In der vorliegenden Arbeit wird die explizit kulturwissenschaftliche Dimension der Religionswissenschaft hinsichtlich ihres Gegenstandes, aber auch ihrer Methodik vorgestellt. Dabei wird wesentlich auf den gesellschaftlichen und wissenschaftsinternen Wandel eingegangen, der diese Neuorientierung der Religionswissehschaft stetig vorantreibt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Religion und Religionswissenschaft
2. Der veränderte Gegenstand des Fachs
2.1 Grundlagen einer kulturwissenschaftlichen Religionswissenschaft nach Gladigow
2.2 Forschungsperspektiven: Die Marktsituation der Sinnangebote
Fazit
Literaturverzeichnis
1. Primärliteratur
Quellen
Lexika, Hilfsliteratur
2. Sekundärliteratur
Einleitung
Die jüngere Entwicklung der Religionswissenschaft – im Folgenden als „RW“ bezeichnet - hat eine deutliche Orientierung hin zu einer stark empirisch ausgerichteten Kulturwissenschaft gezeigt[1]. Dabei erschöpft das moderne methodische oder methodologische Selbstverständnis die Umstände und Konsequenzen einer solchen Wende keineswegs, hat sich doch auch der Gegenstandsbereich der Disziplin modifiziert und – wie gezeigt werden wird - sogar erweitert.
Anhand einiger Charakterisierungen von Religion und der RW soll unter 1. zunächst die entsprechende kulturwissenschaftliche Einordnung der Disziplin plausibel werden. Ausgehend davon gehe ich unter Punkt 2 konkret auf den veränderten Gegenstandsbereich ein und zeige beispielhaft unter Zuhilfenahme von Gladigows „Gegenstände und wissenschaftlicher Kontext von Religionswissenschaft“ bzw. „Europäische Religionsgeschichte“ und Bourdieus „Die Auflösung des Religiösen“ zwei für eine kulturwissenschaftliche RW wesentliche Umstände auf: zum einen eine durch die funktionale gesellschaftliche Differenzierung[2] veränderte Empirie in Form von etlichen, miteinander konkurrierenden (religiösen) Sinnangeboten[3] und Heilsgütern[4], zum anderen – gleichsam als theoretische Rezeption dieses Umstands - ein neuen Parametern folgendes wissenschaftliches Erkenntnisinteresse.
Vertieften theoretischen Aspekten dieser Wandlung kann ich aus Platzgründen hier nicht nachgehen. Es soll unter 2.1 allein auf einen veränderten wissenschaftlichen Blickwinkel hingewiesen und parallel dazu unter 2.2 aufgezeigt werden, dass auf einem „religiösen Feld“[5] heute etliche Akteure agieren. Ein abschließendes Fazit soll darauf hindeuten, dass in letzter Konsequenz damit die RW vor schwierigen Aufgaben – nämlich der Untersuchung von nicht eindeutig als religiös identifizierbaren oder dem „religiösen Bereich“ zuzuordnenden Phänomenen - steht.
1. Religion und Religionswissenschaft
Günter Kehrer beschreibt in dem Eintrag „Definitionen der Religion“ im Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe (HrwG), dass sich innerhalb der postphänomenologischen RW ein Religionsbegriff durchgesetzt habe, der Religion als ausschließlich kulturelle, d.h. von Menschen geschaffene Erscheinung verstehe, welche sich systematisch nicht von anderen soziokulturellen Bereichen unterscheide.[6] Eine ähnliche Vorstellung vertritt schon Clifford Geertz in seiner Definition von Religion als einem nachhaltig kulturell wirkenden Symbolsystem.[7] Was die RW anbelangt, so entwirft Horst Junginger im Metzler Lexikon Religion (MLR) ein Bild von einer Disziplin, die in einem globalen, postmodernen Kontext eine immer größere gesellschaftspolitische Dimension bekomme, weil sie sich – in einem wissenschaftlich-objektiven Diskurs - mit kulturellen Bereichen wie Migration, Religion im Cyberspace, Esoterik, New-Age-Religionen etc. beschäftige.[8] Darüber hinaus verweist Hans G. Kippenberg in der „Einführung in die Religionswissenschaft“ darauf, dass die heutige universitäre Disziplin immer mehr aus einem theologischen Fächerkanon ausgegliedert, und Übergänge zu kulturwissenschaftlichen Fakultäten geschaffen würden.[9]
2. Der veränderte Gegenstand des Fachs
Im Folgenden werden zunächst theoretische Grundlagen einer modernen RW, und unter 2.2 deren konkrete Relevanz in Bezug auf die Marktsituation der religiösen Sinnangebote aufgezeigt.
2.1 Grundlagen einer kulturwissenschaftlichen Religionswissenschaft nach Gladigow
Woran lässt sich eine kulturwissenschaftliche Orientierung konkret ablesen? Zunächst distanziert sich die Religionswissenschaft heute klar von noch bis in die Mitte des 20.Jahrhunderts auf das Wesen und den Wahrheitsgehalt von Religion bzw. Religionen abzielenden theoretischen Fragen und, wie Gladigow es ausdrückt, dem „Erkenntniswettbewerb von Religionswissenschaftler und `religiösem Subjekt´“[10] Eigens religiös produktive „Optionen auf Religion“[11] werden vermieden, ein semiotisch orientiertes Verständnis von Religion als Wirklichkeit konstituierendes „Kommunikations-, Deutungs- und Symbolsystem“[12] mit einem spezifischen Vorrat an Zeichen bestimmt die Forschung. Der religionswissenschaftliche Untersuchungsgegenstand ist nunmehr rein empirisch gegeben.[13] Indem das Erkenntnisinteresse aber nicht mehr auf einen dem Diesseitigen transzendenten, mehr oder weniger klar abgegrenzten Bereich, sondern rein auf das Empirische zielt, wird eine komplexe und zum Teil widersprüchliche Realität in den Mittelpunkt religionswissenschaftlicher Forschung gerückt. Man könnte also von einer - erkenntnistheoretisch bedingten - neuen Perspektive, die gleichsam ihren Gegenstand neu schafft, sprechen.
[...]
[1] Gladigow 1998: 32
[2] Gladigow 1995: 26
[3] Ebd.: 28 ff.
[4] Bourdieu 1982: 232
[5] Ebd.: 231
[6] Kehrer 1998: 424 ff.
[7] Geertz 1973: 90 ff.
[8] Junginger 2000: 185
[9] Kippenberg 2003: 19
[10] Gladigow 1998: 26
[11] Ebd.: 26 ff.
[12] Ebd.: 32
[13] Ebd.: 32
- Quote paper
- Philipp Einhäuser (Author), 2007, Religionswissenschaft als Kulturwissenschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121895
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