[...] Jean-Paul Sartre (21.6.1905 bis 15.4.1980) war schon zu seinen Lebzeiten ein Phänomen und „maître à penser“ (Vordenker). Er war nicht nur Philosoph, sondern auch Verfasser zahlreicher Romane, Erzählungen, Dramen und Essays, er war politisch engagiert – im Widerstand gegen die Gewaltpolitik in Algerien – und gilt als Hauptvertreter des Existentialismus. Als Denker der Nachkriegszeit hat er eine ganze Generation von Denkern geprägt. Selbst nach seinem Tod sind mehr Bücher über ihn erschienen als von anderen Autoren zu ihren Lebzeiten. Sein Ziel war immer zu wirken durch das geschriebene Wort, daher ist seine Philosophie auch so lebendig. Sie ist Philosophie des Menschen, seiner Freiheit und Autonomie. So sagt er polemisch aber zurecht: „Was bleibt, wenn ich das unmögliche Heil in die Requisitenkammer verbanne? Ein ganzer Mensch, gemacht aus dem Zeug aller Menschen, der soviel wert ist wie sie alle und soviel wert wie jedermann.“ In dieser Arbeit soll der Aspekt der Freiheit und der Verantwortlichkeit im Mittelpunkt stehen, wobei natürlich Sartres philosophisches Hauptwerk L'etre et le neant (Das Sein und das Nichts) die Grundlage bilden soll. Er schrieb dieses 1942, nachdem er seine Widerstandsgruppe Socialisme et liberté (Sozialismus und Freiheit) auflöste. Sartre gab also dem Schreiben den Vorzug. Sartres Ideen sind über 60 Jahre alt, es muss die Frage gestellt werden, ob sie für uns überhaupt noch ihr Recht behalten im Bezug auf die neuen Kenntnisse der Neurobiologie oder trifft der Ausspruch auch auf Sartre zu, den er die Gräfinvon Gosswill in seinem Drama Kean (1953) sagen läßt? „Das ist das Langweiligste bei diesen toten Autoren, dass sie nie etwas neues bieten.“
Inhalt
I. Einleitung: Ist Sartre ein toter Autor?
II. Hauptteil
II. 1. Ich bin dazu verurteilt, frei zu sein Sartes Philosophie der Freiheit
II. 2. Sartre und die moderne Hirnforschung: Ist Freiheit Illusion?
III. Ich würde nicht schreiben aus Freude am 14 Schreiben
Fazit
IV. Literaturverzeichnis
I. Einleitung: Ist Sartre ein toter Autor?
„Wir können nach L' etre et le neant noch alle möglichen Erleuchtungen und Ergänzungen erwarten. Aber man kann nicht leugnen, daß die Gedankengänge Sartres das Zentalproblem der Philosophie, wie es sich nach den Erkenntnissen der vorigen Jahrhunderte ergibt, in einer durchdringenden Weise und mit einer neuen Tiefe erfassen.“[1]
Jean-Paul Sartre (21.6.1905 bis 15.4.1980) war schon zu seinen Lebzeiten ein Phänomen und „maître à penser“ (Vordenker). Er war nicht nur Philosoph, sondern auch Verfasser zahlreicher Romane, Erzählungen, Dramen und Essays, er war politisch engagiert – im Widerstand gegen die Gewaltpolitik in Algerien – und gilt als Hauptvertreter des Existentialismus. Als Denker der Nachkriegszeit hat er eine ganze Generation von Denkern geprägt. Selbst nach seinem Tod sind mehr Bücher über ihn erschienen als von anderen Autoren zu ihren Lebzeiten.[2] Sein Ziel war immer zu wirken durch das geschriebene Wort, daher ist seine Philosophie auch so lebendig. Sie ist Philosophie des Menschen, seiner Freiheit und Autonomie. So sagt er polemisch aber zurecht: „Was bleibt, wenn ich das unmögliche Heil in die Requisitenkammer verbanne? Ein ganzer Mensch, gemacht aus dem Zeug aller Menschen, der soviel wert ist wie sie alle und soviel wert wie jedermann.“[3]
In dieser Arbeit soll der Aspekt der Freiheit und der Verantwortlichkeit im Mittelpunkt stehen, wobei natürlich Sartres philosophisches Hauptwerk L' etre et le neant (Das Sein und das Nichts) die Grundlage bilden soll. Er schrieb dieses 1942, nachdem er seine Widerstandsgruppe Socialisme et liberté (Sozialismus und Freiheit) auflöste. Sartre gab also dem Schreiben den Vorzug. Sartres Ideen sind über 60 Jahre alt, es muss die Frage gestellt werden, ob sie für uns überhaupt noch ihr Recht behalten im Bezug auf die neuen Kenntnisse der Neurobiologie oder trifft der Ausspruch auch auf Sartre zu, den er die Gräfinvon Gosswill in seinem Drama Kean (1953) sagen läßt?
„Das ist das Langweiligste bei diesen toten Autoren, dass sie nie etwas neues bieten.“[4]
II.1 „Ich bin dazu verurteilt, frei zu sein.“ - Sartres Philosophie der Freiheit
Jean Paul Sartre ist ein Individuum, welches wie kein anderes für den Existentialismus[5] steht und trotzdem bleibt er, welcher sich in Politik und Staat einmischte, immer einer vom Volk. „[...] Auch heute noch lese ich lieber Kriminalromane als Wittgenstein.“[6] Das Zentrum seiner Stücke und philosophischen Werke war immer die Freiheit und Verantwortung, sie nicht nur zu beweisen wie die Tradition (Schelling, Leibniz) sondern sie zu einem Muss zu machen, ist sein Ziel. Er war gegen eine Freiheit, die nur eine euphemistische Autonomie darstellt. Seine Freiheit war radikal, so sagt er: „Ich bin dazu verurteilt, frei zu sein. Das bedeutet, dass wir für unsere Freiheit keine anderen Grenzen als sie selbst finden können, [...].“[7] Dieses ist mehr als nur eine Rechtfertigung unserer Handlungen, es ist die Suche nach einem Sinn des Lebens, nach einer Begründung des Daseins selbst.[8] Das Fazit Sartres läßt den Leser die ganze Härte der Freiheit spüren.
„Wir nehmen das Wort 'Verantwortlichkeit' in seinem banalen Sinn vor 'Bewußtsein davon, der unbestreitbare Urheber eines Ereignisses oder eines Gegenstands zu sein' [...], denn die schlimmsten Übel oder die schlimmsten Gefahren, die meine Person zu treffen drohen, haben nur durch meinen Entwurf einen Sinn; und sie erscheinen auf dem Grund des Engagements, das ich bin. Es ist also unsinnig, sich beklagen zu wollen, weil ja nichts Fremdes darüber entschieden hat, was wir fühlen, was wir erleben oder was wir sind. Diese absolute Verantwortlichkeit ist übrigens keine Hinnahme: sie ist das bloße logische Übernehmen der Konsequenzen unserer Freiheit. Was mir zustößt, stößt mir durch mich zu, [...].“[9]
Alles ist unsere Wahl. Unser Leben, unser Bewusstsein (Für-Sich-Sein) ist unsere freie Wahl. „Man muss bewusst sein, um zu wählen, und man muss wählen, um bewusst sein zu können. Wahl und Bewusstsein sind ein und dasselbe.“[10] Warum sich einer als Kämpfer und der andere als Feigling wählt, bleibt uns zwar unerkenntlich, dadurch ist die Ur-Wahl aber nicht irrational, eher vorrational und vorwillentlich. Was jemand in einer Situation macht, ist Ausdruck seiner Wahl und damit ist es ihm als verantwortliche Person zuzuschreiben.
Wir entwerfen uns selber, aber nicht nur uns, auch die Welt um uns entwerfen wir nach unseren Vorstellungen. Hier lehnt Sartre sich an seine beiden Lehrmeister Heidegger und Husserl an. In der Phänomenologie geht es um die Erscheinungen, welche nicht mehr als Manifestation der Dinge-an-sich gesehen werden wie bei Kant. Die Welt ist nicht bloßes Vorhandenes, was unabhängig vom menschlichen Dasein existiert. Die Wirklichkeit braucht das Subjekt, um sich zu manifestieren, denn eine objektive Wirklichkeit wäre widersinnig. Unser Bewusstsein gibt den Dingen erst einen Sinn, denn alle Akte des Bewusstseins sind sinnstiftend und konstituieren überhaupt erst ihre Gegenstände. Diese Intentionalität, das Gerichtet-Sein auf etwas, übernimmt auch Sartre. „Wir wählen die Welt – nicht in ihrem Aufbau als solchen, sondern in ihrer Bedeutung –, indem wir uns wählen.“[10] Die Wahl wird vollzogen durch eine Nichtung, da wir leugnen die Welt zu sein, kommt sie als „Entwurf auf ein Mögliches“[11] zu Stande. Die Freiheit ist also bei Sartre etwas Negatives, auch wenn dieses für uns, die die Freiheit als Selbstgesetzgebung sehen, unnatürlich aussieht. Aber es leuchtet ein, wenn man erkennt, dass wir Freiheit denken als Negation von Hemmungen und Hindernissen.[12] „Unter diesen Umständen kann die Freiheit nichts anderes sein als diese Nichtung.“[13] Hier hat die Freiheit den Bezug zum Gegebenen. In unserem Denken ist Freiheit aber noch mehr als nur eine „Nichtung von Hindernissen“, es ist Willensfreiheit und die damit zusammenhängende Verantwortung.
In Sartres Konzeption des menschlichen Daseins und der Welt braucht er zwei Seins-Typen[14], das An-Sich-Sein und das Für-Sich-Sein. Alles, was uns erscheint ist ein Phänomen, so haben wir ein präreflexives Cogito, ein Seblstbezug auf das eigene Erleben. Es ist das „wissende Selbstverhältnis der Bewusstseinsvollzüge“[15], welches vor jeder Reflexion liegt. Sartre bringt hier das Beispiel vom Zigaretten zählen, ich kann nicht zählen, ohne vom Zählen zu wissen, aber ich muss auch vom Zählen wissen, wenn ich zähle. Doch auch er sah, dass wir die Welt nicht im Ganzen mit unserem Geist erfassen können. Es gibt auch das An-sich-Sein, das wir nicht verstehen können, doch hierüber sagt er nicht viel. Das Sein (An-Sich-Sein) ist uns also nicht vollkommen zugänglich. Wie man schon im Titel seines großen philosophischen Werks Das Sein und das Nichts erkennt, ist die Freiheit auch abhängig vom Nichts. Aber, was ist dieses Nichts? Wie kommt es in die Welt? Wie wir schon oben gesehen haben, ist es eine Negation, ein Fehlen von Dingen. Aber dieses Fehlen von Etwas ist auch der Schlüssel zur Freiheit, „weil die menschliche Realität nicht genug ist, ist sie frei; weil sie fortwährend sich selbst entrissen wird und weil das, was sie gewesen ist durch ein Nichts von dem getrennt ist, was sie ist und sein wird.“[16] Dieses Nichts bekommt nur Sinn im Bezug auf Erwartungen.
[...]
[1]. Vgl. Maurice Merleau-Ponty, les temps modernes, November 1945, In: Martin Suhr, Sartre, Hamburg 2001, S.169. Man muss beachten, dass die Veröffentlichung von Das Sein und das Nichts, sowie des Essays L’Existentialisme est un humanisme (Der Existentialismus ist ein Humanismus) von 1946 einen großen Andrang bei dem Publikum fanden. Die Kern Aussage ist kurz gesagt, dass der Mensch durch Zufall in die Welt geworfen wurde und nun aber selber dieser Welt Sinn geben muss.
[2]. Vgl. Ebd. S.12.
[3]. Vgl. Jean-Paul Sartre, Die Wörter, Hamburg 1968, S.145.
[4]. Vgl. Suhr, Sartre, S.12.
[5]. Vgl. Die Presse (Wochenausgabe), 12.7.52, S. 6. Hier bezieht Sartre kritisch Stellung zum „Existentialismus-Hype“. „Es gibt Ideen, die andauernd einer Korrektur bedürfen. Der Existenzialismus ist wandlungsfähig, ergiebig an Entwicklungen, wertvoll durch seine Vielfältigkeit. Klammern wir uns nicht an den Ausgangspunkt, sondern schreiten wir gedanklich und konstruktiv mit ihm vorwärts.“ Man erkennt hier Sartres Idee der Wandelbarkeit an „seiner“ eigenen Richtung der Philosophie.
[6]. Vgl. Sartre, D ie Wörter, S.29, 35.
[7]. Vgl. Jean-Paul Sartre, Das Sein und das Nichts, Hamburg 1962, S. 552.
[8]. Vgl. Suhr, Sartre, S.86.
[9]. Vgl. Vgl. Jean-Paul Sartre, Das Sein und das Nichts, Hamburg 1962, S. 950.
[10]. Vgl. Sartre, das Sein und das Nichts, S. 558. Aber siehe auch: Walter Biemel, Sartre, Hamburg 1963, S. 103
[11]. Vgl. Sartre, das Sein und das Nichts, S.62.
[12]. ebd.
[12]. Vgl. Suhr, Sartre, S. 104.
[13]. Vgl. Sartre, das Sein und das Nichts, S.48.
- Quote paper
- Kevin Liggieri (Author), 2009, Zur Freiheit verdammt - Sartres Konzeption der Freiheit und der Vergleich zur modernen Hirnforschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122916
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.