Ein Konflikt beschreibt auf der individuellen Ebene einen inneren Zwiespalt oder einen Widerstreit der Beweggründe.
Als Beispiel für einen derartigen Konflikt, der seinen Grund in ökonomischen Verteilungskämpfen und sezessionistischen Bestrebungen findet, ist ein blutiger Dschungelkrieg auf der Südseeinsel Bougainville zu nennen.
Ein Konflikt, der ursächlich mit der Rohstoffgewinnung im Zusammenhang steht, beruht zumindest entweder auf einer Bedrohung von Traditionen oder der Umwelt. Im Fall Bougainvilles lassen sich beide Ursachen der Konfliktentstehung finden.
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Insel Bougainville
2.1 Topographie und Geschichte
2.2 Kultur und traditionelle Konfliktbewältigung
2.3 Wirtschaftliche Entwicklung bis zum Kriegsausbruch 1988
3. Beginn des Konfliktes: Der Streit um die Schürfrechte und seine Folgen
4. Umweltschäden
5. Der Konflikt wird zum Krieg
6. Waffenstillstand und Friedenskonflikt
6.1 Burnham Truce: Der erste Schritt zur dauerhaften Waffenruhe
6.2 Voraussetzungen zum Gelingen des Burnham Truce
6.3 Lincoln Agreement: Das Fundament des Friedensprozesses
6.4 Der Weg zu einem dauerhaften Frieden
6.5 Bougainvilles Wiederaufbau
6.5.1 Orientierung am Status quo, die Erwartungen
6.5.2 Soziale und wirtschaftliche Verhältnisse während des Krieges
6.5.3 Erfolge des Wiederaufbaus
6.5.4 Gefahr neuer sozialer Konflikte
7 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Ein Konflikt beschreibt auf der individuellen Ebene einen inneren Zwiespalt oder einen Widerstreit der Beweggründe. Er steht zwischen zwei Personen für einen Streit oder ein Zerwürfnis. Nicht selten werden so auch bewaffnete bzw. militärische Auseinandersetzungen zwischen zwei Staaten aber auch zwischen einem Staat und seinen Bürgern bezeichnet. Immer kollidieren mindestens zwei Auffassungen zu ein und demselben Problem. Was als Konflikt bezeichnet wird, steht also in der reinen Bedeutung des Wortes, welches seinen Ursprung im lateinischen conflictus hat, für einen Zusammenstoß, hier unterschiedlicher bis letztlich auch unvereinbarer Positionen. (Adelphi, 2005) Weiter lässt sich festhalten, dass das Austragen von Konflikten eine Fähigkeit des Menschen ist, der er sich bedient, so bald er sich seiner Geistes- aber auch Handlungsfreiheit bewusst wird. Im Rückgriff auf das bekannte Rousseausche Modell eines im Naturzustand allein lebenden Menschen kann festgestellt werden, dass schon der Erwerb von Besitz mangels eines ausdifferenzierten Rechtssystems einen Konflikt auslöst, sobald eine weitere Person ihre Ansprüche auf den Gebrauch derselben Sache erhebt.
Was bereits im einfachsten Modell des Zusammenlebens zu einem Streit führt, bietet gerade heute im Kampf um die Verteilung der Ressourcen weltweit ein erhöhtes Konfliktpotential. Gerade in einer Reihe von Entwicklungsländern, die zudem zum großen Teil auf eine noch sehr junge staatliche Selbstständigkeit blicken, führt der Kampf um die Verteilung des Rohstoffreichtums oft zu verheerenden sozialen Folgen. Die legale und besonders die illegale Form der Rohstoffgewinnung in diesen Ländern löste neue Konflikte aus oder heizte bestehende weiter an. Der Kampf um die Ressourcen, ob nun um Öl und Erdgas, Edelsteine und -hölzer, aber auch um Agrarerzeugnisse wie Kaffee und Baumwolle oder letztlich um Drogen aller Art, endet oft in bewaffneten Konflikten. (Adelphi, 2005) Beteiligte sind neben korrupten Regierungen und regionalen Kriegsherren auch Waffenhändler oder skrupellose Wirtschaftsunternehmen. Die Plünderung der Ressourcen dient der Bereicherung Einzelner. Der Gewinn wird unter anderem für Waffenkäufe zur Verfügung gestellt, die letztlich neuerlichen Profit sichern sollen. Die Mehrheit der Bevölkerung erduldet andere Effekte dieses Verteilungskampfes. Neben der allgemeinen ökonomischen Verarmung nennt Roland Seib (2007) vor allem Verletzungen der Menschenrechte, die sich in Massakern oder Vertreibungen widerspiegeln. Am Ende einer Kette von Konflikten steht neben dem Zusammenstoß der Interessen der „Ressourcenverteiler“ der Kampf der Bürger gegen den eigenen Staat, dem mangels eigener innerer Stabilität alle Gewalten abhanden gekommen zu sein scheinen.
Als Beispiel für einen derartigen Konflikt, der seinen Grund in ökonomischen Verteilungskämpfen und sezessionistischen Bestrebungen findet, ist ein blutiger Dschungelkrieg auf der Südseeinsel Bougainville zu nennen. Bereits 1988 wurde hier ein Krieg geführt, zu dem Volker Böge (2001a) feststellte, dass es sich um den längsten und blutigsten Gewaltkonflikt dieser Region seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gehandelt hat. Als Ursache für diese Krise auf Bougainville wird allgemein die Zerstörung des natürlichen und traditionellen Umfeldes sowie die Verknappung natürlicher Ressourcen angesehen. (Böge, 2001a) Mit dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, wie Bergbau, Umweltverschmutzung und weitere daraus resultierende Konflikte miteinander verknüpft sind.
2 Die Insel Bougainville
2.1 Topographie und Geschichte
Gut 750 Kilometer östlich vom Festland Papua Neuguineas, umgeben vom Salomonsee im Westen und dem offenen Pazifischen Ozean im Osten, liegt die Insel Bougainville im Südpazifik. Die nördlichste der Salomonen-Inseln zeigt sich gebirgig und mit tropischem Regenwald bedeckt. Mit rund 8.800 Quadratkilometern, vergleichbar mit Zypern, und rund 160.000 Einwohnern, was in etwa der Bevölkerungszahl Potsdams entspricht, ist die Insel die größte des Archipels. (Waibel, 2001)
1568 wurde die Insel erstmals von einem Europäer, dem Spanier Alvara de Mendana, entdeckt. Lange Zeit vergessen, 1768 vom Franzosen und späterem Namensgeber Louis Antoine de Bougainville wiederentdeckt, wurde die Insel 1885 Teil der Kolonie Deutsch-Neuguinea. Im Ersten Weltkrieg besetzten australische Truppen Bougainville. Unerfüllt blieb die Hoffnung auf eine Vereinigung mit Britisch Salomonen nach dem Ende der deutschen Kolonialzeit. Später übernahm Australien im Auftrag des Völkerbundes bzw. der Vereinten Nationen die Verwaltung der Insel. Mit der Entlassung Papua Neuguineas 1975 in die Unabhängigkeit wurde Bougainville zusammen mit einigen kleineren Inseln als North Solomons Province Teil des neuen Staates. Im Jahr 2005 erlangte Bougainville gemeinsam mit der Nachbarinsel Buka den Status einer autonomen Region Papua Neuguineas. (Böge, 2005a) Diese weitgehende politische Unabhängigkeit steht am Ende zahlreicher sezessionistischer Bestrebungen seit 1975, die zwischen 1988 und 1998 ihren unrühmlichen Höhepunkt in einem Bürgerkrieg mit geschätzten 20.000 Toten gefunden hatte. (Waibel, 2001)
2.2 Kultur und traditionelle Konfliktbewältigung
Die traditionale Vergesellschaftung auf Bougainville basierte auf Substitutionswirtschaft in Gestalt von Gartenbau, ergänzt durch Jagd und Fischfang. (Renner, 2005) Eine besonders große Bedeutung kam der Schweinehaltung zu. Schweine hatten neben ihrer ökonomischen auch eine religiöse Bedeutung. Sie dienten zugleich als Tauschmittel und bei rituellen Handlungen als Opfertier. Letztlich definierte sich über die Anzahl der gehaltenen Tiere der Status und mit ihm der Platz, den man innerhalb der Gesellschaft einnahm. Die ökonomisch-soziale Grundeinheit war zunächst die engere, aber auch die erweiterte Familie. Innerhalb dieser sozialen Bindung erfolgte die Arbeitsteilung nach klar festgelegten Mustern. Für die Nahrungsmittelproduktion und -verarbeitung sowie die Betreuung der Kinder waren die Frauen verantwortlich. Die Männer betätigten sich als Handwerker, Jäger oder Krieger. Die Menschen auf Bougainville lebten traditionell in akephalen Gemeinschaften, so dass die Geschlechterbeziehungen dabei nicht hierarchisch, sondern komplementär strukturiert waren. Ebenso wenig gab es andere soziale Hierarchien. Wie in akephalen Gemeinschaften aber durchaus üblich, gab es die Institution einer Respektsperson in Form eines big man. Der Status des big man war nicht vererbbar und nicht mit einem offiziellen Amt verbunden. Als diese Respektsperson und gewünschter Entscheider in Einzelfällen konnte ernannt werden, wer sich durch besondere Fähigkeiten und Leistungen auf den Gebieten der Jagd, Kriegsführung, Austauschzeremonien oder Initiationsriten hervorgetan hatte. (Böge, 2004)
Generell waren die Sozialbeziehungen nach Abstammung und lokaler Herkunft strukturiert. Die wichtigste gesellschaftliche Einheit war, wie bereits erwähnt, die Familie und ein diese überspannender Clan. Über Familie und Clan hinaus gab es keinerlei Zusammengehörigkeitsgefühl. Die 18 ethnolinguistischen Gemeinschaften, die auf Bougainville gezählt werden, sind ethnologische Konstrukte, zwischen denen keine tatsächlichen Vergesellschaftungszusammenhänge bestanden. Erst modernisierende Einflüsse der Kolonialzeit änderten diese Eigenwahrnehmung. Zusehends betrachteten sich nun Mitglieder einzelner Clans und Clans selber als Teil einer größeren ethnolinguistischen Einheit. Es wurden auf der Grundlage gemeinsamer Gebräuche und Sprache nun Stämme mit Häuptlingen konstruiert. Dieses neugeschaffene Gefühl eines Stammesbewusstseins führte unter externen Einflüssen auch zur Herausbildung einer clan-übergreifenden Form der Sozialisation, die nun erstmals eine Abgrenzung von anderen Stämmen ermöglichte. Letztlich entwickelte sich eine bougainvillische Identität, die nicht die eigentliche soziale Bedeutung der Familien- oder Clanzugehörigkeit aufheben konnte, aber half, den Inselbewohner von dem Fremden zu unterscheiden. Es war dabei für die Menschen Bougainvilles unerheblich, ob es sich bei den Fremdem um Bürokraten, Arbeitskräfte, Polizisten oder Soldaten eines anderen Landesteils von Papua Neuguinea oder um staatsrechtliche Ausländer handelte. (Böge, 2004)
Die hier entwickelten Abgrenzungserscheinungen waren vor allem das Resultat der historischen Entwicklung im Pazifik nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Bis dahin beschränkten sich die Kontakte zur Außenwelt auf verwandtschaftliche Bande und Handelsbeziehungen mit den benachbarten Salomon-Inseln. Dies änderte sich erst mit dem Auftauchen der europäischen Seefahrer, Missionare und später der Kolonialbeamten. Bis zum Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrschte der Austausch von Gaben, wie statusträchtiger Schweine bzw. Nahrungsmittel allgemein, oder der von Wertgegenständen, wie Muscheln und Federn, sowie von Menschen zum Zwecke der Heirat die sozialen als auch ökonomischen Beziehungen zwischen den Clans. Dabei blieb das für eine Agrargesellschaft so wichtige Gut Boden vom Handel bzw. Tausch ausgenommen. Das Land ging von den Müttern auf die Töchter über. Da die meisten Gemeinschaften auf Bougainville nach matrilinearen Abstammungsprinzipien funktionierten, blieb den Männern zur dauerhaften Änderung ihres Wohnsitzes nur übrig, sich in den Clan der Frau hineinzuheiraten. (Böge, 2004)
Auf Grund der spärlichen Handelsbeziehungen im ursprünglichen Bougainville ist es wenig verwunderlich, dass sich für die Gewaltkontrolle und Konfliktbewältigung die Familie bzw. der Clan verantwortlich zeigte. Dabei war die Einbindung des Einzelnen als Mitglied der Familie bzw. eines Clans von zentraler Bedeutung. Taten Einzelner wurden dem Clan als Ganzem zugerechnet. Sollte es nach einem Gewaltvergehen nicht zum Teufelskreis der Blutrache kommen, so wurde im traditionalen Kontext die Konfliktregelung auf dem Wege restaurativer Gerechtigkeit durch das Institut der Gabe geregelt. Der Täter und dessen Familie bzw. Clan bekannten sich zur Tat und leisteten Kompensationen. Die soziale Gemeinschaft, der sich der Täter zugehörig fühlte, nahm das Tateingeständnis und die Kompensationen an. Mit der Versöhnung zwischen den Opfern und Tätern sowie deren Familien wurde die soziale Ordnung wiederhergestellt.
Die dargestellten Vergesellschaftungszusammenhänge waren trotz des Einbruchs der Moderne, in der Gestalt von kolonialer Herrschaft und postkolonialer staatlicher Strukturen, bis zu Beginn des Krieges 1988 noch weitgehend intakt. Auch christliches Missionieren, die Monetarisierung und Urbanisierung, die Umstellung auf Plantagenwirtschaft und cash crops[1] (Kakao und Kokosnüsse) sowie die Zuwanderung und kapitalistische Inwertsetzung (Bergbau) konnte den sozialen Gefügen auf Bougainville kaum etwas anhaben. Insbesondere griff man für die Gewaltkontrolle und die Konfliktbearbeitung im lokalen Kontext weiterhin auf traditionale Autoritäten und Mechanismen zurück. Daneben wurde begonnen, sich auch moderner Instrumente wie Polizei und Gericht zu behelfen. Damit konnte sich, wie auch in anderen Übergangsgesellschaften, mittels des forum shoppings unterschiedlicher Möglichkeiten zur Konfliktbewältigung bedient werden. (Böge, 2004)
Diese und andere Erscheinungsformen der Moderne führten zu einem zunehmenden Druck auf traditionale Institutionen und deren Fähigkeit Konflikte zu regeln. Die wachsende Bedeutung der Geldwirtschaft, Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten im modernen Sektor der Ökonomie, die einsetzende Zunahme der Mobilität und intensivierte Kontakte mit der Außenwelt zersetzten die soziale Kohärenz der traditionalen Gemeinschaften. Als Reaktion auf diese Entwicklung entstanden cargo-Kulturen, die eine Abschottung gegen die Einflüsse der Moderne propagierten und eine Bewahrung von bzw. eine Rückkehr zum kastom (Böge, 2005a), mit dem im Allgemeinen die Sitten und Gebräuche bzw. der Kult der Pazifikbewohner gemeint wird, forderten und praktizierten. Das diese Kulte selbst oft moderne und keineswegs traditionale soziale Institutionen waren, störte nicht und wurde verschwiegen. (Böge, 2005b)
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[1] Als Cash crops werden Feldfrüchte bezeichnet, die nur für den Verkauf und den Export angebaut werden.
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