Geschichte hat heutzutage Hochkonjunktur.
Die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands wird stark in den Medien thematisiert. Im Jahr 1995 wurden im Fernsehen 450 Sendungen zum Thema Nationalsozialismus, Serien wie „Hitlers Helfer“ erfreuen sich großer Beliebtheit.
Dokumentationen oder Spielfilme greifen das Thema immer wieder auf und auch in Büchern wird es immer wieder verarbeitet.
Die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands rückt immer mehr in die Ferne und doch ist sie in den Medien präsent wie eh und je.
Anton Kaes beschreibt es folgendermaßen:
„Je weiter sich die Vergangenheit zeitlich entfernt, desto näher rückt sie. Bilder, unauslöschlich fixiert auf Zelluloid, in Archiven gespeichert und tausendfach reproduziert, lassen sie die Vergangenheit nicht vergehen; sie haben den Platz eingenommen, den früher Erfahrung, Erinnerung und Vergessen innehatten. […] Das Gedächtnis wird in dem Maße öffentlich und kollektiv, in dem individuelles Erinnern von diesen Bildern überdeckt und beherrscht wird.“
Das individuelle Gedächtnis wird überlagert von einem kollektiven Gedächtnis, in dem die Vergangenheit stets präsent ist. Die Produzenten dieser Erinnerungen sind Geschichtsschreiber, aber auch Medienmacher und Politiker. Das Erinnern ist also kein eigenständiger Vorgang mehr, sondern wird von vielen Instanzen beeinflusst und gesteuert.
Medien und Politiker wollen das kollektive Gedächtnis steuern und leiten und instrumentalisieren die Geschichte zu diesem Zwecke.
Gliederung
Die Medialisierung der Geschichte
1. Gründe für die Thematisierung der Geschichte
1.1 Wunsch der Gesellschaft
1.2 Forderung der Politik
1.3 Gründe der Medien, Geschichte zu Thematisieren
1.3.1 Institutionelle Gründe
1.3.2 Personale Gründe
1.3.3 Funktionale Gründe
2. Die Selbstreferenzialität der Medien
3. Folgen der Instrumentalisierung der Geschichte durch die Medien
4. Die Thematisierung des Holocaust
4.1 Die Angemessenheit der Darstellung
4.2 Die Authentizität der Darstellung
4.3 Der Wandel der Darstellungsweise
5. Der Holocaust im Spielfilm
6. Der Zeitzeuge im Holocaustfilm
7. Abschließende Betrachtung
Verwendete Literatur
Die Medialisierung der Geschichte
Geschichte hat heutzutage Hochkonjunktur.
Die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands wird stark in den Medien thematisiert. Im Jahr 1995 wurden im Fernsehen 450 Sendungen zum Thema Nationalsozialismus, Serien wie „Hitlers Helfer“ erfreuen sich großer Beliebtheit.
Dokumentationen oder Spielfilme greifen das Thema immer wieder auf und auch in Büchern wird es immer wieder verarbeitet.
Die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands rückt immer mehr in die Ferne und doch ist sie in den Medien präsent wie eh und je.
Anton Kaes beschreibt es folgendermaßen:
„Je weiter sich die Vergangenheit zeitlich entfernt, desto näher rückt sie. Bilder, unauslöschlich fixiert auf Zelluloid, in Archiven gespeichert und tausendfach reproduziert, lassen sie die Vergangenheit nicht vergehen; sie haben den Platz eingenommen, den früher Erfahrung, Erinnerung und Vergessen innehatten. […] Das Gedächtnis wird in dem Maße öffentlich und kollektiv, in dem individuelles Erinnern von diesen Bildern überdeckt und beherrscht wird.“[1]
Das individuelle Gedächtnis wird überlagert von einem kollektiven Gedächtnis, in dem die Vergangenheit stets präsent ist. Die Produzenten dieser Erinnerungen sind Geschichtsschreiber, aber auch Medienmacher und Politiker. Das Erinnern ist also kein eigenständiger Vorgang mehr, sondern wird von vielen Instanzen beeinflusst und gesteuert.
Medien und Politiker wollen das kollektive Gedächtnis steuern und leiten und instrumentalisieren die Geschichte zu diesem Zwecke.
1. Gründe für die Thematisierung der Geschichte
Es gibt verschiedene Gründe, warum Geschichte überhaupt zum Thema in den Medien wird. Von vielen Instanzen wird eine Thematisierung der Geschichte gefordert.
1.1 Wunsch der Gesellschaft
In der Gesellschaft ist zu bemerken, dass das Bedürfnis nach Geschichte und Information stetig zunimmt. Die Gesellschaft verändert sich immer schneller immer mehr. Die Menschen verlangen deshalb nach einer Vergewisserung in der Vergangenheit. Vergangenheit soll Kontinuität vermitteln und somit einen Fixpunkt in der eigenen Biographie und in der Biographie der Gesellschaft darstellen. Dieses Bedürfnis erklärt, warum Sendungen, Bücher und Ausstellungen, die sich mit längst Vergangenem beschäftigen, auch heute noch hoch im Kurs stehen.
1.2 Forderung der Politik
Dieses Bedürfnis der Gesellschaft greift die Politik auf. Das Volk verlangt nach Geschichte und die Politik will sie ihnen liefern. Jedoch mit eigener Interpretation und Intention. Es erfolgt somit eine Politisierung des Bedürfnisses nach Geschichte. Es wird immer mehr Geschichtspolitik betrieben. Die Geschichte wird mit parteiischem Blick interpretiert und ausgewählt, um das Volk von der Richtigkeit des eigenen politischen Tuns zu überzeugen.
Geschichte, Erinnerung und Vergangenheit werden zu Gegenständen politischen Handelns und politischer Auseinandersetzungen.[2] Der Politik gelingt diese Auseinandersetzung heutzutage vor allem dadurch, dass sie Anlässe schafft, um sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Symbolträchtige politische Entscheidungen, wie das Schaffen von Gedenktagen, Bauen von Denkmälern, bieten der Bevölkerung immer wieder die Möglichkeit, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen und sie zu thematisieren.
1.3 Gründe der Medien, Geschichte zu Thematisieren
Die Medien wiederum reagieren nun auf diese Instrumentalisierung der Geschichte durch die Politik. Sie berichten über Gedenktage, politische Äußerungen in diesem Zusammenhang. Sie bieten einen „Resonanzraum“[3] für Geschichts- und Symbolpolitik und Möglichkeiten einer öffentlichen Diskussion.
Die Medien folgen also dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach Geschichte und der Politisierung derselben. Es wäre allerdings unzureichend zu sagen, dass die Medien nur als Spiegel gesellschaftlicher und politischer Trends fungieren. Sie erfüllen mit der Thematisierung der Geschichte eigene Bedürfnisse. Ihre aktive Beteiligung am geschichtspolitischen Diskurs verfolgt eigene Ziele.
„Diese Gründe sind institutioneller, personaler und funktionaler Art und jeweils objektiv oder subjektiv bestimmt.“[4]
1.3.1 Institutionelle Gründe für die Thematisierung der Geschichte in den Medien
Durch die Expansion der Medien gibt es einen steigenden Bedarf an Stoffen und Themen, vor allem für das Fernsehen. Die Medien schlachten gierig jedes Thema aus, zum Beispiel auch zeitgeschichtliche Diskurse. Diese zeitgeschichtliche Thematik wird in dokumentarischer Form in Diskussionen oder Talkshows oder fiktional in Spiel- und Fernsehfilmen aufgearbeitet.
Dieses verlangen nach aktuellen Themen und Neuigkeiten lässt die Frage aufkommen, warum sich die Medien dann überhaupt mit Vergangenem beschäftigen. Wilke unternimmt deshalb die Unterscheidung zwischen manifester und latenter Aktualität, um das Phänomen der Beschäftigung mit der Vergangenheit zu erklären.
Manifeste Aktualität
Unter manifester Aktualität wird die Aktualität verstanden, die sich mit Ereignissen und dem Geschehen im hier und heute auseinandersetzt.
Permanente, latente Aktualität
Als permanent latente Aktualität bezeichnet Wilke die Form der Aktualität, die bestimmten Themen eigen ist. In Deutschland ist ein solch latent aktuelles Thema die Vergangenheitsbewältigung und die Auseinandersetzung mit dieser.
Über latent aktuelle Themen können die Medien allerdings nicht von sich aus berichten, sondern diese müssen durch Ereignisse wieder rethematisiert werden und somit wieder ein Teil des öffentlichen Interesses werden. Das können Gedenktage sein oder auch Buchveröffentlichungen, Ausstellungen oder Filmstarts, die eine erneute Diskussion anfachen. Das verschafft dem Thema der Vergangenheit wieder den Status einer Neuigkeit.
[...]
[1] Kaes, Anton: Deutschlandbilder. Die Wiederkehr der Geschichte als Film, S. 5
[2] Wilke, Jürgen: Geschichte als Instrument der Medien, S. 27
[3] ebd S. 28
[4] ebd
- Quote paper
- Jessica Zapf (Author), 2009, Die Medialisierung der Geschichte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122660
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