Resilienz geflüchteter Frauen

Welche Angebote sollte die Soziale Arbeit abdecken, die geflüchtete Frauen in ihrer Selbstwirksamkeit stärken sowie Empowerment und Selbstorganisation fördern?


Bachelor Thesis, 2022

65 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhalt

II. Abkurzungsverzeichnis

III. Abbildungsverzeichnis

1.Einleitung
1.1Allgemeines zu Frauen auf der Flucht

2 Trauma und Postmigrationsstressoren

3. Resilienz und Posttraumatisches Wachstum
3.1 Posttraumatisches Wachstum
3.2 Resilienz
3.3 Resilienz gefluchteter Menschen
3.4 Religion in Verbindung mit Resilienz
3.5 Soziale Netzwerke in Verbindung mit Resilienz
3.6 Kultur in Verbindung mit Resilienz

4. Interview
4.1 Auswertung des Interviews nach Soeffner
4.1.1 erste Ebene: Paraphrasieren des Textausschnittes
4.1.2 zweite Ebene: Inkonsistenz
4.1.3 dritte Ebene: Objektive SinnschlieBung
4.1.4 Schlussfolgerung der Auswertung

5. Empowerment als (Wieder-) Herstellung von Resilienz
5.1 Organisation „Women in Exile“ & „Women in Exile & Friend“

6. Fazit
6.1 Aufgabe der Sozialen Arbeit
6.2 Ausblick fur die Soziale Arbeit
6.3 Umsetzung in der Sozialen Arbeit und aktueller Forschungsstand

Literaturverzeichnis

Onlinequellen

Anhang

II. Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

III. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1, 2: BAMF- Asylgeschaftsstatistik: Analyse der „SoKo“-Sozialstrukturdaten Jahresbericht 2020

1.Einleitung

Im Jahr 2016 sind laut dem UNHCR die Halfte aller Menschen, die auf der Flucht sind, weiblich. Allerdings sind dem BAMF zufolge zwei Drittel aller Asylantrage in Deutschland von Mannern gestellt. Grund dafur ist, dass vielen Frauen die Flucht nach Europa erst gar nicht gelingt (Heinrich-Boll-Stiftung, 2018).

Vor allem Frauen aus einigen afrikanischen Staaten und Landern des Nahen Ostens suchen wegen der gefahrlichen Fluchtwege und fehlender finanzieller Mittel Schutz innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen. Frauen und Kinder sind wegen der instabilen politischen Lage in den einzelnen Landern wie auch auf der Fluchtroute besonders gefahrdet und werden haufig mehrfach Opfer von unterschiedlichsten Formen von Gewalt. Viele Frauen wurden bereits in ihren Heimatlandern aufgrund herrschender Geschlechternormen und traditioneller Rollenzuschreibungen unterschiedlich stark diskriminiert und unterdruckt - lange bevor Kriege oder Konflikte sich zuspitzten. Ihnen wurden grundlegende Menschenrechte aberkannt oder sie konnten diese nur teilweise wahrnehmen. Die Angst vor Gewalt durch Familienangehorige oder durch den Staat ist haufig sehr groB, wenn sie ihre Rechte trotzdem einfordern“ (Heinrich- Boll-Stiftung, 2018 S.12).“

In dieser Arbeit mochte ich mich mit der Resilienz gefluchteter Frauen beschaftigen. Resilienz verstehe ich in dieser Arbeit, als seelische Widerstandsfahigkeit. Demnach ist Resilienz ein sich immer wieder entwickelnder Prozess, der es Menschen ermoglicht, in ihrer Lage, gut mit (unvorhersehbaren) Stressoren, Risiken, negativen und traumatischen Lebensereignissen umzugehen. Haufig wird es auch als Immunsystem der Seele bezeichnet (E. Kleefeldt, 2018). Gerade Frauen sind vor der Flucht, wahrend der Flucht, sowie nach der Flucht besonders belastenden und traumatischen Situationen ausgesetzt.

Besonders mochte beleuchten, welche Faktoren dazu beitragen, dass Frauen aus diesen Krisen gestarkt hervorgehen. Tatsachlich ist es namlich so, dass eine positive Entwicklung, also eine erfolgreiche Erholung einer stressreichen Lebenssituation, ein haufigeres Studien- ergebnis ist als umgekehrt. Ebenfalls wird in einem GroBteil der Literatur die Ansicht vertreten, dass man fur eine „gesunde Resilienz“ in erster Linie mit einer „guten“ Konstitution ins Erwachsenenleben starten muss und Krisen vor allem als Risiken fur eine gesunde Entwicklung zu betrachten sind (I. Fooken, 2016). Neben der Fachliteratur, die betont, dass Resilienz, von dem Fundament des Aufwachsens einer Person abhangt, gibt es ebenfalls Quellen, die besagen, dass es ein Kompetenzzuwachs geben kann, durch das Eintreten einer Krise.

Mein Ziel ist es, mithilfe eines Interviews, dessen Auswertung und anhand von aktuellen Forschungen sowie Literatur, herauszufinden, in wie weit soziale Netzwerke, Religion und Kultur eine Rolle bei der Resilienz gefluchteter Frauen spielen und wie Resilienz starkende und Empowermentansatze, gefluchtete Frauen langfristig unterstutzen konnen.

Zu Beginn werde ich einen kleinen allgemeinen Exkurs zu den Themen Traumata und Postmigrantische Stressoren vornehmen. Dieser wird nur allgemein sein, da es ansonsten den Rahmen dieser Arbeit sprengen wurde. AnschlieBend mochte ich etwas vertiefter auf das Konzept der Resilienz eingehen. Fur die Erarbeitung dieser Arbeit werde ich die Themen Soziale Netzwerke, Religion, Geschlechterrollen und Kultur gefluchteter Frauen in den Fokus nehmen, um anschlieBend in meinem Interview herausfinden zu konnen, ob diese Faktoren eine Rolle bei der Krisenbewaltigung der Frauen spielen. Mit Hilfe eines Interviews mit einer gefluchteten Frau mochte ich herausstellen, wie sie es trotz traumatischer Erfahrungen schafft, einen gelingenden Alltag zu gestalten. Welche Faktoren spielen eine Rolle bei der Starkung von Resilienz und welche Ressourcen bringen Frauen bereits mit?

Im Hinblick auf die Soziale Arbeit ist es mir ein Anliegen, mithilfe dieser Arbeit Bedarfe und Unterstutzungs- moglichkeiten fur Frauen mit Fluchterfahrung zu erkennen. Wie kann Soziale Arbeit Angebote schaffen, die gefluchtete Frauen in ihrer Selbstwirksamkeit starken und Empowerment und Selbstorganisation fordern?

1.1 Allgemeines zu Frauen auf der Flucht

Statistiken der Asylgeschaftsstatistik des BAMF aus dem Jahr 2020 zeigen, dass die Zahl der volljahrigen mannlichen Antragstellenden weiterhin hoher ist als die Zahl der weiblichen Antragstellenden. Zwischen 2017 und 2019 war die Zahl der mannlichen Antragstellenden etwas gesunken. Im vergangen Jahr 2020 jedoch stieg die Zahl wieder auf 63,3% (BAMF 2020, S. 7).

Fur das Jahr 2021 gibt es derzeit Veroffentlichungen bis Juni. Diese zeigen ahnliche Werte. Rund 42 % der Antrag stellenden Personen waren weiblichen Geschlechts. Bei den unter Sechzehnjahrigen ist das Geschlechter- verhaltnis ausgeglichener und der mannliche Anteil ist nur leicht hoher. Insgesamt ist der Prozentanteil, weiblicher gefluchteter seit dem Jahr 2016, um etwa 6% gestiegen (BAMF 2021, S. 8). Frauen als gesonderte Gruppe zu betrachten, ist auf der Grundlage dieser Zahlen, besonders relevant.

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Abbildung 2: Geschlecht der volljahrigen Asylerstantragstellenden aus alien und den zehn Hauptherkunftslandern im Jahr 2020 (in Prozent)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BAM F-Asylgeschiftsstatiirik fur das Jahr 2020

Quelle; BAM F-Asylgeschaf tsstatistik far das Jahr 2020 und „SoKo‘-Da(enbank (22.03.2021)

Abbildung 5: Altersverteilung und Geschlecht der 18- bis 65-jahrigen Asylerstantragstellenden im Jahr 2020 (Asylgeschaftsstatistik und „SoKo“-Daten)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle Abb. 1, 2: BAMF- Asylgeschaftsstatistik: Analyse der „SoKo“-Sozialstrukturdaten Jahresbericht 2020

Zu beachten ist, dass bei den Statistiken dieses Berichts nur Personen uber 18 Jahre berucksichtigt wurden. Die Zahl an minderjahrigen Asylerstantragstellenden ist seit dem Jahr 2015 deutlich gesunken. Von 68,9% im Jahr 2015 auf 46,1% im Jahr 2020 (vgl. BAMF 2021, S. 6, Abbildung 1).

Dies konnte sich durch die steigende Zahl an in Deutschland geborener Kinder im Asylverfahren erklaren. Ebenfalls auffallend an den Statistiken sind die im Jahr 2020 neuen Hauptherkunftslandern wie Somalia, Algerien und Vietnam und deren auffallend junge Altersstruktur. Etwa 60% der Erstantragstellenden waren unter 30 Jahre alt. Unter diesen ist besonders Somalia mit 14,7% der Erstantragstellenden, die zwischen 18-19 Jahren sind, vergleichsweise hoch. Interessant ist auch, dass Somalia im Jahr 2020 neben den anderen Hauptherkunftsstaaten, den hochsten Frauenanteil aufweist. Mit 51,9 % ist der Anteil an gefluchteten Frauen nicht nur unter den anderen Hauptherkunftslandern am hochsten, sondern auch um 1,9% hoher als der Manneranteil somalische Manner (vgl. BAMF 2021, S. 6).

Die politischen Konflikte in Syrien, Afghanistan, dem Nahen Osten sowie in einigen ostafrikanische Staaten sind die treibende Kraft der anhaltenden Fluchtlingsbewegung. Immer noch sind die meisten Menschen mit Flucht- erfahrung in Deutschland syrischer Herkunft. Im Jahr 2020 sind laut SoKo, 27,5% der Schutzsuchenden aus Syrien. Dem folgt Afghanistan mit 13,4%. Angesichts der aktuellen Situation in Afghanistan wird die Zahl der Schutzsuchenden in diesem Jahr sicher weiter steigen. Je nach Land variiert die prozentuale Verteilung der weiblichen Gefluchteten (vgl. BAMF 2020. S. 6, 7).

2016 sind nach Angaben der „United Nations High Comissioner for Refugees“ (UNHCR), 63,5 Millionen Menschen auf der Flucht gewesen. Grunde, weshalb Menschen eine solch gefahrliche Flucht auf sich nehmen, sind neben Kriegen, Terror, politischen Konflikten und vielem mehr auch Diskriminierung, die sich unter anderem gegen Frauen richtet. Viele Frauen fliehen aus ihren Heimatlandern, um sich und ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Bei der Flucht sowie der Lage in den Heimatlandern der Frauen ist zu beachten, dass sich die Beweggrunde und die Gefahren unterscheiden. Haufig entscheiden sich Frauen neben den zuvor genannten Grunden wie Krieg, Terror oder Armut ebenfalls fur eine Flucht, weil sie als Frauen in ihren Herkunftslandern Gewalt und sexualisierte Gewalt erlebt haben, keine Rechte haben und diskriminiert werden. Gewalt gegen sie konnen hausliche Gewalt oder sexualisierter Gewalt wie Vergewaltigungen, Zwangsprostitution, Zwangsheirat oder ahnliche Grausamkeiten sein. Sexualisierte Gewalt ist ein Mittel des Krieges und daher leider in vielen Landern der Fall (vgl. Frauen auf der Flucht 2017, S.30, Study on Female Refugees 2017, S.8).

Jeder Fluchthintergrund und jede Fluchtgeschichte sind individuell und vielfaltig, weshalb die Verfasserinnen von „Frauen auf der Flucht“ 2018 folgendes fordern: „Das Leben von gefluchteten Frauen ist komplex und vielfaltig. Und entsprechend vielfaltig sollten auch die Losungs- ansatze sein, denn es gibt keinen Standardfluchtling. Ganz grundsatzlich ist es wichtig, dass die Lebensbedingungen und unterschiedlichen Bedurfnisse von Frauen und Madchen ebenso wie ihre Fluchtgrunde in den internationalen und deutschen Hilfestrukturen erkannt und in den Planungen berucksichtigt werden. Denn nur so konnen Helfende und Betroffene gemeinsam Hilfs- angebote entwickeln, die sich an den Lebensumstanden, Bedurfnissen und Lebensplanen der gefluchteten Frauen orientieren. [...] Frauen und Madchen brauchen in den hiesigen und internationalen Hilfestrukturen Anlaufstellen, die ihnen dabei helfen, sich gegen (sexualisierte) Gewalt zur Wehr zu setzen, Tater anzuzeigen, psychosoziale Hilfe bei Traumatisierung zu erhalten, gegebenenfalls weitere sprachliche und berufliche Kompetenzen zu erwerben, sich zu organisieren und gegenseitig zu unterstutzen. So konnten sie ihre Potenziale und Ressourcen fur die eigene Lebensplanung nutzen, diese aber auch zum okonomischen und ideellen Nutzen der Aufnahme- und Herkunftsgesellschaften einbringen. Obwohl diese Tatsachen vielen Akteuren und Akteurinnen innerhalb der Politik und der humanitaren Hilfe in den letzten Jahren bewusster geworden sind und obwohl es genugend gesetzliche Vorgaben gibt - gemessen am AusmaB des Problems hat sich nur wenig getan“ (Frauen und Flucht 2018, S.15, 16).

Aber auch auf der Flucht und selbst in Deutschland sind sie vor diesen Gefahren leider nicht geschutzt. Gerade die Ankunft in Sammelunterkunften birgt nochmals besondere Gefahren fur Frauen. Die bundesweite Arbeits- gemeinschaft der Psychosozialen Zentren fur Fluchtlinge und Folteropfer hat in der Recherche „Living in a Box“ zu den Folgen des Lebens in Sammelunterkunften fur Kinder herausgefunden, dass viele Bedingungen in den Aufnahmelagern fur die Entwicklung der Kinder aber auch fur die psychische Gesundheit und Stabilisierung der Eltern schlecht sind.

Die Veroffentlichung des BAfF's gibt in ihrer Recherche Einblicke in eine Hausordnung der Unterkunfte. Diese sind gerade fur diese Arbeit interessant, weil deutlich wird, dass die Sicherheit der Frauen hier nicht gegeben ist. Zusammenfassend ist dort geschrieben, dass die Betreiber das Recht haben, die privaten Zimmer, im Falle eines VerstoBes gegen die Hausordnung, betreten und durchsuchen zu durfen. Dies gilt auch fur Spinde und ahnliches. Zudem sind die Bewohner*innen verpflichtet, sich an die Anweisungen des Bertreibers und des Sicherheitsdienstes zuhalten (Vgl. BAfF e.V. Living in a Box 2020, S.21).

„GemaB Art. 13 Abs. 7 GG (Grundgesetz) ist das Betreten eines Zimmers nur gerechtfertigt zur Abwehr einer Gemeingefahr (z.B. Brandgefahr) oder einer Lebensgefahr fur einzelne Personen sowie zur Verhutung dringender Gefahren fur die offentliche Sicherheit und Ordnung, wenn hierfur eine spezielle gesetzliche Regelung geschaffen wurde.“ (BAfF e.V. Living in a Box 2020, S.21).

Offensichtlich ist diese Hausordnung verfassungswidrig. Fakt ist jedoch, dass den Bewohner*innen in den meisten Fallen nichts anderes ubrigbleibt, als sich dem zu ergeben oder sie riskieren ihren vermeintlich sicheren Schlafplatz. Auch Missbrauchsfalle und korperliche Uberfalle konnen so verdeckt bleiben. Zusatzlich sind nachtliche Einsatze von Polizeibeamten in den Unterkunften, die nach Menschen suchen, die ausgewiesen werden mussen, nicht selten. Familien aus sicheren Herkunftsstaaten mussen stets mit der Sorge leben, jeder Zeit zuruck in das Heimatland gewiesen zu werden. Selbst wenn jene aus unsicheren Staaten nicht direkt eine Abschiebung furchten mussen, ist die Abschiebung ein omniprasenter Begleiter. All diese Faktoren sind Stressfaktoren, die die Menschen in den Unterkunften unter standige Alarmbereitschaft stellen und die Situationen aus den Heimatlandern wie auch der Flucht in Erinnerung rufen (Vgl. A. Wihstutz 2019, S.108 ff).

Stress und Gefahr sind Risikofaktoren fur den Korper und konnen ein andauerndes Gefuhl von Ohnmacht, Passivitat und Hilflosigkeit auslosen. Bereits erlebte Traumata wiederholen sich moglicherweise und werden aufrechterhalten, was aus psychologischer sowie trauma- padagogischer Sicht problematisch ist. (Vgl. BAfF e.V. 2020 Living in a Box, S.21).

Damit die Spirale von Unsicherheit und Schutzlosigkeit gefluchteter Frauen unterbrochen wird, ist es notwendig, die Bedingungen in Erst-, Ankunfts- und Transit- unterkunften in Deutschland zu verbessern. Auch fur diese Problematik stellt die Veroffentlichung „Frauen und Flucht, 2018“ zahlreiche Verbesserungsvorschlage vor. Unter anderem fordern die Verfasserinnen, dass Schlafplatze separat und abschlieBbar sein mussen. Gleiches gilt fur gut erreichbare, getrennte und sichere Sanitaranlagen. Es sollten Gemeinschaftsorte, Ruheraume und Informations- standorte geschaffen werden, da es in den Unterkunften unter anderem an Ruckzugsorten fehlt und die enge, sowie der Larmpegel Stress auslosen. Informationen zu Rechten, Selbstbestimmung, Asylverfahren und Programmen im Stadtteil sollten mehrsprachig und auch fur Analphabeten zuganglich sein. Sie nennen zudem, dass die Unterbringungsformen groBer sein mussten, damit es geschlechterspezifische psychologische Betreuung fur Frauen und Manner mit sogenannten Stabilisierungs- gruppenangeboten und Beratung geben kann. Hier konnten unter anderem Schlafstorungen, Konzentrations- probleme und Erlebtes der Teilnehmer*innen thematisiert und bearbeitet werden. Es gibt noch viele weitere Stellschrauben in Erst-, Ankunfts- und Transitunterkunften in Deutschland, nichtsdestotrotz betonen die Verfasserinnen von „Frauen und Flucht“, dass sich die Situation in Unterkunften bereits um einiges verbessert hat (vgl. Frauen und Flucht 2018, S.35).

Zusammenfassend ist nun zu sagen, dass Frauen auf der Flucht insgesamt eine besonders vulnerable Gruppe darstellen, die komplexen und vielfaltigen Stressoren vor, wahrend und nach der Flucht ausgesetzt waren und sind. Jene Stressoren konnen ihre Gesundheit nachhaltig beeinflussen. Hinzu kommt, dass anders als mannliche gefluchtete, Frauen haufig die alleinige Verantwortung fur die mitgefluchteten Kinder tragen und mit dieser Aufgabe auf sich allein gestellt sind (vgl. Study on Female Refugees 2017, S.9). Im Folgenden werden zunachst die Traumata, sowie die psychosoziale Gesamtsituation vor, wahrend und nach der Flucht ins Augenmerk genommen, um anschlieBend auf die Aspekte der Resilienz gefluchteter Frauen zu schlieBen.

2 Trauma und Postmigrationsstressoren

Das Trauma ist in der Theorie und der Praxis sehr komplex und schwierig zu definieren. Die Autorin, Psychologin und Systemische Therapeutin Esther Kleefeldt, ist unter anderem wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der BAfF. In ihrer Ausgabe „Resilienz, Empowerment und Selbst- organisation gefluchteter Menschen“ erlautert sie das Trauma bildlich. Ubersetzt aus dem Griechischen, bedeutet das Wort Trauma, Wunde. Das Trauma ist eine Wunde auf der Seele, die durch ein Ereignis ausgelost wird, welches uber das Ertragbare hinaus geht. Eine seelische Wunde, kann wie eine Wunde am Korper, durch Selbstheilungsprozesse heilen. Gute Bedingungen fur die Heilung sind Sicherheit und Ruhe sowie soziale Unterstutzung und gegebenen Falls professionelle Hilfe. Entsteht Heilung, kann Resilienz oder posttraumatisches Wachstum entstehen. Dazu in den folgenden Kapiteln mehr.

Gelingt jedoch keine Heilung, weil die Bedingungen nicht gegeben waren, bleibt die Wunde offen und beeintrachtigt das Leben. Anders jedoch als beim Korper ist, dass nicht jede Wunde am Korper eine Narbe hinterlasst, eine Wunde auf der Seele jedoch schon. Nach einem erlebten Ereignis, was eine Verletzung in der Seele hinterlassen hat, ist die Seele, auch nachdem die „Wunde“ verheilt ist, nicht mehr dieselbe.

In der Wissenschaft ist man sich noch uneinig, ob mit dem Trauma das Ereignis oder die Folge gemeint ist; ebenso wie die Frage, was als traumatisches Ereignis gelten kann. Diese Debatte ist sehr umfangreich und ist daher in dieser Arbeit nur erwahnt und nicht ausfuhrlich beschrieben. Fest steht, dass Flucht, Gewalt, Verlust und Tod traumatisierende Ereignisse sein konnen, die fur die Erarbeitung dieser Arbeit relevant sind. Unabhangig von den Definitionen jedoch ist es wichtig anzumerken, dass jedes erlebte Ereignis individuell erlebt und wahr- genommen wird. Betroffene durfen nicht als homogene Gruppe gesehen werden, die die traumatisierenden Ereignisse alle gleich wahrnahmen, dieselben Konsequenzen tragen und diese nach einem bestimmten Schema verarbeiten. Ein Ereignis kann im Voraus nicht als traumatisch oder nicht traumatisch eingestuft werden, ebenso konnen die Konsequenzen aus einem Ereignis nicht im Vorhinein festgelegt werden. Das Ereignis selbst ist nur ein Faktor unter vielen, welcher Einfluss auf die Folgen und die psychische Stabilitat des Menschen hat. Negative Traumafolgen hangen von vielen Faktoren ab, die in Abhangigkeit zum Ereignis stehen (vgl. E. Kleefeldt 2018, S.15).

Aus der Studie „Study on Female Refugees“ und der Ausarbeitung der Ausgabe „Frauen und Flucht“ der Heinrich-Boll-Stiftung sind viele Erkenntnisse zu ent- nehmen, die bislang noch nicht tiefgehend erforscht sind.

Unter anderem auch Erkenntnisse zu Postmigrations- stressoren und Faktoren, die zu Traumafolgen fuhren konnen.

Fur viele Gefluchtete ist Deutschland das Ziel der Reise und die neue Heimat auf unbestimmte Zeit. Unabhangig von den moglicherweise traumatisierenden Ereignissen im Heimatland und auf der Flucht, ist der Gedanke der unmoglichen Ruckkehr in das Heimatland mit viel Trauer versehen. Die neuen Lebensumstande und Moglichkeiten im Ankunftsland konnen zu einer positiven Entwicklung und Heilung der seelischen Wunde beitragen, die Erfahrung des Nicht-Dazugehorens, die burokratischen und politischen Umstande allerdings zu negativen Faktoren, die eine andauernde Stresssituation auslosen (vgl. Frauen und Flucht 2018, S.47, vgl. Study on Female Refugees 2017, S.43).

Eben genannte negativen Faktoren, die eine andauernde Stresssituation auslosen, sind Postmigrationsstressoren. Kommen mehrere Postmigrationsstressoren zusammen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffen eine Traumafolgestorung entwickeln. Mit den Faktoren sind Lebensumstande gemeint, welche sich nach der eigentlichen Migration (Flucht) in Deutschland zeigen und negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben konnen.

Dazu zahlen burokratische Hurden, die soziale Isolation, sowie schlechte Bedingungen in den Unterkunften und die Abhangigkeit von anderen Menschen. Aus jenen Umstanden resultieren Gefuhle der Ohnmacht. Aber auch aus der Sorge um Familienmitglieder, die ggf. noch in Gefahr sind, sowie fehlende Beschaftigungsmoglichkeiten, Arbeitsverbote und Probleme mit Integration und Inklusion. Dabei stellen Sprachbarrieren einen zentralen negativen Faktor dar. Zudem leben die Menschen nach ihrer Ankunft haufig lange in prekaren soziookonomischen Lebens- umstanden, die ebenfalls zu einer Spirale von negativen Faktoren beitragen. Neben all den genannten Faktoren durfen Erfahrungen von Ausgrenzung und Diskriminierung usw. nicht ausgelassen werden, da diese auch einen erheblichen Einfluss auf die psychische Gesundheit haben (vgl. Frauen und Flucht 2018, S.47).

Alle der genannten Faktoren sowie noch viele weitere konnen langfristige Folgen mit sich bringen. Hervorzuheben sind insbesondere die Beschaftigungs- losigkeit und die langen Wartezeiten bspw. im Rahmen des Asylverfahrens oder der Wohnungssuche. Sie losen Ungewissheit und Unsicherheit aus und werden als Ohnmacht und Hilflosigkeit empfunden. In unterschiedlichen Studien wurde festgestellt, dass zwischen chronifizierten psychischen Belastungen und Postmigrationsstressoren ein Zusammenhang besteht (vgl. Silove et al. 1997, S.353).

Die Ausgabe „Frauen und Flucht, 2018“ erwahnt, dass auch aus niederlandischen Studien bereits bekannt ist, dass diese eben genannten Faktoren, Postmigrations- stressoren, sich auf die PTSD (englisch posttraumatic stress disorder/ deutsch posttraumatische Belastungsstorung) ebenso wie die Angstsymptomatik und besonders auf die Depressionssymptomatik auswirken.

[...]

Excerpt out of 65 pages

Details

Title
Resilienz geflüchteter Frauen
Subtitle
Welche Angebote sollte die Soziale Arbeit abdecken, die geflüchtete Frauen in ihrer Selbstwirksamkeit stärken sowie Empowerment und Selbstorganisation fördern?
College
University of Applied Sciences Mainz  (Katholische Hochschule Mainz)
Grade
1,3
Author
Year
2022
Pages
65
Catalog Number
V1223395
ISBN (eBook)
9783346650375
Language
German
Keywords
resilienz, frauen, welche, angebote, soziale, arbeit, selbstwirksamkeit, empowerment, selbstorganisation
Quote paper
Leyla Smeraldy (Author), 2022, Resilienz geflüchteter Frauen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1223395

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