Bis heute wurde keine wirklich befriedigende Lösung für den motorisierten Verkehr gefunden. Seit fast drei Jahrzehnten wird nun das Leitbild der „menschengerechten und ökologischen Stadt“ verfolgt, und es ist davon auszugehen, dass diese Tendenz auch in den nächsten Jahrzehnten beibehalten und verstärkt verfolgt wird. Auch das Leitbild der „menschen- bzw. kindergerechten Stadt“ sollte in Anbetracht des
bestandsorientierten Städtebaus als Grundsatz einer nachhaltigen Raum- und Siedlungsstruktur in Zukunft weiterverfolgt werden.
Inhalt
1. Definition Straßenraum
1.1 Straße
1.2 Fußwege und Radwege
1.3 Plätze
2. Die Stadt vor 1800
2.1 Die Stadt im antiken Griechenland
2.2 Die Bedeutung der Straße im alten Rom
2.3 Die Stadt im Mittelalter
2.4 Die Straße in der Frühen Neuzeit
3. Die Stadt nach 1800
3.1 Die Straße als Lebensraum
3.2 Die Pferde- und Straßenbahn
3.3 Die Eroberung der Straße durch das Automobil
4. Die verkehrsbezogene Stadt
4.1 Wiederaufbauphase (1945 – 55)
4.2 Autogerechte Stadt (1955 – 70)
5. Die menschengerechte Stadt
5.1 Richtungsänderung in der Stadtplanung (1971 – 80)
5.2 Stadtentwicklung von 1980 bis heute
6. Die Zukunft der Straßengestaltung und ihre Folgen für die Stadtplanung
7. Quellenverzeichnis
7.1 Literaturverzeichnis
7.2 Abbildungsverzeichnis
1. Definition Straßenraum
„Straßenraum“ ist öffentlicher Raum, den jeder frei nutzen kann. Er setzt sich zusammen aus der Straßenfläche, den Fuß- und Radwegen, sowie großen und kleinen Plätzen.
Er ist öffentlicher Multifunktionsraum, der unterschiedlichsten Anforderungen gerecht werden muss. Der stetig steigende individuelle Mobilitätsanspruch und das damit wachsende Verkehrsaufkommen dominiert die Straßen. Gleichzeitig übernimmt der Straßenraum jedoch auch Funktionen wie Versorgung, Repräsentation und Kommunikation. Straßen stellen also nicht nur räumliche, sondern auch soziale Verbindungen her, indem sie die Menschen zusammen bringen und einen alltäglichen Lebensraum bieten.
1.1 Straße
Der Begriff „Straße“ ist eine allgemeine Bezeichnung für Verkehrswege, über die auch Kraftfahrzeuge fahren können. So sagt eine Definition aus dem „Wörterbuch Allgemeine Geographie“:
„Straße: (...) im engeren Sinn ein befestigter und unterhaltener Landesverkehrsweg für den Straßenverkehr, insbesondere den Kraftfahrzeugverkehr. Ein Verkehrsweg gilt vor allem dann als Straße, wenn er ganzjährig und weitgehend witterungsunabhängig auch für größere Fahrzeuge befahrbar ist. Je nach der Verkehrsbedeutung und der Regelung der Straßenbaulast unterscheidet man die verschiedenen Arten der klassifizierten Straßen, die in modernen Industriestaaten jeweils eigene Straßennetze bilden. Nach ihrer Funktion kann man die Straße differenzieren z.B. nach Wohn-, Geschäfts-, Hauptverkehrs-, Kraftfahrzeug-, Land- und Innerortsstraße und Autobahnen, nach ihrer Lage gibt es z.B. Berg-, Paß-, Küsten-, Uferstraßen usw. (...)“ (LESER et al. 1997: 840)
An dieser Definition von 1997 lässt sich erkennen, dass die Straße wie anfangs beschrieben ihre Funktion als Aufenthaltsort und Treffpunkt verloren hat und mehr und mehr auf den motorisierten Verkehr ausgerichtet ist. Das Wörterbuch sagt mit keinem Wort etwas über die Nutzung des unmotorisierten Verkehrs, nichts über die Gefahr für Kinder oder alte Menschen, die von der Straße ausgeht, nichts über die große Menge an Straßen, die die Landschaft überall zerschneiden und die Umwelt zerstören.
1.2 Fußwege und Radwege
Fuß- und Radwege sind kleinere Verkehrswege, auf denen der Kraftfahrzeugverkehr verboten ist. Meist treten diese Wege begleitend von Straßen auf. Diese räumliche Trennung der langsamen und der schnellen Verkehrsteilnehmer soll die Verkehrssicherheit gewährleisten. Häufig führt sie aber auch dazu, dass gar kein oder nur ein sehr geringer Teil des gesamten Verkehrsweges als Fuß- und/ oder Radweg definiert ist und dadurch die Nutzung für die langsamen Verkehrsteilnehmer als ungemütlich und sogar gefährlich empfunden wird.
Je breiter ein Verkehrsweg ist und je schneller der Verkehr auf ihm abläuft, desto deutlicher ist die Trennung von Straße, Fuß- und Radweg ausgeprägt und desto mehr Platz wird dem motorisierten Verkehr eingeräumt. In Wohnstraßen mit einem Tempolimit von 30 km/h wird teilweise gar keine Unterscheidung gemacht oder der Fußweg wird durch einen Materialwechsel im Bodenbelag verdeutlicht. Städtische Hauptstraßen mit einem Tempolimit von 50 km/h haben meist einen erhöhten Bürgersteig und oft einen farblich gekennzeichneten Radweg. Auf größeren Stadtstraßen wird der Fuß- und Radweg dann sogar durch bauliche Barrieren abgeteilt, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Diese Straßen sehen häufig mehrere Spuren für den motorisierten Verkehr vor, in großen Städten führen zudem die Straßenbahnschienen über die Straße, so dass die Straße sehr breit wird. Außerorts gibt es Landstraßen, an denen teilweise baulich getrennte Radwege entlang führen, während eine Nutzung durch Fußgänger meist gar nicht vorgesehen ist. Autobahnen treiben diese Tendenz auf die Spitze. In Deutschland gilt auf ihnen in der Regel kein Tempolimit für den motorisierten Verkehr, Fußgängern und Radfahrern ist ihre Benutzung untersagt.
Andererseits gibt es aber auch Wege, auf denen der Kraftfahrzeugverkehr verboten ist. Hierbei handelt es sich in erster Linie um Wald- und Wanderwege sowie Radwanderwege. Diese Wege sind ausschließlich dem unmotorisierten Verkehr und land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen vorbehalten und dienen der Erholung und sportlichen Betätigung.
In den Innenstädten sind häufig Fußgängerzonen ausgewiesen, aus denen ebenfalls der motorisierte Verkehr und meist auch Fahrräder ausgeschlossen werden. Diese Zonen sind die einzigen Bereiche in heutigen Städten – abgesehen von verkehrsberuhigten Wohnstraßen (z.B. Spielstraßen) – , in denen der Straßenraum wieder als Aufenthaltsort und Treffpunkt genutzt wird.
1.3 Plätze
Auch Stadtplätze sind Teil des öffentlichen Straßenraums. Einige Plätze sind mit Einführung des Automobils dem Straßenbau zum Opfer gefallen. So wurde zum Beispiel der Waterloo Platz in Hannover zur Hälfte mit einer großen Straße überbaut und der Alexanderplatz in Berlin war schon Mitte der 30er Jahre der verkehrsreichste Platz Berlins. Viele andere Plätze sind aber auch erhalten geblieben und sind heute größtenteils verkehrsfreie oder -beruhigte Bereiche. Diese Orte werden häufig als Markt- oder Festplätze genutzt, während kleinere Plätze als Treffpunkte für Kinder und Jugendliche dienen. Teilweise werden sie als Spielplätze genutzt, mit Parkbänken ausgestattet und ansprechend begrünt.
Der Straßenraum ist vor allem in Städten ein sehr prägendes Element, da er – abgesehen von einigen wenigen Grünanlagen und Parks – nahezu den gesamten öffentlichen Freiraum ausmacht. Aus diesem Grund behandelt diese Arbeit schwerpunktmäßig die Bedeutung des Straßenraums in der Stadt und deren Veränderungen im Laufe der Geschichte. Des Weiteren bezieht sich der Text mit Beginn des Städtebaus in Deutschland im Mittelalter nur noch auf deutsche Städte, da eine weltweite Betrachtung den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde.
2.1 Die Stadt im antiken Griechenland
Im antiken Griechenland (3./4. Jhd. v. Chr.) war der Straßenraum fester Bestandteil des alltäglichen Lebens. Selbstverständlich erfüllten Straßen auch damals schon in erster Linie die Funktion des Verbindungsweges. Immerhin waren die Griechen die Ersten, die ein regelmäßiges Straßennetz, aufgeteilt in Haupt- und Nebenstraßen, aufgebaut haben (LÄSSIG et al. 1968: 10). Durch den geringen Verkehr diente der Straßenraum jedoch hauptsächlich als Marktplatz (Agora) und Bühne für Schauspiele, Sänger und Geschichtenerzähler. Nicht zuletzt war die Straße der Ort der Begegnung und Kommunikation, hier wurden alle wichtigen Neuigkeiten ausgetauscht. An Feiertagen trug man seine beste Kleidung und zeigte sich auf den Straßen, um bewundert zu werden und den neusten Tratsch und Klatsch über die Nachbarn zu erfahren.
2.2 Die Bedeutung der Straße im alten Rom
Im römischen Weltreich wurde ein ganzes System fest ausgebauter Straßen angelegt, das alle Städte des Reiches miteinander verband. Auch in den Städten gab es genau geplante Straßensysteme. Häufig wurde die Stadt durch zwei sich im rechten Winkel kreuzende Straßen aufgeteilt. Außer- dem gab es sogenannte Säulenstraßen, deren Seiten von Säulen gesäumt wurden, hinter denen sich Läden befanden (LÄSSIG et al.: 1968: 10). Da das Stadtgebiet Roms relativ klein war und zur Kaiserzeit von etwa 700.000 bis 1 Mio. Menschen bevölkert wurde, waren auch die Straßen überfüllt, so dass tagsüber ein Fahrverbot für Fuhrwerke herrschte. Auf den Straßen drängten sich nicht nur die vielen Passanten, sie wurden zusätzlich von den Ständen fliegender Händler, den Tischen der Wirtschaften und von vielen Tragetieren verstopft. Der Situation auf der Straße war dementsprechend unangenehm, laut und schmutzig. Nachts, wenn das Fahrverbot aufgehoben war, kam es durch die vielen Fuhrwerke zu langen Staus, die von den lauten Flüchen und Peitschenknallen der Kutscher begleitet wurden (ZWACK). Die hygienischen Verhältnisse waren im Vergleich zum Mittelalter zwar noch recht gut, aber dass Nachttöpfe auf der Straße ausgeleert wurden, war keine Seltenheit. Die schlechte Luft über Rom rührte allerdings hauptsächlich von den „Abdeckereien, Färbereien, Gerbereien oder Tuchwalkereien und den zur Leichenverbrennung errichteten Scheiterhaufen“ her, die bei Windstille zu einer regelrechten Smog-Glocke über der Stadt führten (ZWACK).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Die Ruinen der gepflasterten Via Appia
In Rom waren ein Drittel der Tage im Jahr offizielle Feiertage, an denen auf den Straßen Feste gefeiert wurden. Zum Beispiel das Forum Romanum, das ursprünglich als Marktplatz gebaut worden war, wurde zum Zentrum des gesamten öffentlichen Lebens. Hier fanden Prozesse, Wahlen sowie religiöse und weltliche Zeremonien statt, bei denen aus dem Markt eine Art Stadion wurde (HINTERMANN & YANAY).
2.3 Die Stadt im Mittelalter
Im Mittelalter sind die mühsam errichteten Straßen der Römer, die sich durch das gesamte römische Reich zogen, vernachlässigt worden und zerfielen allmählich. In den mittelalterlichen Städten gab es zumeist ein sehr unregelmäßiges Straßennetz mit schmalen Straßen und Gassen, an denen sich die Häuser einfacher Bürger aneinander reihten (LÄSSIG et al 1968: 10 f.). Diese waren bis ins 15. Jhd. zumeist nicht gepflastert, nur die öffentlichen Plätze und die Gassen der reicheren Bewohner hatten einfache Beläge. Die mittelalterlichen Städte waren meist sehr überfüllt, bedingt durch ein starkes Bevölkerungswachstum zwischen dem 11. und der Mitte des 14. Jahrhunderts und durch eine verstärkte Landflucht. Zu dieser Zeit war der öffentliche Brunnen der Mittelpunkt des Geschehens. Hier wurde nicht nur das alltäglich benötigte Wasser geholt, sondern es wurden auch alle wissenswerten Informationen ausgetauscht. Auch der Marktplatz war ein beliebter Treffpunkt, auf dem der Handel abgewickelt wurde und auch sonstige Besorgungen gemacht werden konnten. So fanden zum Beispiel medizinische Behandlungen in der Öffentlichkeit auf dem Marktplatz statt (LANDKREIS DARMSTADT-DIEBURG: 1).
In den Städten des Mittelalters waren die Straßen besonders schmutzig und unhygienisch. Es gab keine Aborte oder Latrinen, so dass die Nachttöpfe direkt auf die Straße entleert wurden. Ebenso wurden alle Abfälle, von den Küchenabfällen über die Knochenreste der Metzger bis hin zum benutzten Verbandszeug der Ärzte, auf der Straße entsorgt. Dazu kam noch das frei umherlaufende Vieh wie Schweine und Hühner, das in den Abfällen herumstöberte und diese fraß und durch seine Ausscheidungen zusätzlich die Straßen drängten sich nicht nur die vielen Passanten, sie wurden zusätzlich von den Ständen fliegender Händler, den Tischen der Wirtschaften und von vielen Tragetieren verstopft.
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- Diplom-Ingenieur Linda Liebl (Author), 2006, Straßenraum im gesellschaftlichen Wandel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122070
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