Theaterstücke, die in Mundart verfasst sind, werden der Kategorie Volksstück zugeordnet. Damit ist zugleich deutlich, dass es ebenso Volksstücke gibt, die in Hochsprache verfasst sind. Im Folgenden soll jedoch nur das Mundarttheater im Zentrum der Untersuchung stehen. Zunächst möchte ich die Entwicklung des modernen Volksstückes aufzeigen, um seine Stellung innerhalb der Theaterlandschaft heute und seine Tendenzen, wie die Klassikerbearbeitungen, zu erklären. „Volkstheater ist Theater über das Volk und für das Volk mit dem Ziel, die mittleren und unteren Schichten der Bevölkerung in einer ihnen verständlichen Form zu unterhalten und aufzuklären.“ Dies besagt eine alte Definition, die auch abstrahiert für das moderne Volksstück noch Gültigkeit besitzt. Das moderne Volksstück ist aus dem Alt-Wiener Volksstück im 19. Jh. hervorgegangen. Vertreter dieser Zeit sind Ludwig Anzensgruber (1839 – 18 89) und Ludwig Thoma (1867 – 1921). Die Stücke spielten in einem dörflichen oder familiären Kreis und wurden in einem naturalistisch gefärbten Dialekt verfasst. Das Tragische und das Volkstümliche rückte vor allem bei Thoma sehr nahe. Er zeigte die Erstarrung des Volkes in leeren Moralkodexen und verwendete die Mundart kritisch, stellte sie sogar in Frage.
Carl Zuckmayer (1896 – 1977) verfasste dem entgegen Komödien mit Happy-End, die die Besonderheiten des einfachen Volkes positiv bestärken sollten. Die Erneuerung des Volksstückes durch Marie- Luise Fleißer (1901 – 1974), Ödön von Horvath (1901 – 1938) und Berthold Brecht (1898 – 1956) setzt neue Schwerpunkte, die um soziale Ausgrenzung, Kommunikationslosigkeit und auch Sprachlosigkeit kreisen. Auch die äußere Form der Stücke verändert sich. Es findet die bekannte Abkehr vom klassischen Drama zum Epischen Theater statt. Das Volksstück soll nicht mehr belehrend wirken oder rein unterhalten, sondern es wendet sich an einen aktiven, kritischen Zuschauer. Die handelnden Personen kommen nicht mehr nur aus dem bäuerlichen oder ländlichen, sondern vielmehr aus dem Kleinbürgertum der Städte. Der Jargon verdrängt den Dialekt. [...]
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Über das Schreiben von Theatertexten im Dialekt
III. Zu Moliere und seiner „Schule der Frauen“
IV. Zu Wolfgang Deichsel und seiner Schule der Frauen:
V. Resümee
Literaturangaben
I. Einleitung
Theaterstücke, die in Mundart verfasst sind, werden der Kategorie Volksstück zugeordnet[1]. Damit ist zugleich deutlich, dass es ebenso Volksstücke gibt, die in Hochsprache verfasst sind. Im Folgenden soll jedoch nur das Mundarttheater im Zentrum der Untersuchung stehen. Zunächst möchte ich die Entwicklung des modernen Volksstückes aufzeigen, um seine Stellung innerhalb der Theaterlandschaft heute und seine Tendenzen, wie die Klassikerbearbeitungen, zu erklären.
„Volkstheater ist Theater über das Volk und für das Volk mit dem Ziel, die mittleren und unteren Schichten der Bevölkerung in einer ihnen verständlichen Form zu unterhalten und aufzuklären.“[2] Dies besagt eine alte Definition, die auch abstrahiert für das moderne Volksstück noch Gültigkeit besitzt.
Das moderne Volksstück ist aus dem Alt-Wiener Volksstück im 19. Jh. hervorgegangen. Vertreter dieser Zeit sind Ludwig Anzensgruber (1839 – 18 89) und Ludwig Thoma (1867 – 1921). Die Stücke spielten in einem dörflichen oder familiären Kreis und wurden in einem naturalistisch gefärbten Dialekt verfasst. Das Tragische und das Volkstümliche rückte vor allem bei Thoma sehr nahe. Er zeigte die Erstarrung des Volkes in leeren Moralkodexen und verwendete die Mundart kritisch, stellte sie sogar in Frage.
Carl Zuckmayer (1896 – 1977) verfasste dem entgegen Komödien mit Happy-End, die die Besonderheiten des einfachen Volkes positiv bestärken sollten.
Die Erneuerung des Volksstückes durch Marie- Luise Fleißer (1901 – 1974), Ödön von Horvath (1901 – 1938) und Berthold Brecht (1898 – 1956) setzt neue Schwerpunkte, die um soziale Ausgrenzung, Kommunikationslosigkeit und auch Sprachlosigkeit kreisen. Auch die äußere Form der Stücke verändert sich. Es findet die bekannte Abkehr vom klassischen Drama zum Epischen Theater statt. Das Volksstück soll nicht mehr belehrend wirken oder rein unterhalten, sondern es wendet sich an einen aktiven, kritischen Zuschauer. Die handelnden Personen kommen nicht mehr nur aus dem bäuerlichen oder ländlichen, sondern vielmehr aus dem Kleinbürgertum der Städte. Der Jargon verdrängt den Dialekt.
Nach 1960 hat das erneuerte Volksstück seine Blütezeit, in dessen Folge viele weiter Volksstücke entstehen. Hier sind als Vertreter Rainer Werner Fassbinder (1946 –82), Peter Turrini (1944), Wolfgang Bauer (1941) und Martin Sperr (1944) zu nennen. Turrini und Sperr gehörten zu der von Hans Carl Artmann geprägten „ Grazer Gruppe“. Im Mittelpunkt der Stücke stehen der Soziolekt der jungen Generation und moderne Kommunikationsprobleme sowie gesellschaftliche Provokation.
Deutlich unter dem Einfluss Brechts steht der im hessischen Stadtjargon schreibende Wolfgang Deichsel (1936). Zwischen Brecht und Horvath anzusiedeln ist Franz Xaver Kroetz (1946). Er behandelt die Sprachlosigkeit und führt Horvaths sprachliche Reduktion weiter fort. Seine Stücke haben epischen wie auch absurden Charakter.
Aus der zu Beginn stehenden Definition entwickelten sich jedoch auch zahlreiche Dialekt- und Unterhaltungsbühnen wie das „Hamburger Ohnsorgtheater“, die Kölner „Millowitschbühne“ oder der Münchner „Komödienstadl“. Hier wird, so die Kritik Winklers, „Volkstümlichkeit mit Unterhaltung und Boulevardtheater gleichgesetzt“[3].
Modernes Volkstheater hat jedoch einen äußerst experimentellen und engagierten Charakter. Es versteht sich als Spiegel sozialer Wirklichkeit und reflektiert Wesen und Lage des Volkes kritisch.
Die Thematiken des modernen Volksstückes unserer Zeit reichen von derb komisch über viel moralisierend bis hin zu politischen und künstlerischen hoch ambitionierten Werken.
II. Über das Schreiben von Theatertexten im Dialekt
Das Theater spielt für Mundart eine besondere Rolle. Denn im Alltag sind die Dialekte größtenteils dem Hochdeutsch gewichen. Doch auf dem Theater lebt die Tradition der Mundart weiter. Zum einen sprechen also Mundartstücke die Zuschauer mit den entsprechenden sprachlichen Kenntnissen besonders an.
Doch Wolgang Deichsler führt noch einen anderen wichtigen Aspekt an: „Von meinem zehnten Lebensjahr an habe ich kaum noch, vom zwanzigsten an gar nicht mehr Dialekt gesprochen, jedenfalls nicht mehr im Alltag. So kommt es wohl auch, dass ich den Dialekt als fremde Sprache, deren Form mir auffällt, empfinde. Die Mundart ist für mich nicht nur die Sprache der Kindheit, der näheren persönlichen Beziehungen, sondern auch die Sprache, in der sich Zusammenhänge von heute, die längst gewöhnlich geworden sind, verfremden. In der Mundart, die für viele die gewöhnliche, die ordinäre Sprache ist, sehe ich Verhältnisse ungewöhnlich und neu.“[4] Hier liegt ein entscheidender Unterschied zu einer ursprünglichen Funktion von Volksstücken vor. Während die Mundart den Zuschauern die Thematik des Stückes näher bringen sollte, weil es ihre gewohnte Alltagssprache war, erfolgt nun die Herauskristallisierung des Besonderen, eben weil Dialekt nicht mehr zum Alltag gehört.
Der Dialekt soll also nicht nur Unterhaltungszwecken dienen, und die Komik des Stückes erhöhen, sondern er kann mitunter stärker berühren und tiefer dringen. Insbesondere im Bezug auf das Übersetzen von hochsprachlichen oder sogar fremdsprachlichen Texten, ist eine hervorragende Kenntnis beider Sprachen, also die des Originals und die eigene, Vorraussetzung.
Ulf Thomas Lesle, Theaterautor und Regisseur, schreibt über das Übersetzen von Theatertexten in einen Dialekt: „Worte tragen Sinn und Bedeutung, wörtlich oder verborgen. Was einen literarischen Text, wie ein Drama, ausmacht, ist seine künstlerische Form , die Sprache selbst. Rhythmus und Duktus des Sprechens, die poetischen Bilder und Vergleiche, die Struktur des Textes muss zunächst einmal erfasst und verstanden sein, bevor es in die Zielsprache übertragen werden kann. Grade die dramatische Rede erfordert höchste Dichte im sprachlich künstlerischen Ausdruck. Alle Wirkungen sind im Sprachrythmus, in der Satzspannung und im Lautstand enthalten.“[5]
Übertragen ist demnach immer auch eine Form von Textinterpretation, da es eine vollständige Übereinstimmung mit der Vorlage nicht geben kann. Alle Facetten eines Werkes aufzunehmen erscheint nicht möglich, aber grade in der Übertragung in die Mundart auch gar nicht als das Ziel. Spiegelbildlich lässt sich ein Text nicht nacharbeiten
Ulf Thomas Lesle gibt zu bedenken, dass es im Dialekt oft an Jargon, Jugend- oder Juristensprachen fehlt, so dass eine Abgrenzung der Figuren auf der sprachlichen Ebene schwieriger ist und sorgfältiger gearbeitet werden muss. Doch dies trifft nicht auf jeden Dialekt zu, sondern im Besonderen auf das Niederdeutsche, auf dass sich Thomas Lesle bezieht.
Wolfgang Deichsel äußert sich hierzu ganz entgegengesetzt in einem Interview:
„Ich hatte vorher schon mal für das Schillertheater einen Molière ins Hochdeutsche übersetzt und große Mühe gehabt, die verschiedenen sprachlichen Ebenen zu übertragen. Der Wechsel von Hochsprache und Umgangssprache hört sich im Deutschen sehr grob an. Man muss da auf einen Kunstjargon runtergehen. Aber im Dialekt sind plötzlich Abstufungen möglich zwischen Honoratioren- Hessisch und einer ganz direkten Sprache der Diener, auch ein Gegeneinander, was im Volksstück Tradition hat, von Stadtdialekt und bäurischem Dialekt.“[6]
Deichsel kam erst während des Studiums zum Schreiben im Dialekt. Er lernte an der Wiener Schule Artmann kennen, der sein Vorbild wurde, da er den Dialekt als poetische Sprachform wiederentdeckte.
[...]
[1] Vergleich Jean-Marie Winkler: Das Volksstück. in Brauneck, M. ( Hrsg.): Theaterlexikon, Seite 1096
[2] Ebd. , Seite 1096
[3] J.-M. Winkler: Das Volksstück, Seite 1097
[4] W. Deichsel: Der hessische Moliere. Seite 212
[5] De Spieker: Die Gattung des Dramatischen im Niederdeutschen heute. Seite 23
[6] W. Deichsel: Der hessische Moliere. Seite 213
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Jennifer Moos (Autor:in), 2004, Wolfgang Deichsel: Klassische Dramen im Dialekt am Beispiel von Molières „Schule der Frauen“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122464
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.