Hartmann von Aues „Erec“ ist einer der bekanntesten Artusromane. Ihm voran geht das Werk Chrétien de Troyes „Erec und Enide“, welches Hartmann von Aue um zusätzliche Verse erweitert hat. Viele Rezensenten, darunter zum Beispiel Hugo Kuhn, haben versucht, den allgemeinen Aufbau bzw. die Struktur des Romans aufzuzeigen und zugänglich zu machen. Kuhn bezeichnet die Struktur des Erec als „doppelten Kursus“.
Er unterscheidet zwei Teile des Romans, wobei er unter anderem den zweiten als Steigerung des ersten ansieht. Diese Steigerung soll auch für die einzelnen Abenteuerepisoden der jeweiligen Teile gelten: Bezüglich ihrer Abfolge werden die Episoden oft als Steigerung der vorangegangenen interpretiert. Bei näherer Betrachtung wird sogar deutlich, dass der Handlungsablauf nicht nur durch eine Steigerung der Handlung geprägt ist, sondern dass die Handlungssequenzen auch kontrastieren.
Diese Arbeit soll die aufeinander aufbauenden und sich steigernden Abenteuer Erecs hinsichtlich der Kontrastierung bzw. Spiegelung im Folgenden untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der „doppelte Kursus“ im „Erec“
2.1 Erster Handlungsteil
2.2 Zweiter Handlungsteil
3 „Doppelter Kursus“?
4 Literaturangaben
1 Einleitung
Hartmann von Aues „Erec“ ist einer der bekanntesten Artusromane. Ihm voran geht das Werk Chrétien de Troyes „Erec und Enide“, welches Hartmann von Aue um zusätzliche Verse erweitert hat. Viele Rezensenten, darunter zum Beispiel Hugo Kuhn, haben versucht, den allgemeinen Aufbau bzw. die Struktur des Romans aufzuzeigen und zugänglich zu machen.
Kuhn bezeichnet die Struktur des Erec als „doppelten Kursus“1. Er
unterscheidet zwei Teile des Romans, wobei er u.a. den zweiten als Steigerung des ersten ansieht. Diese Steigerung soll auch für die einzelnen Abenteuerepisoden der jeweiligen Teile gelten: Bezüglich ihrer Abfolge werden die Episoden oft als Steigerung der vorangegangenen interpretiert. Bei näherer Betrachtung wird sogar deutlich, dass der Handlungsablauf nicht nur durch eine Steigerung der Handlung geprägt ist, sondern dass die Handlungssequenzen auch kontrastieren.
Diese Arbeit soll die aufeinander aufbauenden und sich steigernden Abenteuer Erecs hinsichtlich der Kontrastierung bzw. Spiegelung im Folgenden untersuchen.
2 Der „doppelte Kursus“ im „Erec“
Der Roman lässt sich in zwei Teile gliedern, wobei der erste Teil (ca. Vers 1 – 2869) Erecs Abenteuerfahrten beinhaltet, die Erec zum Erhalt ritterlicher Ehre verhelfen. Im zweiten Teil (ca. Vers 2870 – 10135) muss Erec seine Ehre wieder erkämpfen, da er dieêreundvreudeseiner höfischen Gesellschaft durch zu viel Minne geschändet hat. Denn nur ein ausgeglichenes Verhältnis von Minne und ritterlicher Ehre bringt dem Hof Freude.
Beide Teile sind nach der Dreisatz-Struktur aufgebaut.2 Zuerst erfolgt die Exposition mit der Konfliktauslösung, das heißt, dass Erecs Ehre verletzt wird. Im Anschluss daran erfolgen die Episodenketten der Abenteuerfahrten, die nach Kuhns „doppeltem Kursus“ strukturiert sind. Unhöfisches Verhalten und neu erworbene Lebensformen werden in Wiederholung, Steigerung und Spiegelung der einzelnen Abenteuer sinnfällig kontrastiert. Die bewältigten Abenteuer führen Erec zu einer höheren Daseinsstufe und einem verdienten Herrscheramt.3 Im Anschluss an die Abenteuerfahrt kehrt Erec an den Artushof zurück.
2.1 Erster Handlungsteil
Im ersten Teil entfaltet Erec „seine Individualität: mit Waffenruhm und Frauenminne erwirbt er sein persönliches Glück“4. Ausgelöst wird die Handlungssequenz durch den Schlag des Zwerges gegen Erec. Bereits an dieser Stelle gibt es eine Dopplung: Der Zwerg führt den Peitschenschlag zweimal aus. Für Erec bedeutet dies eine erhöhte Schande, da er den Schlag widerspruchslos hinnehmen muss. Erecs Verlust seiner Ehre ist hier nicht selbst verschuldet.
Der Handlungsteil ist in zwei spiegelbildlich gebaute Abschnitte gegliedert, wobei der zweite inhaltlich und längenmäßig die Steigerung des ersten darstellt. Szenen am Artushof grenzen die Abschnitte ein: Der Konflikt wird dort ausgelöst und am Ende seines Abenteuers kehrt Erec dorthin zurück, um seine zurückgewonnene Ehre zu feiern. Die Artushof-Szene dient in auch als Mittelachse, die Erecs höfisch-ritterliches Dasein bestätigt (Iders bekennt sich als besiegt von Erec) und zugleich als Spiegelachse. Der Abschnitt baut sich demnach wie folgt auf:5
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Noch bevor Erec die Verfolgung des Ritters und des Zwerges auf sich nimmt, tritt der erste Kontrast auf: Erec ist als Ritter unbewaffnet und ohne Rüstung, wodurch ihn der Zwerg mit dem Schlag die ritterliche Ehre genommen hat. Auf dem Weg Erecs, dem Ritter und dem Zwerg nachzureiten, wird dieser Kontrast größer bzw. deutlicher. Iders ist ein Ritter mit „vrümekeit“ (V. 213), bewaffnet und gerüstet. Erec hingegen verfolgt ihn ohne Waffen, ohne Rüstung und mit „groz laster“ (V. 488).
Auf der Suche nach einem nächtlichen Quartier gelangt Erec zu dem verarmten Koralus, einst ein reicher Graf, und somit auch in die unterste Stufe seines ritterlichen Daseins. Von Koralus erfährt er von dem Sperberkampf auf Tulmein, wo er Iders bekämpfen müsse. Dies ist für Erec die Möglichkeit, seine Ehre wieder herzustellen. Doch fehlt ihm für den Kampf eine Frau an seiner Seite und so hält er um die Hand Enites – die Tochter des alten Grafen – an. Verlobt und mit Waffen von Koralus ausgestattet, begibt sich Erec mit Enite nach Tulmein. Dort angekommen, fordert Iders Erec zum Kampf um den Schönheitspreis – dem Sperber – heraus, da er sich von Enites einfachen Kleidern beleidigt fühlt. Erec tritt den Wettstreit nun nicht mehr nur aus Rache an, sondern auch, um Enites Schönheit unter Beweis zu stellen. Der Kampf endet mit Erecs Sieg und die Ausgangssituation (am Artushof) beider Ritter wendet sich. Nun ist es Iders, der vor der Königin seine Schmach eingestehen muss.
Damit auch die Königin am Artushof von Erecs neu gewonnener Ehre erfährt und somit ihre Schmach gerächt weiß, reitet Iders zum Hof (2. Artusszene). Wie erwähnt, dient diese Artusszene für den ersten Handlungsteil als Spiegelachse, die den Handlungsverlauf zweiteilt und an der sich der Handlungsablauf, wie er bisher beschrieben worden ist, reflektiert.
Die zweite Handlungsreihe des ersten Romanteils setzt sich folglich auf Tulmein fort, wo die erste Sequenz geendet hat (siehe auch obige Abbildung). Erec und Enite werden nach dem bestandenen Kampf Erecs geehrt und kehren anschließend mit Imain zu Koralus zurück. Dort erhält Koralus den Dank Erecs und sein soziales Ansehen wird – im Gegensatz zur ersten Szene – durch Imain und sein Gefolge wieder hergestellt.6
Im Anschluss machen sich Erec und Enite auf den Weg zum Artushof, wo sie Annerkennung für ihre Leistung bzw. gewonnene Ehre erhalten. Enite bekommt den Artuskuss, der ihre Schönheit bestätigt und die Aufnahme in die höfisch-ritterliche Gesellschaft bedeutet (symbolisiert durch den Preis des Sperbers und das Geschenk des Pferdes). Erec erhält von Artus eine Rüstung, Waffen und andere wertvolle Geschenke, die seine ritterliche Anerkennung zum Ausdruck bringen.
Betrachtet man nun Beginn und Ende des ersten Handlungsteils, wird deutlich, dass die zweite Artusszene als Spiegelachse funktioniert: Erecs Ehre ist wieder hergestellt und von Artus anerkannt. Er trägt nun Waffen und eine Rüstung und heiratet zudem Enite. Das Motiv der Minne tritt hier neu hinzu, wodurch Erec zum ersten Mal an einem höfischen Turnier teilnehmen darf. Der Sieg dieses Turniers führt Erec – im Gegensatz zur Ausgangsszene – zum vollkommenen Ritterdasein, da alle Wertebereiche am Hofe miteinander verbunden sind: Schönheit, Ehre, Minne und Freude.7 Als Paar haben Erec und Enite an dieser Stelle ihren ersten gemeinsamen Höhepunkt erreicht.
Diese letzte Artusszene schließt zugleich die Handlungssequenzen des ersten Teils ab und deutet zugleich auf den zweiten Handlungsteil des Romans hin (Erec und Enite gehen nach Karnant).
[...]
1 Kuhn, Hugo: Erec. In: Hugo, Kuhn; Cormeau, Christoph (Hrsg.) (1973): Hartmann von Aue. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 17-48, hier S. 31f.
2 Jeder Teil des Romans besteht aus weiteren Einzelepisoden bzw. Abenteuerfahrten des Protagonisten.
3 Vgl. Oh, Erika (1972): Aufbau und Einzelszenen in Hartmann von Aues höfischen Epen „Erec“ und „Iwein“. Diss. Hamburg, S. 73f.
4 Ruh, Kurt (1977): Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Von den Anfängen bis Hartmann von Aue. Berlin: Erich Schmidt Verlag, Band 1, S. 117.
5 Oh, S. 71f.
6 Zudem ist es Erec durch den Sieg gelungen den Schlag des Zwerges, der die erste Handlungssequenz ausgelöst hat, zu begleichen.
7 Vgl. Oh, S. 22.
- Arbeit zitieren
- Liane Hein (Autor:in), 2007, Der kontrastierte Doppelweg im Artusroman am Beispiel des "Erec" von Hartmann von Aue, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122735
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