Das Thema des folgenden Aufsatzes behandelt eine Angelegenheit, welche die Menschheit schon immer beschäftigte – die Gesundheit. Seit Jahrzehnten wird über eine möglichst allumfassende Definition des Begriffs gestritten, eine konkrete Lösung gibt es jedoch bis heute nicht. Die wenigsten Menschen sind wohl vollkommen gesund, dennoch gilt Gesundheit als eines der bedeutsamsten Ideale der heutigen Zeit. Doch welche Folgen kann es haben, wenn dieses Ideal zur verpflichtenden Norm wird und wenn einem das „Recht auf Krankheit“ genommen wird?
Das Problem mit Gesundheit als „Summum Bonum“ eines Staatssystems
Das Thema des folgenden Aufsatzes behandelt eine Angelegenheit, welche die Menschheit schon immer beschäftigte - die Gesundheit. Seit Jahrzehnten wird über eine möglichst allumfassende Definition des Begriffs gestritten, eine konkrete Lösung gibt es jedoch bis heute nicht. Die wenigsten Menschen sind wohl vollkommen gesund, dennoch gilt Gesundheit als eines der bedeutsamsten Ideale der heutigen Zeit. Doch welche Folgen kann es haben, wenn dieses Ideal zur verpflichtenden Norm wird und wenn einem das „Recht auf Krankheit“ genommen wird?
Die Autorin Juli Zeh hat sich in ihrem 2009 publizierten Roman „Corpus Delicti - ein Prozess“ mit genau dieser Situation auseinandergesetzt. Zur genaueren Darstellung der Problematik soll besonders ein Ausschnitt (S.36-43) aus Zehs‘ Werk genauer beleuchtet und anschließend kritisch erörtert werden. Juli Zeh entwirft in ihrem Roman (2009) ein fiktives Staatssystem, , welches sie die „Methode“ nennt. Dabei handelt es sich um eine Diktatur, die durch bestmögliche Gesundheit der Bevölkerung als ihr höchstes Gut ausgezeichnet ist. Das Volk ist dazu verpflichtet, regelmäßig verschiedenste Gesundheitsdaten, wie etwa Ernährungs- oder Schlafberichte, abzugeben. Sollte sich jemand nicht an diese Verpflichtungen halten, hätte er mit Strafen zu rechnen oder könnte gar als „Methodenfeind“ betitelt werden. Diese penible Überwachung führt zu einer sehr starken Einschränkung der persönlichen Freiheit, die jedoch durch die Aufrechterhaltung von Gesundheit als wichtigstes Gut gerechtfertigt wird. Ein weiteres Kennzeichen der „Methode“ ist ihr Anspruch auf Unfehlbarkeit, welcher durch die verschiedensten Überwachungsmöglichkeiten geschaffen wird - denn wäre sie dies nicht, würde sie an Legitimation verlieren (Zeh, 2009, 37f). Doch ist es wirklich möglich, dass so fehlbare Wesen wie der Mensch etwas gänzlich Verlässliches und Perfektes erschaffen, wie es die „Methode“ zu sein verspricht? Und was passiert mit Individuen, wenn das Gemeinwohl über das Wohl des Einzelnen gestellt wird?
Ein Grundlegendes Problem in der von Zeh (2009) verfassten Dystopie stellt für mich der Anspruch der „Methode“ auf Unfehlbarkeit dar. Denn, wie in dem Werk ersichtlich wird, ist letztendlich nicht einmal ein DNA-Test gänzlich verlässlich - doch sollten die Menschen nicht mehr daran glauben, dass die „Methode“ immer gültig und korrekt sei, könnten sie schnell zu zweifeln beginnen (Zeh, 2009, 37). Die Gefahr hierbei liegt darin, dass das Staatssystem stark auf den Zusammenhalt des Kollektivs angewiesen ist. Sollten sich nun Fehler im System offenbaren, könnten die Menschen beginnen, ihre Zustimmung zu entziehen, was im Endeffekt zu Protesten und Revolten führen könnte. Jedoch bin ich der Meinung, dass es kaum etwas gibt, das vollkommen perfekt ist. Dennoch beruht der Erfolg der „Methode“ darauf, dass der Großteil die Meinung vertritt, das Staatsystem sei das Beste, dass es je gegeben habe. Es gründe nämlich einzig auf dem Überlebenswillen, den jedes Lebewesen ausmacht, wodurch die strikten Maßnahmen der „Methode“ akzeptiert werden - denn sie verspricht ein langes Leben ohne physische Krankheit (Zeh, 2009, 36).
Meiner Meinung nach wird mit dem Werk eine grundlegende Frage der Menschheit gestellt - nämlich jene, ob tatsächlich das Wohl der Gesamtheit wichtiger sei als das Wohl des Einzelnen. Es ist ein Kennzeichen von fast jeder Diktatur, dass das Individuum selbst an Wert verliert. Von außen betrachtet mag es vielleicht nachvollziehbar klingen, dass beispielsweise 1000 Menschen wichtiger seien als ein Einzelner. Diese Ansicht ändert sich jedoch schnell, sobald man selbst die betroffene Person ist und sobald man selbst der- oder diejenige ist, der zum Opfer des Gemeinwohls wird. Nun ist es jedoch auch nicht so, dass der Einzelne wichtiger als die Gesamtheit sein kann - ein politisches System mit dieser Grundeinstellung könnte nicht funktionieren. Ich finde, dass es auch hier einer „goldenen Mitte“ bedarf, wobei man nicht so weit gehen sollte, einzelne Personen für das Kollektiv zu opfern, aber andersherum genauso wenig.
Obwohl Gesundheit für die meisten Menschen ein wichtiges Gut ist, wird es problematisch, sobald es allein und für sich zur einzigen Priorität wird. Die Bevölkerung ist dazu gezwungen, auf das Menschenrecht der Freiheit zu verzichten. Durch die Setzung von Gesundheit als Norm werden extreme Überwachungsmethoden legitimiert und freies Handeln untersagt. Sobald sich jemand nicht an die Maßnahmen hält, wird er schnell zum „Methodenfeind“ und muss mit Strafen und verordneter „Methodenlehre“ zur Wiederaufnahme in die Gesellschaft rechnen (Zeh, 2009, 57). Berechtigung erhält die „Methode“ durch ihr Versprechen auf ein langes, gesundes Leben. So kann jeder, der die Maßnahmen nicht tragen will, bereits als abnorm gesehen werden - denn wer will kein möglichst langes und durch Gesundheit ausgezeichnetes Leben führen?
In dem Roman gibt es jedoch auch Menschen, die sich gegen die „Methode“ wenden. Sie fordern ein „Recht auf Krankheit“ und werden auch als Methodenfeinde bezeichnet (Zeh, 2009, 91). Denn ein Hauptproblem von der „Methode“ ist, dass es für persönliche Freiheit keinen Raum gibt. Es bleibt kein Platz für Personen, die etwas anders denken oder deren größtes Ziel nicht in einem möglichst langen und gesunden Leben liegt. Diese Menschen haben in solch einem Staatssystem keine Möglichkeit auf ein glückliches Leben. Denn Gesundheit wird hier mit physischer Gesundheit gleichgesetzt, doch was ist mit psychischer Gesundheit? Die strengen Kontrollmaßnahmen und der Entzug jeglicher persönlicher Freiheit könnten dazu führen, dass einzelne Personen im Leben wenig Sinn sehen. So sind es doch meistens genau jene Dinge, die das Leben lebenswert machen, wie Spaziergänge in der Natur oder Akte der Liebe, wie etwa bereits Küssen, sowie der Nervenkitzel potenziell gefährlicher Freizeitaktivitäten, die durch die „Methode“ untersagt werden. Was bleibt am Ende noch übrig vom Leben, wenn der Großteil der Dinge, die es eigentlich ausmachen, untersagt werden? Was bringt einem das Leben, wenn man nichts damit anfangen kann, das einen glücklich macht und somit für psychische Gesundheit sorgt?
Abschließend lässt sich sagen, dass, obwohl körperliche Gesundheit für die meisten Personen einen wichtigen Stellenwert in ihrem Leben hat, sie für sich allein nicht alles sein kann. Gesundheit betrifft nämlich sowohl die physische als auch die psychische Verfassung des Menschen, weshalb ein Weg gefunden werden muss, um beide Anteile fördern zu können. Denn die vollständige Konzentration auf körperliches Wohlergehen unter extremen Einschränkungen der persönlichen Freiheit und Individualität wird nicht ausreichen, um dem Menschen zusätzlich zu einem gesunden auch ein glückliches Leben zu verschaffen.
Literaturverzeichnis
Zeh, Juli: Corpus Delicti. Ein Prozess. Frankfurt am Main: Schöffling 2009
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- Quote paper
- Rita Wernert (Author), 2021, Das Problem mit Gesundheit als Summum Bonum eines Staatssystems, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1225456
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