Die Ostsee, das ,,mare balticum“, begünstigte bereits in früher Zeit die Verbindungen (Abb.1) zwischen den dort ansässigen Völkern und förderte so eine starke Herausbildung von Austausch und Handel; spätestens seit dem Ende des 6. Jahrhunderts siedelten slawische Stämme im südlichen Ostseegebiet1, weshalb sie bereits im Missionierungsprogramm des Beda Venerabilis2 auftauchen, wobei speziell die Rügenslawen angesprochen werden, was eine frühe Bedeutung im Handel nahe legt.
Inhaltsverzeichnis
1. Ranen, Rügen und Ralswiek
1.1. Die Lage des Seehandelsplatzes
2. Siedlungsphasen A – D (8 – 13. Jahrhundert)
2.1. Siedlungsgründung und Siedlung A
2.2. Siedlung B
2.3. Siedlung C /D
3. Der Kultplatz und – strand
5. Der Hof
6. Die Schwarzen Berge
7. Die Funde aus der Hauptsiedlung
8. Fazit
Verwendete Literatur:
Abbildungen:
1. Ranen, Rügen und Ralswiek
Die Ostsee, das ,,mare balticum“, begünstigte bereits in früher Zeit die Verbindungen (Abb.1) zwischen den dort ansässigen Völkern und förderte so eine starke Herausbildung von Austausch und Handel; spätestens seit dem Ende des 6. Jahrhunderts siedelten slawische Stämme im südlichen Ostseegebiet[1], weshalb sie bereits im Missionierungsprogramm des Beda Venerabilis[2] auftauchen, wobei speziell die Rügenslawen angesprochen werden, was eine frühe Bedeutung im Handel nahe legt.
Die Chronisten heben erst im 11. Jahrhundert die machtpolitische und militärische Bedeutung der Insel Rügen und ihrer Bewohner , der Ranen, hervor. Das Zentrum, welche jede Überlieferung dominierte, war Arkona, wo sich die Kultburg der Ranen befand und der viergesichtige Swiatowit/Svantevit verehrt wurde, von dem uns bereits Saxo Grammaticus zu berichten weiß[3]. Obwohl die Anlage bereits im 9. Jahrhundert bestand, einen Schiffsanlegeplatz besaß und Menschen dort lebten, so konnte sich in Arkona nie ein Seehandelsplatz etablieren. Zudem haben Ausgrabungen in Wolin, Menzlin, Haithabu und Reric gezeigt, dass an der Gestaltung solcher Ort stets ein großer Anteil skandinavischer Siedler beteiligt war. Ähnliche Bedingungen herrschten nach Auswertung der Ausgrabungen von J. Herrmann demnach auch in Ralswiek[4], welches jedoch die Jahrtausendwende als Seehandelsplatz nicht überlebte. In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, wie auch im 10. Jahrhundert, setzten neue siedlungsgeschichtliche Strukturen und staatliche Entwicklungen ein[5]. Seehandelsplätze, die am flachen Wasser im Schutze des Binnenlandes gebaut waren, verloren an Bedeutung, da die höhere Schiffstonnage ein Anlaufen solcher Häfen unmöglich machte[6]. Manche Orte gründeten sich neu, so übernahm Schleswig die Funktion Haithabus und Usedom, in späterer Zeit Anklam, die von Menzlin. Andere Handelsplätze spielten nur noch im Lokalverkehr eine Rolle oder wurden zu Fischerdörfern; Ralswiek büßte seine Stellung jedoch vollkommen ein, obwohl der ranische Seehandelsplatz zwei Vorteile bot:
1 Ralswiek lag an der Route Nordsee – Haithabu -Oderhaff – Baltikum.
2 Die im 8/9. Jahrhundert dominierende Küstenschifffahrt in der Ostsee konnte Ralswiek ohne Gefahr anlaufen und sich im Inneren der Insel sicher fühlen, da die
gefährliche Umschiffung Kap Arkonas vermieden wurde und man die ruhigen Gewässer durch Rügen nutzen konnte.
In der vorliegenden Arbeit soll auf die Bedeutung Ralswieks im Ostseehandel, wie auch auf seine weitgehenden Handelsbeziehungen eingegangen werden; ebenfalls wird die Siedlungsgeschichte beleuchtet und der Kultplatz einer kurzen Betrachtung unterzogen, da hinsichtlich der Streuung menschlicher Skelettreste auf begrenzter Fläche und in Verbindung mit Hinweisen auf sakrale Tätigkeiten an der Kultstätte[7], dieser Platz innerhalb der bekannten archäologischen Befunde in frühgeschichtlicher Zeit einmalig ist.
1.1. Die Lage des Seehandelsplatzes
In der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts veranlasste die günstige Lage Ralswieks Seefahrer aus Skandinavien und einheimische Ranen eine Siedlung aufzubauen[8], die ca. sieben Kilometer nördlich von der Hauptburg der Ranen , dem Rugard, lag. Zwischen dem Großen Jasmunder Bodden und einem bereits teilweise verlandeten Binnensee entstand ein Handelsplatz(Abb.2), dessen Struktur durch Hofverbände bestimmt wurde[9], wobei jeweils ein ,, Herrenhaus “[10] dominierte und von Wohn-, wie auch Werkstätten umgeben war. Die einzelnen Hofverbände verfügten über Schiffseinfahrten, welche jedoch nicht auf der Boddenseite, sondern an dem ehemaligen See lagen und somit vor Überflutungen sicher waren. Herrmann konnte durch seine Grabungen[11] 15-17 solcher Einfahrten nachweisen[12] (Abb.3), welche teilweise sogar überdacht waren und ein bis zwei Ostseeschiffe aufnehmen konnten. Schwieriger gestaltet sich die Datierung der einzelnen Phasen anhand von Keramik. Denn insgesamt wird deutlich, dass in Ralswiek die Fresendorfer Keramik über Jahrhunderte die Grundkeramik darstellte, deren Variationen nicht an Perioden gebunden waren und daher eine Datierung erschweren. Der grundsätzliche Weg zur zeitlichen Gliederung der Siedlung ist daher die Betrachtung der stratigraphischen Zusammenhänge und deren Verbindung mit nicht – keramischen bzw. feinchronologischen Funden, so Hermann[13].
Im Folgenden soll nun näher auf die Hauptsiedlung und ihre vier Phasen eingegangen werden.
2. Siedlungsphasen A – D (8 – 13. Jahrhundert)
2.1. Siedlungsgründung und Siedlung A
Bereits seit der Römischen Kaiserzeit war das Gebiet um den Großen Jasmunder Bodden eine mehr oder weniger intensiv genutzte Siedlungskammer, einen Hinweis für diese Theorie bieten die durchgeführten Pollenprofile[14], die auch drastische Eingriffe in den Baumbestand vermuten lassen. Die durch Rodung erfolgten Eingriffe in die Natur überlagerten auch die klimabedingten Schwankungen des Feuchtigkeitsspiegels, zumal der Wasserspiegel infolge der Abholzungen in den Randzonen und Moränen[15] anstieg. In die gleiche Zeit fällt wohl auch die Brandrodung auf dem Gelände der späteren Hauptsiedlung von Ralswiek, ein gängiges Verfahren im westslawischen Siedlungsgebiet[16] um einen Platz auf Beackerung oder Besiedlung vorzubereiten, was ebenfalls auf eine bereits organisierte Gruppe von Individuen hinweist und strategische Vorbereitungen voraussetzt.
Die ersten Aktivitäten nach der Brandrodung gliedert Hermann in drei wesentliche Strukturelemente[17]:
- Eintiefung der Schiffseinfahrten und Aufschüttung der Molen
- Überdeckung des Brandrodungshorizontes durch einen Estrich und Gründung erster Pfosten – bzw. Schwellenbauten
- Eintiefung von Wirtschafts – und Kellergruben in den anstehenden Kies des Strandwalls.
Die Hauptsiedlung lag auf einem 500 m langen Strandwall am Süd-Westufer des Großen Jasmunder Boddens, wobei Siedlung A sich im Westteil ausdehnte[18]. Die Grundstruktur bestand aus den bereits erwähnten Hofverbänden mit Haupthaus, einer unterschiedlichen Anzahl an Nebengebäuden, die als Speicher,Werk – oder Wohnstätten dienten und unterschiedlich konstruiert waren. So gab es Pfostenbauten mit Vernagelung wie in Wolin, Stabbauten mit Flechtwänden und Schwellenbauten[19], zum Teil auch in Kombination, wie man es auch aus Haithabu kennt. Die Größe der Wohnbauten variiert von 25 – 90 m², die Nebengebäude erreichen maximal 30 m ²[20]. Insgesamt gehörten ca. 12-17 Hofverbände zu Phase A (Abb.4), was sich ebenfalls mit der Anzahl der Schiffseinfahrten deckt. Die Zufahrt erfolgte durch einen zum Teil künstliche offen gehaltenen Graben, von dem man in die 4 -7 m breiten Einfahrten gelangte, die gegenüber der Siedlung flach ausliefen. Das Be – und Entladen erfolgte über die Molen, die aus dem Aushub, der bei der Eintiefung der Einfahrten anfiel, hinter entsprechenden Holzkonstruktionen aus Balken und Flechtwerk aufgeschüttet worden waren[21]. In der südlichen Böschung von Mole 252/262 fand man eine 93cm hohe Holzskulptur[22], deren ursprünglicher Standort nicht geklärt werden konnte. Ihr zugespitztes Ende deutet auf das Aufstellen in der Erde hin, wobei sie jedoch für einen langen Stand in einem feuchten Milieu zu gut erhalten ist. Herrmann zieht deshalb drei Modelle in Erwägung[23]:
1 Das Holzidol(Abb.5) stand unter einer überdachten Mole
2 Das Holzidol stand unter einer Überdachung innerhalb der Siedlungsphasen
3 Es wurde hergestellt, aber niemals aufgestellt.
Für die Verwendung als Bootsfigur gibt es keine Hinweise, jedoch könnte es sich um einen Ahnenpfahl handeln, der sowohl bei den Slawen, wie auch den Skandinaviern weit verbreitet war. Ebenfalls lässt sich in einigen Teilen der Siedlung Handwerk nachweisen, dabei dominieren Kammmacher, Knochen – und Hornverarbeitung, wie auch Bronze – und Eisenhandwerk[24]. Die 14C-Daten, wie auch die Dendrochronologie und das Fundmaterial lassen den Schluss zu, dass die Gründungsphase im letzten Drittel des 8. Jahrhunderts liegt , das Ende der Phase A durch einen Brand vor der Mitte des 9. Jahrhunderts[25] eingeleitet wird, worauf Phase B ohne Unterbrechung folgt.
2.2. Siedlung B
In der Mitte des 9. Jahrhunderts wurde die vernichtete Siedlung neu aufgebaut und da der Brand alles zerstört hatte leitet der Neuaufbau auch eine neue Siedlungsphase ein, nämlich Phase B. Die Schiffseinfahrten und Molen blieben im alten Grundriss, ebenfalls die Hofverbände[26], wo nun die Blockbauten dominierten, eine typisch slawische Bauweise[27]. Jedoch verbretterte man auch die Wände unter Verwendung von Nägeln, beides weist auf slawisch – wikingische Traditionen hin, was sich auch im Fundgut der Siedlung widerspiegelt.
Eine Sensation bot die Entdeckung des ,, Dirham Schatzes “[28] (Abb.6)im Haupthaus 157/16, der um 850 in den Boden gelangt sein muss, denn die Schlussmünze datiert ins Jahr 844. Der ,,Dirham Schatz“ ist der größte Münzhort[29] im Ostseegebiet und beinhaltet insgesamt 2211 Silbermünzen, meist arabischer Herkunft, wie auch das Bruchstück eines Schmuckringes vom Permer Typ[30]. Der Schatz war wohl unmittelbar vor der Zerstörung des Hauses in einem Weidenkorb nahe des Ofens vergraben worden; sein Besitzer wurde vermutlich ermordet oder verschleppt, da der Hort nicht mehr geborgen wurde und über dem Versteck ein neues Haus entstand. Vielleicht könnte dieser Überfall im Zusammenhang mit den Plünderungen der Schweden und Dänen im Ostseegebiet stehen, die zeitgleich mit der Hortniederlegung stattfanden.
Genaue Zeitphasen in Siedlung B (Abb.8)sind nicht näher bestimmbar, ebenfalls lassen weder die Funde noch die Stratigraphie weiteren Aussagen zu, sicher ist nur, dass die Siedlung noch länger Bestand hatte, obwohl einige Gebäude zu unterschiedlichen Zeiten abbrannten. Im letzten Viertel des 10.Jahrhunderts erstarkte die dänische Vormacht im Ostseegebiet, was eventuell mit dem Ende von Phase B einhergehen könnte.
2.3. Siedlung C /D
Gegen Ende des 9.Jahrhunderts verlor Ralswiek als Seehandelsplatz immer mehr an Bedeutung, trotzdem bezeugen Funde, dass die Bewohner noch bis zum 12.Jahrhundert am Handelsverkehr über die Ostsee teilhatten[31]. Spätestens seit der zweiten Hälfte des 10.Jahrhunderts kam es anhand des trockeneren Klimas zu einer Umstrukturierung der Siedlung, die Molen und Einfahrten verlandeten oder wurden mit Schutt verfüllt und der Rückgang des Wasserspiegels erforderte, dass man Brunnen[32] anlegte[33], von denen acht Stück(Abb.7) freigelegt wurden. Ebenfalls fand man Herdstellen ohne Überdachung, was den zeitgleichen Befunden in Haithabu entspricht; seltener fand man Öfen. Durch Pollenanalysen kann man erkennen, dass in dieser Zeit auch die agrarische Produktion in Phase C zunahm[34], vor allem in der Südsiedlung, die sich wohl im 10. Jahrhundert entwickelte.
Phase D entstand oberhalb des Brandschutts von C, wobei sich der Übergang wahrscheinlich gleitend vollzog. Etwas abseits der Siedlung entstanden neue Bauten, wie der Hof in höherer Lage[35]. Da der Bach die Frischwasserversorgung erleichterte, wurde auch der Brunnenbau mit der Zeit eingestellt, zeitgleich kam es zur Veränderung der Keramik, wo jungslawische Formen vom Teterower und Vipperower Typ auftauchen, ohne jedoch den Grundtyp der Fresendorfer Keramik zu verdrängen.
1168 erobern die Dänen Rügen und Arkona fällt als heidnisches Zentrum des Ranen, jedoch kann sich Ralswiek als Siedlung behaupten und findet seinen Niedergang erst gegen Ende des 12.Jahrhunderts bzw. Anfang des 13.Jahrhunderts, was durch die Gräber und Kleinfunde ,wie auch den Schloßbau und die Grabenanlagen dokumentiert ist.
[...]
[1] Herrmann 1997, 12
[2] 7.Jahrhundert (A.d.V.)
[3] Schmidt 1997, 38 ff.
[4] Herrmann 2003 , 184 ff.
[5] So kam es z.B. zur ersten Herausbildung von Königreichen (A.d.V.)
[6] Herrmann 2000, 163
[7] Herrmann 1998, 26 ff.
[8] Herrmann 2000, 163
[9] Herrmann 1989, 584
[10] Herrmann, 1989, 585
[11] Grabungen von 1972- 1989 (A.d.V.)
[12] Herrmann 1997, 38 ff.
[13] Herrmann 1997, 35
[14] Herrmann 1997 , 34
[15] Herrmann 1997, 34
[16] Brandrodung war allerdings auch in den übrigen Gebieten der Ostsee populär (A.d.Verf.)
[17] Herrmann 1997, 34 ff.
[18] Herrmann 1989, 584
[19] Herrmann 1997, 123
[20] Herrmann 1989, 585
[21] Herrmann 1997, 38 ff.
[22] Herrmann 1997, 48
[23] Herrmann 1997, 39
[24] Herrmann 1989, 586
[25] Herrmann 1997, 35
[26] Herrmann 1989, 586
[27] Bastet 2004, 22 ff.
[28] Herrmann 2003, 200
[29] Gesamtgewicht 2750g (Anm. d. Verf.)
[30] Herrmann 1989, 586
[31] Herrmann 1989, 586
[32] Kastenkonstruktionen,wie auch Rundbrunnen wurden geborgen ( Anm. d.Verf:)
[33] Herrmann 1997, 87
[34] Herrmann 1997, 94
[35] Herrmann 1989, 587
- Arbeit zitieren
- Elisabeth Anna Krüger (Autor:in), 2007, Ralswiek - ein slawisch-wikingischer Seehandelsplatz auf Rügen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122364
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