall interessierende Frage der Wirkungen einer Erstaufforstung bedeutet dies, dass zunächst einmal festzustellen ist, welche Merkmale des entstehenden Bestandes und seiner unmittelbaren Umgebung im Sinne der Analyse von Bedeutung und wie sie untereinander korreliert sind. Anschließend werden die Daten, z.B. Standortstyp, vorhandene Nutzung, angrenzende Biotope, Artvorkommen, u.a. erfasst. Das Variantenstudium wird anhand unterschiedlicher Pflanzpläne durchgespielt. Diese können sich beispielsweise nach Baumartenmischung, Pflanzabstand und Waldrandgestaltung unterscheiden. Die Entwicklung der fiktiven Bestände wird auf einen bestimmten Zeitpunkt hin prognostiziert und schließlich anhand der eingangs festgestellten Merkmale untereinander und mit der Ausgangssituation verglichen.
[2] Im Fallbeispiel der Erstaufforstung stellt die Entwicklung des Bestandes mit all seinen Charaktermerkmalen den in sich geschlossenen Systembereich dar. Er beinhaltet jene Pflanzen und Tierarten, deren Lebenszyklus vollständig innerhalb der Aufforstungsfläche abläuft. Zusätzlich bestehen aber Wechselwirkungen mit der Umgebung. Dazu gehören in erster Linie die Bedeutung als Teil- oder temporärer Lebensraum für Tiere. Der entstehende Wald wirkt aber auch auf die abiotischen Ressourcen (z.B. Wasserreinigung) und die Standortbedingungen der angrenzenden Biotope (Windlenkung, Beschattung). Damit stellt die Erstaufforstung ein offenes System dar.
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- Dr. Ralf Eisenbeiß (Author), 2002, Biodiversität und Waldvermehrung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123529
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