Wenn auch [...] die aktuelle Forschung geradezu fieberhaft auf der Suche nach eindeutigen Erklärungsmodellen ist, so finden deren Ergebnisse noch keine hinreichende Aufmerksamkeit in Gesellschaft, Medien oder Angewandter Medizin. Sicherlich ist nicht völlig von der Hand zu weisen, dass der Umwelt und dem sozialen Milieu eines Kindes eine signifikante Rolle zur Ausbildung emotionaler und kognitiver Fähigkeiten zusteht – doch weder kann dies allein eine ausreichende Erklärung für die Entstehung von Autismus sein noch darf der Umkehrschluss (emotionale Defizite des Autisten entstehen aus emotionalen Defiziten seines Umfeldes) getroffen werden. Vielmehr sollten hier multifaktorielle Erklärungsversuche herangezogen werden. Folgende Arbeit soll sich daher vorerst mit einigen differentialdiagnostischen Aussagen zu den verschiedenen Autismus-Typen gemäß ICD-10 und DSM-IV befassen und darauf aufbauend die ätiologischen Aspekte erläutern. Diese beziehen sich sowohl auf die Entstehung der Störung insgesamt als auch teilweise auf spezifische Teilaspekte der autistischen Symptomatik. Hierbei soll eine vergleichende Analyse der gängigsten Erklärungsansätze der letzten Jahre sowie die aktuellen neuropsychologischen Forschungsergebnisse gegenüberstellend reflektiert werden. Die Darstellungen vermuteter Ursachen sollen sowohl strukturelle, als auch funktionelle Besonderheiten des „autistischen Gehirns“ erläutern und das Phänomen ‚Autismus’ vor allem aus neuropsychologischer Sicht verstehen. Darüber hinaus ist anzumerken, dass das Phänomen ‚Autismus’ trotz intensiver Forschungsbemühungen bisweilen nicht vollständig aufgeklärt worden ist. Die vorgestellten Studien sind größtenteils in sich evident, sie beziehen sich auf angemessen große Stichproben, weisen eine professionelle methodische Herangehensweise vor und wurden in renommierten Fachzeitschriften publiziert – eine Replizierbarkeit ist bislang jedoch nur in einigen wenigen Fällen erfolgt. Unter dem Gesichtspunkt der Evidenz sollte diese Tatsache unbedingt berücksichtigt werden.
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Frühkindlicher Autismus (Kanner-Autismus), High-Functioning-Autismus, Atypischer Autismus und das Asperger-Syndrom
- 1.1. Differentialdiagnose und Symptomatik
- 1.2. Epidemiologie
- 1.3. Therapiemöglichkeiten
- 2. Das „autistische Gehirn“
- 2.1. Evidenzen für strukturelle Besonderheiten
- 2.1.1. Morphometrische Auffälligkeiten
- 2.1.2. Genetische Mutationen, chromosomale Anomalien und Neuroliginstörungen, die autistische Symptome hervorrufen
- 2.1.3. Dysfunktionen des Neurotransmittersystems und des Stoffwechsels
- 2.1.4. „Idiot savants“ – Die Rolle der rechten Hirnhälfte bei Inselbegabungen
- 2.2. Evidenzen für funktionelle Besonderheiten
- 2.2.1. Monotropismus - Hypothese
- 2.2.2. Kognitive Erklärungsversuche: Theory of mind (ToM), Defizit der Exekutivfunktionen (EF) und Theorie der Kohärenz (SZK)
- 2.2.3. Ursachen der zentralen Hyperakusis
- 2.2.4. Unzureichende Vernetzungen von Hirnstrukturen und Störungen der interhemisphärischen Konnektivität
- 2.3. Andere Erklärungshypothesen
- 2.3.1. Der Einfluss von prä-, peri- und postnatalen Komplikationen
- 2.3.2. Erhöhtes Risiko durch elterliche Schizophrenie
- 2.3.3. Psychodynamische Entstehungstheorien (mangelnde Selbstreflexion)
- 2.3.4. Abnormale Schlafmuster von Autisten
- 2.3.5. Autismus durch Impfschäden und Hirnentzündungen
- 2.3.6. Der Zusammenhang zu Narkolepsie und Multipler Sklerose
- 2.3.7. Eisenmangel bei autistischen Störungen und Befunde über giftige Spurenelemente im zentralen Nervensystem
- 2.3.8. Sensorische Profile und multisensorische Dysfunktionen von Autisten
- 2.4. Aktueller Forschungsgegenstand: Spiegelneuronen
- 2.4.1. Die Versuche von Rizolatti – Experimente mit Affen und Menschen
- 2.4.2. Reflexion der Ergebnisse
- 2.1. Evidenzen für strukturelle Besonderheiten
- 3. Zusammenfassender Vergleich und Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese wissenschaftliche Hausarbeit analysiert verschiedene Erklärungsansätze für autistische Störungen. Ziel ist es, einen vergleichenden Überblick über aktuelle Forschungsstände zu geben und die verschiedenen Perspektiven – von strukturellen und funktionellen Besonderheiten des Gehirns bis hin zu umweltbedingten Faktoren – zu beleuchten. Die Arbeit verzichtet auf eine abschließende Bewertung der einzelnen Theorien.
- Differentialdiagnose und Symptomatik autistischer Störungen
- Neurobiologische Grundlagen des Autismus (strukturelle und funktionelle Aspekte)
- Kognitive Erklärungsmodelle für autistisches Verhalten
- Einfluss von Umweltfaktoren auf die Entstehung von Autismus
- Aktuelle Forschung zu Spiegelneuronen und deren Bedeutung für das Verständnis von Autismus
Zusammenfassung der Kapitel
0. Einleitung: Die Einleitung stellt die gesellschaftlichen Klischees und Missverständnisse rund um Autismus dar und hebt die Komplexität der Störung hervor. Sie unterstreicht die Notwendigkeit einer wissenschaftlich fundierten Betrachtung, im Gegensatz zu vereinfachenden Darstellungen in Medien und älteren Forschungsarbeiten. Die Einleitung betont den Fortschritt der Autismusforschung in den letzten zehn Jahren dank moderner Technologien und Methoden.
1. Frühkindlicher Autismus (Kanner-Autismus), High-Functioning-Autismus, Atypischer Autismus und das Asperger-Syndrom: Dieses Kapitel befasst sich mit der Differentialdiagnose und Symptomatik verschiedener Formen des Autismus, inklusive Kanner-Autismus, High-Functioning-Autismus, atypischem Autismus und dem Asperger-Syndrom. Es beschreibt die diagnostischen Kriterien und die vielfältigen Ausprägungen der Störung, ohne auf einzelne Subtypen im Detail einzugehen. Der Abschnitt zur Epidemiologie liefert Daten zur Häufigkeit des Auftretens der Störung. Abschließend werden verschiedene Therapiemöglichkeiten angesprochen.
2. Das „autistische Gehirn“: Dieses Kapitel analysiert die neurobiologischen Grundlagen von Autismus. Es untersucht strukturelle Besonderheiten des Gehirns mittels morphometrischer Daten, genetischer Faktoren und neurochemischer Prozesse. Weiterhin werden funktionelle Besonderheiten wie die Theory of Mind-Defizite, Störungen der Exekutivfunktionen und die Theorie der zentralen Kohärenz diskutiert. Zusätzlich werden verschiedene, alternative Erklärungshypothesen beleuchtet, z.B. der Einfluss prä-, peri- und postnataler Komplikationen, genetische Prädispositionen und sensorische Verarbeitungsprobleme. Ein Schwerpunkt liegt auf der aktuellen Forschung zu Spiegelneuronen und deren potentielle Rolle bei Autismus.
Schlüsselwörter
Autismus, Autistische Störungen, Kanner-Autismus, Asperger-Syndrom, High-Functioning-Autismus, Neurobiologie, Gehirnstruktur, Gehirnfunktion, Theory of Mind, Exekutivfunktionen, Spiegelneuronen, Genetik, Umweltfaktoren, Differentialdiagnose, Symptomatik, Therapiemöglichkeiten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur wissenschaftlichen Hausarbeit: Autistische Störungen
Was ist der Inhalt dieser wissenschaftlichen Hausarbeit?
Die Hausarbeit bietet einen umfassenden Überblick über autistische Störungen. Sie analysiert verschiedene Erklärungsansätze, von neurobiologischen Faktoren (strukturelle und funktionelle Besonderheiten des Gehirns) bis hin zu umweltbedingten Einflüssen. Die Arbeit beinhaltet eine Differentialdiagnose verschiedener autistischer Formen (Kanner-Autismus, Asperger-Syndrom, High-Functioning-Autismus), beschreibt die Symptomatik und beleuchtet aktuelle Forschungsergebnisse, insbesondere zum Thema Spiegelneuronen.
Welche Arten von Autismus werden behandelt?
Die Arbeit behandelt verschiedene Formen autistischer Störungen, darunter frühkindlicher Autismus (Kanner-Autismus), High-Functioning-Autismus, atypischer Autismus und das Asperger-Syndrom. Es wird jedoch auf eine detaillierte Unterscheidung der Subtypen verzichtet und stattdessen ein umfassender Überblick über die gemeinsame Symptomatik und Diagnostik gegeben.
Welche neurobiologischen Aspekte werden betrachtet?
Der neurobiologische Teil der Arbeit untersucht strukturelle Besonderheiten des Gehirns anhand morphometrischer Daten, genetischer Faktoren und neurochemischer Prozesse. Funktionelle Besonderheiten wie Theory of Mind-Defizite, Störungen der Exekutivfunktionen und die Theorie der zentralen Kohärenz werden diskutiert. Zusätzlich werden alternative Erklärungshypothesen wie der Einfluss prä-, peri- und postnataler Komplikationen und sensorische Verarbeitungsprobleme beleuchtet.
Welche Rolle spielen Umweltfaktoren?
Die Hausarbeit berücksichtigt auch den Einfluss von Umweltfaktoren auf die Entstehung von Autismus. Diese Faktoren werden jedoch nicht im Detail untersucht, sondern lediglich als zusätzliche Erklärungsansätze erwähnt.
Welche Bedeutung haben Spiegelneuronen in der Arbeit?
Die aktuelle Forschung zu Spiegelneuronen und deren potentielle Rolle bei Autismus bildet einen Schwerpunkt der Arbeit. Die Versuche von Rizolatti mit Affen und Menschen werden beschrieben und die Ergebnisse reflektiert.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit verzichtet auf eine abschließende Bewertung der einzelnen Theorien und bietet stattdessen einen vergleichenden Überblick über den aktuellen Forschungsstand. Sie hebt die Komplexität der Autismusforschung hervor und betont den Fortschritt in den letzten Jahren dank moderner Technologien und Methoden.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter: Autismus, Autistische Störungen, Kanner-Autismus, Asperger-Syndrom, High-Functioning-Autismus, Neurobiologie, Gehirnstruktur, Gehirnfunktion, Theory of Mind, Exekutivfunktionen, Spiegelneuronen, Genetik, Umweltfaktoren, Differentialdiagnose, Symptomatik, Therapiemöglichkeiten.
Gibt es eine Zusammenfassung der Kapitel?
Ja, die Arbeit enthält Kapitelzusammenfassungen, welche die einzelnen Abschnitte (Einleitung, Autismusformen, das "autistische Gehirn", Vergleich und Fazit) kurz und prägnant beschreiben.
- Quote paper
- Claudia Becker (Author), 2008, Autistische Störungen. Vergleichende Analyse der aktuellen Erklärungsansätze, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122883