Die vorliegende Arbeit soll untersuchen, welche Funktion Kenntnissen beim Erwerb von Kompetenz zukommt.
Im Fokus steht dabei die literarische Kompetenz. Sie wird neben anderen Kompetenzen in vielen Prüfungen zum mittleren Schulabschluss direkt oder indirekt abgefordert. Dies führt zur Konzentration der Untersuchung auf die letzten Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I. Die Auswahl des Genres Kurzgeschichte legitimiert sich dadurch, dass sie in diesen Jahrgangsstufen häufig Unterrichtsgegenstand ist und auch in den Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss präsent scheint. Daraus ergibt sich die Frage, welche Kenntnisse zum Genre Kurzgeschichte dem Schüler zu Verfügung stehen sollten, um gegenstandsgerecht, damit also literarisch kompetent, mit Kurzgeschichten umgehen zu können.
In einem ersten Schritt der Untersuchung muss natürlich zuerst einmal der Begriff der Kompetenz näher bestimmt werden, hier konkurrieren mehrere Konzepte miteinander. Maßgeblich scheinen hier die Untersuchungen von Weinert zu sein, die nachfolgend besonders wirkmächtig wurden.
In einem weiteren Schritt wird dann zu untersuchen sein, welche Auswirkungen Weinerts Bestimmung des Kompetenzbegriff für die nachfolgende Entwicklung der nationalen Bildungsstandards hatten. Hier liegt die von der Expertengruppe um Eckhard Klieme im Auftrag für die Kultusministerkonferenz und das Bundesministerium für Bildung und Forschung erarbeitete und 2003 vorgestellte Expertise zu Grunde.
Des weiteren werden weitere mögliche Kandidaten für ein adäquates Kompetenzmodell aus dem Bereich Lesen untersucht werden müssen, um zu überprüfen, inwiefern mit diesen literarische Kompetenz erfasst wird und welche Funktion Kenntnissen bei der Entwicklung der Kompetenz beigemessen wird.
Den Abschluss des theoretischen Teils bildet schließlich die Identifizierung der Kenntnisse, welche für einen gegenstandsgerechten Umgang mit Kurzgeschichten notwendig erscheinen.
Unter diesen Voraussetzungen können dann aktuelle Prüfungen zum mittleren Schulabschluss dahingehend untersucht werden, inwiefern sie im Umgang mit Kurzgeschichten diese Kenntnisse explizit abfragen oder aber implizit voraussetzen. Sofern möglich, sollten aus dieser kritischen Betrachtung Vorschläge für eine Verbesserung der Prüfungen erwachsen, welche die vorherigen Überlegungen und Schlussfolgerungen bezüglich der Funktion von Kenntnissen beim Erwerb literarischer Kompetenz miteinbeziehen und auf den konkreten Gegenstand Kurzgeschichte anwenden.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit
1.2 Methodisches Vorgehen
2 Theoretischer Teil
2.1 Zum Kompetenzbegriff
2.1.1 Der Kompetenzbegriff von F. E. Weinert als Grundlage der Begriffsbestimmung
2.1.2 Kompetenzanforderungen als Konkretisierung von Bildungszielen
2.1.3 Kompetenzmodelle für das Fach Deutsch
2.1.3.1 Kompetenzen im Fach Deutsch im Rahmen der von der KMK beschlossenen 20 Bildungsstandards
2.1.3.2 Das der PISA-Studie zugrunde liegende Lesekompetenzmodell
2.1.3.3 Mögliche Kandidaten für ein gegenstandsgerechtes Kompetenzmodell
2.1.4 eigene Arbeitsdefinition
2.2 notwendige Kenntnisse für einen gegenstandsgerechten Umgang mit 51 Kurzgeschichten
3 Praxisteil
3.1 Zur Bedeutung von Kenntnissen in aktuellen Prüfungen
3.1.1 Allgemeine Bemerkungen zu aktuellen Prüfungen am Ende der Jahrgangsstufe 10
3.1.2 Die Prüfungen am Ende der Jahrgangsstufe 10 des Landes Brandenburg
3.1.3 Die Schriftliche Prüfungsarbeit zum mittleren Schulabschluss im Fach Deutsch des 77 Landes Berlin
3.1.4 Zusammenfassender Vergleich der Analyseergebnisse
3.2 Vorschlag zur Verbesserung der Aufgabenstellung zur Analyse und Interpretation 87 einer Kurzgeschichte durch Implementation einer Kenntnisabfrage
4 Abschließende Bemerkungen
5 Literaturverzeichnis
Anhang
a) Prüfung am Ende der Jahrgangsstufe 10 Deutsch Realschule 2006/2007 111 Brandenburg
b) Schriftliche Prüfungsarbeit zum mittleren Schulabschluss 2007 im Fach Deutsch 123 Berlin
1. Einleitung
1.1. Problemstellung und Ziel der Arbeit
In der Folge des unterdurchschnittlichen Abschneidens deutscher Schüler bei internationalen Leistungsvergleichen wie TIMSS1 und PISA2 gab es in den letzten Jahren vermehrte bildungspolitische Bestrebungen, eine von zahlreichen Pädagogen schon seit langem geforderte Bildungsreform nun auch in Angriff zu nehmen. Dies führte in Gesellschaft, Politik und den beteiligten Wissenschaftsdisziplinen zu heftigen Diskussionen bezüglich des nun einzuschlagenden Weges, wobei sich wohl aus heutiger Sicht die Konzepte hinter den schillernden Schlagworten Bildungsstandards, Kompetenzentwicklung und Outputorientierung durchgesetzt haben.
Ob der nicht immer sachgerechte Umgang mit diesen und anderen Termini nun immer zur Verbesserung von Unterricht beigetragen hat, ist fraglich. Was sich allerdings im Zuge der Reform änderte bzw. nun langsam ändert, sind die Prüfungen für die jeweiligen Schulabschlüsse , was eine direkte Auswirkung der Festlegung der nationalen Bildungsstandards darstellt. So kommt es zu der paradoxen Situation , dass mit den Abschlussprüfungen am Ende der 10. Klasse allerlei Kompetenzen überprüft werden sollen , deren Entwicklung im jeweiligen Fachunterricht durch die Fachdidaktiken mitunter noch gar nicht hinreichend beschrieben wurde.
Kompetenz ist ohnehin das Schlagwort, welches den bildungspolitisch geforderten Wandel des Schulsystems bestimmt. Hierbei ist allerdings jeweils zumeist überhaupt nicht klar, in welchem Sinne der BegriffKompetenz nun gerade gebraucht wird.
Bereits seit den 1970ern spielt der Kompetenzbegriff in der erziehungswissenschaftlichen Debatte eine Rolle3 und hat seitdem vielfältige Wandlungen durchlaufen. Dies hat zur Folge, dass die in den Bildungsstandards festgelegten Kompetenzen ganz anderer Art sind, als jene, die beispielsweise in den Stufenplänen der brandenburgischen Rahmenlehrpläne verbindlich sind.4
Doch nicht nur in der allgemeinen Verwendung des Kompetenzbegriffs, sondern auch speziell hinsichtlich möglicher Kompetenzen bzw. Kompetenzbereiche des Faches Deutsch herrscht zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch relative Uneinigkeit. Einige Ansätze bemühen sich, die durch die Klieme-Expertise5 und Bildungsstandards6 gestellte Forderung nach validen Kompetenzmodellen einzulösen oder arbeiteten bereits vor Einsetzen der Diskussionen rund um PISA daran.
Es ist jedoch fraglich, ob die bisherigen Bemühungen der Deutschdidaktik in der Lage sind, die Ansprüche an ein valides Kompetenzmodell zu erfüllen. Bei all diesen Versuchen der Kompetenzbeschreibung stehen zudem augenscheinlich Fähigkeiten im Vordergrund, welche die Schüler im Laufe der Schulzeit entwickeln sollen. Dabei ist fraglich, welche Funktion den Kenntnissen bei der Kompetenzentwicklung zukommt. Intuitiv würde man annehmen, dass zur Lösung bestimmter Problemstellungen neben speziellen Fähigkeiten auch bestimmte Kenntnisse bezüglich einzelner Aspekte des Problembereichs zumindest hilfreich sind.
Die vorliegende Arbeit soll nun untersuchen, welche Funktion Kenntnissen beim Erwerb von Kompetenz zukommt.
Im Fokus steht dabei die literarische Kompetenz. Sie wird neben anderen Kompetenzen in vielen Prüfungen zum mittleren Schulabschluss direkt oder indirekt abgefordert. Dies führt zur Konzentration der Untersuchung auf die letzten Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I. Die Auswahl des Genres Kurzgeschichte legitimiert sich dadurch, dass sie in diesen Jahrgangsstufen häufig Unterrichtsgegenstand ist und auch in den Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss präsent scheint. Daraus ergibt sich die Frage, welche Kenntnisse zum Genre Kurzgeschichte dem Schüler zu Verfügung stehen sollten , um gegenstandsgerecht, damit also literarisch kompetent, mit Kurzgeschichten umgehen zu können.
Schließlich erscheint auch von Interesse, ob diese Kenntnisse im Rahmen von Prüfungen zum mittleren Schulabschluss überprüft werden und wie dies geschieht.
1.2. methodisches Vorgehen
In einem ersten Schritt der Untersuchung muss natürlich zuerst einmal der Begriff der Kompetenz näher bestimmt werden, da hier mehrere Konzepte in der Diskussion um die Kompetenzentwicklung durch die Schule miteinander zu konkurrieren scheinen. Maßgeblich scheinen hier die Untersuchungen von Weinert zu sein, die nachfolgend besonders wirkmächtig wurden.7 In einem weiteren Schritt wird dann zu untersuchen sein, welche Auswirkungen Weinerts Bestimmung des Kompetenzbegriff für die nachfolgende Entwicklung der nationalen Bildungsstandards hatten. Hier liegt die von der Expertengruppe um Eckhard Klieme im Auftrag für die Kultusministerkonferenz und das Bundesministerium für Bildung und Forschung erarbeitete und 2003 vorgestellte Expertise zu Grunde.8 Sowohl in der Untersuchung von Weinerts Kompetenzbestimmung, als auch in der Expertise zu Entwicklung nationaler Bildungsstandards von Klieme u.a. muss natürlich diejeweils zugeschriebene Bedeutung von Kenntnissen für die Entwicklung von Kompetenzen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden.
Als direkte Folge der Expertise erheben die von der Kultusministerkonferenz beschlossenen nationalen Bildungsstandards den Anspruch, Kompetenzen zu beschreiben, welche die Schüler mit dem Ende der Sekundarstufe I erworben haben sollten.
Dem Erkenntnisziel der Arbeit folgend müssen natürlich die diesbezüglichen Bestimmungen der Kultusministerkonferenz das Fach Deutsch genauer untersucht werden.9 Vor allem sollte aufgezeigt werden, welche Kompetenzbereiche mit den Bildungsstandards definiert werden und inwiefern hier ein übergeordnetes Kompetenzmodell für den Fachbereich Deutsch entworfen und wie hier literarische Kompetenz bestimmt und eingeordnet wird. Daneben sind auch hier natürlich wiederum Aussagen zur Funktion von Kenntnissen von besonderem Interesse.
Des weiteren werden weitere mögliche Kandidaten für ein adäquates Kompetenzmodell aus dem Bereich Lesen untersucht werden müssen, um zu überprüfen, inwiefern mit diesen literarische Kompetenz erfasst wird und welche Funktion Kenntnissen bei der Entwicklung der Kompetenz beigemessen wird. Hierbei handelt es sich um das der PISA-Studie zu Grunde liegende Lesekompetenzmodell, welches gerade hinsichtlich des gegenstandsgerechten Umgangs mit Literatur einer kritischen Betrachtung bedarf. Daneben werden auch das Kompetenzmodell von Jakob Ossner, das Lesekompetenz-Modell im Rahmen des DESI-Projekts und die Aspekte literarischer Kompetenz und Literarischen Lernens von Kaspar H. Spinner eingehend betrachtet.
Die bis zu diesem Punkt angestellten Überlegungen sollten dazu befähigen , jeweils eine eigene Arbeitsdefinition hinsichtlich der literarischen Kompetenz und hinsichtlich der Kenntnisse zu entwickeln, sowie Schlussfolgerungen bezüglich der Bedeutung bereichsspezifischer Kenntnisse für die Entwicklung literarischer Kompetenz zu ziehen.
Den Abschluss des theoretischen Teils bildet schließlich die Identifizierung der Kenntnisse, welche für einen gegenstandsgerechten Umgang mit Kurzgeschichten notwendig erscheinen.
Unter diesen Voraussetzungen können dann aktuelle Prüfungen zum mittleren Schulabschluss dahingehend untersucht werden, inwiefern sie im Umgang mit Kurzgeschichten diese Kenntnisse explizit abfragen oder aber implizit voraussetzen. Sofern möglich, sollten aus dieser kritischen Betrachtung Vorschläge für eine Verbesserung der Prüfungen erwachsen, welche die vorherigen Überlegungen und Schlussfolgerungen bezüglich der Funktion von Kenntnissen beim Erwerb literarischer Kompetenz miteinbeziehen und auf den konkreten Gegenstand Kurzgeschichte anwenden.
2. Theoretischer Teil
2.1. Zum Kompetenzbegriff
2.1.1. Der Kompetenzbegriff von F. E. Weinert als Grundlage der Begriffsbestimmung
Der Zugang zu einem tieferen Verständnis des Kompetenzbegriffs wird durch eine Vielzahl von Begriffen erschwert, welche sich um diesen ranken und von welchen nicht immer ganz klar ist, ob sie Teilaspekte von Kompetenz darstellen, mit Kompetenz gleichzusetzen oder gar davon abzugrenzen sind. Solche zum Teil synonym, zum Teil unter- oder übergeordnet verwendete zentrale Begriffe und Konzepte wären etwa Wissen, Intelligenz, Fähigkeit und Qualifikation.10 Auch der in meiner Arbeit zentrale Begriff der Kenntnisse erfährt in den verschiedenen Begriffsbestimmungen von Kompetenz anscheinend unterschiedliche Bedeutungszuweisungen, wird zum Teil auch vermeintlich synonym durch den Begriff Wissen repräsentiert oder bleibt gänzlich ausgespart. Wenn es in dieser Arbeit jedoch um die Funktion von Kenntnissen beim Aufbau literarischer Kompetenz gehen soll, dann muss spätestens die zu entwickelnde eigene Arbeitsdefinition Licht in dieses Dunkel bringen.
Hierfür muss der Kompetenzbegriff der Klieme-Expertise11 näher betrachtet werden , da dieser für die nachfolgende Diskussion besonders wirkungsmächtig war. Klieme stellt in seinem Gutachten jedoch keine eigene Kompetenzdefinition auf, sondern beruft sich hier auf Vorarbeiten von Franz E. Weinert. Der Entwicklungspsychologe und Experte der Pädagogischen Psychologie Weinert hat bereits im Vorfeld einige sehr einflussreiche Arbeiten zu möglichen Konzepten der Kompetenz veröffentlicht.12
Die so genannte Klieme-Expertise wählt nun eine der von Weinert unterschiedenen Konzeptionen von Kompetenz aus und macht sie so zum untenstehenden Referenzzitat in der bildungspolitischen Debatte. Obwohl es damit natürlich auch für meine fachdidaktische Auseinandersetzung essentiell ist, muss bewusst sein, dass auch diese Definition des Kompetenzbegriffs lediglich eine von vielen möglichen Begriffsbestimmungen darstellt. In der Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards heißt es nun Weinert beinahe wörtlich folgend:
„In Übereinstimmung mit Weinert (2001, S. 27f.) verstehen wir unter Kompetenzen die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“13
Diese Definition bedarf genauerer Betrachtung, besonders eben auch in Hinblick auf den Begriff der Kenntnisse. Diese werden in der zitierten Begriffsbestimmung nicht explizit genannt, vielleicht aber implizit vorausgesetzt. Da Klieme u.a. sich mit ihrem Kompetenzbegriff lediglich auf Weinert beziehen, soll an dieser Stelle Weinert und seine Ausführungen zum Kompetenzbegriff Ausgangspunkt für meine Betrachtungen werden.
Franz E. Weinert hat 1999 im Auftrag der OECD ein einflussreiches Gutachten erarbeitet, in welchem er einen Überblick über verschiedene Kompetenzkonzeptionen und -definitionen gibt. Ausgangspunkt hierfür war die Erkenntnis, dass der Begriff der Kompetenz in den letzten Jahrzehnten zu einem „fashionable term with a vague meaning“1314 geworden ist. Er hat es sich also praktisch zur Aufgabe gemacht, dieses 'Modewort' mit präzisem Inhalt zu füllen bzw. Ordnung zu schaffen und einflussreiche Kompetenzkonstrukte aufzulisten.
Bevor er diese allerdings vorstellt, führt er den 1998 erschienenen Bericht Kompetenz im globalen Wettbewerb vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als ein prototypisches Negativbeispiel für eine unspezifische Kompetenzbeschreibung an.15 Der Begriff Kompetenz wird dort in folgender zweifacher Hinsicht beschrieben:
1. Kompetenz als eine Eigenschaft von erfolgreichen Individuen und Gruppen, die wichtige Ziele erreichen,
2. Kompetenz als zu nutzende Voraussetzung bzw. Disposition für erfolgreiches Problemlosen. Die Ungenauigkeit der Beschreibung und somit auch Weinerts Kritik liegt also in der Doppelverwendung des Begriffs begründet.
In der ersten Beschreibung stellt Kompetenz ein Werturteil für erfolgreich Handelnde dar. Diese werden dann aufgrund ihrer Leistungen als kompetent bezeichnet. Das Erreichen von Kompetenz weist somit ein Ziel aus.
In der zweiten Beschreibung wird Kompetenz nicht als Zieldimension begriffen, sondern als Prozess. Ein jedes Individuum ist mit zum Teil angeborenen, zum Teil erlernten Kompetenzen ausgestattet. Diese Kompetenzen müssen nun als Ressource eingesetzt werden, um erfolgreich zu handeln. Kompetenzen in diesem Verständnis stellen kein Ziel dar, sondern existieren auch auf niedrigem Niveau und können weiterentwickelt werden.
Das scheint paradox, was deutlich wird, wenn man versucht, dies auf literarische Kompetenz anzuwenden. So würde man einerseits einen Experten im gegenstandsgerechten Umgang mit Literatur als literarisch kompetent Handelnden bezeichnen. Andererseits würde man bei jedem Individuum , welches die Aufgabe gestellt bekommt Literatur zu interpretieren, sagen, er solle seine bereits als Disposition angelegte literarische Kompetenz nutzen. Durch den Umgang mit Literatur würde diese dann weiter ausgebaut werden können.
Der Widerspruch liegt also darin, dass der Begriff Kompetenz in dem Bericht einmal als eine Art Werturteil verwendet wird , wonach man entweder kompetent ist oder nicht, und zum anderen eher prozessorientiert, indem man davon ausgeht, dass jedes Individuum mit einer bestimmten Ausprägung der jeweiligen Kompetenz in den Lernprozess eintritt, die in einer Art Stufenfolge immer stärker ausgebaut werden kann. Letzteres scheint die Notwendigkeit von Niveaustufen in Kompetenzbeschreibung zu untermauern, da diese Auffassung impliziert, dass man auch auf einem niedrigen Niveau durchaus literarisch kompetent sein kann.
Die Kritik Weinerts und auch die Reichweite der Kompetenzbeschreibung soll hier nicht weiter vertieft werden. Vielmehr soll nun Weinerts Darstellung unterschiedlicher Kompetenzdefinitionen und -beschreibungen folgen.
Weinert unterscheidet vorerst sieben Konzepte der Kompetenz und diese wiederum von den Konzepten Schlüsselkompetenz und Metakompetenz. In der Rezeption Weinerts werden in der Regel nicht alle sieben der von ihm unterschiedenen Konzepte beachtet und sie werden mit Schlüsselkompetenz und Metakompetenz auf eine Ebene gestellt,16 was bei dem ohnehin vorherrschenden Begriffschaos nicht förderlich ist. Problematisch ist an dieser Stelle auch, dass Weinert selbst in seinem Bericht für die OECD17 noch die unterschiedlichen Kompetenzkonzeptionen mit Schlüsselkompetenz und Metakompetenz gleichsetzt, wohingegen er sie in seinem später erschienenen Aufsatz18 voneinander abgrenzt, um dann doch zu sagen, dass sie nicht klar voneinander abzugrenzen sind.19
Daher sollen nun vorerst alle sieben unterschiedenen Konzepte vorgestellt werden:20
1. General Cognitive Competencies (generelle kognitive Kompetenzen) Dieses Konstrukt von Kompetenz als „generelle kognitive Leistungsdisposition“21 hat seinen Ursprung in der kognitiven Psychologie und findet sich etwa in Intelligenztests und dem Entwicklungsmodell von Piaget. Kompetenzen werden hier als kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten verstanden, also als individuelle mentale Ressourcen, die mit dem Ziel genutzt werden sollen, das notwendige deklarative und prozedurale Wissen aufzubauen, um erfolgreich handeln zu können.22
2. Specialized Cognitive Competencies (spezialisierte kognitive Kompetenzen)
Dieses , auf der Expertiseforschung fußende Konzept, betont ebenfalls den kognitiven Aspekt.
Hier wird Kompetenz jedoch als bereichsspezifische kognitive Leistungsdisposition gesehen , die funktional bestimmt ist und sich lediglich auf bestimmte Klassen von Situationen bezieht.
Um sich beispielsweise in Hinblick auf literarische Kompetenz weiterentwickeln zu können und sogar irgendwann einmal ein Experte zu werden, ist ein langfristiger Lernprozess notwendig, in welchem kontextspezifische Kenntnisse, Fähigkeiten und Routinen erlernt werden, die dann für die entwickelte bereichsspezifische Kompetenz wichtiger sind, als die zugrunde liegenden generellen kognitiven Fähigkeiten.23
3. The Competence-Performance Model (Kompetenz in AbgrenzungzuPerformanz)
Die sehr einflussreiche linguistische Konzeption von Kompetenz als Gegenstück zur Performanz geht zurück auf Noam Chomsky.
Im Rahmen seiner Transformationsgrammatik bezeichnet linguistische Kompetenz das unbewusste Wissenjedes Individuums über seine Sprache, also die universelle Fähigkeit seine Muttersprache zu erlernen. In Abgrenzung dazu wird die Anwendung dieser Fähigkeit, also das Produzieren und Verstehen grammatikalisch richtiger Sätze, als Performanz bezeichnet.
Nachfolgend wurde Chomskys Modell, das von Weinert auch besonders aufgrund seiner mangelnden Übertragbarkeit auf andere Bereiche kritisiert wird, von zahlreichen Disziplinen übernommen und weiterentwickelt bzw. abgewandelt und spielte eine besondere Rolle in der Psycholinguistik und der kognitiven Entwicklungspsychologie. Durch diese Weiterentwicklung hat sich natürlich auch das Begriffsverständnis von Kompetenz verändert. Es wurde nachfolgend nicht mehr nur auf Linguistik angewendet, damit verallgemeinert und dient in der modernen Entwicklungspsychologie dazu, die individuelle Entwicklung bereichsspezifischen Wissens zu beschreiben.24
4. Modifications of the Competence-Performance Model (Modifizierungen des Kompetenz- Performanz Modells)
Die unter diesem Punkt zusammengefassten Modifizierungen des Kompetenz-Performanz Modells bilden eigentlich keine eigene Begriffsbestimmung, sondern stellen die bereits angesprochenen Weiterentwicklungen und Übertragungen von Chomskys Modell dar.
Die in Weinerts Aufsatz kurz skizzierten Modelle von Overton sowie Greeno, Riley und Gelman sind Beispiele für eine entwicklungspsychologische Perspektive, die aufgrund ihrer Konzentration auf kognitive Aspekte in der Psychologie kritisiert werden.25
5. Cognitive Competencies and Motivational Action Tendencies (Kognitive Kompetenz und motivationale Handlungsbereitschaft)
Dieses ebenfalls psychologische Konzept geht davon aus, dass zum kompetenten Handeln, sprich zur Bewältigung anspruchsvoller, kognitiver Aufgaben, der Motivation eine besondere Bedeutung zukommt. Der motivationale Aspekt wird hierbei als Voraussetzung für das Handeln gesehen. Essentiell für das erfolgreiche Bewältigen von Aufgaben ist demnach das Selbstkonzept eines Individuums und damit seine Selbstwirksamkeitserwartung.26
6. Objective and Subjective Competence Concepts (objektive und subjektive Kompetenzkonzepte) Auch hier handelt es sich nicht um eine eigenständige Begriffsbestimmung, sondern lediglich um eine Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Kompetenz , die analog zur generellen Unterscheidung von Kompetenzen anhand von kognitiven und motivationalen Aspekten vorgenommen wird. Als objektive Kompetenz werden dabei jene Leistungen und Leistungsdispositionen bezeichnet, die standardisiert gemessen werden können, wohingegen subjektive Kompetenz die Selbsteinschätzung leistungsrelevanter Fähigkeiten und Fertigkeiten meint, die zur Aufgabenbewältigung und Problemlösung notwendig sind.27
7. Action Competence (Handlungskompetenz)
Im Gegensatz zu den vorherigen Kompetenzkonzepten, welche sich jeweils auf entweder kognitive oder motivationale Aspekte konzentrierten, umfasst das Konzept der Handlungskompetenz alle diese und weitere Bereiche, die notwendig sind, um erfolgreich zu lernen oder zu handeln.
Die meisten Handlungskompetenzmodelle beinhalten Problemlösefähigkeit, die Fähigkeit zum kritischen Denken, allgemeines und bereichsspezifisches Wissen, ein realistisches und positives Selbstbild sowie soziale Kompetenzen.
Das Konzept der Handlungskompetenz verbindet also intellektuelle Fähigkeiten, Fachwissen, Strategien und Routinen, motivationale und volitionale Haltungen, persönliche Werthaltungen und soziale Verhaltensweisen in einem komplexen System miteinander. Dieses System wird durch das Individuum eingesetzt, um die ihm gestellten spezifischen beruflichen, sozialen und persönlichen Anforderungen zu bewältigen.28
Schlüsselkompetenz
Im Anschluss an die sieben Konzepte der Kompetenz versucht Weinert nun, dass oft ebenso vage beschriebene Konzept der Schlüsselkompetenz von diesen abzugrenzen.
Weinert weist auf ähnliche Schwierigkeiten bei der Definition von Schlüsselkompetenz hin, wie er diese auch schon beim Kompetenzbegriff aufgeführt hat und merkt auch an, dass es keine klare Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen der Kompetenz und der Schlüsselkompetenz gibt. Unter dem Begriff Schlüsselkompetenzen werden allgemein multifunktionale und fächerübergreifende Kompetenzen verstanden, die als Voraussetzung für die Bewältigung vielfältiger Aufgaben, das Handeln in unbekannten Situationen und das Erreichen unterschiedlichster Ziele gelten.
Das Beschreiben von Schlüsselkompetenzen ist gerade für die Bildungspolitik von Interesse, da hier die Aussicht besteht, die unüberschaubare Zahl von Kompetenzen, welche durch die Schule vermittelt werden sollen, auf eine limitierte Zahl von Schlüsselkompetenzen reduzieren zu können. Dabei besteht allerdings keineswegs Einigkeit darüber, welche Kompetenzen zum Kanon der Schlüsselkompetenzen zu zählen sind.
Vielfältig diskutierte Schlüsselkompetenzen sind etwa das Beherrschen der Muttersprache, basale mathematische Kenntnisse, Leseverstehen oder auch die Fähigkeit, kritisch zu urteilen sowie die Fähigkeit zur konstruktiven Selbstkritik. Im Umgang mit dem Begriff der Schlüsselkompetenzen treten verschiedene Schwierigkeiten auf, so etwa, dass sich die einzelnen als solche bestimmten Kompetenzen auf unterschiedlichen Ebenen befinden und oft einer empirischen Grundlage entbehren. Auch erfüllen sie die Hoffnung nicht, den Erwerb eines großen Umfangs von Weltwissen und verschiedenster bereichsspezifischer Kompetenzen, ersetzen zu können, denn für kompetentes Handeln sind nicht nur Schlüsselqualifikationen wie Medienkompetenz und Lernen lernen notwendig. Wie die Kognitionspsychologie überzeugend dargestellt hat, sind bereichsspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten entscheidend für die Lösung komplexer Anforderungen und können nicht vollständig durch Schlüsselkompetenzen ersetzt werden.29
Metakompetenz
Obwohl die Metakompetenzen oft unter dem Konzept der Schlüsselkompetenzen zusammengefasst werden, plädiert Weinert für eine klare Abgrenzung der Konzepte.
Metakompetenz meint nach Weinert die Fähigkeit, sich ein Urteil über die Verfügbarkeit, den Gebrauch und den Erwerb individueller Kompetenzen zu machen.
Es handelt sich also um eine metakognitive Fähigkeit, bei der es darum geht, sich selbst reflektiert zu betrachten, was einschließt, dass man sich der Reichweite und Grenzen seines eigenen Wissens, seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten bewusst ist. Metakompetenzen meinen also das Wissen um die eigenen Ressourcen und ihrer effektiven Nutzung in Anbetracht einer Aufgabenstellung.30
Weinert macht neben den bereits genannten auf eine Vielzahl weiterer Schwierigkeiten bei der Konzeptionalisierung von Kompetenz aufmerksam. So müsste sich für eine Auswahl wichtiger Aspekte der genannten Kompetenzbeschreibungen entschieden werden, was angesichts mangelnder empirischer Beschreibbarkeit schwierig ist. Die zahlreichen Leerstellen führen dazu, dass Weinert 2001 zu dem Schluss kommt, dass es einem überzeugendem Konzept der Kompetenz noch an wissenschaftlicher Basis fehlt, weshalb auch er nur einzelne Definitionsansätze vorstellen , jedoch selbst keine abschließende Definition des Begriffes der Kompetenz leisten kann.31 In seinem Bericht für die OECD sieht er ähnliche Schwierigkeiten, kann sich hier aber noch in Bezug auf Schule für ein Konzept entscheiden.
Weinert empfiehlt für den schulischen Kontext das zweite Konzept der Kompetenz, also die Auffassung von Kompetenz als spezialisierte kognitive Kompetenz.
Dies bedeutet, dass das Konzept kognitiver Kompetenz auf verfügbare oder erlernbare Kenntnisse und Fähigkeiten und den dazugehörigen metakognitiven Fähigkeiten reduziert wird. Dies ermöglicht die Vergleichbarkeit und damit Überprüfbarkeit von Kompetenz. Ein solches wissensbasiertes Kompetenzkonzept kann zudem in einer Vielzahl von unterschiedlichen Leistungsanforderungen im täglichen Leben, der Schule und dem Beruf Anwendung finden. Ein großer Nachteil ist allerdings, dass dieses Konzept durch die intellektuellen Fähigkeiten des Individuums stark beeinflusst ist, weil diese bestimmen, in welchem Maße das Individuum in der Lage ist, neue Kenntnisse , Fähigkeiten und Routinen zu erlernen.32
Auch wenn Weinert in seinem Aufsatz von 2001 beklagt, dass eine Definition von Kompetenz nicht hinreichend möglich ist, stellt er im gleichen Jahr selbst eine Definition auf, die nachfolgend als das Referenzzitat in der bildungspolitischen Debatte sehr wirkmächtig wurde und zusammen mit seiner Empfehlung von 1999 die Grundlage für nachfolgende bildungspolitische und didaktische Überlegungen darstellt. Hat sich Weinert 1999 noch ausschließlich auf die kognitiven Aspekte des Begriffs konzentriert, spielen sie in dem oben genannten Referenzzitat zwar immer noch eine entscheidende Rolle , jedoch wird der Begriff der Kompetenz durch die Hinzunahme von motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten als wichtige Teilaspekte der Kompetenz bereichert.33 Hiermit folgt Weinert seinen Überlegungen, die er bereits in seinem Aufsatz von 2001 ansatzweise formuliert hat.
Darüber hinaus benennt Weinert im Anschluss an seine Kompetenzdefinition drei Kompetenzen, deren Ausbildung er als maßgeblich für das Lernen in Schule und Unterricht betrachtet:34
1. fachliche Kompetenzen (z.B. physikalischer, fremdsprachlicher, musikalischer Art) ,
2. fachübergreifende Kompetenzen (z.B. Problemlosen, Teamfähigkeit) ,
3. Handlungskompetenzen.
Unter dem Begriff fachliche Kompetenzen sind augenscheinlich bereichsspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten für das jeweilige Fach zu verstehen. Diese fachspezifischen Kompetenzen werden durch fachübergreifende Kompetenzen ergänzt. Einen weiteren Bereich bilden schließlich die Handlungskompetenzen. Unter diesen fasst Weinert neben kognitiven Kompetenzen auch soziale, motivationale, volitionale und moralische Kompetenzen zusammen. Diese Handlungskompetenzen befähigen das Individuum dazu, die vorhandenen oder erlernten Kenntnisse und Fertigkeiten in verschiedenen Anforderungssituationen erfolgreich und verantwortlich zu nutzen.35 Das heißt also, dass kompetentes Handeln im Sinne von Handlungskompetenz neben den genannten Bereitschaften vor allem ausgebaute Kenntnisse und Fertigkeiten, damit also Sach- und Handlungswissen, voraussetzt.36
Gerade die Beschreibung der Handlungskompetenzen lässt kaum Unterschiede zu Weinerts allgemeiner Kompetenzdefinition erkennen, was die Frage aufwirft, ob Kompetenz nach Weinert mit Handlungskompetenz gleichzusetzen ist.
Ein wesentlicher, jedoch leicht zu überlesender Unterschied zwischen beiden Definitionen , ist die Betonung von Kenntnissen und Fertigkeiten als Voraussetzung von Handlungskompetenz, wohingegen die allgemeine Kompetenzdefinition von kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten spricht. Die Frage ist nun, ob Weinert das Vorhandensein von Kenntnissen voraussetzt, wenn er Kompetenz als kognitive Fähigkeit und Fertigkeit zum Losen bestimmter Probleme definiert.
Für den schulischen Kontext hat Weinert noch in seinem OECD-Gutachten von 1999 vorrangig den Begriff der Kompetenz als spezialisierte kognitive Fähigkeiten empfohlen und diesen von der Handlungskompetenz abgegrenzt.37 In späteren Arbeiten gewannen, wie dargestellt, die emotionalen, sozialen und volitionalen Bereitschaften als weitere Bestandteilw von Kompetenz an Bedeutung.38
Die daraus entstandene Begriffsbestimmung von Kompetenz bildet die eingangs dargestellte Basisdefinition, auf die sich Weinert nachfolgend unter anderem Klieme beruft.
Gleichzeitig plädiert Weinert aber 2001 bezüglich der durch Schule zu vermittelnden Kompetenzen dafür, die drei oben dargestellten Bereiche fachliche Kompetenzen, fachübergreifende Kompetenzen und Handlungskompetenzen zu unterscheiden und zu entwickeln.
Diese seien gleichrangig und ohne Prioritätssetzungen zu betrachten, womit er wohl der Ablehnung einzelner Bereiche, wie etwa den Fachkenntnissen zugunsten vermeintlich übergeordneter Kompetenzbereiche entgegenwirken möchte.39 Fraglich ist nun, ob man die drei unterschiedenen Bereiche nicht doch als eine Art Stufenfolge betrachten kann, womit dann fachliche Kompetenzen, also bereichsspezifische Kenntnisse, Fähigkeiten und Routinen, die Basis für den Aufbau fachübergreifender Kompetenzen bilden, welche dann zusammen mit den personalen Bereitschaften erst Handlungskompetenzen ermöglichen.
In jedem Fall sollte deutlich geworden sein , dass Weinerts Kompetenzkonzept auf kognitiven Aspekten fußt, zu denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Routinen gehören.
Dies lässt den Schluss zu, dass den Kenntnissen beim Kompetenzerwerb eine Bedeutung zukommt, auch wenn sie nicht injeder Definition explizit genannt werden. Welchen Stellenwert sie besitzen und in welcher Beziehung sie zu den anderen beiden Aspekten , also den Fähigkeiten und Routinen , stehen, soll im Laufe der Arbeit geklärt werden.
2.1.2. Kompetenzanforderungen als Konkretisierung von Bildungszielen
Die Annahmen der Expertenkommission um Klieme zum Kompetenzbegriff fußen auf der dargestellten Kompetenzkonzeption von Weinert. Die so genannte Klieme-Expertise40 hat es sich zur Aufgabe gemacht, Bildungsstandards fachlich zu klären und in einen Gesamtkontext einzubetten. Damit sollten verbindliche Anforderungen an das Lehren und Lernen in der Schule formuliert werden, um so die Qualität schulischer Arbeit zu sichern und zu steigern.
Zentrales Instrument ist die Konkretisierung zentraler allgemeiner Bildungsziele durch die Festlegung von Kompetenzen. Dies soll Schulen zum einen dabei helfen , sich an verbindlichen Zielen zu orientieren, und zum anderen die Möglichkeit einer Evaluation gewährleisten, denn Bildungsstandards legen fest, welches Kompetenzniveau zu einer bestimmten Zeit, etwa dem Mittleren Schulabschluss , erreicht sein sollte.41
Jedoch soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, dass es vor der Klieme-Expertise keine Standards für Bildung gab. So wurden in Deutschland auch schon in den 1990-ern outputorientierte Regelstandards entwickelt. Für den mittleren Schulabschluss wurden 1995 sogar bereits Standards für den Mittleren Schulabschluss in den Fächern Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache durch die Kultusministerkonferenz verabschiedet, welche allerdings in der Beschreibung des Anspruchsniveaus noch nicht primär Aspekten der Leistungserfassung dienen sollten und noch sehr vage formuliert waren.42
Im Jahr 1997 beschloss die KMK dann in den so genannten Konstanzer Beschlüssen das deutsche Schulsystem fortan länderübergreifend und in regelmäßigen Abständen wissenschaftlich untersuchen zu lassen , mit dem Ziel der internationalen Vergleichbarkeit, woraus dann die Teilnahme an zahlreichen nationalen und internationalen Vergleichsstudien zum Lern- und Leistungsstand der Schüler resultierte.43 Die vorher beschlossenen Standards wurden dann gänzlich durch Beschlüsse in Folge der Klieme-Expertise ersetzt.44
Anlass für das neue große Interesse an der Festlegung nationaler Bildungsstandards waren die Ergebnisse bei internationalen Vergleichsstudien wie TIMSS45 und PISA46 sowie die sich daran anschließende breite öffentliche Diskussion in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft. Das unerwartet schlechte Abschneiden der deutschen Schüler im Vergleich zu Schülern anderer Nationen, die starken regionalen Unterschiede innerhalb Deutschlands und die starke Abhängigkeit der Schulleistungen von sozialen und familiären Faktoren waren der Anstoß für die Bildungspolitik, umfangreiche Reformen des deutschen Bildungssystems einzuleiten. Ziel war es nun noch stärker, von der so genannten Inputsteuerung, die als gescheitert betrachtet wurde, zur konträren Outputorientierung zu gelangen.47 Outputorientierung meint dabei die systematische Überprüfung der Lernergebnisse der Schüler, damit der Bildungserträge, zu denen Kompetenzen, Wissensstrukturen oder auch Werthaltungen zu zählen sind.48
Um diesen Output messen zu können, mussten mit den Bildungsstandards verbindliche Ziele in Form von erwünschten Lernergebnissen der Schüler festgelegt werden.
Dazu wurden allgemeine Bildungsziele aufgegriffen. Diese recht vagen Beschreibungen von Wissensinhalten, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie auch Einstellungen, Werthaltungen und Interessen, welche durch Schule vermittelt werden sollen, werden nach Klieme im Rahmen der Festlegung von nationalen Bildungsstandards durch Kompetenzanforderungen konkretisiert. Damit wird festgelegt, welche Kompetenzen aufgebaut sein müssen, um wichtige schulische Ziele als erfüllt bezeichnen zu können. Die einzelnen Teilaspekte , Niveaustufen49 und Entwicklungsverläufe sollen in Kompetenzmodellen dargestellt werden. Zu Grunde liegt hier, wie bereits angedeutet, Weinerts Kompetenzkonzeption, wonach Kompetenzen die verfügbaren oder erlernbaren kognitiven Problemlösefähigkeiten und -fertigkeiten, sowie die damit verbundenen Bereitschaften auf motivationaler, volitionaler und sozialer Ebene, diese in unterschiedlichen Situationen verantwortungsvoll und erfolgreich einsetzen zu können, meint.50
Setzt man nun beispielsweise kommunikative Handlungsfähigkeit in einer Fremdsprache als Bildungsziel fest, würde die entsprechende Kompetenz ausdrücken, wie gut kommunikative Situationen in dieser Fremdsprache bewältigt werden , wie gut fremdsprachliche Texte verstanden und verfasst werden können, sowie etwa auch die Bereitschaft, sich mit der fremden Sprache und Kultur auseinander zu setzen. Deutlich wird an diesem Beispiel, dass für jeden Lernbereich , auch Domäne genannt, notwendige Teildimensionen, also Teilkompetenzen definiert werden müssen. Trotz der Fokussierung auf kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten sind hier in vielen Bereichen, wie etwa am Beispiel der Fremdsprachenkompetenz deutlich wurde, auch die besagten Bereitschaften von großer Bedeutung. Klieme hebt hervor, dass es gerade bei der Kompetenzbeschreibung nicht um Listen von Lerninhalten geht, sondern um Grunddimensionen der Lernentwicklung in einem Gegenstandsbereich, um zu bewältigende Handlungsanforderungen.51
Auch wenn vernetzte, fachübergreifende Kompetenzen durchaus ein Ziel seien, müsse Kompetenzerwerb beim Aufbau fachspezifischen Wissens beginnen. Neben der Identifizierung von Teilkompetenzen innerhalb einer Domäne bedarf es bei der Kompetenzbeschreibung der Einteilung von Niveaustufen für jede Teilkompetenz. Mit Festlegung der einzelnen Niveaustufen werden die Qualität kognitiver Prozesse und Handlungen beschrieben, die Schüler, welche sich auf diesem Kompetenzniveau befinden, bewältigen können, nicht aber Schüler, die sich auf einer unteren Stufe befinden. Psychologie , Pädagogik und vor allem die Fachdidaktiken sind gefordert, die Kompetenzniveaus festzulegen, so dass sie empirisch mit Hilfe von Testverfahren zu überprüfen sind. Neben Aussagen über die Dimensionen und Stufen von Kompetenzen sollten Kompetenzmodelle auch angeben, in welchen Kontexten, Altersstufen und unter welchen weiteren beeinflussenden Faktoren die Kompetenzentwicklung stattfindet.52
Klieme empfiehlt, wie bereits erwähnt, die Beschreibung von Kompetenzen mit Hilfe von Kompetenzmodellen , die den bereits herausgestellten Kompetenzbegriff von Weinert zu Grunde legen. Im Vordergrund stehen hierbei kognitive Merkmale, was auch der notwendigen Operationalisierbarkeit geschuldet ist. Diese werden allerdings um emotionale Bereitschaften ergänzt. Es geht konkret um die Leistungsfähigkeit in einem speziellen Fachbereich, einer bestimmten Domäne. Kompetenz wird dabei als Disposition verstanden, die ein Individium zur Problemlösung in spezifischen Anforderungssituationen befähigt. Mit Verweis auf Weinert stellt Klieme sieben verschiedene Aspekte53 heraus , die die Ausprägung der jeweiligen Kompetenz bestimmen. Diese sind
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
wodurch deutlich wird , dass Kompetenz über akkumuliertes Wissen hinausgeht, jedoch durchaus Fachwissen, also bereichsspezifische Kenntnisse als wichtigen Bestandteil beinhaltet.
Klieme sieht Kompetenz als die Verbindung zwischen Wissen und Können, als Fähigkeit zum Bewältigen von Anforderungen, weshalb sich Kompetenzmodelle auf konkrete Anforderungssituationen beziehen müssen. Sie sollten Teilbereiche benennen und dafür wissenschaftlich begründete und empirisch überprüfbare Niveaustufen festlegen. Zudem sollten die genannten sieben Facetten bzw. Aspekte der individuellen Ausprägung von Kompetenz berücksichtigt werden. Kompetenz meint dann
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Klieme betont die Bereichsspezifik von Kompetenzen, was in der Bedeutung der fachbezogenen Fähigkeiten und Kenntnisse begründet liegt. Auch wenn immer wieder der Aufbau von fachübergreifenden Schlüsselqualifikationen, von Sozial-, Methoden- und Personalkompetenz, gefordert wird, so sei doch ein starker fachlicher Bezug von Kompetenz notwendig. Entwickelte fachbezogene Kompetenzen seien gar die Voraussetzung für die Entwicklung fächerübergreifender Kompetenzen. So müssen auch die einzelnen Kompetenzmodelle mit Teilkompetenzen und Kompetenzniveaus in den einzelnen Fachbereichen durch die entsprechenden Fachdidaktiken entwickelt werden.54
Auch wenn die Klieme-Expertise im ersten Moment recht überzeugend klingt und sie Grundlage für viele weiterführende Überlegungen war, ist sie und vor allem aber auch die daran anschließenden Beschlüsse zu den Bildungsstandards einzelner Fächer deutlicher Kritik ausgesetzt, die an dieser Stelle ansatzweise, aber nicht in aller Ausführlichkeit dargestellt werden soll.
So erinnern besonders die frühen Beschlüsse der KMK zu den Bildungsstandards in den Fächern Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache aus dem Jahr 2003 durch die Konzentration auf kognitive Fähigkeiten eher an eine Formulierung von kognitiven Leistungsstandards als an eine umfassende Formulierung von Bildungsstandards mit einer konkreten Ausweisung weiterer Kompetenzen. Zudem wird die Umsetzung in den einzelnen Fächern stark kritisiert, da diese oft nicht mit der Theorie der Klieme-Expertise übereinstimme. Eine Unterteilung in Kompetenzniveaus sei nicht vorhanden oder unzureichend und lediglich intuitiv begründet, was vor allem in der mangelnden Erforschung der Kompetenzentwicklung, also in fehlender wissenschaftlicher Fundierung, begründet liegt.
Durch die Bildungshoheit der Länder wird außerdem der Anspruch nationaler Standards nur unzureichend erfüllt, da sich einige Bundesländer stärker engagieren, die Rahmenanforderungen zu erfüllen, als andere. Auch seien die Standards auf Grund fehlender Präzision und Konzentration auf wesentliche Inhalte nur schwer zu unterrichten. Böttcher stellt Klarheit und Knappheit als die grundlegenden Qualitäten für Standards heraus, damit diese Unterricht positiv beeinflussen. Hierbei meint Klarheit, dass Transparenz bezüglichen dessen, was genau gelernt werden soll , herrschen muss, wohingegen Knappheit die notwendige Konzentration auf die essentiellen Inhalte formuliert. Zu umfassende Auflistungen von Lerninhalten lassen wiederum nicht erkennen, was gelernt werden soll. Ob die Bildungsstandards und die daraus resultierenden Curricula Böttchers Forderung nach Klarheit und Knappheit entsprechen, ist fraglich.55
2.1.3. Kompetenzmodelle für das Fach Deutsch
2.1.З.1. Kompetenzen im Fach Deutsch im Rahmen der von der KMK beschlossenen Bildungsstandards
Unmittelbar im Anschluss an die Klieme-Expertise und ihrer Empfehlung zur Konzeption von Bildungsstandards wurden bereits im Dezember 2003 von den Kultusministern der Länder Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Mittleren Schulabschluss beschlossen, die der Qualitätsentwicklung von Schule dienen sollen.56
Knapp ein Jahr später, im Oktober 2004, folgten dann bereits die Bildungsstandards für den Primarbereich Deutsch und die Bildungsstandards für die 9. Klasse Hauptschule Deutsch57.51 Die zeitnahe Veröffentlichung dieser Standards infolge der Klieme-Expertise ist für Kritiker einer der Hauptgründe , die Umsetzung der Forderungen Kliemes zu bemängeln. So sei es wohl vor allem dem Zeitdruck geschuldet, dass die Bildungsstandards im Allgemeinen recht vage formuliert sind und überdies nicht die Anforderungen der Expertise an gute Bildungsstandards erfüllen.58 Der Beschluss der KMK zu den Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Mittleren Schulabschluss ist in vier Punkte untergliedert.59
Im ersten Punkt wird der Versuch unternommen , den Beitrag des Faches Deutsch zur Bildung näher zu beschreiben.
Der erste Eindruck dieses Abschnittes suggeriert eine komprimierte knappe Darstellung, welche jedoch auf den zweiten Blick und trotz wiederholten Lesens wenig zugänglich wirkt. So sei das Fach Deutsch von grundlegender Bedeutung für die schulische Bildung und die Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, da es unter anderem dazu dient, mündliche und schriftliche Kommunikations- und Darstellungsfähigkeiten zu vermitteln. Des weiteren werden der Beitrag des Faches zur Allgemeinbildung , zur Persönlichkeitsentwicklung und seine Hilfsfunktion für andere Bereiche der schulischen Ausbildung herausgestellt, jedoch handelt es sich dabei weder um die Darlegung allgemeiner übergeordneter Bildungsziele, noch werden daraus ableitbare Fachziele ersichtlich. Zudem lassen sich der fehlende Lebensweltbezug und der unpersönliche sprachliche Duktus kritisieren, wodurch eine Schülerorientierung nicht zu erkennen ist.60 Im zweiten Punkt werden dann die einzelnen Kompetenzbereiche im Fach Deutsch dargestellt.
Die Strukturierung und Benennung der Inhalte bzw. Kompetenzbereiche ist angelehnt an die Standards für den Mittleren Schulabschluss in den Fächern Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache von 1995, allerdings ergänzt um den Bereich des Zuhörens.
Während der Beschluss von 1995 lediglich zum Ziel hatte , Standards zu finden , die in den einzelnen fachlichen Schwerpunkten untergliedert und so allgemein beschrieben sind, dass den Ländern die eigene fachliche Schwerpunktsetzung überlassen wurde,61 verfolgt der Ansatz des Beschlusses zu den Bildungsstandards im Fach Deutsch von 2003 ein anderes Ziel.
Mit der Klieme-Expertise im Hinterkopf müsste es nun vielmehr um die Identifikation von Kompetenzen gehen, die von grundlegender fachlicher aber auch fächerübergreifender Bedeutung sind. Folgende schematische Darstellung zeigt den Vorschlag der KMK zu den einzelnen
Kompetenzberei chen :62
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Die KMK schlägt also in Anlehnung an den Beschluss von 1995 vier Kompetenzbereiche vor, wobei explizit darauf hingewiesen wird, dass der Kompetenzbereich Sprache und Sprachgebrauch untersuchen in Beziehung zu jedem der anderen drei Kompetenzbereiche steht, was die übergeordnete Rolle dieses Bereiches in der schematischen Darstellung erklärt.
Dabei ist allerdings fraglich, ob die anderen Kompetenzbereiche nicht auch in Verbindung mit den jeweils anderen Bereichen stehen und somit eine entscheidende Rolle für den Kompetenzerwerb in anderen Disziplinen spielen.
Die Formulierungen der KMK , die diese Erläuterungen explizit mit Kompetenzbereiche im Fach Deutsch überschreiben und die dargestellte Übersicht als ein 'Grundmodell' bezeichnen, erweckt den Eindruck, dass es sich bei dieser schematischen Darstellung um ein übergeordnetes Kompetenzmodell für das Fach Deutsch handeln soll. Dem ist allerdings nicht so und ferner ist fraglich, ob die unterschiedenen Bereiche mit Recht als Kompetenzbereiche betitelt werden.
Diese Darstellung der so genannten Kompetenzbereiche beschreibt keine anforderungsspezifischen Leistungsdispositionen, ist insgesamt zu unpräzise und die Differenzierung in Kompetenzniveaus fehlt an dieser Stelle völlig, obwohl dies neben der Unterteilung in Teilbereiche nach Klieme wesentlicher Bestandteil eines Kompetenzmodells wäre.
Es wäre sinnvoller, bei dieser Einteilung in die vier Aspekte des Faches Deutsch von Lernbereichen zu sprechen , statt von Kompetenzbereichen , da ja eine Identifizierung von Kompetenzen erst in einem nächsten Schritt erfolgen kann, etwa wenn im Bereich Lesen- mit Texten und Medien umgehen von den Teildimensionen Lesekompetenz, literarische Kompetenz oder etwa Medienkompetenz die Rede wäre.
Helmke kritisiert des weiteren, dass die vier von der KMK unterschiedenen Bereiche nicht klar voneinander abzugrenzen sind und sich an vielen Stellen überschneiden, ihre Beschreibungen nicht präzise formuliert sind und sie zudem konstruiert wirken.63
Im dritten Gliederungspunkt des Beschlusses formuliert die KMK Standards Jur die Kompetenzbereiche im Fach Deutsch.
Diese Standards werden laut KMK bewusst als Regelstandards formuliert und nicht als die von Klieme geforderten Mindeststandards , weil letztere validierter Kompetenzmodelle bedürfen, die noch nicht erarbeitet sind.
Die Regelstandards stützen sich auf Erfahrungen aus der Praxis und streben ein mittleres Anforderungsniveau an. Sie stellen einen Zwischenschritt auf dem Weg zu Mindeststandards dar und haben so einen deutlich provisorischen Charakter.64 Die KMK unterscheidet nun für jeden der vier Kompetenzbereiche anscheinend Teildimensionen , ohne allerdings Kriterien für die Einteilung in diese Teildimensionen darzulegen.
Bevor nun intensiver auf den Bereich Lesen - mit Texten und Medien umgehen eingegangen werden wird , der ja für meine Arbeit maßgeblich ist, sei allgemein angemerkt, dass es an dieser Stelle sinnvoller wäre, von bereichsspezifischen Kompetenzen und Kompetenzmodellen zu sprechen, die als Teilkompetenzen dem jeweiligen Lernbereich untergeordnet wären , um aus diesen Kompetenzmodellen dann Standards abzuleiten.
Stattdessen werden, wenn man sich nun den Bereich Lesen - mit Texten und Medien umgehen genauer anschaut, Teildimensionen unterschieden, unter denen dann so genannte Standards gruppiert werden. Doch schon allein die Unterscheidung in die einzelnen Teildimensionen wurde nicht präzise vollzogen. So ist durch ihre Formatierung, ihre durchgängige fettgedruckte Abhebung, nicht klar erkennbar, ob die KMK einigen Teildimensionen weitere Teildimensionen unterstellt und welche dies sein sollen oder ob alle Teildimensionen gleichrangig nebeneinander stehen.
So findet sich beispielsweise unter dem Kompetenzbereich Lesen - mit Texten und Medien umgehen die Teildimension Texte verstehen und nutzen. Dieser Teildimension untergeordnet scheinen die drei weiteren Teildimensionen literarische Texte verstehen und nutzen, Sach- und Gebrauchstexte verstehen und nutzen sowie Medien verstehen und nutzen. Fraglich ist allerdings , ob der anscheinend auf gleicher Ebene unterschiedene Punkt Strategien zum Leseverstehen kennen und anwenden eine abgegrenzte oder übergeordnete Teildimension darstellt und wie mit dem vorangestellten einzelnen Punkt verschiedene Lesetechniken beherrschen umzugehen ist.65 Für meine Arbeit ist vor allem die Teildimension Texte verstehen und nutzen und hier besonders die wohl untergeordnete Teildimension literarische Texte verstehen und nutzen von Bedeutung , da es mir im weiteren um die Funktion von Kenntnissen beim Aufbau literarischer Kompetenz gehen soll.
Trotz der Fokussierung auf Lesekompetenz in der Folge von PISA wird hier dem Bereich literarische Texte verstehen und nutzen und somit wohl der Entwicklung literarischer Kompetenz durch die KMK augenscheinlich eine gleichberechtigte Stellung eingeräumt, wodurch sich auch der Ansatz meiner Arbeit legitimieren lässt.
Folgende so genannte Standards wurden nun unter der Teildimension literarische Texte verstehen und nutzen von der KMK genannt:66
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Befasst man sich mit diesen oben aufgeführten Standards genauer, fallen mehrere Aspekte auf.
Zum einen scheinen sie etwas über die Funktion von Kenntnissen beim Erwerb literarischer Kompetenz auszusagen, wenn man die Verben, die zur Beschreibung der Standards benutzt wurden betrachtet. So werden einerseits durch die KMK an einigen Stellen explizit Kenntnisse als Standards formuliert, wenn es beispielsweise heißt, die Schüler sollen wesentliche Fachbegriffe zur Erschließung von Literatur kennen bzw. ein Spektrum von , dem jeweiligen Alter entsprechend , Werken wichtiger Autoren kennen. Beides, aber vor allem letzteres, dient natürlich der Allgemeinbildung und kann darüber hinaus auch zur Vernetzung von Wissen und somit zum kompetenten Handeln beitragen.
Auch die anderen geforderten Standards scheinen zumindest implizit das Vorhandensein von Kenntnissen vorauszusetzen, wenn es zum Beispiel heißt, dass die Schüler wesentliche Elemente eines Textes erfassen können sollen. Hierfür muss jeder Schüler natürlich Kenntnisse darüber haben, was überhaupt wesentliche Elemente eines Textes sind. Wenn die Schüler am Ende der Jahrgangsstufe 10 epische , lyrische und dramatische Texte unterscheiden können sollen , setzt dies ebenfalls voraus , dass sie über wesentliche Kenntnisse der einzelnen Gattungen und beispielsweise der einzelnen Genres verfügen. Als ein Beispiel wird hier unter anderem auch die Kurzgeschichte genannt, die im zweiten Teil meiner Arbeitja wesentlicher Bestandteil der Untersuchung sein wird. Die KMK sieht Kenntnisse also anscheinend als notwendigen Bestandteil der von ihr genannten Standards. Diese werden entweder explizit genannt oder implizit als eine Art Grundlage vorausgesetzt.
An dieser Stelle sei außerdem auch auf die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Deutsch hingewiesen. Hier wird eine „Kenntnis der deutschsprachigen Literatur, ihrer Gattungen und Epochen sowie ihrer Einbettung in den historischen Kontext“67 als eine der Kernanforderungen im Fach Deutsch benannt. Diese Kenntnisse sind nach dem Verständnis der KMK Teil einer fundierten und breit angelegten Grundbildung, die als Orientierungswissen dient. Mit dem Orientierungswissen , welches neben Kenntnissen auch Fähigkeiten und Fertigkeiten umfasst, seien ästhetische, geistesgeschichtliche und historische Einsichten in Sprache und Literatur sowie fundierte Urteile möglich.68
Zu beachten ist allerdings, dass die Kenntnis von Fachbegriffen noch keine domänenspezifische Kompetenzdimension darstellt. Wie Winkler feststellt, führt die Kenntnis und lokale Anwendung von Fachbegriffen auf einen konkreten Text nicht unbedingt zu einem vertieftem literarischen Verstehen. Ziel kann es nicht sein, isolierte Kenntnis von Fachbegriffen zu vermitteln. Stattdessen müssen fachliche Kenntnisse in übergeordnete Schemata und Strukturen eingebettet sein.
Sie müssen außerdem mit konkreten Verwendungszusammenhängen verbunden sein. Erst auf diese Weise können literarische Kenntnisse flexibel und vernetzt aufgebaut werden.69 Die dargestellte Hervorhebung der Bedeutung von Kenntnissen für die Teildimension literarische Texte verstehen und nutzen, scheint meiner Arbeit recht dienlich zu sein. Solchen Auflistungen muss allerdings auch konstatiert werden, dass sie nicht wirklich zielführend im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung sind.
Wie Helmke mit Verweis auf die Bildungsstandards feststellt, handelt es sich dabei eher um Formulierungen aus den altbekannten Lernzielkatalogen als um die Beschreibung von Kompetenzen in Kompetenzmodellen und die daraus abzuleitenden Bildungsstandards.
So seien die so genannten Standards zu unpräzise und trotz ihres hohen Umfangs inhaltlich nicht ausreichend und somit als verbindlich festgeschriebene kompetenzbasierte Vorgaben unbrauchbar.70 Auch wird durch die aneinander gereihte Aufzählung von Lernzielen nicht gewährleistet, dass mit den so genannten Standards zu entwickelnde Kernkompetenzen vorgegeben werden, die den dafür zuständigen Ländern den notwendigen Spielraum zur weiteren Entwicklung zukommen lassen. Abschließend muss, so bemerkt auch Helmke, den Standards das Fehlen ihrer Grundlage konstatiert werden, denn wenn Klieme betont, dass es wichtig sei, dass Standards auf Kompetenzmodellen basieren, welche in Teildimensionen und Kompetenzniveaus unterteilt dargestellt werden sollten, so lässt sich das Finden von vermeintlichen Teilkompetenzen, wie oben dargestellt, nur als unausgereift bewerten.
Die Darstellung von Kompetenzniveaus fehlt gänzlich, was allerdings der noch mangelnden fachdidaktischen und pädagogisch-psychologischen Erarbeitung geschuldet ist.71 Der vierte und somit letzte Gliederungspunkt der Bildungsstandards der KMK stellt exemplarisch kommentierte Aufgabenbeispiele für den schriftlichen und mündlichen Bereich vor, die als Konkretisierung der Standards zu sehen sind.
Hierfür werden im Vorfeld der einzelnen Beispiele drei Anforderungsbereiche dargestellt, die sich laut KMK an den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung orientieren und auf Erfahrungswerten gründen. Sie seien also als ein Orientierungsrahmen zu sehen, der angibt in welchem Rahmen sich die Leistungen von Schülern erfahrungsgemäß bewegen können.72 Sie sollen an dieser Stelle die Funktion der noch nicht näher bestimmten Niveaustufen erfüllen, sind allerdings nicht mit diesen zu verwechseln und haben einen ausdrücklich vorläufigen Charakter.73 Nach Helmke sind die von der KMK dargestellten Aufgabenbeispiele im Allgemeinen als durchaus angemessen und einigermaßen gelungen zu betrachten, auch wenn die oben aufgeführten Schwierigkeiten bezüglich der so genannten Standards und der unbefriedigenden Darstellung bereichsspezifischer Teilkompetenzen auch an dieser Stelle seine Spuren hinterlässt.74 Neben der Beseitigung oben bereits aufgeführter allgemeiner Mängel bezüglich der Konzeption der so genannten Standards bestehe nach Helmke unter anderem auch Verbesserungsbedarf in der Präzisierung und dem Ausbau der Aufgabenstellung sowie der Anpassung der Leistungserwartungen an diese.
Diese von der KMK im Dezember 2003 beschlossenen Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Mittleren Schulabschluss, die an vielen Stellen noch deutlich provisorischen Charakter besitzen, sollten nun , spätestens im Schuljahr 2004/2005 für alle Länder verbindlich , somit implementiert und im schulischen Alltag angewandt werden.75
Dies hat nun die paradoxe Situation zur Folge , dass Schule gegenwärtig Kompetenzen vermitteln soll, die nicht eindeutig beschrieben sind, um Standards zu erfüllen, die selbst den Autoren nach leider noch provisorisch sind und von denen fraglich ist, ob sie denn überhaupt als Standards im Sinne von Klieme zu verstehen sind.
Der so genannte Implementationsbrief zu den KMK-Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Mittleren Schulabschluss soll dabei helfen, diese neuen Standards im Rahmen von Schule anzuwenden und zwischen den verbindlichen KMK-Bildungsstandards und dem ebenfalls verbindlichen Rahmenlehrplan der einzelnen Länder zu vermitteln.
Trotz der Einschränkungen seitens der KMK und der Betonung des provisorischen Charakters erweckt dieser Implementationsbrief nun leider den Eindruck, als wären die Kompetenzen eindeutig definiert.76
Diese schwierige Situation, dass also gegenwärtig Kompetenzen unterrichtet und geprüft werden, die noch nicht beschrieben sind , kann lediglich durch die Erfüllung der Forderung der Klieme- Expertise nach Erarbeitung validierter, bereichsspezifischer Kompetenzmodelle durch die Fachdidaktiken gelöst werden.
Da für diese Arbeit natürlich vorrangig der Kompetenzbereich Lesen - mit Texten und Medien umgehen interessant ist, wird nachfolgend auf die diesbezüglichen Bemühungen zur Erarbeitung von Kompetenzmodellen eingegangen werden.
2.1.З.2. Das der PISA-Studie zugrunde liegende Lesekompetenzmodell
Eines der wirkungsmächtigsten Kompetenzmodelle , welches dem Kompetenzbereich Lesen- Mit Texten und Medien umgehen zugeordnet werden kann,77 stellt das Modell der Lesekompetenz im Rahmen der PISA-Studie dar. Obwohl es zeitlich vor der Klieme-Expertise mit PISA 2000 Anwendung fand, lassen sich hier bereits zahlreiche Anforderungen der Expertise an ein Kompetenzmodell als umgesetzt feststellen. So verweist Klieme auch im Zuge der Forderungen nach bereichsspezifischen Kompetenzmodellen auf die Modelle von TIMSS und PISA.78 PISA legt eine Vorstellung von Grundbildung zugrunde, die auch als Literacy bezeichnet wird und womit basale Fähigkeiten zur Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben gemeint sind, die als Voraussetzung für zukünftiges Lernen gelten.
Konzentriert wird sich dabei auf die drei bereichsspezifischen Kompetenzbereiche Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften, die durch bereichsübergreifende Kompetenzen, wie im Falle der Erhebung von 2003 das Problemlosen, ergänzt werden. Ziel der Untersuchung ist es , festzustellen, inwieweit die Schüler ihre Kompetenzen zur Bewältigung der oft alltags- und berufsbezogenen Aufgaben flexibel und situationsgerecht79 nutzen können.80 Im Nachfolgenden wird nun besonders der Bereich Lesekompetenz im Rahmen von PISA von Interesse sein, die auch als reading literacy bezeichnet wird.81
Lesen wird von PISA als kulturelle Schlüsselqualifikation verstanden, die zum einen die gesellschaftliche Partizipation und zum anderen zielgerichtete Wissensaneignung ermöglicht. Lesekompetenz wird von PISA vor allem unter dem Aspekt der Funktionalität für die Lebensbewältigung gesehen. So bedeutet Lesekompetenz im Sinne von reading literacy, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren. Dies mit dem Zweck, seine Ziele zu erreichen, sein Wissen und Potenzial zu befördern und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Wesentliche Formen des Lesens bestehen damit im Lesen zur Wissensaneignung und in gezieltem Informationslesen.
Um möglichst vielen denkbaren Lesesituationen gerecht zu werden, verfolgt PISA die Strategie einer sehr breiten Streuung in der Textauswahl. Lesesituationen lassen sich mit dem Zweck des Lesens und dem Inhalt näher bestimmen. So wäre etwa Lesen aus einem Bildungsinteresse von privatem Lesen zu unterscheiden. Dem Lesen aus allgemeinem Bildungsinteresse wären dabei Sachbuchtexte zugeordnet, wohingegen Gegenstand des privaten Lesens etwa Erzählungen darstellen. Des weiteren könnten noch Lesen zu öffentlichen Zwecken, also etwa von Dokumenten, und Lesen zur beruflichen Qualifikation, also etwa von Lehrbuchtexten unterschieden werden.
Aus dem Versuch diese verschiedenen Lesesituationen zu repräsentieren, erwuchs die Auswahl möglichst authentischer Texte aus den jeweiligen Bereichen , was die erwähnte breite Textauswahl und damit die unterschiedlichen Texttypen erklärt.82
So finden sich bei PISA jeweils verschiedene kontinuierliche und diskontinuierliche Texte. Mit kontinuierlichen Texten sind dabei fortlaufend geschriebene Textejeder Art gemeint, die sich in der Regel aus Sätzen zusammensetzen, welche wiederum zumeist in Absätzen organisiert sind. Diskontinuierliche Texte meinen dagegen Tabellen, Diagramme, Graphiken und ähnliches. Etwa zwei Drittel der Aufgaben beziehen sich auf kontinuierliche Texte , die nochmals in die Typen Erzählung, Darlegung, Beschreibung, Argumentation und Anweisung unterteilt werden.
Dabei entfallen auf die Textart Erzählung zwölf Prozent der Aufgaben des Lesekompetenztests.83 Diese zwölf Prozent sind insofern erwähnenswert, als dass die restlichen 88 Prozent der Testaufgaben damit auf Sachtexte oder aber diskontinuierliche Texte entfallen. Der Umgang mit literarischen Texten spielt also lediglich eine untergeordnete Rolle.
Die Dekodierung von Informationen wird im Rahmen der PISA-Studie vorausgesetzt und steht nicht im Mittelpunkt des Tests. Lesekompetenz im Sinne von PISA ist vielmehr
„die Fähigkeit, geschriebene Texte unterschiedlicher Art in ihren Aussagen, ihren Absichten und ihrer formalen Struktur zu verstehen und in einen größeren sinnstiftenden Zusammenhang einordnen zu können sowie in der Lage zu sein, Texte für verschiedene Zwecke sachgerecht zu nutzen.“84
Um die Lesekompetenz der Schüler zu testen, teilt PISA fünf Kompetenzstufen85 ein, wobei jede Kompetenzstufe durch typische Aufgabenmerkmale charakterisiert ist.
Mit Hilfe des Testergebnisses kann eine Person dann einer Kompetenzstufe zugeordnet werden, womit Aussagen über die Verstehenskompetenzen möglich sind. Deutlich wird spätestens bei dieser Beschreibung , dass es PISA allein um das Leseverstehen geht.86 Die jeweiligen Aufgaben sind so angelegt, dass davon ausgegangen werden kann, dass ein Schüler, der eine Aufgabe auf höherem Kompetenzniveau bewältigt, in der Regel auch in der Lage ist, alle den darunter liegenden Kompetenzstufen zugeordneten Anforderungen zu bewältigen. PISA testet in seinem Lesekompetenztest zwei voneinander zu unterscheidende Verstehensleistungen, das
1. textimmanente Verstehen sowie
2. textexterne Verstehensleistungen.
Bei der ersten Verstehensleistung müssen die im Text vorhandenen Informationen genutzt werden, um den Text zu verstehen bzw. die auf das Textverständnis abzielende Frage des PISA-Tests beantworten zu können. Die zweite Verstehensleistung erfordert den Rückgriff auf nicht im Text enthaltenes Vorwissen, um das Textverständnis zu erhöhen und Zusammenhänge zu erkennen.
Der Großteil der PISA-Aufgaben erfordert die erstgenannten textimmanenten Verstehensleistungen. Nur etwa 30 Prozent der Aufgaben erfordern zusätzliches Wissen, um die Inhalte oder Struktur des Textes zu reflektieren und zu bewerten. Die beiden Bereiche könnenjeweils nochmals hinsichtlich der Komplexität der Anforderung differenziert werden , wie folgende Abbildung deutlich macht:87
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Aus den weiteren Differenzierungen ergeben sich für PISA fünf Aspekte der Lesekompetenz , die allerdings zu drei Berichtsskalen zusammengefasst werden, da sich die fünf unterschiedenen Bereiche nicht empirisch nachweisen ließen. Bei den drei daraus resultierenden Subskalen handelt es sich um die Bereiche
1. Informationen ermitteln,
2. textbezogenes Interpretieren und
3. Reflektieren und Bewerten.
Wie die obige Darstellung deutlich macht, setzt lediglich der Bereich Reflektieren und Bewerten die Nutzung externen Wissens voraus.88 Für die Zielsetzung dieser Arbeit ist vorwiegend dieser letztgenannte Bereich von Interesse , da die Verstehensleistung auf der Basis externen Wissens Kenntnisse über Inhalte und Struktur vorauszusetzen scheint.
Wie bereits angedeutet, ordnet PISA den unterschiedlichen Aufgabenschwierigkeiten Kompetenzniveaus zu und unterscheidet injedem der drei Subskalen fünf Niveaustufen. So müssen etwa auf Stufe I der Subskala Informationen ermitteln ausdrücklich angegebene Informationen identifiziert werden , wobei es keine oder kaum konkurrierende Informationen in der Textvorlage gibt. Auf höheren Stufen steigt dann etwa die Zahl der konkurrierenden Informationen. Sie sind tiefer in den Text eingebettet und schwerer zu lokalisieren. Zudem sind Form und Inhalt des Textes in der Regel unbekannt.
Analog dazu unterscheiden sich auch die Niveaustufen der Subskala Reflektieren und Bewerten. Auf unterster Ebene muss hier eine einfache Verbindung zwischen Information aus dem Text und weit verbreitetem Alltagswissen hergestellt werden , wobei der Leser zum Teil direkt auf relevante Aspekte hingewiesen wird. Auf höheren Ebenen wird bereits ein breiteres Textverständnis vorausgesetzt und die heranzuziehenden Informationen gehören nicht mehr unbedingt nur weit verbreitetem Wissen an, sondern sind zum Teil spezieller.
Trotz dieser Bestimmung der Anforderung werden in den Beispielaufgaben zur Erläuterung des Bereichs Reflektieren und Bewerten zum Teil gar keine externen Wissensbestände gefordert. So erfordert die Aufgabe 6 der Unit Turnschuhe eine rein lokale Analyse , indem lediglich das Verhältnis der Satzteile zueinander bestimmt werden muss:89
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Die Beispielaufgabe auf Kompetenzstufe IV erfordere demgegenüber bereits eine globale
Formalanalyse:90
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Dies meint, dass an dieser Stelle die Schüler sämtliche Informationen aus den vorliegenden Texten sowie darüber hinausgehendes Wissen bezüglich eines angemessenen Stils berücksichtigen sollen. Die Schüler haben die Aufgabe , vergleichend den Stil der gegebenen Briefe zu beurteilen und sich auf dieser Grundlage für einen der beiden Briefe als den 'besseren' zu entscheiden.91 Konnte man nun bei der Beschreibung der Kompetenzbereiche für den Bereich Reflektieren und Bewerten noch annehmen, dass zur Bewältigung dieser Aufgaben auch Kenntnisse von Bedeutung seien, so stellt sich dies bei näherer Betrachtung der Kompetenzstufenbeschreibung und der vorliegenden Aufgabenbeispiele als Trugschluss dar.
Obwohl den Erklärungen der Testautoren zufolge zur Bewältigung der Beispielaufgabe auf Kompetenzstufe IV externes Wissen bezüglich des Stils genutzt werden müsse, lassen die Ausführungen zur komplett gelösten Aufgabe dies nicht erkennen. Die Aufgabe gilt unter folgenden Bedingungen als vollständig gelöst:92
Erklärt die eigene Meinung unter Bezugnahme auf den Stil oder die Form eines oder beider Briefe. Bezieht sich auf Kriterien wie Schreibstil , Struktur der Argumentation, Stichhaltigkeit der Argumentation , Tonlage , Strategien zur Überzeugung der Leser. Ausdrücke wie „bessere Argumente“ müssen belegt werden. (Achtung: „interessant“, „leicht zu lesen“ oder „klar“ gelten nicht als genau genug.)
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[...]
1 Zu TIMSS (Third International Mathematics and Science Study) siehe v.a. Baumert u.a. 1997 und auch die nachfolgenden Studien.
2 Zu PISA (Programm for International Student Assessment) siehe v.a. OECD 2001 und auch die nachfolgenden Studien.
3 Vgl. etwa Deutscher Bildungsrat 1974, S. 49.
4 Siehe dazu zum Beispiel MBJS 2002, S. 9 und demgegenüber Klieme u.a. 2007, S. 72f.
5 Der korrekte Titel lautet Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Eine Expertise. Da diese wirkmächtige Arbeit unter Federführung Eckhard Kliemes entstand, istjedoch auch die Kurzform Klieme-Expertise weit verbreitet, beides verweist auf Klieme u.a. 2007.
6 Zu den Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Mittleren Schulabschluss , welche am 4.12.2003 beschlossen wurden, siehe Kultusministerkonferenz (nachfolgend KMK) 2003.
7 Siehe dazu etwa Weinert 1999 und 2001.
8 Siehe dazu Klieme u.a. 2007.
9 Siehe dazuKMK 2003.
10 Zur Problematik der Vieldeutigkeit des Kompetenzbegriffs siehe u.a. Klieme u.a. 2007, S.72 und Höhne 2007.
11 Siehe dazu Klieme u.a. 2007.
12 Genannt seien hier lediglich das Gutachten für die OECD , siehe dazu Weinert 1999 und Weinert 2001.
13 Zitiert aus Klieme u.a. 2007, S. 72.
14 Zitiert aus Weinert 2001, S. 45.
15 Weinert verweist hier auf BMBF 1998, S.10.
16 Siehe hierzu etwa Hartig/Klieme 2006, S. 128f.
17 Siehe dazu Weinert 1999.
18 Siehe dazuWeinert 2001.
19 Vgl. Weinert 2001, S. 60.
20 Weinert stellt die Konzepte vorerst gleichberechtigt ohne Wertung nebeneinander. Sie spiegeln die verschiedenen Zugänge unterschiedlicher Disziplinen zum Begriffsverständnis von Kompetenz wider und sind natürlich durch das jeweilige Erkenntnisinteresse geprägt. Zu den Konzeptenvgl. Weinert 2001, S. 46-51.
21 So übersetzt Klieme Weinert, siehe dazu Hartig/Klieme 2006, S. 128.
22 Vgl. Weinert 2001, S. 46f.
23 Vgl. Weinert 2001, S. 47.
24 Vgl. Weinert 2001, S. 47f. und S. 58.
25 Vgl. Weinert 2001, S. 48f.
26 Vgl. Weinert 2001, S. 49f. Weinert verweist hier auf grundlegende Arbeiten von R.H. White und dem nachfolgende Arbeiten wie etwa die von MacTurk/Morgan.
27 Vgl. Weinert 2001, S. 50. Weinert erwähnt an dieser Stelle u.a. die Arbeiten von Sembill und Sternberg/Kolligian.
28 Vgl. Weinert 2001, S. 51. Weinert hebt hier Arbeiten vonBoyatzis undLévy-Leboyer hervor.
29 Vgl. Weinert 2001, S. 51-54.
30 Vgl. Weinert 2001, S. 54-56.
31 Vgl. Weinert 2001, S. 56-63.
32 Vgl. Weinert 1999, S. 27-29.
33 Vgl. Weinert 2002, S. 27f.
34 Siehe dazu Weinert 2002, S. 28.
35 Vgl. Weinert 2002, S. 28.
36 Folgendes Beispiel soll dies illustrieren: Soll der Handelnde also eine Unterscheidung zwischen Äpfel und Birnen vornehmen, so muss er zum einen zentrale Unterscheidungskriterien zwischen Äpfel und Birnen kennen und zum anderen die entsprechenden Eigenschaften der Früchte. Soll es sich zudem um eine gute Unterscheidung von Äpfel und Birnen handeln, wäre die Kenntnis einer Strategie oder Methode des Vergleichs von großem Nutzen.
37 Siehe dazu Weinert 1999.
38 Siehe dazuetwa Weinert 2001.
39 Vgl. Weinert 2002, S. 28.
40 Siehe dazu Klieme u.a. 2007.
41 Vgl. Klieme u.a. 2007, S. 9-10.
42 Siehe dazuKMK 1995.
43 Siehe dazu die Pressemitteilung der KMK vom 24.10.1997.
44 Vgl. KMK 2003, S. 4.
45 Siehe dazuv.a. Baumert u.a. 1997 sowie auchdie nachfolgenden Studien.
46 Siehe dazuv.a. OECD 2001 sowie auch die nachfolgenden Studien.
47 Dabei meint die Steuerung durch Input, dass das Schulwesen ausschließlich durch Haushaltspläne , Rahmenlehrpläne , Lehrerausbildung usw. reguliert wird. Diese Faktoren bleiben natürlich auch bei einer Outputorientierung wichtig, jedoch wird durch das Einbeziehen des Outputs ein weiteres Steuerungselement hinzugefügt, was stellenweise als Meilenstein in der Umsteuerung des allgemein bildenden Schulwesens empfunden wird. Siehe dazu etwaKöller 2007, S. 13.
48 Vgl. Klieme u.a. 2007, S. 11-13.
49 Hartig und Klieme kritisieren die Bezeichnung 'Kompetenzstufen' für die Abschnitte auf den Kompetenzskalen, da in der Entwicklungspsychologie Stufen im Rahmen von Stufenmodellen mit qualitativen Unterschieden assoziiert werden. Die zumeist willkürliche Einteilung in Stufen im Rahmen von Schulleistungsstudien wird dem nicht gerecht und würde daher treffender durch eine Unterteilung in Abschnitte oder Niveaus benannt. Siehe dazu Hartig/Klieme 2006, S. 134.
50 Vgl. Weinert 2002, S. 27f.
51 Vgl. Klieme u.a. 2007, S. 21f.
52 Vgl. Klieme u.a. 2007, S. 19-24.
53 Diese Aufzählung von Facetten der individuellen Ausprägung von Kompetenz wird nicht als Stufenfolge gesehen. Die einzelnen Bereiche sind nicht klar voneinander zu unterscheiden und Kompetenz stellt ein Zusammenspiel der genannten Aspekte dar. Siehe dazu auch Klieme u.a. 2007, S. 32f.
54 Vgl. Klieme u.a. 2007, S. 71-78.
55 Zur Kritik an den Bildungsstandards und ihrer Umsetzung siehe u.a. Böttcher 2003, von Saldern 2004, Messner 2004.
56 Siehe dazuKMK 2003.
57 Zum Beschluss für die 9. Klasse Hauptschule siehe KMK 2004a, für die Grundschule siehe KMK 2004b.
58 Vgl. Helmke 2004, S. 102 und Peters 2004, S. 15. Zur mangelnden Präzision der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss im Bereich Lesen -Mit Texten undMedien umgehen siehe auch Kämper-van den Boogaart 2005.
59 Siehe dazuKMK2003.
60 Vgl. KMK 2003, S. 5f und zur Kritik Helmke 2004, S. 104f.
61 Vgl. KMK 1995, S. 2.
62 Angelehnt an KMK 2003, S. 8.
63 Vgl. Helmke 2004, S. 106f.
64 Vgl. KMK 2005, S. 14f.
65 Siehe dazuKMK 2003, S. 13f.
66 Siehe KMK 2003, S.14. Die Hervorhebungen wichtiger Teilaspekte erfolgte durch den Verfasser.
67 Zitiert nachKMK 2002, S.5.
68 Vgl. KMK 2002, S. 5.
69 Vgl. Winkler 2007, S. 78f.
70 Vgl. Helmke 2004, S. 112.
71 Vgl. Klieme u.a. 2007, S. 22 undHelmke 2004, S. 108f.
72 Vgl. KMK 2003, S. 4 und S. 17. Zu den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Deutsch siehe KMK 2002.
73 Siehe dazu KMK 2005, S. 17.
74 Vgl. Helmke 2004, S. 109f.
75 Vgl. KMK 2003, S. 4.
76 Vgl. LISUM 2005, S.l.
77 Dabei darf nicht angenommen werden, dass es sich PISA zur Aufgabe gesetzt hat Lesekompetenz als ausschließliche Domäne des Faches Deutsch zu testen. Diese Zuordnung geschieht nachträglich, weil Deutschjenes Fach ist, dass hauptsächlich zur Lesekompetenzentwicklung beitragen soll. PISA bezieht sich allerdings auf Lesekompetenz in einem größeren Zusammenhang, sieht alle Fachbereiche und Lebensbereiche an der Kompetenzentwicklung beteiligt und überprüft die Kompetenz zu Lesen in seiner fächerübergreifenden Anwendung in verschiedenen Situationen. Vgl. PISA-Konsortium 2004, S. 93.
78 Vgl. Klieme u.a. 2007, S. 76.
79 Die Frage ist hier, wie etwa die Aufgabe des Verstehens eines Busfahrplans in einer Prüfungssituation ohne Bushaltestelle in unmittelbarer Nähe situationsgerecht gelöst werden kann. Spinner macht darauf aufmerksam, dass literarische Texte tendenziell situationsabstrakt sind. Das meint, dass sie nicht auf eine textexterne Situation verweisen, sondern dass es vielmehr darum geht, sich ein Bild von der durch den Text gestalteten Welt zu machen. Das Lesen von Sachtexten ohne situativen Anlass erfordert dagegen eine Art Fiktionalisierung. Die Schüler müssen sich beispielsweise in der PISA-Studie vorstellen, sie würden sich für Turnschuhe , den Tschadsee oder ähnliches interessieren. Siehe dazu auch Spinner 2004, S. 129f.
80 Zur allgemeinen Konzeption von PISA siehe PISA-Konsortium 2004, S. 13-23.
81 Versteht man unter 'literacy' Grundbildung sollte 'reading literacy' treffender und analog zu den anderen Kompetenzbereichen mit 'Grundbildung im Bereich des Lesens' übersetzt werden.
82 Zum Problem der Lesesituation siehe auch Fußnote 79.
83 Zur Grundlage des Lesekompetenztests siehe PISA-Konsortium 2001, S. 80-81.
84 Zitiert aus PISA-Konsortium 2001, S. 290.
85 Zur Kritik an der Verwendung von Kompetenzstufen siehe Fußnote 49 bzw. Hartig/Klieme 2006, S. 134.
86 Siehe dazuauch Grzesik2003.
87 Abbildungaus Artelt/Stanat/Schneider/Schiefele/Lehmann 2004, S. 143.
88 Zur Konzeption des Lesekompetenzmodells bei PISA siehe u.a. PISA-Konsortium 2004, S. 93-97 und Artelt/Stanat/ Schneider/Schiefele/Lehmann 2004, S. 139-145.
89 Aufgabenbeispiel entnommen aus PISA-Konsortium 2001, S.93.
90 Aufgabenbeispiel entnommen aus PISA-Konsortium 2001, S.93.
91 Zu den Beispielaufgaben in den einzelnen Kompetenzbereichen siehe PISA-Konsortium 2001, S. 88-95.
92 Siehe dazu die Lösungen zu den Beispielaufgaben unter OECD 2000b , S.23.
- Arbeit zitieren
- Stefanie Grzesikowski (Autor:in), 2008, Zur Funktion von Kenntnissen beim Erwerb literarischer Kompetenz - Untersucht am Umgang mit Kurzgeschichten am Ende der Sekundarstufe I, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123280
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