Die Feldforschung stellt in der Ethnologie eine der wichtigsten Methoden der Datengewinnung während eines Forschungsaufenthaltes in einer fremden Gesellschaft dar. Diese Daten dienen dem Ethnologen später als Grundlage für seine vergleichenden wissenschaftlichen Arbeiten und der Theoriebildung.
Die beiden Begriffe Ethnologie und Ethnographie, wie die Feldforschung auch genannt wird, sind im deutschen Raum schon seit dem 18. Jahrhundert nachweisbar. Anfangs wurden beide Begriffe, sowie auch die deutsche Übersetzung von Ethnologie, Völkerkunde, relativ synonym gebraucht. Heute unterscheidet man diese Begriffe jedoch voneinander: So lässt sich das aus dem griechischen stammende Wort Ethnographie als „Beschreibung fremder menschlicher Gruppierungen“ übersetzen, wobei die Ethnologie als die „Lehre oder Wissenschaft von eben jenen fremden menschlichen Gruppierungen“ (Kohl 1993:100) bekannt ist. Die Grundlage der Ethnographie bildet die direkte, im Feld stattfindende Befragung und Beobachtung von Informanten. In einem zweiten Arbeitsschritt versucht dann die Ethnologie, die im Feld gewonnenen Daten auszuwerten, und anhand vergleichender Gesichtspunkte zu theoretisierenden Verallgemeinerungen zu gelangen (Vivelo 1988:45).
Die eben beschriebene wissenschaftliche Ethnographie erlangte erst Ende des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung der modernen Feldforschungsmethoden ihren hohen Stellenwert in der Ethnologie. Hierbei ist besonders Malinowskis Methode der teilnehmenden Beobachtung zu nennen, durch die es dem Forscher so weit wie möglich gelingen sollte, sich durch aktive Teilnahme am Gruppengeschehen in die Denk- und Handlungsstrukturen der Menschen einzufühlen. Hierbei besteht die Hauptaufgabe des Ethnologen im Erlernen der fremden Sprache. Heute zählt die Feldforschung zu der grundlegenden Erfahrung eines jeden wissenschaftlich arbeitenden Ethnologen (Vivelo 1988:45).
Obwohl sich diese modernen Forschungsmethoden erst relativ spät entwickelt haben, lassen sich die Ursprünge der Feldforschung bis in die Antike zurückverfolgen. Man spricht hierbei jedoch noch nicht von Feldforschung in ihrem heutigen Sinne, da es sich hauptsächlich um Reiseberichte von Forschungsreisenden, Kolonialbeamten, Journalisten sowie von Missionaren handelt, die meist im Auftrag ihrer Regierung arbeiteten und nicht aus rein wissenschaftlichem Interesse. Bei diesen frühen Erfahrungsberichten lässt sich noch keine kontinuierliche Traditionsbildung in der Ethnologie feststellen, dennoch kann man sie als Vorreiter der heutigen Feldforschung bezeichnen (Kohl 1993:101).
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Entwicklung der Methode der Feldforschung in ihrem geschichtlichen Verlauf
2.1 Die Forschungsmethoden bis ins 19.Jahrhundert
2.2 Die Feldforschung im Evolutionismus
2.3. Die Feldforschung im Diffusionismus
2.4 Die Feldforschung im Funktionalismus
2.4.1 Die teilnehmende Beobachtung
3. Kritik an der klassischen Monographie und die Entstehung neuer Ansätze
4. Schluss
5. Literaturliste
1. Einleitung
Die Feldforschung stellt in der Ethnologie eine der wichtigsten Methoden der Datengewinnung während eines Forschungsaufenthaltes in einer fremden Gesellschaft dar. Diese Daten dienen dem Ethnologen später als Grundlage für seine vergleichenden wissenschaftlichen Arbeiten und der Theoriebildung.
Die beiden Begriffe Ethnologie und Ethnographie, wie die Feldforschung auch genannt wird, sind im deutschen Raum schon seit dem 18. Jahrhundert nachweisbar. Anfangs wurden beide Begriffe, sowie auch die deutsche Übersetzung von Ethnologie, Völkerkunde, relativ synonym gebraucht. Heute unterscheidet man diese Begriffe jedoch voneinander: So lässt sich das aus dem griechischen stammende Wort Ethnographie als „Beschreibung fremder menschlicher Gruppierungen“ übersetzen, wobei die Ethnologie als die „Lehre oder Wissenschaft von eben jenen fremden menschlichen Gruppierungen“ (Kohl 1993:100) bekannt ist. Die Grundlage der Ethnographie bildet die direkte, im Feld stattfindende Befragung und Beobachtung von Informanten. In einem zweiten Arbeitsschritt versucht dann die Ethnologie, die im Feld gewonnenen Daten auszuwerten, und anhand vergleichender Gesichtspunkte zu theoretisierenden Verallgemeinerungen zu gelangen (Vivelo 1988:45).
Die eben beschriebene wissenschaftliche Ethnographie erlangte erst Ende des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung der modernen Feldforschungsmethoden ihren hohen Stellenwert in der Ethnologie. Hierbei ist besonders Malinowskis Methode der teilnehmenden Beobachtung zu nennen, durch die es dem Forscher so weit wie möglich gelingen sollte, sich durch aktive Teilnahme am Gruppengeschehen in die Denk- und Handlungsstrukturen der Menschen einzufühlen. Hierbei besteht die Hauptaufgabe des Ethnologen im Erlernen der fremden Sprache. Heute zählt die Feldforschung zu der grundlegenden Erfahrung eines jeden wissenschaftlich arbeitenden Ethnologen (Vivelo 1988:45).
Obwohl sich diese modernen Forschungsmethoden erst relativ spät entwickelt haben, lassen sich die Ursprünge der Feldforschung bis in die Antike zurückverfolgen. Man spricht hierbei jedoch noch nicht von Feldforschung in ihrem heutigen Sinne, da es sich hauptsächlich um Reiseberichte von Forschungsreisenden, Kolonialbeamten, Journalisten sowie von Missionaren handelt, die meist im Auftrag ihrer Regierung arbeiteten und nicht aus rein wissenschaftlichem Interesse. Bei diesen frühen Erfahrungsberichten lässt sich noch keine kontinuierliche Traditionsbildung in der Ethnologie feststellen, dennoch kann man sie als Vorreiter der heutigen Feldforschung bezeichnen (Kohl 1993:101).
In dieser Arbeit werde ich versuchen, in einem geschichtlichen Abriss die Entwicklung der Methode der Feldforschung darzustellen. Hierbei werde ich auch auf deren Rolle in der Theorie des Evolutionismus und des Diffusionismus eingehen. Ein weiteres Kapitel wird dem Funktionalismus und somit auch Malinowski zukommen, der die Feldforschung mit der Einführung der teilnehmenden Beobachtung revolutionierte, und somit dem Wandel von quantitativen zu qualitativen Methoden den Weg bereitete. Abschließend werde ich noch einige neuere Strömungen, wie zum Beispiel die interpretative Ethnologie sowie postmoderne Ansätze aufzeigen, und deren Methode in Bezug auf die Feldforschung darstellen.
Es bleibt also zu fragen, wie sich die moderne Feldforschung entwickelt hat, welcher Methoden sie sich bedient(e) und welcher Stellenwert ihr auch in der heutigen wissenschaftlichen Diskussion noch zukommt.
2. Die Entwicklung der Methode der Feldforschung in ihrem geschichtlichen Verlauf
2.1 Die Forschungsmethoden bis ins 19. Jahrhundert
Verfolgt man die Entwicklung der moderne Feldforschung bis zu deren Ursprung zurück, wird man feststellen, dass sich bereits in der Antike Beschreibungen fremder Völker auf einem beträchtlichen Niveau finden lassen. Meist sind diese nur noch unvollständig vorhanden, und werden deshalb leider oft vernachlässigt. Eine Ausnahme hierbei bieten die Werke Herodots, der während seiner Reisen nach Ägypten, Lybien, Persien, Südrussland und Unteritalien zahlreiche Schilderungen fremder Völker verfasste. Diese Beschreibungen beruhten größtenteils auf seine eigenen Beobachtungen und Nachforschungen. Somit gilt er auch heute noch für einige als eigentlicher „Vater der Ethnograpie“ (Mühlmann 1984:25). Das Hauptinteresse galt in der Antike noch nicht der Erforschung der Kultur fremder Völker sondern diente vielmehr den administrativen und militärpolitischen Zwecken des römischen und des byzantinischen Reiches ( Kohl 1993: 102).
Im Mittelalter ging die Zahl der zuverlässigen Berichte über fremde Völker stark zurück. Grund dafür war das stark christlich geprägte Weltbild dieser Zeit. So genügte es, die Mitglieder fremder Gesellschaften als skurile kopflose Monster darzustellen, bei denen man sich nicht einmal sicher war, ob es sich überhaupt um Menschen handle (Langness 1993: 5). Natürlich gab es aber auch Ausnahmen, wie zum Beispiel den venezianischen Kaufmann Marco Polo (1254-1323), der zu dieser Zeit schon ausgiebige Reisen nach Asien unternahm (Kohl 1993: 102). Seine Erfahrungen versuchte er wahrheitsgetreu niederzuschreiben um die in Europa vorherrschende Meinung zu widerlegen.
Mit der Eroberung der neuen Welt setzte in Europa ein langsamer Prozess des Umdenkens ein. Da nun vor allem Missionare direkt mit den fremden Gesellschaften in Kontakt kamen, war die im Mittelalter vorherrschende Meinung über sie zwar noch Teil ihres Denkens und ihrer Vorstellungen, aber auf Dauer nicht mehr haltbar. Dieser direkte Kontakt mit den amerikanischen Gesellschaften führte zu einer Wiederbelebung der Ethnographie, da viele der Missionare ihren Aufenthalt im fremden Land genau dokumentierten. Diese Quellen dienen auch heute noch manchmal als Grundlagen, selbst wenn sie jetzt etwas kritischer gelesen werden, da diese Berichte damals meist zur Rechtfertigung des Kolonialismus und der damit verbundenen Unterdrückung der indigenen Gesellschaften verfasst wurden.
Vier dieser herausragenden Persönlichkeiten sind Fernández de Oviedo (1478-1557), Bartolomé de Las Casas (1475-1566), Bernardino de Sahagún (1499-1590) und Michel de Montaigne (1533- 1592). Die ersten drei arbeiteten als Missionare in Südamerika. Jedem diese drei kann man ein anthropologisches Modell, das aber noch nicht mit einer Kulturtheorie gleichzusetzen ist, zuschreiben.
Fernández de Oviedo steht für das legitimatorische Modell, da die Auswertung seiner Daten vor allem in Hinblick auf die Legitimation der spanischen Herrschaft erfolgte. Bei ihm lassen sich noch die aus dem Mittelalter bekannten Beschreibungen finden, wenn er die Indianer zum Beispiel wie folgt darstellt: „ Auch ihre Köpfe sind nicht so wie die der anderen Menschen, sondern ihre Schädel sind derartig dickknochig, daß die Christen beim Kampf besonders achtgeben müssen, ihnen nicht auf die Köpfe zu schlagen, ansonsten die Schwerter brechen.“ Daraus zieht er Schlüsse in Hinblick auf ihre geistigen Fähigkeiten: „ Und so wie sie dicke Schädel haben, so haben sie nur ein tierisches, verstimmtes Verständnis.“ (Erdheim 1990: 22 f.).
Bartolomé de Las Casas (1475-1566) steht dagegen für das idealisierende Modell, da er die Kultur der Indianer Venezuelas zum Vorbild für die europäische Kultur stilisierte. Las Casas forderte eine „friedliche Evangelisation und Kolonisation“ (ebd. 26). Er übte starke Kritik an Oviedos Vorgehen und stellte die Fehler, die von den spanischen Eroberern begangen worden waren, in den Vordergrund: „ Wir töteten so und so viele Tausende, hetzten auf sie wilde Hunde, die sie in Stücke rissen, ließen das ganze Dörfer über die Klinge springen, Männer und Frauen, Alte und Junge, füllten die Strohhütten mit all jenen, deren wir habhaft werden konnten... und verbrannten sie lebendigen Leibes“ (ebd. 28).
Obwohl Oviedo und Las Casas auf den ersten Blick zwei vollkommen verschiedene Richtungen vertraten, unterschieden sie sich lediglich in ihrer Herangehensweise. Oviedo verteufelte die Indiander, um die Kolonisation zu legitimieren, Las Casas hingegen stilisierte sie zum Vorbild für die Europäer, die viel von ihnen lernen könnten. Somit sprach er sich indirekt aber auch für die Wichtigkeit der Kolonisation aus.
Bernardino de Sahagún steht für das verstehende Modell, und grenzt sich von Las Casas und Oviedo dadurch ab, dass er versuchte, eine gemeinsame Basis zwischen der fremden und der eigenen Kultur herzustellen. Während seiner Arbeit als Missionar in Mexiko verfasste er, nachdem er das einheimische Nahuatl erlernt hatte, nicht nur Überblickstudien, sondern arbeitete mit seinen Informanten oft jahrelang zusammen. Nur so schien ihm ein Verständnis der fremden Kultur aus sich heraus möglich zu sein. Deshalb legte er großen Wert darauf, dass die Einheimischen ihre Weltsicht selbst darlegen konnten. Sahagún vertritt hier einen sehr modernen Ansatz, da seine Methoden ähnlich der Methoden der teilnehmenden Beobachtung sind. Somit kann man ihn als Vorläufer der modernen Feldforschung bezeichnen. Sein Werk wurde allerdings wegen diesem zur damaligen Zeit revolutionären Charakter bis ins 19. Jahrhundert nicht veröffentlicht (ebd. 35).
Alle drei Modelle reservierten für sich dem Anspruch der Objektivität, dem am ehesten noch Sahagún gerecht wurde. Die Thesen der legitimatorischen und idealisienden Tendenz dienten jedoch dem politischen und gesellschaftlichen Interesse ihrer Vertreter und können deshalb nicht als wissenschaftsnah und wahrheitsbezogen betrachtet werden.
Michel de Montaigne (1522-1592) war in seinem Leben nicht als Missionar tätig und verließ Europa nie. Dennoch setzte auch er sich mit den durch die Kolonisation ins Blickfeld gerückten fremden Völkern auseinander. Seine Vorgehensweise kann als kulturrelativistisch bezeichnet werden, da er anhand des Bildes des „edlen Wilden“ Kritik an der eigenen, der Natur entfremdeten Kultur übte: „ Wir mögen sie also im Hinblick auf die Vorschriften der Vernunft Barbaren nennen, aber nicht in Hinblick auf uns selbst, die wir sie in jeder Art von Barbarei übertreffen“ (ebd. 44).
Seine kulturrelativistische Sichtwiese wird im 20. Jahrhundert wieder von Franz Boas und seinen Schülern aufgegriffen. Durch diese Betrachtungsweise wird die Untersuchung verschiedener Kulturen vereinfacht, da die eigene Kultur als gemeinsame übergeordnete Bezugsgröße an Wert verliert und mit fremden Kulturen gleichgestellt wird.
Die noch aus dem Mittelalter stammenden Vorstellungen fremder Völker konnten jedoch auch von Montaigne nicht völlig aus dem Denken verbannt werden. Erst gegen Ende des 18. Jahrunderts änderte sich, im Zuge der großen Entdeckungsfahrten, unter anderem von James Cook, die vorherrschende Meinung. Um 1800 wurde von der Société des Observateurs de l`Homme ein Memorandum verfasst, das die bis dahin begangenen Forschungsfehler auflistete. Von nun an musste jeder Forscher wenigstens die Sprache des untersuchten Volkes erlernen, um seinen wissenschaftlichen Anspruch geltend machen zu können (Kohl 1993: 104). Leider geriet dieses Memorandum im Laufe des 19. Jahrhunderts wieder in Vergessenheit.
Zur Zeit des Imperialismus herrschte allgemein die Grundeinstellung vor, dass man den Wilden die Segnungen der modernen Welt bringen müsse. Die Missionare und Forschungsreisen sahen sich dabei in der Rolle der „Herren der Welt“ (Kohl 1993: 105). Diese Einstellung hatte unter anderem auch großen Einfluss auf die Theorienbildung des Evolutionismus, und damit verbunden, natürlich auch auf die Methoden der Feldforschung.
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- Alexandra Mörz (Author), 2001, Die Rolle der Feldforschung in der ethnologischen Theorienbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122418
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