Von Interesse ist der Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und dem Geschlechterverhältnis in Bezug auf die Herstellung und Verfügbarkeit von Raum. Dazu soll im ersten Teil der Arbeit zunächst mit dem Begriff des Raumes eine Grundlage geschaffen werden. Dies geschieht mittels zweier Konzepte, die herausarbeiten, dass Raum sozial hergestellt ist. Im Mittelpunkt der Vertiefung stehen dabei Prozesse der Wahrnehmung, Bewertung und Synthese. Es wird sich zeigen, dass Raum relational ist, also von den Akteuren hergestellt wird, aber auch, dass er gleichzeitig die Akteure in ihrem Handeln beeinflusst. Darüber hinaus zeigen die Ausführungen eine weitere Besonderheit, nämlich die geschlechtsspezifische Konstitution und Konstruktion von Raum. Die Geschlechter erzeugen über jeweils eigene, entsprechend relevante Aspekte Raum und haben damit auch (tendenziell) verschiedene Beziehungen zu Raum. Aus dieser verschiedenen Aneignung von Raum resultieren unterschiedliche Konsequenzen für die sozialen Handlungen innerhalb der Räume. Am Beispiel des Angstraumes soll ein Fall der Aneignung öffentlicher Räume durch Frauen aufgezeigt werden. Hierzu wird es nötig sein einen kurzen Abriss der Sozialgeschichte des öffentlichen (Angst)Raumes zu geben. Anschließend folgt noch ein kurzer Abschnitt der sich dem Paradox der zu erwartenden Sicherheit widmet.
Es schließt sich der zweite Teil mit dem Kapitel über die Auseinandersetzung von Raum und sozialer Ungleichheit an, welches in diesem Zusammenhang den Begriff der Macht im Fokus haben wird. Hier werden wiederrum zwei Analysekonzepte vorgestellt um zum einen die Dimensionen sozialer Ungleichheit zu fassen und um zum anderen zu erfassen, wie Macht das Zusammenspiel von Raum und Geschlecht durchdringt. Ergänzt werden diese Ausführungen durch empirische Belege aus den Bereichen der Nutzung des öffentlichen Raumes sowie dem Berufsfeld der Architektinnen und Planerinnen, welche sich in einer exponierten Stellung befinden.
Im dritten Teil beschäftigt sich Kapitel 5 schließlich mit zwei Auswirkungen geschlechtsspezifischer Chancen der Nutzung von (Stadt)Raum anhand der Phänomene der historisch entstandenen Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit und deren geschlechtsspezifischer Zuordnung, sowie letztens des ambivalenten Prozesses der Gentrifizierung.
Gliederung
1. Einleitung
2. Erarbeitung eines Konzepts von Raum
2.1 Einleitende Gedanken zum Begriff des ‚Raumes’
2.2 Zwei Handlungstheoretische Raumbegriffe
2.2.1 Spacing und Syntheseleistung
2.2.2 Konstitution und Konstruktion
2.3 Geschlechtsspezifische Herstellung von Raum
3. Konsequenzen der verschiedentlichen Wahrnehmung von (Stadt-)Raum für die Nutzung und Aneignung von (Stadt-)Raum
3.1 Sozialgeschichte des öffentlichen ‚(Angst)Raumes’
3.2 Das Paradox der erwarteten und tatsächlichen (Un)Sicherheit
4. Raum und soziale Ungleichheit
4.1 Analyse der (Macht-)Asymmetrie
4.2 Vier Dimensionen sozialer Ungleichheit
4.3 Vier Dimensionen der Analyse des Wirkungsgefüges Raum-Macht-Geschlecht
4.4 Empirische Belege für die Nutzung von Raum unter ausschließlicher Berücksichtigung der Genusgruppe Frau
4.4.1 Nutzung des öffentlichen Raumes
4.4.2 Die besondere Stellung von Architektinnen und Planerinnen
5. Auswirkungen geschlechtsspezifischer Chancen der Nutzung von (Stadt-)Raum
5.1 Die Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit als geschlechtsspezifisch zugeordnete Sphären
5.2 Die sozialräumliche Aufwertung der innenstadtnahen Wohnviertel als Prozess mit ambivalentem Charakter
6. Zusammenfassung
7. Bibliographie
1. Einleitung
Diese Arbeit steht im Kontext des Seminars „Metropolitane Stadtgesellschaften“ und beschäftigt sich mit einem Teilaspekt des Themenspektrums. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Problematik von Raum und sozialer Ungleichheit. Aber auch aus diesem weiten Feld wird nur ein Teilsaspekt herausgegriffen. Von Interesse ist der Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und dem Geschlechterverhältnis in Bezug auf die Herstellung und Verfügbarkeit von Raum. Dazu soll im ersten Teil der Arbeit zunächst mit dem Begriff des Raumes eine Grundlage geschaffen werden. Dies geschieht mittels zweier Konzepte, die herausarbeiten, dass Raum sozial hergestellt ist. Im Mittelpunkt der Vertiefung stehen dabei Prozesse der Wahrnehmung, Bewertung und Synthese. Es wird sich zeigen, dass Raum relational ist, also von den Akteuren hergestellt wird, aber auch, dass er gleichzeitig die Akteure in ihrem Handeln beeinflusst. Darüber hinaus zeigen die Ausführungen eine weitere Besonderheit, nämlich die geschlechtsspezifische Konstitution und Konstruktion von Raum. Die Geschlechter erzeugen über jeweils eigene, entsprechend relevante Aspekte Raum und haben damit auch (tendenziell) verschiedene Beziehungen zu Raum. Aus dieser verschiedenen Aneignung von Raum resultieren unterschiedliche Konsequenzen für die sozialen Handlungen innerhalb der Räume. Am Beispiel des Angstraumes soll ein Fall der Aneignung öffentlicher Räume durch Frauen aufgezeigt werden. Hierzu wird es nötig sein einen kurzen Abriss der Sozialgeschichte des öffentlichen (Angst)Raumes zu geben. Anschließend folgt noch ein kurzer Abschnitt der sich dem Paradox der zu erwartenden Sicherheit widmet.
Es schließt sich der zweite Teil mit dem Kapitel über die Auseinandersetzung von Raum und sozialer Ungleichheit an, welches in diesem Zusammenhang den Begriff der Macht im Fokus haben wird. Hier werden wiederrum zwei Analysekonzepte vorgestellt um zum einen die Dimensionen sozialer Ungleichheit zu fassen und um zum anderen zu erfassen, wie Macht das Zusammenspiel von Raum und Geschlecht durchdringt. Ergänzt werden diese Ausführungen durch empirische Belege aus den Bereichen der Nutzung des öffentlichen Raumes sowie dem Berufsfeld der Architektinnen und Planerinnen, welche sich in einer exponierten Stellung befinden.
Im dritten Teil beschäftigt sich Kapitel 5 schließlich mit zwei Auswirkungen geschlechtsspezifischer Chancen der Nutzung von (Stadt)Raum anhand der Phänomene der historisch entstandenen Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit und deren geschlechtsspezifischer Zuordnung, sowie letztens des ambivalenten Prozesses der Gentrifizierung.
2. Erarbeitung eines Konzepts von Raum
2.1 Einleitende Gedanken zum Begriff des ‚Raumes’
Bevor geklärt wird, was mit Raum im Kontext dieser Arbeit gemeint sein soll, wird an dieser Stelle zunächst eine Abgrenzung vorgenommen. Die Möglichkeit ein euklidisches Verständnis des Raumes in seiner Ausdehnung nach Höhe, Breite und Tiefe anzunehmen, wäre sehr ungenügend, um zweierlei Prozesse im Zusammenhang mit Raum zu erkennen und zu beschreiben. An erster Stelle, wie weiter unten noch ausgeführt werden soll, steht die Erkenntnis, dass Raum nicht a priori existiert, sondern als ein solcher, je spezifischer, erst hergestellt werden muss. Hieran schließen sich zweitens Prozesse an, die als soziale Handlungen innerhalb des hergestellten Raumes in ihrer Struktur und ihrer Funktion analysiert werden können. Diese zwei Erkenntniszweige wären nicht erkenn- und erklärbar, setzte man ein Verständnis von Raum als „Behälter“ voraus. Wenn Raum als Behälter für Handlungen konzipiert werden würde, stellt sich nach Löw das Problem, dass „dadurch Raum und Handeln analytisch getrennt werden anstelle die Konstitution von Räumen selbst als Prozeß (sic!) zu fassen.“ (Löw 1999: 16). Genau dieser Dualität der sozialen Strukturierung von Raum durch seine Akteure und der gleichzeitigen Strukturierung von Gesellschaft durch den hergestellten Raum soll nachgegangen werden. Anders formuliert ist Raum „zeitgleich eine Kollektion von Dingen und Objekten sowie von Werkzeugen und Werkzeuggebrauch. Er ist das, was Handeln möglich macht und Feld der Handlung selbst.“ (Löw et. al 2008: 54).
Ein anderer Aspekt von Raum, welcher noch im Verlauf der Arbeit von Relevanz sein wird, ist die Differenzierung von sozialem Raum in eine vertikale und eine horizontale Ebene (ebd.: 46). Mit horizontal ist die Unterscheidung nach Gruppen (z.B. Frauen und Männer) gemeint, mit vertikal die Unterscheidung nach Positionen (z.B. AngestellteR/VorgesetzteR) (ebd.). Beiden Varianten gleich ist das Moment der Hierarchie, welches besonders im Spannungsfeld zwischen den Genusgruppen im Kontext dieser Arbeit noch an Bedeutung gewinnen wird. Der Grundstein für eine Auseinandersetzung mit dem Begriff des ‚Raumes’ ist somit gelegt und soll im Folgenden erweitert und spezifiziert werden.
2.2 Zwei Handlungstheoretische Raumbegriffe
Im Einleitenden Abschnitt wurde schon angedeutet, dass dieser Arbeit ein handlungstheoretisches sowie sozialkonstruktivistisches Verständnis von Raum zugrunde liegt. Dies wird nun unter zu Hilfenahme zweier Konzeptionen vertieft.
2.2.1 Spacing und Syntheseleistung
Das erste Konzept geht auf Löw (2001) zurück und besteht im wesentlichen aus zwei mit einander Verwobenen Bestandteilen, die eine scharfe Analyse von Raum und seiner Herstellung zulassen. Den ersten Teil nennt sie Spacing, den zweiten Syntheseleistung. Beide Begriffe bedürfen einer genaueren Erläuterung. Voraussetzung für ihr Konzept ist zunächst die Betrachtung von Raum als eine „relationale (An)Ordnung sozialer Güter und Menschen“ (ebd.: 158; Hervorheb. v. Verf.). Diese Objekte müssen von den Menschen erstens aktiv sinnhaft verknüpft werden und zweitens unter bestimmten Bedingungen platziert worden sein. Das Platzieren oder Positionieren nennt Löw Spacing und meint damit alle Vorgänge der Positionierung eines Objektes in Relation zu anderen Objekten. Beispielhaft sei das Aufstellen einer interessierten Zuschauerschar vor einem auftretendem Straßenkünstler genannt. Es soll jedoch kein statisches Verständnis von Spacing herausgestellt werden, denn es meint auch gleichzeitig eine Bewegung hin zu einer neuen Positionierung.
Damit aber Raum überhaupt konstituiert werden kann, bedarf es einer weiteren sehr wesentlichen Komponente innerhalb dieses Raumkonzepts. Gemeint ist die Syntheseleistung welche die Wahrnehmung, das Vorstellen und auch das Erinnern zur Grundlage hat. Nur über diese drei kognitiven Zustände können soziale Güter und Menschen in einem synchron verlaufenden Vorgang zu Räumen zusammengefasst werden.
„Dieser Aspekt der Raumkonstitution, die Syntheseleistung, ermöglicht es, daß (sic!) Ensembles, sozialer Güter oder Menschen wie ein Element wahrgenommen, erinnert oder abstrahiert werden, und dementsprechend als ein >>Baustein << in die Konstruktion von Raum einbezogen werden.“ (ebd.: 159; Hervorheb. v. Verf.).
Allerdings entstehen Spacing und Syntheseleistung nicht aus einer Leere heraus, sondern gehen auch bereits auf Strukturen zurück. Löw beschäftigt sich dazu mit dem repetitiven Alltag im Hinblick auf sein Setting. Voraussetzung ist hierzu zunächst die Annahme, dass Menschen in ihrem täglichem Dasein routiniert handeln, also nicht jeden Tag aufs Neue darüber nachdenken müssen, welchen Zug sie z.B. nehmen müssen um nach Hause zu gelangen. Um dies noch genauer zu verstehen, greift sie auf Giddens und seine Unterscheidung zwischen diskursivem und praktischen Bewusstsein zurück (ebd.: 161). Damit lässt sich zeigen, dass Menschen zwar auf Handlungsroutinen zurückgreifen, aber auch ebenso ein praktisches Bewusstsein in petto haben, welches ihnen, wenn nötig, eine Handlungsalternative zur Verfügung stellt. Das praktische Bewusstsein wird durch das diskursive Bewusstsein ergänzt und ermöglicht somit die Reflexion einer bewusstgemachten Routine. Nach Löw sind Menschen damit in der Lage Einfluss auf ihr Handeln zu nehmen oder Handlungsentscheidungen zu begründen und zu erläutern.
Ein wichtiger letzter Punkt ist die Konsequenz aus den repetitiven Handlungen. Denn erst dauerhaft routinisiert ablaufende Handlungen erschaffen gesellschaftliche Institutionen. Der wesentliche Punkt ist ihre permanente Reproduktion in den alltäglichen Handlungen. Löw fasst dies folgendermaßen zusammen: „Institutionalisierte Räume sind demnach jene, bei denen die (An)Ordnung über das eigene Handeln hinaus wirksam bleibt und genormte Syntheseleistung und Spacing nach sich zieht.“ (ebd.: 164).
2.2.2 Konstitution und Konstruktion
Das zweite Raumkonzept welches in diese Arbeit eingebracht werden soll geht auf Renate Ruhne (2003) zurück. Ruhne stellt sich in ihrem Konzept zwei Fragen: 1.) Ob und wie sich soziale Strukturen als räumliche niederschlagen und 2.) Wie räumliche Strukturen und ihre Wahrnehmung umgekehrt wiederum soziales Handeln prägen (Ruhne 2003: 65). Ihre Überlegungen deuten also ebenfalls auf einen relationalen Raumbegriff hin. Im Mittelpunkt steht hier jedoch die Wahrnehmung von Raum und die Einordnung von relevanten Informationen in bereits bestehende Vorstellungsstrukturen (vgl. ebd.: 67). Raum ist unter dieser phänomenologischen Perspektive nicht einfach schon gegeben und „unabhängig von sozialen Prozessen […], sondern auch die Materialität des Raumes erklärt sich immer nur in Relation [zum] sozialen Kontext“ (ebd.). Ruhne geht hierbei explizit auf Bourdieu zurück, der bereits eine Aufteilung des Raumes in soziale und materielle Aspekte vorschlägt (vgl. ebd.: 69). Kritisch wird allerdings angemerkt, dass Bourdieu den physischen Raum in seiner Konzeption stark vernachlässigt und somit die für Ruhne so relevanten „Wechselwirkungen zwischen material-räumlichen Strukturen und sozialen Beziehungen […] nicht in vollem Umfang berücksichtigt“ (ebd.: 69).
Raum erfährt nun also in diesem Konzept eine sehr spezielle Bedeutung, die sich von einem Verständnis von Raum als einem Behälter ganz ausdrücklich distanziert und dafür das prozesshafte und relationale hervorhebt, welches Raum als soziale Konstruktion charakterisiert. Dieses prozesshafte und relationale, welches in gesellschaftlichen Prozessen entsteht (konstituiert wird) ist gleichzeitig vollkommen mit ihnen verknüpft.
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- Arbeit zitieren
- Ronny Steinbrück (Autor:in), 2008, Raum und soziale Ungleichheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121889
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