Mit der Deregulierung des Arbeitsmarktes, der Flexibilisierung der Unternehmen und Institutionen und der Diversivizierung von Bildungs-, Erwerbs- und Beziehungsverläufen sind atypische Beschäftigungsverhältnisse mit prekärem Potential entstanden. Ausgehend von der These, dass die unterschiedlichen Definitionen von Prekarität auf eine neue Differenzierung der prekär Beschäftigten hindeuten, wird im Verlauf meiner Diplomarbeit aufgezeigt, mit welchen Problemen die gesellschaftlichen Akteure im Kontext eines politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Umbruchs zukünftig in verstärktem Maße konfrontiert sein werden. Mit dem Begriff des Prekariats werden die spezifischen Befindlichkeiten und Unterschiede, z.B. zwischen prekären Erwerbsformen bei Putzfrauen und Lehrbeauftragten verwischt. Diese neuen Differenzierungen, welche sich auf die unterschiedlichen Kapitalzusammensetzungen entsprechend der bourdieuschen Terminologie zurückführen lassen, führen zu unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen die sich auch in der Arbeits- und Sozialpolitik wieder finden müssen. Es stellt sich die Frage, ob die aktuell diskutierten Grundeinkommenskonzepte als undifferenzierte, unspezifische Transferleistung die richtige Antwort auf die zunehmend individualisierten Erwerbsverläufe sind. Wie können andererseits vermehrt aktiv gewählte und gestaltete Erfahrungen abgesichert und die soziale Exklusion verhindert werden? Ist mit der Forderung nach Mobilität und Flexibilität zwangsläufig die Lockerung von Familiensolidarität verbunden? Welche Rolle spielt die Entlohnung bei Beschäftigten mit einem hohen Anteil an sozialem und symbolischem Kapital?
Am Anfang steht ein Abschnitt, der sich mit der Darstellung theoretischer Ansätze, der Klärung relevanter Begriffe und den wesentlichen Phänomenen, die als Triebkräfte der Prekarisierung wirken, befasst. Dieser dient der Einordnung und Sensibilisierung. Es lohnt sich diese Elemente noch einmal zusammenfassend im Hinblick auf ihr Verunsicherungspotential zu betrachten. Im zweiten Teil wird die neue Differenzierung zwischen proletarischem und akademischem Prekariat thematisiert und es erfolgt die Auswertung ausgewählter Daten. Abschließend werden die daraus gewonnenen Erkenntnisse und mögliche andere wohlfahrtsstaatliche Konzepte diskutiert. Auf ein allgemeines Fazit wird, zugunsten der Schlußfolgerungen und den Empfehlungen zu den einzelnen gesellschaftlichen Akteuren im letzten Kapitel, verzichtet.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung und Überblick
- 1.1 Problemfeld
- 1.2 Forschungsstand und Erkenntnisinteresse
- 1.3 Fragestellungen und Aufbau
- 2 Der Strukturwandel der Arbeitsgesellschaft als Triebkraft der Verunsicherung
- 2.1 Der Verlust von Grenze und Norm in der Arbeitsgesellschaft
- 2.1.1 Die Ungleichzeitigkeit der Globalisierung
- 2.1.2 Die Abwälzung der Unternehmensrisiken
- 2.1.3 Subjektivierung - der Zugriff auf die Innenwelt
- 2.1.4 Von der Arbeit zur permanenten Aktivität
- 2.1.5 Arbeitslosigkeit, Unterbietungskonkurrenz, Tertiarisierung
- 2.2 Die Situation in Deutschland
- 2.2.1 Deutschland im Wohlfahrtsstaatsvergleich
- 2.2.2 Europäische Arbeitsmarktpolitik
- 2.2.3 Nationale Reformprojekte
- 2.3 Lebensweltliche Aspekte
- 2.3.1 Neue Risiken, neue Unsicherheiten
- 2.3.2 Zeit und Zeitsouveränität
- 2.3.3 Diversifizierung von Beziehungsstrukturen
- 2.3.4 Der arbeitende Konsument
- 3 Prekäre Beschäftigung
- 3.1 Genese und Ursachen
- 3.2 Begriffliche Vielfalt und Abgrenzung
- 3.3 Begriffsdefinitionen und deren Vor- und Nachteile
- 3.4 Neue Differenzierung- proletarisches und akademisches Prekariat
- 3.5 Der Lehrbeauftragte als Prototyp des akademischen Prekariats
- 3.5.1 Vorstellung der Studie
- 3.5.2 Die materielle Dimension
- 3.5.3 Die rechtliche Dimension
- 3.5.4 Die betriebliche Dimension
- 3.5.5 Die Anerkennungs- und Sinndimension
- 3.5.6 Die lebensweltliche Dimension
- 4 Ansätze für eine integrative Arbeits- und Sozialpolitik
- 4.1 Individualisierte und egalitäre Sozialversicherung
- 4.2 Politik der Entprekarisierung
- 4.3 Entkopplung von Erwerbsarbeit und Einkommen
- 4.4 Modelle einer integrativen Arbeits- und Sozialpolitik
- 4.5 Grundsicherung und Grundeinkommen
- 4.6 Flexibilisierte und globalisierte Interessenvertretung
- 4.7 Lösungsansätze für die Betroffenen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Auswirkungen des Strukturwandels der Arbeitsgesellschaft auf die zunehmende Prekarisierung, insbesondere im akademischen Bereich. Sie analysiert die Genese und Ursachen prekärer Beschäftigung, differenziert zwischen proletarischem und akademischem Prekariat und beleuchtet die spezifischen Herausforderungen für Lehrbeauftragte. Ziel ist es, Lösungsansätze für eine integrative Arbeits- und Sozialpolitik zu diskutieren.
- Strukturwandel der Arbeitsgesellschaft und seine Auswirkungen auf die soziale Sicherung
- Genese und Definition von Prekarität, insbesondere die Unterscheidung zwischen proletarischem und akademischem Prekariat
- Arbeitsbedingungen und soziale Integration von Lehrbeauftragten als Beispiel für akademische Prekarität
- Diskussion verschiedener Modelle für eine integrative Arbeits- und Sozialpolitik
- Möglichkeiten und Herausforderungen für Gewerkschaften und die Betroffenen selbst
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 legt das Problemfeld der zunehmenden Prekarisierung dar und beschreibt den Forschungsstand und die Forschungsfragen der Arbeit. Kapitel 2 analysiert den Strukturwandel der Arbeitsgesellschaft als Ursache für Verunsicherung, einschließlich Globalisierung, Abwälzung von Unternehmensrisiken und Subjektivierung von Arbeit. Es wird die Situation in Deutschland im europäischen Vergleich beleuchtet. Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Genese und den Ursachen prekärer Beschäftigung, differenziert zwischen verschiedenen Begriffen und analysiert die spezifische Situation von Lehrbeauftragten anhand empirischer Daten.
Schlüsselwörter
Prekarität, Arbeitsmarkt, Strukturwandel, Globalisierung, Sozialpolitik, Wohlfahrtsstaat, akademisches Prekariat, Lehrbeauftragte, Grundeinkommen, Gewerkschaften, soziale Integration, Flexibilität, Risikogesellschaft.
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- Dipl.-Soziologe Heiko Lorenz (Autor), 2008, Von der Atomisierung zur Differenzierung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123456