Der Ansatz des Gain- und Loss-Framing hat in der Kommunikationswissenschaft im Anwendungsfeld der Gesundheitskommunikation der letzten Jahre an Bedeutung gewonnen, auf Mikro-, Meso- und Makroebene. Die aktuelle Studie thematisiert die Wirkung von Gain- und Loss-Framing in gesundheitsrelevanten Präventionskampagnen zu den Gesundheitsthemen ungesunde Ernährung und Alkohol am Steuer in Bezug auf Einstellungsänderungen auf kognitiver, affektiver und konativer Ebene. Zunächst wird sich auf die theoretische Fundierung fokussiert, dann auf den methodischen Aufbau der Studie und die Präsentation der Ergebnisse. Im Anschluss wird ein Fazit gezogen und ein Ausblick gegeben.
Unterteilt wird die Wirkung von Gain- und Loss-Framing in eine kognitive, affektive und konative Komponente von Einstellungen, die in dieser Studie als Mediatoren getestet wurden. Dabei umfasst die Kognition Prozesse wie Wahrnehmung, Gedächtnis und Wissen, der Affekt die Emotionen und die Konation die Verhaltensintensionen bezüglich gesundheitsbezogener Verhaltensweisen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Fundierung Gain- und Loss-Framing
2.1 Wirkungsmodell Gain-und Loss-Framing
2.2 Zentrale Annahmen und Begriffe
2.3 Aktueller Forschungsstand Gain- und Loss-Framing
2.4 Hypothesen und Analyse
3. Methoden
3.1 Erhebungsmethode Online-Befragung
3.2 Stichprobe
3.3 Gain- und Loss-Fragebogen als Erhebungsinstrumente
4. Ergebnisse
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang: Darstellungsverzeichnis
1. Einleitung
Gesundheitsinformationen werden oft uber die Medien kommuniziert, die ein Thema in be- stimmter Weiserahmen. Wie diese Rahmung, sogenannte Frames wirken, muss noch umfas- send geklart werden (Ruhrmann & Guenther, 2014). Ziel von Gesundheitskampagnen ist es, die Bevolkerung mittels persuasiver Kommunikation zu einem gesunderen Leben zu animie- ren, aufzuklaren und gesundheitsschadigendes Verhalten zu verhindern (Cotten & Gupta, 2004). Dadurch kann ein Lernprozess in der Gesellschaft angestoBen werden, der an Praven- tionszielen orientiert ist (Pott, 2007).
Bei der Entwicklung von Gesundheitskommunikationsprogrammen wird Unterstutzung und Evaluation aus der Forschung benotigt, die versucht, das Zusammenspiel von Praxis und The- orie bei der Entwicklung wirksamer Strategien zu nutzen. Ein Ansatz zur Ubermittlung von Gesundheitsinformationen istdie Art des Framings einer Nachricht (Gallagher& Updegraff, 2012).Denn ein GroBteil von Krankheiten, gesundheitlichen Beschwerden und Todesfallen gelten als vermeidbar. Deshalb ist die Pravention durch mediale Informationen bedeutend fur die Minimierung von Gesundheitsrisiken(Haack et al., 2018). Medienschaffenden wird somit viel Verantwortung zu teil, da bestimmte Frames in medienvermittelten Botschaften zu ganz verschiedenen Medienwirkungen fuhren konnen und wirksam Sicht- und Verhaltensweisen beeinflussen (Sikorski & Matthes, 2019).Auf Seite der Kommunikatoren ist es wichtig, effektive Botschaften zu gestalten, um langfristig Unfalle und Krankheiten vorzubeugen. Seit 2018 ist die Zahl der Verkehrsunfalle unter Alkoholeinfluss gestiegen, 8 % der Toten im StraBenverkehr waren Opfer eines alkoholbedingten Unfalles (Runter vom Gas, 2019). Zudem sind 50% der Erwachsenen in Deutschland ubergewichtig mit den damit einhergehenden Risikofaktoren (Windler & Zyriax, 2001). Wegen dieser Relevanz gilt es, gesundheitsschadigendesVerhalten zu verhindern. Dafur muss erforscht werden, wie eine Botschaft am wirksamsten geframt wird.
Der Ansatz des Gain-und Loss-Framing hat in der Kommunikationswissenschaft im Anwen- dungsfeld der Gesundheitskommunikation der letzten Jahre an Bedeutung gewonnen, auf Mikro-, Meso-und Makroebene (Rossmann & Hastall, 2019). Die aktuelle Studie thematisiert die Wirkung von Gain-und Loss-Framing in gesundheitsrelevanten Praventionskampagnen zu den Gesundheitsthemenungesunde Ernahrung und Alkohol am Steuerin Bezug auf Ein- stellungsanderungenauf kognitiver, affektiver und konativer Ebene. Zunachst wird sich auf die theoretische Fundierung fokussiert, dann auf den methodischen Aufbau der Studie und die Prasentation der Ergebnisse. Im Anschluss wird ein Fazit gezogenund ein Ausblick gegeben. Unterteilt wird die Wirkung von Gain-und Loss-Framing in einekognitive, affektive und kona- tive Komponente von Einstellungen, die in dieser Studie als Mediatoren getestet wurden. Da- bei umfasst die Kognition Prozesse wie Wahrnehmung, Gedachtnis und Wissen, der Affekt die Emotionen und die Konation die Verhaltensintensionen bezuglich gesundheitsbezogener Verhaltensweisen (Schlegl, 2011).
2. Theoretische Fundierung Gain- und Loss-Framing
2.1 Wirkungsmodell Gain- und Loss-Framing
Im Gesundheitsbereich stellt sich die Frage, wie durch persuasive Botschaften gesunde Ver- haltensweisen gefordert werden konnen (Sikorski et al., 2019). Bisher kann die Heterogenitat der Auswirkungen von Framing fur Gesundheitsnachrichten nicht durch eine einzelne Theorie umfassend geklart werden (Myers, 2010). Die Studie ist im Bereich der wirkungsorientierten Framing-Forschung anzusiedeln und untersucht die Wirkung von Frame-Setting von Gesund- heitskampagnen auf kognitive, affektive und konative Einstellungen. Eine exakte Ubernahme des Frames ist im Sinne eines komplexen Medienwirkungsprozesses nicht anzunehmen (Matthes, 2014). Der Studie liegt der Framing-Ansatz zugrunde, zu dem kein koharentes The- oriengebaude existiert. Die entscheidungspsychologische Tradition des Framing-Ansatzes fragt, wieso die Prasentation identischer Information in differierenden Kontexten zu verschie- denen Entscheidungen fuhren kann und ob dies davon abhangt, dass die Information als po- sitiver Frame in Form einer Gewinnperspektive oder als negativer Frame in Form einer Ver- lustperspektive geframt wird. Dabei wird erklart, wie Frames entstehen, sich andern und be- einflussen und wie Framing-Effekte auf den Ebenen des Kommunikators, des Medieninhaltes und des Rezipierenden wirken (Matthes, 2014). Frames betonen selektierte Aspekte einer ausgewahlten Realitat, oft in einer medialen Botschaft und geben den Rezipierenden damit eine Deutungsweise vor (Chong & Druckman, 2007).
Der Ansatz beruht auf der vorherrschenden Perspektive zur Gestaltung von Gesundheitsbot- schaften, der Anwendung der Prospekt Theorie (Tversky & Kahneman, 1981) auf die Gesund- heitskommunikation (Rothman & Salovey, 1997). Diese weist darauf hin, dass Gain- und LossFrames wesentlich unterschiedliche Auswirkungen auf Sichtweisen, Entscheidungen und Ver- haltensweisen haben konnen und dass Rezipierende Entscheidungen in Risikosituationen oft in Orientierung an der Darstellung der Risikoinformation treffen (Bonfadelli & Friemel, 2017). Je nach Prasentationsart wird ein risikovermeidendes oder risikosuchendes Verhalten gewahlt (Tversky et al., 1981). Eine riskante Entscheidung beruht dabei auf der „subjektiven Repra- sentation von relativen Gewinnen oder Verlusten“ (Matthes, 2014, 26). In der Forschungstra- dition ist Gain- und Loss-Framing den Aquivalenz-Frames zuzuordnen, die ein Thema sprach- lich unterschiedlich, aber logisch aquivalent darstellen (Gallagher et al., 2012). Die kommuni- kationswissenschaftliche Forschung fokussiert sich auf Betonungs-Frames, die verschiedene Gesichtspunkte eines Themas betonen, wahrend andere auBen vorgelassen werden (Matthes, 2014). In Anlehnung an Major (2009) wurde in dieser Studie die Grenze zwischen Aquivalenz- und Betonungs-Frame nicht trennscharf gezogen, sondern beides kombiniert.
Die Prospekt Theorie kann allerdings nicht das Gesamtmuster erklaren, dass zum Beispiel in der Meta-Analyse von Gallagher et al. (2012) zum Vorschein kam. Die erwarteten Wirkungs- unterschiede basieren auch auf den theoretischen Ansatzen der Verlustaversion und dem Negativitats-Bias, die eine hohere Wirksamkeit von loss-geframten Gesundheitsbotschaften annehmen. Verlustaversion statuiert, dass Rezipierende eher potenzielle Verluste vermeiden, als mogliche Zugewinne zu sichern (Berry, 2004).
Die Analysegrundlage der kognitiven Prozesse der Studie liegt in sozial-kognitiven Gesund- heitstheorien (z.B. Bandura et al., 1979) und dem Modell der uberzeugenden Kommunikation von McGuire (z.B. Singhal & Rogers, 1999). Diese bilden einen Rahmen fur die Uberprufung der medialen Kommunikationseffekte. Um einen Einstellungswandel zu bewirken, muss eine Botschaft die empfangende Person erreichen, welche ihr gegenuber aufmerksam sein muss. Wenn der Frame-Setting Prozess im Sinne eines klassischen Reiz-Reaktions-Modellverstan- den wird, ist der Frame der gesetzte Stimulus. Die Kognition, welche Prozesse wie Wahrneh- men, Lernen und Gedachtnis enthalt, ist genau wie der Affekt, der aktivierende Prozesse mit Emotionen und Motivationenmeint,im Organismus zu verorten. Damit in Form einer beobacht- baren Response Verhalten folgen kann, mussen diese Einstellungen verandert werden (Schlegl, 2011). Im Rahmen der Dreikomponententheorie nach Trommsdorff gehoren zu Ein- stellungen eine affektive, eine kognitive und eine konative Komponente. Die konative Ebene meint Verhaltensintentionen, ist den anderen beiden Komponenten nachfolgend und hat ruck- wirkend wieder Einfluss auf die affektiven und kognitiven Einstellungen (Trommsdorff, 2009).
2.2 Zentrale Annahmen und Begriffe
Botschaften werden selektiv verstanden, in dem die fur die agierenden Personen wichtigen Informationen aktiv hervorgehoben werden, um die gewollte Interpretation beim Rezipieren- den zu erreichen. In der kommunikationswissenschaftlichen Wirkungsforschung werden sol- cheHervorhebungen als Frames bezeichnet. Sie unterliegen einem heterogenen Begriffsver- standnis und sind dynamisch (Matthes, 2014). In deutschsprachigen Studien werden oft die englischen Begriffe verwendet, auch in der aktuellen Studie werden Equivalent zum “Rahmen“ oder der “Rahmung“ einer Botschaft die Begriffe “Frames“ und “Framing“genutzt, Inhalte wer- den geframt. Frames sind „‘Sinnhorizonte‘ von Akteuren (...), die gewisse Informationen und Positionen hervorheben und andere ausblenden“ (Matthes, 2014, 10). Framing ist zudem die Art, wie eine bestimmte Information medial verpackt wird (Sikorski et al., 2019). Frame-Setting meint dabei den „Wirkungsprozess, in dem Medien-Frames einen Einfluss auf Rezipienten- Frames nehmen“ (Bonfadelli et al., 2017, 199).
Die Art des Framings hat Einfluss auf gesundheitsrelevante Entscheidungen. Die Art und Bedingungen der Wirkung unterscheiden sich allerdings (Gerend & Cullen, 2008). Gain-Frames nehmen eine Gewinnperspektive ein, die positive Konsequenzen hervorhebt. Loss-Frames sind negativ formuliertund nehmen eine Verlustperspektive ein (Tversky et al., 1981). Erstere fokussieren sich auf den Nutzen einer Verhaltensweise und Letztere auf die nachteiligen Kon- sequenzen. Nur die betonten Konsequenzen unterscheiden sich, beide Formen empfehlen entweder die Unterlassung von gesundheitsschadlichemVerhalten,wie betrunkenemFahren, oder gesundheitsforderliches Verhalten, wie eine gesunde Ernahrung (O'Keefe & Nan, 2012). Nach Rossmann et al. (2019) inkludiert Gesundheitskommunikation die gesundheitsbezo- gene, intendierte und nicht-intendierte, intra-undinterpersonale, offentliche und mediale Kom- munikation sowie deren Folgen, Bedeutungen und sozialen Bedingungen, die den Zustand zwischen Krankheit und Gesundheit beeinflussen konnen. Gesundheitskampagnen transpor- tieren zunehmend Praventionsbotschaften, daPravention in den letzten Jahren einen wichti- gen Stellenwert in der Medizin eingenommen hat (Pape et al., 2018). Das Ziel ist ein hoher Informationsstandin der Gesellschaft, ein realistischesMeinungsklima und einangemessenes Schutzverhalten (Pott, 2007).Gesundheit ist schwer eindeutig zu definieren.Im Rahmen einer Definition desfunktionalistischen Ansatzes sind Gesundheit und Krankheit gepragtdurch ein Wechselspiel personaler und sozialer Bedingungen, die Einfluss auf das Verhalten haben. Gesundheit kann als Stadium des Gleichgewichts von Schutz-und Risikofaktoren auf sozialer, psychischer und korperlicher Ebene gesehen werden.Sie setzt beim Individuum eine umwelt- orientierte, psychisch sensible und korperbewusste Lebensfuhrung voraus. Der Gesundheits- zustand ist einKontinuum zwischen den EndpunktenKrankheit und Gesundheit, die Auspra- gung unterliegt subjektivem Befinden, Selbst-und Fremdeinschatzungundkann auf korperli- cher, psychischer und sozialer Dimension differieren(Richter & Hurrelmann,2016, 139-146). Unter der VerhaltensweiseAlkohol am Steuer versteht die Studie die Bedienung eines Fahr- zeugs unter jeglichem Alkoholeinfluss. Bereits geringe Mengen an Alkohol konnen gefahrliche Konsequenzen fur Verkehrsteilnehmende haben,8% aller Verkehrstoten in 2018 waren auf Alkohol zuruckzufuhren. Betrunken am Verkehr teilzunehmen ist verantwortungslos, denn al- koholisiertist eine Person enthemmter, leichtsinniger, risikobereiter und uberschatztsich eher selbst.Zudem wird Koordination, Gleichgewicht,Reaktionsvermogenund das Sehvermogen geschwacht. Das Unfallrisiko steigtexponentiell zur konsumierten Alkoholmenge, bei 0,8 Pro- mille ist es viermal so wahrscheinlich Beteiligter eines Unfalls zu sein(Runter vom Gas, 2019). Das zweite erforschte Gesundheitsthema ist ungesunde Ernahrung. Herz-Kreislauf-Erkran- kungengehoren in Deutschland zu den haufigsten Ursachen eines vorzeitigen Todes. Praven- tion umfasst die Vorbeugung von Krankheiten wie Adipositat oder Diabetes, die durch den Risikofaktor einer ungesunden Ernahrungsweise ausgelost werden konnen. Dieseist gekenn- zeichnet durch ein unausgeglichenes Verhaltnis zwischen Kalorienverbrauch und -aufnahme und durch Nahrungsmittel, die per se schlechte Wirkungen auf die Gesundheit haben. Ein entscheidender Faktor fur die Erkrankung istder Konsum von gesattigten Fettsauren, die ge- meinsam mit Cholesterin additiv wirken.Ein gesunder Lebensstil setzt sich aus weniger als 30 % Fett, geringen Mengen an Alkohol und einem Bodymass-Index von unter 25 kg/m[2] zusam- men, denn schon ab 22 kg/m[2]steigt die kardiovaskulare Mortalitat(Windler et al., 2001). Beide Konstrukte sindRisikenmit moglichen, negativen Folgen in der Zukunft, die auf eine personli- che Handlungsweise zuruckgefuhrt werden konnen (Ruhrmann et al., 2014).
Dieals Rezipienten-Frames gemessenenEinstellungen werden durch eine Dreiteilung klassi- fiziert, die dieVorhersagegenauigkeit in Bezug auf das Verhalten erhohensoll.Kognitiv durch UrteilsauBerungen, affektiv durch GefuhlsauBerungen und konativ durch abgefragte Verhal- tensintentionen(Schlegl, 201 1). Pravention startet auf kognitiver Ebene (Pott, 2007)undFra- mes lassen sich im kognitiven Apparat einer Person ausmachen (Matthes, 2014).Information und Kommunikation stellen wichtige Funktionen dar, um gesundheitsbezogenen Einstellungen durch eine kognitive Verarbeitung von Gesundheitsinformationen zu entwickeln. Die Informa- tionsverarbeitung umfasst die Informationssuche und das Bewusstsein, dass das dargestellte Verhalten ungesund ist (Rossmann et al., 2019). Zudem steigt die Effizienz der Informations- aufnahme auf kognitiver Ebene bei Personen, die emotional beruhrt sind (Schlegl, 2011). Die affektive Einstellungsebene erfasst Emotionen, dieals mehr oder weniger angenehm empfun- den werden konnen.Sieunterliegenbislang keinerallgemein anerkannten Definition (Scherer, 2016). Emotionen beziehen sich auf ein Emotionsobjekt, beispielsweise ein geframter Sach- verhalt, der diese auslost. Dabei haben sie eine motivationale Komponente, die verhaltens- hemmend, zum Beispiel bei Angst und Traurigkeit, oder verhaltensaktivierend,beispielsweise bei Freude und Arger, wirken kann (Lang, 2006).Sielenken Verhaltensanderungen und Ein- stellungsbildung der Rezipierenden (Rossmann et al., 2019), beeinflussen den Gefuhlszu- stand, gehen mit neurophysiologischen Vorgangen einher und wirken verhaltenssteuernd. Wegen der Messung durch Selbstauskunfte im Querschnitt wurde die Studie auf Verhaltens- intensionen begrenzt, auf die sichder Begriff der konativen Ebene bezieht(Schlegl, 2011).
2.3 Aktueller Forschungsstand Gain- und Loss-Framing
Seit Jahrzehnten wachst die Framing-Forschung exponentiell (Guenther et al., 2020). Der hochste Realitatsbezug der Erforschung der Entscheidungsrahmen liegt im Bereich von Ge- sundheitskampagnen (Matthes, 2014). Es liegen einige Meta-Analysen sowie reichliche Ein- zelstudien zu den Effekten von Gain- und Loss-Framing in der Gesundheitskommunikation vor. Im Rahmen praventiver Gesundheitskampagnen ergaben sich Gain-Frames als vorteil- hafter hinsichtlich der Wirkung auf Einstellungenund Verhaltensabsichten der Rezipierenden (Sikorski et al., 2019), da die Botschaften im Vergleich zu detektiven Botschaften als weniger riskantin Bezug auf direkte negative Folgen wahrgenommen werden (Rothman et al., 2016). Grundlage fur viele Studien ist die Meta-Analyse von Gallagher et al. (2012). Diese bestatigte, dass gain-geframte Nachrichten das Praventionsverhalten wirksamer fordern, insbesondere beiden ThemenHautkrebs, Rauchen und korperlicherInaktivitatund dass das nachfolgende Gedachtnis durch ein praventives Gain-Frame auf kognitiver Ebene besser gefordert wird. Botschaften, die auf das Vorhandensein eines Ergebnisses hinweisen, werden im Allgemeinen als uberzeugender angesehen (Dijkstra et al., 2011). Die meisten Studien beschranken sich auf die Untersuchung von gesundheitsforderndem Verhalten, nur zwei Studien konnten die Wirksamkeit des Framings fur die Verringerung gesundheitsschadlicher Verhaltensweisen nachweisen. Diesekonnten Gain-Frames, die sich auf die Unterlassung von ungesundem Ver- halten bezogen, als wirksamer bei Einstellungsanderungen postulieren. Beim Verhalten gab es aber bislang keine signifikanten Ergebnisse (Gerend et al., 2008).
Gerend et al. (2008) untersuchten Auswirkungen von Message Framing und zeitlichem Kon- text auf das Trinkverhalten von Studierenden und erweiterten damit die Anwendung von Framing auf risikoreiche Verhaltensweisen. Teilnehmende machten eine 1-monatige Nachfolge- beurteilung, bei der episodischer Alkoholkonsum sowie alkoholbedingte Probleme untersucht wurden.Studierende, die den Gain-Frame erhielten unduber kurzfristige Folgen des Alkohol- konsums lasen, berichteten uber einen geringeren Alkoholkonsum.Bernstein et al. (2016) un- tersuchten ebenfalls dieselben moderierenden Variablen bei Studierenden, die auch nach ei- nem Monat auf Basis von Selbstauskunft befragt wurden. Dort gab es keine konsistenten Haupteffekte oder Wechselwirkungen, zudem wurde bei keinem Moderator eine MaBigung beobachtet. Millar & Millar (2000) untersuchten auf Basis von Selbstauskunft den Einfluss von Framing und Involvement auf kognitive und affektive Reaktionen sowie die Absicht, ein siche- res Fahrverhalten zu zeigen. Bei Teilnehmenden, die in das Thema involviert waren, wirkten Gain-Frames im Hinblick auf die Verhaltensintension effektiver.
Im Bereich Ernahrung ist die Wirksamkeit von Gain- und Loss-Framing bei praventiven Ver- haltensweisen noch nicht ausreichend etabliert (Elbert & Ots, 2018). In der Meta-Analyse von Gallagher et al. (2012)hatte das Thema Ernahrung einen der geringsten Wirkungswerte. Binder et al. untersuchten 2020 als eine der Ersten Auswirkungen von gewinn-und verlustbehaf- teten Ernahrungsbotschaften auf das gesunde Essverhalten von Kindern zur Vorbeugung von Krankheiten. Die Platzierung von Obst und Gemuse in Erzahlinhalten von Zeichentrickbot- schaften als Gain-Frame konnte die Verhaltensintention der Kinder, diese zu konsumieren, beeinflussen. Nur die gain-geframte Gruppe zeigte einen direkten Effekt auf den Obstverzehr. Das Verhalten konnte an das kognitive Wissen gebunden sein, dass gesunde Ernahrung gut fur den eigenen Korper ist. Zudem erhohtedas Frame das Bewusstsein furArgumente. Kinder der Loss-Gruppe waren sich verlustorientierten Argumenten bewusster und Kinder der Gain- Gruppe gewinnorientierter Argumente. Weder der ernahrungsbezogene Mediationsstil der El- tern noch das Alter der Kinder milderten diese Ergebnisse. Elbert et al. (2018) untersuchten ebenfalls Gain-und Loss-Framing in Bezug auf die Aufnahme von Obst und Gemuse, mit den Moderatorvariablen des Kommunikationsmodus und des vorherigen Konsums. Gain-Framing fuhrte zu einer hoheren Absicht diese Lebensmittel zu verzehren, am starksten bei Personen, die einen geringen wahrgenommenen Konsum hatten und bei akustischer Kommunikation.
Die Wirksamkeit von Gain- und Loss-Framing ist abhangig von verschiedenen Einflussfakto- ren und den untersuchten Gesundheitsthemen (Gerend et al., 2008). Neben den bereits erwahnten Randbedingungen wurden weitere intervenierende Variablen erforscht. Merkmale der geframten Botschaft konnen die Wirkung beeinflussen (Wagner, 2019), ebenso wie der dargestellte Schweregrad einer Erkrankung (Bosone et al., 2015), die von den Konsequenzen beeinflusste Referenzgruppe (Bresnahan et al., 2013) oder die Art der dargestellten Folgen (Hutter et al., 2015). AuBerdem konnten die Valenz, die Generalisierbarkeit der Gesundheits- themen, die Hohe der Auspragung, die Bezugsebene und die adressierten Motive in der Ge- sundheitskommunikation als EinflussgroBen fungieren (Reifegerste & Rossler, 2014). Die Wir- kung konnte durch die Voreinstellung der Rezipierenden, sowie von der Resonanz zwischen Werthaltungen und dem Medien-Frame (Bonfadelli et al., 2017) beeinflusst worden sein. Auch die motivationalen Bewertungsprozesse bei der Emotionsentstehung konnen sich auswirken. Diese konnen zu Anderungen im Verhalten fuhren, wenn durch die Emotionen das Bedurfnis ausgelost wird, das eigene Verhalten sozialen Normen anzugleichen, zum Beispiel bei Scham- gefuhle zu betrunkenem Fahren (Agrawal & Duhachek, 2010). Die aus Furcht gesteigerte Ri- sikowahrnehmung ist Pradikator fur Handlungsintensionen (Myrick & Oliver, 2015). Bei „Don't drink an Drive-Kampagnen“ wird oft ein Furchtapell verwendet (Rossmann et al., 2019). Um im Blick auf das Persuasionsziel positiv zu wirken muss das Apell mit Selbstwirksamkeitserle- ben verbunden sein, sonst kann die Botschaft in ihrer Wirkung abgeschwacht oder eine negative Reaktion hervorgerufen werden (Leshner et al., 2009). Emotionale Erregung ist somit eine vermittelnde Variable (Guenther et al., 2020). In der gesundheitsbezogenen Forschung wer- den standardmaBig nur explizite Kognitionen gemessen, bei denen es um offen geauBerte Ansichten und Einstellungen geht. Jedoch besitzt auch die implizite Kognition einen hohen Erklarungswert fur Wirkungsunterschiede (Rossmann et al., 2019).
Die Einstellungsbeeinflussung ist zudem situations- und personenabhangig (Rossmann et al., 2019). Churchill et al. (2016) untersuchte unter anderem Dispositionsmerkmale des Empfan- gers und Autonomie als Randbedingungen der Frames. Die Studienergebnisse zeigten ein signifikant wirksameres Loss-Frame, bei dem Personen mit geringer Autonomie bei Darstel- lung von kurzfristigen Ergebnissen effektiver eine Verringerung des Alkoholkonsums verzeich- neten. Gerend et al. (2008) erforschten Wechselwirkungen durch das Alter, den Alkoholkon- sum, das wahrgenommene Gesundheitsrisiko und die Eigenschaftsreaktanz. Gallagher et al. (2012) befasste sich zudem mit Selbstwirksamkeit, Pravalenz, positiven Emotionen und Er- gebniserwartungen als Einflussfaktoren. Auch das Geschlecht (Kim, 2011), der individuelle regulatorische Fokus (Dijkstra et al., 2011), der kulturelle Hintergrund (Uskul et al., 2009), der Informationsverarbeitungsstil sowie die Risikopraferenz (Wansink & Pope, 2015), die Person- lichkeitsmerkmale “Need for Cognition“ und Ambivalenz, die regulatorische Passung von Ziel und empfohlener MaBnahme (Covey, 2014) und die Neigung zum “Sensation Seeking“ (Hull & Hong, 2016) sind als Moderatoren von Gain- und Loss-Framing in einzelnen Studien evident geworden.
[...]
- Quote paper
- Bachelor of Arts Emmely Schröder (Author), 2020, Präventionskampagnen in der Gesundheitskommunikation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1223491
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.