Zu den grösseren Herausforderungen, mit der sich der Staat und deren Bevölkerung in den
Industrieländern in den nächsten Jahrzehnten zu beschäftigen haben, sind die zunehmende
Globalisierung, der ständige Wandel der Arbeitsmärkte, die allgemeine Verbreitung der
Informations- und Kommunikationstechnologien, allgemeine Strukturanpassungen, zudem die
immer höher werdenden Grundanforderungen in der Arbeitswelt und im täglichen Leben. Die
Welt entwickelt sich immer mehr hin zu einer Gesellschaft, deren Wissen die unerlässlichste
Basis zu deren Funktionieren bildet.
In diesem sich immer schneller wandelnden Umfeld, muss sich das meistens in der
Grundausbildung erworbene Wissen und Können immer wieder erneuern und kann deshalb
nur durch ständiges lebenslanges Lernen auf dem nötigen Stand gehalten werden. Die
Weiterbildung wird zu einem unerlässlichen Bestandteil in diesem Prozess. Die
Weiterbildung soll die Individuen dazu befähigen, den oben beschriebenen Tendenzen folgen
zu können.
Wenn demzufolge die Weiterbildung immer wichtiger wird, dann wird auch die Frage, wie
Weiterbildung verteilt wird und wer Zugang zu ihr hat, immer mehr zu einer Frage der
sozialen Gerechtigkeit.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Fragestellung
3 Überblick in die Weiterbildungslandschaft
3.1 Zum Begriff Weiterbildung
3.1.1 Die zeitliche Entwicklung der Weiterbildung
3.2 Verschiedenen Weiterbildungstypen
3.2.1 Soziokulturelle Weiterbildung
3.2.2 Berufliche Weiterbildung
3.2.3 Der integrative Weiterbildungsansatz
4 Lebenslanges Lernen
4.1 Warum „lebenslanges Lernen“ ein Thema ist
4.2 Zum Begriff des „lebenslangen Lernens“
4.2.1 „éducation permanente“
4.2.2 „recurrent education“
4.2.3 „lifelong learning“
5 Chancengleichheit respektive Chancenungleichheit in der Weiterbildungs- thematik
5.1 Begriff der Chancengleichheit
5.2 Chancengleichheit und Benachteiligung
5.3 Wandel der Qualifikation
5.4 Das alte Bildungssystem gerät ‚ins Wanken’
6 Praktischer Teil
6.1 Themenbereich „Weiterbildungsbeteiligung“
6.2 Themenbereich „Wahl der Weiterbildungskurse“
6.3 Themenbereich „Weiterbildung nach Bildungsstand“
6.4 Themenbereich „Beteiligung der Geschlechter an Weiterbildung“
6.5 Themenbereich „Veranstalter von Weiterbildung“
7 Schlussfolgerungen
8 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Zu den grösseren Herausforderungen, mit der sich der Staat und deren Bevölkerung in den Industrieländern in den nächsten Jahrzehnten zu beschäftigen haben, sind die zunehmende Globalisierung, der ständige Wandel der Arbeitsmärkte, die allgemeine Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien, allgemeine Strukturanpassungen, zudem die immer höher werdenden Grundanforderungen in der Arbeitswelt und im täglichen Leben. Die Welt entwickelt sich immer mehr hin zu einer Gesellschaft, deren Wissen die unerlässlichste Basis zu deren Funktionieren bildet.
In diesem sich immer schneller wandelnden Umfeld, muss sich das meistens in der Grundausbildung erworbene Wissen und Können immer wieder erneuern und kann deshalb nur durch ständiges lebenslanges Lernen auf dem nötigen Stand gehalten werden. Die Weiterbildung wird zu einem unerlässlichen Bestandteil in diesem Prozess. Die Weiterbildung soll die Individuen dazu befähigen, den oben beschriebenen Tendenzen folgen zu können.
Wenn demzufolge die Weiterbildung immer wichtiger wird, dann wird auch die Frage, wie Weiterbildung verteilt wird und wer Zugang zu ihr hat, immer mehr zu einer Frage der sozialen Gerechtigkeit.
2 Fragestellung
Die leitende These, welcher ich in dieser Seminararbeit nachgehe, lautet: Inwiefern vermag die Weiterbildung die bestehenden sozialen Ungleichheiten abzubauen, oder anders gefragt, trägt die Weiterbildung geradezu zur Verstärkung von sozialer Ungleichheit bei.
Dies macht zunächst eine begriffliche Klärung von Weiterbildung erforderlich, dabei werde ich mich vor allem an die Definitionen von Aebi (1995) und dem Bundesamt für Statistik (1996) anlehnen.
„Es ist notwendig, die institutionalisierte Weiterbildung als einen ergänzenden nachschulischen, umfassenden Bildungsbereich einzurichten. Weiterbildung als Fortsetzung oder Wiederaufnahme früheren organisierten Lernens bildet mit vorschulischen und schulischen Lernprozessen ein zusammenhängendes Ganzes. Weiterbildung umfasst Fortbildung, Umschulung und Erwachsenenbildung“ (Deutscher Bildungsrat 1970, in: Aebi 1995, S.14).
„Weiterbildung ist intendiertes, gezieltes Lernen: vom Selbststudium mit Hilfe von Fachliteratur bis hin zur institutionalisierten, organisierten Lernform, dem Weiterbildungskurs. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um berufliche oder allgemeine Weiterbildung oder einen betriebsinternen Kurs handelt. Nicht als Weiterbildung gelten unbeabsichtigte, unbewusste Lernprozesse“(Bundesamt für Statistik 1996, S.12).
Ausgehend von der obigen These, stellen sich zunächst folgende zu untersuchende Fragestellungen:
(1) Wie ist die Weiterbildung aufgebaut und organisiert?
(2) Wie ist der Begriff des lebenslangen Lernens im System der Weiterbildung verankert?
(3) Inwiefern steht die Weiterbildung in Relation zur Chancengleichheit respektive Chancenungleichheit?
(4) Wie sieht die momentane Situation in der Schweiz bezüglich Weiterbildung und Chancengleichheit vs. Ungleichheit aus?
Die Gliederung der Arbeit gestaltet sich wie folgt: Zunächst soll ein Überblick in Bezug auf die Weiterbildungslandschaft und die wichtigsten Begriffsdefinitionen, gegeben werden. Kapitel 4 widmet sich dann dem Begriff des „lebenlangen Lernens“, in welchem die wichtigsten Argumente und Begrifflichkeiten verdeutlicht werden. Wie die Weiterbildung in Relation zur Chancengleichheit respektive Chancenungleichheit steht, bildet den Gegenstand des Kapitels 5.
In einem nächsten Schritt wenden wir uns dann der Praxis zu, indem die momentane Situation der Weiterbildung in der Schweiz näher betrachtet wird. In diesem Teil sah ich auch die Chance, Theorie und Praxis zusammenzuführen. Abschliessend in Kapitel 7 sollen die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst werden.
3 Überblick in die Weiterbildungslandschaft
3.1 Zum Begriff Weiterbildung
Schaut man sich in der Literatur um, wie die Weiterbildung charakterisiert wird, kann man feststellen, dass alle Definitionen eine Gemeinsamkeit aufweisen. Allen ist klar, dass die Weiterbildung auf den Bereichnachder schulischen und beruflichen Grundausbildung folgt. Der Grundausbildungsbegriff deckt laut Bundesamt für Statistik „die Gesamtheit der institutionalisierten, formalisierten Programme des hierarchisch strukturierten Bildungssystems ab“ (Bundesamt für Statistik 1996, S.12). Alle Ausbildungsprogramme werden folglich der Primär-, Sekundär- und Tertiärstufe zugeordnet. Auf der nächsten Seite werde ich detailliertere Informationen zu diesen Abstufungen liefern.
Eine nach wie vor vielgelesene Definition des Weiterbildungsbegriffes ist jene des Deutschen Bildungsrates von 1970:
„Es ist notwendig, die institutionalisierte Weiterbildung als einen ergänzenden nachschulischen, umfassenden Bildungsbereich einzurichten. Weiterbildung als Fortsetzung oder Wiederaufnahme früheren organisierten Lernens bildet mit vorschulischen und schulischen Lernprozessen ein zusammenhängendes Ganzes. Weiterbildung umfasst Fortbildung, Umschulung und Erwachsenenbildung“ (Deutscher Bildungsrat 1970, in: Aebi 1995, S.14).
Ziehen wir zusätzlich eine etwas modernere Definition der Weiterbildung bei, so unterscheidet sich diese nicht signifikant mit der des Deutschen Bildungsrates. Als wesentlicher Punkt wird die Frage nach der Intention der Weiterbildung hervorgestrichen.
Das Bundesamt für Statistik hält dazu in seiner Broschüre „Weiterbildung in der Schweiz“ 1996 fest:
„Weiterbildung ist intendiertes, gezieltes Lernen: vom Selbststudium mit Hilfe von Fachliteratur bis hin zur institutionalisierten, organisierten Lernform, dem Weiterbildungskurs. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um berufliche oder allgemeine Weiterbildung oder einen betriebsinternen Kurs handelt. Nicht als Weiterbildung gelten unbeabsichtigte, unbewusste Lernprozesse“(Bundesamt für Statistik 1996, S.12).
Im Weiterbildungsbereich werden je nach Auffassung und anvisierter Zielgruppe verschiedene Bergriffe verwendet. Mit der Zeit haben sich die Begriffe „Erwachsenenbildung“ und „Weiterbildung“ als Oberbegriffe durchsetzen können.
„Erwachsenenbildung“ und „Weiterbildung“ als Oberbegriffe polarisieren auch in der Praxis die Akteure der Weiterbildungsarena in etwa zwei gleich grosse Lager und erschweren eine eindeutige Begriffswahl. Nur wenige Akteure begründen pragmatisch ihre Begriffswahl. So konstatieren sie, dass der Begriff der „Erwachsenenbildung“ die Abgrenzung zur Jugend markieren soll, die „Weiterbildung“ dementsprechend die Abgrenzung zur Grundausbildung markiert. Damit signalisieren sie, dass der Weiterbildungsbereich auf dem Sockel der Primär, Sekundär und Teile der Tertiärstufe aufgebaut ist. Die Weiterbildung soll sich zu einer vierten Säule des Bildungssystems beziehungsweise zu einem System lebenslangen Lernens (wird im Kapitel 4 genauer besprochen) weiterentwickeln. Von der Erstausbildung sollen Verbindungen zur Weiterbildung hergestellt werden (Faulstich 1993).
Folgendes Schaubild soll einen kleinen Überblick über die oben angesprochene Aufteilung geben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Schulen und Ausbildungen im Rahmen der Grundausbildung1
Anzumerken bleibt, dass eine klare Abgrenzung zwischen Grundausbildung und Weiterbildung nicht in allen Fällen einfach ist. So kann der Übergang in den Bereich der Weiterbildung von allen Stufen her möglich sein. Je nach Standpunkt und Fragestellung kann die Zuteilung verschieden ausfallen.
Der Einfachheit halber werde ich in meinen weiteren Ausführungen den Begriff „Weiterbildung“ verwenden.
3.1.1 Die zeitliche Entwicklung der Weiterbildung
Die Dimension, die das System der Weiterbildung mittlerweile erreicht hat, ist gross. Wir können eine Vielfalt von Institutionen mit sehr unterschiedlicher Grössenordungen und Entwicklungsrichtungen beobachten. Das System von Weiterbildung ist hochgradig ausdifferenziert und erfüllt unterschiedliche Funktionen. Zweifellos sind berufsbezogene Angebote und solche in betrieblicher Trägerschaft der am stärksten expandierende Bereich. Rückblickend können wir vier verschiedene Wachstumsphasen der Weiterbildung konstatieren. Erstens eine Phase der Mobilisierung, welche so etwa bis 1970 dauerte, zweitens eine Phase schneller Expansion zwischen 1970 und 1980, drittens eine fortgesetzte Phase der Stagnation bis so ca. 1990 und viertens scheint eine zweite Organisierung zu greifen, welche bis jetzt das Gewicht von Weiterbildung insgesamt verstärkt (vgl. Faulstich 1993).
Die Weiterbildung ist zu einer festen Grösse in den wirtschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen geworden. „Die Gestaltbarkeit der globalen Umwelt-, Bevölkerungs- und Wirtschaftsfragen wird am ehesten sichtbar und rationalem Handeln zugänglich werden, wenn es zu einem Mehr an Demokratie, an Beteiligungsmöglichkeiten und an ständigem Weiterlernen kommt“ (Weinberg 1999, S.164). Die Weiterbildung sollte in Zukunft die Fähigkeiten zum innovativen Lernen in der Bevölkerung verbreiten, weil innovatives Lernen das einzelne Individuum und die Gesellschaft auf gemeinsames Handeln in neuen Situationen vorbereiten kann.
3.2 Verschiedene Weiterbildungstypen
Unter Punkt 3.1 wurde ersichtlich, dass ein intendiertes beziehungsweise organisiertes Lernen eine Einschränkung auf institutionell angebotenes, ausgearbeitetes und geleitetes Lernangebot bedeutet. Dementsprechend fallen alle individuellen Weiterbildungsmassnahmen wie beispielsweise Zeitungslektüre, Fernsehen, Radio, Kino, Konzerte, Theater, Besuche eines Museums etc. weg.
Um diesen Wegfall der individuellen Weiterbildungsmassnahmen nicht einfach ausser Acht zu lassen, wurde ihnen ein eigenständiger Bereich zugeordnet.
Die Weiterbildung wird folglich in zwei grosse Teilgebiete, die soziokulturelle und dieberuflicheWeiterbildung, differenziert.
3.2.1 Soziokulturelle Weiterbildung
„Die soziokulturelle Weiterbildung vereint Wissensinhalte politischer, kultureller, sozialer Art und ist - obwohl sich diese Trennung kaum lokalisieren lässt – nicht spezifisch auf den beruflichen Bereich ausgerichtet“ (Aebi 1995, S.22).
Im Umfeld des beschleunigten sozialen Wandels und der stetigen Zunahme der Komplexität ist die Aneignung solcher oben angesprochener Wissensinhalte äusserst notwendig. Zudem fördert die soziokulturelle Weiterbildung die Bildung einer eigenen Identität, die der individuellen und der kollektiven Orientierung in der Gesellschaft dient. Spezielle Weiterbildungsprogramme decken nebst den fachlichen Kenntnissen, kooperative und organisatorische Fähigkeiten und Führungsqualitäten, welche bewusst auf das individuelle Curriculum abgestimmt sind, gezielt ab (Müller 1999). Weiter leistet die soziokulturelle Weiterbildung einen wichtigen Beitrag zur Kommunikations- und Konfliktfähigkeit in unserer Gesellschaft.
Zusammenfassend können wir sagen, dass die soziokulturelle Weiterbildung im positiven Sinne die Persönlichkeitsentwicklung und die soziale Integration beeinflusst.
3.2.2 Berufliche Weiterbildung
Durch den gesellschaftlichen Wandel hat sich die berufliche Weiterbildung zwangsläufig dynamisiert und ausgebreitet. Es sind keine weiteren Erklärungen mehr nötig, denn wir können alle feststellen, dass der Bereich der beruflichen Weiterbildung in den letzten Jahrzehnten quantitativ stark expandierte und zunehmend auch politisch von Interesse wurde. Diesen Anstieg können wir folgendermassen begründen: „Die Begründung für diesen Bedeutungszuwachs wird in der technisch-ökonomischen Entwicklung gesucht, welche die Notwendigkeit ständiger Weiterbildung in sich trägt – ‚Qualifikation’ als Schlüsselbegriff rückt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit“ (Aebi 1995, S.27).
Berufliche Weiterbildung dient verschiedenen Zielsetzungen. So fallen Umschulungen, Anpassungsfortbildungen und Aufstiegsfortbildung darunter (vgl. op.cit.).
[...]
1 Leicht vereinfachte Darstellung aus Broschüre „Weiterbildung in der Schweiz“ vom Bundesamt für Statistik 1996, S.13.
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- lic.phil. I Patrick Lustenberger (Author), 2001, Chancengleichheit durch Weiterbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122556
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