Basis der Arbeit bildet die von Wolfgang Donsbach 1985 durchgeführte Studie zur Selektivität der Rezipienten.
Die Autoren der Arbeit erläutern den wissenschaflichen Hintergrund der Donsbach-Studie, vermitteln das komplexe Mehrmethodendesign anschaulich und gut verständlich und stellen im Anschluß die Ergebnisse der Studie zusammenfassend dar. Abschließend werden diese diskutiert und in den wissenschaftlichen Gesamtzusammenhang eingeordnet.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ein wählerisches Publikum
1.2 Selektion bei Massenmedien
1.3 Kognitive Dissonanz und ihre Wirkung auf die Informationsselektion
1.4 Forschungsfrage
2 Methode
2.1 Das Studiendesign
2.1.1 Anforderungen
2.1.2 Umsetzung
2.2 Die Zusammensetzung der Methoden
2.2.1 Quantitative Inhaltsanalyse
2.2.2 Befragung
2.2.3 Copy-Test
2.3 Die Stichprobenbildung
2.4 Die Feldarbeit
2.5 Die Datenaufbereitung
2.6 Die Operationalisierung von Konsonanz und Dissonanz
2.7 Abhängige, unabhängige und intervenierende Variablen
3 Ergebnisse
3.1 Artikel über Politiker
3.1.1 Genereller Einfluss von Konsonanz und Dissonanz
3.1.2 Intervenierender Einfluss von Lesermerkmalen
3.1.3 Intervenierender Einfluss von Artikelmerkmalen
3.1.4 Intervenierender Einfluss der Leser-Blatt-Beziehung
3.1.5 Konkurrierender Einfluss von Informations- und Leservariablen
3.2 Artikel über die Konfliktthemen
3.2.1 Genereller Einfluss von Konsonanz und Dissonanz
3.2.2 Einfluss der Leser-Blatt-Beziehung
3.2.3 Einfluss der Leser-Themen-Beziehungen
3.3 Bewusste und unbewusste Selektionsentscheidungen
3.3.1 Traktionseffekte durch die Überschrift
3.3.2 Motivationseffekte durch die Überschrift
3.4 Das Problem von Suchen und Vermeiden
4 Zusammenfassung der Ergebnisse
5 Reflexion und Diskussion
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Artikeltendenz und Lesermeinung: Beiträge über Politiker – Nutzung von Artikeln in konsonanten und dissonanten Fällen – Kontrollvariable: Rolle des Politikers im Artikel (Quelle: Donsbach 1992, S.43)
Tabelle 2: Artikeltendenz und Lesermeinung: Beiträge über Politiker – Nutzung von Artikeln in konsonanten und dissonanten Fällen – Kontrollvariable: tägliche Lesedauer werktags (Quelle: Donsbach 1992, S. 45)
Tabelle 3: Artikeltendenz und Lesermeinung: Beiträge über Politiker – Nutzung von Artikeln in konsonanten und dissonanten Fällen – Kontrollvariable: Betonungsgrad des Artikels (Quelle: Donsbach 1992, S. 49)
Tabelle 4: Einfluss der Leser-Themen-Beziehungen auf die Artikelnutzung: Kontrollvariable: tägliche Lesedauer Werktags, Kriterium: Artikel mindestens teilweise gelesen. (Quelle: Donsbach 1992, S. 57)
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Datenverknüpfung (eigene Abbildung nach Donsbach 1992)
1 Einleitung
Fast vier Jahrzehnte dominierte in der Kommunikationswissenschaft die Über- zeugung, dass die Medien eine unermessliche Macht über ihr Publikum haben. Jegliche Meinungen konnten demnach via Massenmedien in die Köpfe der wehrlosen Rezipienten „gepflanzt“ werden. In dieser Phase stützte man sich un- ter anderem auf die vermeintlich sehr wirkungsvolle NS-Propaganda oder das Phänomen um Orson Welles' „Invasion from Mars“, ein Hörspiel, welches an- geblich Massenpanik ausgelöst haben soll. Aber diese allgemein akzeptierte wissenschaftlichen Überzeugung kehrte sich in den 1940er Jahren dank neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bald ins Gegenteil. Von nun an sollte ein eher wirkungsschwaches Bild der Medien die Wissenschaft dominieren. (Vgl. Bon- fadelli 2004, S. 28).
1.1 Ein wählerisches Publikum
In modernen Industriegesellschaften werden täglich immer mehr Informationen produziert. Eine deutsche Tageszeitung beispielsweise produziert im Durch- schnitt rund 65.000 Wörter täglich. Da die Aufnahmekapazität des Publikums beschränkt ist, scheint es unumgänglich, dass es sich für einen Teil dieses An- gebotes entscheidet und somit auch einen anderen unbeachtet lassen muss. Im Falle der deutschen Tageszeitungen werden nur 5.400 dieser 65.000 Wörter letztendlich tatsächlich gelesen, was einer Informationsüberlastung von 92% entspricht. Das Publikum muss also allein schon angesichts des enormen Über- angebotes von Informationen zwangsweise selektierten, was die Frage nach den Kriterien, anhand derer Selektion stattfindet, immer bedeutsamer erschei- nen lässt. (Vgl. Donsbach 1992, S. 25).
Ein weiteres Indiz für offensichtlich stattfindende Selektionsprozesse findet sich in einer von Paul Felix Lazarsfeld durchgeführten Studie zum Präsidentschafts- wahlkampf in den Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1940. War man zu- vor von der Allmacht der Massenmedien überzeugt, ging nach man der Veröf- fentlichung dieser Studie 1944 Jahrzehnte lang allgemein akzeptiert davon aus, dass Massenmedien die politische Einstellung der Rezipienten nicht verändern können sondern lediglich verstärken können. Den Medieninhalten wurde damit praktisch Wirkungslosigkeit unterstellt. Diese so genannte Verstärker-Regel be- ruhte auf der Erkenntnis, dass sich die Rezipienten überwiegend den Informa- tionen zuwandten, die ihren bereits bestehenden Meinungen und Einstellungen entsprachen und diese festigten bzw. verstärkten. Man sieht anhand der Befun- de dieser Studie, dass es ganz offensichtlich Selektionsprozesse auf der Seite des Publikums gibt, die die von den Massenmedien verbreiteten Informationen „filtern“ und nicht ungehindert und diese nicht gleichberechtigt von den Rezipi- enten aufgenommen werden. Die Verstärker-Regel konnte nicht eindeutig er- klärt werden – trotzdem stellt sich die Frage, welche Ursachen der Selektion zu Grunde liegen.
Auch in der Medienwirkungsforschung war Selektion lange Zeit ein Fundament für die Überzeugung von wirkungsschwachen Medien. Die Selektivität der Rezi- pienten schien 1957 durch eine sozialpsychologische Theorie noch bestärkt zu werden, und zwar durch Leon Festingers „Theorie der kognitiven Dissonanz“. Festinger zufolge „[...] versuchen Menschen, solche Konstellationen in ihren Einstellungen zu vermeiden, die nicht zueinander passen, d. h. dissonant sind.“ (Donsbach 1992, S. 26). Allerdings blieb die Frage, ob mit dieser Theorie die Zuwendung oder Vermeidung von Informationen zu erklären ist, bisher unbeant- wortet.
Berücksichtigt man nun, dass Kommunikation, also auch Massenkommunikati- on, ohne Selektion überhaupt nicht möglich ist, da ein Mensch im Kommunikati- onsprozess zur Übertragung von Botschaften in der Rolle des Kommunikators genauso wie in der Rolle des Rezipienten aus einer Vielzahl von Signalen wäh- len muss, die er entweder „übertragen“ oder „empfangen“ will, so scheint lo- gisch, dass Selektion genau wie Wirkung ein Teil des Kommunikationsprozes- ses ist. Die Bedingungen, zu denen es innerhalb des Kommunikationsprozes- ses zu einem Kontakt zwischen Information und Rezipient kommt, werden von der Selektionsforschung untersucht.
Wolfgang Donsbach formulierte unter Berücksichtigung der erläuterten Sach- verhalte zu die Frage, „Nach welchen Kriterien [..] das Publikum der Massen- medien diejenigen Inhalte aus[wählt], denen es seine Aufmerksamkeit zuwen- det“ (Donsbach 1992, S. 25), eine Frage, deren Beantwortung in den For- schungsbereich der publizistikwissenschaftlichen Selektionsforschung fällt. Die se Fragestellung war der Ausgangspunkt für die in dieser Hausarbeit themati- sierten Studie von Wolfgang Donsbach.
1.2 Selektion bei Massenmedien
Beim Massenkommunikationsprozess unterscheidet Donsbach vier Selektions- entscheidungen und diese unterteilen sich wiederum in drei Phasen. Bei der ersten Selektionsentscheidung geht es für den Rezipienten darum, ob er „[...] überhaupt am Kommunikationsprozess teilnehmen will oder nicht.“ (Donsbach 1989, S. 392) Die zweite Selektionsentscheidung betrifft die Auswahl des Medi- ums, dem sich der Rezipient nach seiner Entscheidung für die Teilnahme am Kommunikationsprozess zuwendet. Die dritte Selektionsentscheidung fällt die- ser bezüglich der redaktionellen Angebote innerhalb des gewählten Mediums und bei der vierten, selektiert der Rezipient schließlich zwischen einzelnen In- formationen. (vgl. Donsbach 1989, S. 392)
Für die erste Selektionsentscheidung existieren mehrere Erklärungsansätze. Deskriptive Studien gehen davon aus, dass die soziodemographischen und ko- gnitiven Eigenschaften von Personen für deren Nutzungsverhalten verantwort- lich sind (vgl. Donsbach 1989, S. 393). Verhaltenstheorien wiederum gehen da- von aus, dass die Erlebnisse, die die Rezipienten bei der Teilnahme an vorheri- gen Kommunikationsprozessen hatten, ihre Selektion beeinflussen. Eine funk- tionale Analyse dieses Ansatzes führte zu der Erkenntnis, dass Zeitungslesern hauptsächlich das Gefühl, umfassend informiert zu sein und das Zeitunglesen innerhalb des habitualisierten Tagesablaufs fehlten, während das Fernsehen of- fensichtlich nur die Funktion hatte, beim Zusehen Zeit zu überbrücken (vgl. Donsbach 1989, S. 393). Ein weiter Ansatz bezieht sich auf fehlende soziale Kontakte der Rezipienten, die vor allem durch eine starke Nutzung des Fernse- hens kompensiert werden. Der Rezipient identifiziert sich mit den Akteuren und baut so eine „parasoziale Interaktion“ auf (vgl. Donsbach 1989, S. 394).
Die zweite Selektionsentscheidung wird unterteilt in „intermediäre Selektion“ und „intramediäre Selektion“, also die Auswahl zwischen verschiedenen Medien und zwischen verschiedenen Anbietern. Die Intermediale Selektion wird dabei sehr stark vom habitualisierten Verhalten der Rezipienten beeinflusst, während die intramediäre Selektion mehr von Faktoren wie Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Kompetenz sowie einer positiven Grundeinstellung zum Medium beein- flusst wird. (Donsbach 1989, S. 394)
Bei der dritten Selektionsentscheidung wählt der Rezipient aus dem Informati- onsangebot innerhalb eines Mediums aus. Donsbach unterscheidet hier drei Gruppen von Ansätzen. Die erste Gruppe beschäftigt sich mit formalen Merk- malen wie zum Beispiel bei einem Zeitungsartikel der Platzierung, der Größe der Überschrift oder der Schriftgröße. Eine zweite Gruppe von Ansätzen be- trachtete die thematischen Merkmale des Medieninhalts. Die psychologischen Faktoren der Auswahl wurden schließlich von der dritten Gruppe von Ansätzen untersucht, die „[...] die Ursachen für die Zuwendung zu bestimmten Medienin- halten mit den psychologischen Prädipositionen des Individuums [...]“ (Dons- bach 1989, S. 397) erklärt. (Vgl. Donsbach 1989, S. 395 ff.).
Die Auswahl von einzelnen Informationseinheiten bildet die vierte Selektionsent- scheidung. Mit Hilfe von verschiedenen Untersuchungen wurde bisher versucht zu klären, was Rezipienten dazu veranlasst, bestimmte Informationen zu selek- tieren. Übereinstimmend wurde dabei festgestellt „[...] daß der Erwartungsrah- men des Individuums, seine 'Realitäts-Hypothese' die Verarbeitung von Infor- mationen steuern.“ (Donsbach 1989, S. 398).
Donsbachs Studie zur Selektivität der Rezipienten untersucht hauptsächlich die dritte und vierte Selektionsentscheidung.
Jeder Selektionsprozess wird außerdem in präkommunikative, kommunikative und postkommunikative Phase eingeteilt. In der präkommunikativen Phase geht es um die Entscheidung über die selektive Zuwendung, in der kommunikativen Phase um die selektive Wahrnehmung und in der postkommunikativen Phase um die selektive Erinnerung der rezipierten Informationen.
Die oben genannten Selektionsentscheidungen können hierbei in jeder Phase des Kommunikationsprozesses getroffen werden (vgl. Donsbach 1989, S. 392).
1.3 Kognitive Dissonanz und ihre Wirkung auf die Informationsselektion
Festingers „Theorie der kognitiven Dissonanz“ galt als die „[...] einflussreichste aller aus der Gestaltpsychologie hervorgegangenen kognitiven Konsistenztheo- rien und Gleichzeitig als eine der umstrittensten Theorien der Sozialpsycholo- gie“ (Donsbach 1992, S. 28), letzteres vor allem, weil die Richtigkeit seiner Grundannahmen nie bestätigt werden konnte . Er ging davon aus, dass jeder Mensch bei der Informationsaufnahme bereits ein von Informationen und Ein- stellungen geprägtes Bild der Realität besitzt, wozu sich neue Informationen konsonant oder dissonant verhalten können. Der Mensch ist hierbei immer dar- um bemüht, Dissonanz zu vermeiden bzw. vorhandene Dissonanz durch Auf- nahme konsonanter Informationen zu mindern oder ganz auszulöschen.
Aufgrund der bisher geleisteten Forschungsarbeit formuliert Donsbach vier The- sen, die bezüglich der Gültigkeit der kognitiven Dissonanztheorie zu prüfen wä- ren:
1. Die Beziehung zwischen Vermeidung von Dissonanz und Suchen nach Konsonanz spielen bei der Informationsauswahl zwar eine Rolle, schließen aber nicht die Möglichkeit anderer Variablen aus.
2. Bei früheren Experimenten war der Faktor der Dissonanz stark überschätzt worden, was dazu führte, dass andere Variablen wie Nützlichkeit, Attraktivität, Vertrautheit von Informationen sowie Interesse und Neugier des Rezipienten keine Beachtung fanden, obwohl sie die Selektion eben so gut hätten erklären können.
3. Damit Festingers Hypothese gelten kann, müssen die zu verarbeitenden Informationen für den Rezipienten relevant sein und er muss sich für seine Wahrnehmungs- und Handlungsentscheidungen verantwortlich fühlen.
4. Es existieren mehrere Variablen, sowohl auf Seiten der Rezipienten als auch auf Seiten der Informationen, die das „Ausmaß der Wirkung des Dissonanzfaktors“ beeinflussen können (Donsbach 1992, S. 29): Solche Variablen sind zum Beispiel Dogmatismusgrad, Ängstlichkeit und Selbstvertrauen des Rezipienten oder auch Dissonanzstärke, Glauwürdigkeit und Widerlegbarkeit der Informationen.
Zudem zeigten laut Donsbach viele Studien zu Medienwirkungen „[...] erhebli- che methodische Probleme auf, die die Validität der Ergebnisse in Frage stellen [...]“ (Donsbach 1992, S. 29). So wurde bei Laborversuchen nie die natürliche Rezeptionssituation abgebildet, oder aber die bereitgestellten Selektionsmög- lichkeiten waren in ihrer Wichtigkeit zu unterschiedlich oder banal, um einen tat- sächlichen Selektionsprozess in Gang zu setzen. Dies führte dazu, dass der Nachweis von Medienwirkungen im Labor stark, in Feldforschungen aber nur schwach oder gar nicht nachgewiesen werden konnten. Ein anderes Bild bietet sich bei der Selektivität, die in Laborversuchen nicht nachgewiesen werden konnte, in der Feldforschung hingegen mit vielen, allerdings methodisch unzu- reichenden Indizien „belegt“ werden konnte. „In der publizistikwissenschaftli- chen Selektionsforschung sind nicht die Medieninhalte potentielle Instrumente zur Reduktion von Dissonanz, sondern ist die Selektivität ein Instrument zur Ka- nalisierung von Medieninhalten entsprechend den eigenen kognitiven Bedürf- nissen.“ (Donsbach 1992, S. 30). Außerdem führte er an, dass Festinger eine Selektionssituation ohne Spannungsverhältnis in seiner Theorie nicht berück- sichtigt hatte.
Dies führt Donsbach zu der Frage, ob es Selektion ohne Spannungsverhältnis gibt, und wenn ja, ob es sich dann um passives Vermeiden von dissonanten In- formationen oder aktives Suchen nach konsonanten Informationen handelt (Donsbach 1992, S. 30).
1.4 Forschungsfrage
Donsbachs Studie beschäftigt sich mit der dritten der unter Punkt 1.2 angespro- chenen Selektionsentscheidungen, der Selektion von Medieninhalten. Mit sei- ner Studie wollte er klären: „[…] welche Rolle die bestehenden Einstellungen und Beziehungen der Rezipienten zu in den Medien behandelten Themen und Personen bei der Informationsselektion spielen“ (Donsbach 1992, S. 35). Selek- tion erfolgt schließlich nicht nur auf Grund von formalen Merkmalen des Me- dieninhalts. Die Probleme bisheriger Studien der Selektionsforschung versuchte Donsbach dabei zu vermeiden. Er berücksichtigt beispielsweise, dass Konso- nanz bzw. Dissonanz nur als eine von vielen Ursachevariablen für die Selektion von Bedeutung ist (vgl. Donsbach 1992, S. 28 f.).
Die Ergebnisse der Studie untersuchte Donsbach u. a. in Hinblick auf die Hypo- these, „[...] dass die selektive Zuwendung zu bestimmten Medieninhalten aus einem Abgleich zwischen den eigenen (politischen) Einstellungen und der ver- muteten (politischen) Einstellung des auszuwählenden Medieninhalts erfolgt.“ (Scholl 2003, S. 234). Diese Hypothese lässt sich erweitern. So formuliert Donsbach in seinem Fazit zur vorliegenden Studie die folgende Hypothese:
„Die eigenen Prädispositionen verhindern den Kontakt mit Informationen und Argumenten der Gegenseite und damit Veränderungen des Einstelllungssys- tems.“ (Donsbach 1992, S. 66) Man wendet sich demnach Medieninhalten le- diglich zu um Dissonanz zu vermeiden oder aber um Konsonanz aktiv zu su- chen (vgl. Scholl 2003, S. 234). Außerdem formuliert Donsbach die Hypothese, dass „[die] eigenen Prädispositionen [..] den Kontakt mit Informationen und Ar- gumenten der Gegenseite und damit Veränderungen des Einstellungssystems [verhindern].“ (Donsbach 1992, S. 66). Man wendet sich demnach Medieninhal- ten lediglich zu, um Dissonanz zu vermeiden oder aber um Konsonanz aktiv zu suchen (vgl. Scholl 2003, S. 234).
2 Methode
2.1 Das Studiendesign
2.1.1 Anforderungen
Mit Blick auf die unzureichenden Ergebnisse der meisten vorab durchgeführten Studien entwarf Donsbach ein Studiendesign, welches dank einer im Bereich der publizistikwissenschaftlichen Massenkommunikationsforschung bis dahin noch nie angewendeten Art der Datenverknüpfung viel aussagekräftigere Er- gebnisse als bislang hervorbringen sollte. Er bediente sich eines Mehr- bzw. Multimethodenansatzes. um folgenden, von ihm formulierten Anforderungen an die Studie gerecht zu werden:
Erstens sollte sie mit einem Medium durchgeführt werden, welches den Rezipi- enten die Selektion von Informationen erleichtert und Zweitens deren möglichst exakte Messung erlaubt. Medien mit „flüchtigen“ Inhalten, wie das Fernsehen oder das Radio, schienen damit vollends ungeeignet für die Untersuchung, da die Inhalte hier parallel und, wie es Donsbach ausdrückt, „in der Zeit“ organisiert sind und damit dem Rezipienten von vornherein eine dem Inhalt geschuldete Selektionsentscheidung praktisch nicht ermöglichen (vgl. Donsbach 1992, S. 34). Schließlich kann man nicht alles gleichzeitig rezipieren und sich dann bewusst einem Angebot zuwenden. Man möge sich einmal vorstellen, mit ei- nem Haufen Radios alle Sender gleichzeitig zu hören und dann auch noch den momentan interessantesten zu identifizieren, um ihm seine ganze Aufmerksam- keit zu widmen, ohne jedoch den Sendungen aller anderen in dieser Zeit keine Beachtung zu schenken, damit man gegebenenfalls dort auftauchende inter- essante Inhalte nicht verpasst. Das ist schlichtweg unmöglich.
Drittens sollte die Studie einen starken Feldcharakter aufweisen, um der tat- sächlichen Rezeptionssituation in der Massenkommunikation bestmöglich ge- recht zu werden. Diese Überlegung entstand aus dem Umstand heraus, dass vorab durchgeführte Laborexperimente zu wenig brauchbaren Ergebnissen ge- führt hatten. Die Erkenntnisse aus solchen Experimenten in vermutlich meist unrealistischen Situationen lassen eine Übertragung auf natürliche Situationen meist nur sehr eingeschränkt oder gar nicht zu. Außerdem wurden den Ver- suchspersonen in Vorgängerstudien teilweise „künstliche“ Medieninhalte prä sentiert, wodurch die Selektionsentscheidungen ebenfalls nur bedingt auf die Realität übertragbar waren. Der Feldversuch schien also hier die eindeutig sinn- vollere Wahl zu sein.
Viertens sollte die Studie die Merkmalsbeziehungen zwischen Rezipienten und Informationen so exakt und umfassend wie möglich beschreiben, um bei der Auswertung durch flexible Möglichkeiten der Variablenverknüpfung die Selekti- onsentscheidungen bestmöglich erklären zu können. Donsbach bemängelte nämlich, dass ein Großteil der bisherigen Studien einen Kausalnachweis von Selektionsentscheidung und Ursache vermissen ließ und daher rein „spekulativ“ gewesen sei. Dies führte er auf die fast unüberschaubare Menge von interve- nierenden Variablen zurück, die im Zuge dieser Untersuchungen in ihrer Vielfalt keine Berücksichtigung fanden. So wurde die Bedeutung von Konsonanz und Dissonanz bisher als maßgebliches Kriterium für Selektion betrachtet, obwohl sie nur ein Einflussfaktor auf die Selektivität der Rezipienten unter vielen ist. Auch wurden intervenierenden Variablen, wie zum Beispiel Persönlichkeits- merkmalen, zu wenig Beachtung geschenkt, obwohl diese die Wirkung von Dis- sonanz auf die Selektionsentscheidung erheblich abschwächen, verändern oder gar ganz aufheben können.
2.1.2 Umsetzung
Donsbach entschied sich, für seine Studie vier Tageszeitungen zu verwenden: die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ, Frankfurt), die Süddeutsche Zeitung (SZ, München), die Allgemeine Zeitung (AZ, Mainz) und den Südkurier (SK, Konstanz). Damit wurde er gleich den ersten beiden Anforderungen an seine Studie gerecht. Zum Einen wurde mit der Verwendung von Tageszeitungen, also Printmedien, das Problem der Flüchtigkeit des Informationsangebotes in Medien wie Radio oder Fernsehen überwunden. Zum Anderen wurde dadurch sowie durch die optisch klare Abgrenzung der Beiträge dem Leser die Selekti- onsentscheidung und dem Forscher die Messung der Selektion deutlich erleich- tert.
Der dritte Punkt wurde mit der Verwendung „echter“ Medien mit „echten“ Me- dieninhalten umgesetzt, die auf dem üblichen, „echten“ Weg zum Rezipienten gelangten.
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- Quote paper
- Jan Kietzmann et al. (Author), 2008, Die Selektivität der Rezipienten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122598
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